Berufsbezogenes Studieren – im Spannungsfeld von gesellschaftlichem „Sollen", studentischem „Wollen“ und universitärem „Können“


Diplomarbeit, 2000

159 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

I. Einleitung
I.1 Forschungsstand
I.2 Funktion und Bedeutung der Erwerbsarbeit für das Subjekt
I.3 Berufsbezogenes Studieren
I.4 Studierende und ihre Umwelt
I.5 Das Modell des Radikalen Konstruktivismus

II. Gesellschaftliches „Sollen“
II.1 Das Tätigkeitsfeld Sport
II.1.1 Systematisierung
II.1.1.1 Tätigkeitsstatus und Beschäftigungsformen
II.1.1.2 Ausbildungsträger
II.1.1.3 Qualifikationsanforderungen
II.2 Arbeitsmarktentwicklungen
II.3 Wirtschaftliche Entwicklungen
II.4 Gesellschaftliche Entwicklungen
II.4.1 Auswirkungen auf die Anforderungsstruktur
II.5 Zusammenfassung

III. Studentisches „Wollen“
III.1 Methodik
III.1.1 Qualitative Forschung
III.2 Untersuchungsdesign
III.2.1 Wahl der Untersuchungsgruppe
III.2.2 Untersuchungsdurchführung
III.3 Datenauswertung
III.4 Ergebnisse
III.4.1 Wahl des Studienschwerpunktes
III.4.2 Berufsvorstellungen
III.4.3 Entwicklung der Berufsvorstellungen
III.4.4 Probleme der Berufsverwirklichung
III.4.5 Aktivitäten zur Vorbereitung des Berufseinstiegs

IV. Universitäres „Können“
IV.1 Schlüsselqualifikationen
IV.2 Kognitionspsychologische Ansätze
IV.2.1 Anchored Instruction-Ansatz
IV.2.2 Cognitive Apprenticeship-Ansatz
IV.2.3 Cognitive Flexibility-Ansatz
IV.4 Didaktische Folgerungen
IV.5 Zusammenfassung
IV.6 Möglichkeiten des Diplomstudiengangs Sportwissenschaft

V. Kritik und Ausblick

VI. Literaturverzeichnis

Anhang

Vorwort

Das Interesse zum vorliegenden Thema entsprang meiner Tätigkeit als Tutor in der Studienbe­ratung, in deren Rahmen ich Ansprechpartner für unterschiedliche Problematiken, Meinungen und Äußerungen Studierender war.

Vor Aufnahme des Studiums bezogen sich viele Fragen in den Beratungsgesprächen auf Be­rufsmöglichkeiten und Tätigkeitsperspektiven des Studiums. Im Verlauf dieser Gespräche verfestigte sich bei mir der Eindruck, dass die Entscheidung zur Aufnahme des Studiums auf einer „emotionalen Ebene“ eigentlich schon getroffen wurde, es aber noch an „rationalen Be­gründungen“ fehlte, um diese Entscheidung vor Dritten (Eltern, Verwandten) rechtfertigen zu können. Die Berufsvorstellungen die zu diesem Zeitpunkt vorherrschten waren eng an „klassische Berufsbilder“ gebunden; Mischeinkommen, parallele Erwerbstätigkeiten aus Teilzeitbeschäftigungen und Projekttätigkeiten waren in den Äußerungen wenig repräsentiert.

Im Verlauf des Grundstudium bezogen sich viele Fragen auf das zu absolvierende Praktikum. Die Fragen bezogen sich hauptsächlich auf Entscheidungshilfen, ob das Praktikum in dem Be­reich absolviert werden soll, welchen man im Hauptstudium wählt oder in dem anderen Be­reich. Damit war erkenntlich, dass die Entscheidung für eine Studienrichtung zu diesem Zeit­punkt schon getroffen wurde. Das Praktikum wurde damit nicht als Orientierungshilfe genutzt, sondern auch hier als Bestätigung für eine bereits getroffene Entscheidung funktionalisiert.

Fast „logisch“ erscheint damit, dass auch die Entscheidung über die Wahl des Studienschwer­punktes am Ende des Grundstudiums weniger von möglichen Berufsaussichten, im Sinne von Anstellungschancen und Verdienstmöglichkeiten beeinflusst wurde, sondern auch hier die persönlichen Bezüge, im Sinne vorhandener positiver Erfahrungen mit dem jeweiligen Bereich, für die Wahl des Studienschwerpunktes maßgeblich zu sein schienen.

In den höheren Semestern stellte ich fest, dass die Vorstellungen Studierender von ihrem spä­teren Tätigkeitsfeld ihre Einstellungen zu vielen Lehrinhalten des Studiums beeinflussen. Durch die emotionale Fokussierung ihrer Vorstellungen auf wenige Berufe, werden die Lehrinhalte, die nicht in direktem Zusammenhang mit diesen Berufsvorstellungen stehen als „Sinn-los“ und „praxisfremd“ - weil nicht ihrem Erwartungshorizont entsprechend - beurteilt.

(Erschwert wird die Situation noch dadurch, dass auch die Vorstellungen der Mitarbeiter über „Berufspraxis“ im Tätigkeitsfeld Sport als sehr heterogen zu bezeichnen sind.)

Aus diesen gesammelten Erfahrungen entsprang der Ansatz der vorliegenden Arbeit, das „reale“ Tätigkeitsfeld Sport mit den „subjektiven Wirklichkeiten“ Studierender über dieses Tätigkeits­feld zu vergleichen. Die vorhandenen Diskrepanzen können als „Wegweiser“ gelten, wo univer­sitäre Ausbildung ansetzen kann, um eine höhere Konsistenz zwischen den Anforderungen des Tätigkeitsfeldes, den Vorstellungen Studierender und ihren eigenen Ansprüchen zu erreichen.

I. Einleitung

Universitäten sind seit dem Mittelalter die zentralen Institutionen des Wissens in unserer Gesellschaft. Seit ihrem Entstehen waren sie aber auch immer mehr als ein bloßes Archiv des Wissens. Sie spiegelten durch ihre enge Verknüpfung zu Politik, Wirtschaft und Kirche die Lebensform einer Gesellschaft wider.

Unsere gegenwärtige Gesellschaft durchläuft einen Wandel von einer spätkapitalistischen In­dustriegesellschaft zu einer globalen Wissensgesellschaft (vgl. Reich 1997; Rifkin 1997; Beck 1999, 2000). Dies trägt dazu bei, dass das Bildungssystem und seine Bildungsträger Schule, Berufsschule und Hochschule neuen Herausforderungen gegenüberstehen. Diesen Wandel und seine Auswirkungen auf die Bildungspolitik eines Staates fasste der ehemalige Bundesprä­sident Roman Herzog im November 1997 mit seiner Rede zum „Megathema Bildung“ zu­sammen. Für den Bereich der Hochschulen konstatierte er darin Forderungen nach mehr Auto­nomie der Hochschulen, nach höherer Praxisorientierung im Studium, nach projektorientiertem und interdisziplinärem Lernen. Ohne dabei einem „Bildungsmaterialismus“ das Wort reden zu wollen, wonach universitäre Ausbildung „nur“ der Berufsausbildung dienen solle, war er der Meinung, dass „Wir (...) es uns nicht mehr leisten (können), jährlich Tausende von hochintel­ligenten Menschen am Arbeitsmarkt vorbei auszubilden“ (DIE ZEIT, 1997 Nr. 46).

Dieser Forderung nachzukommen stellt verschiedene Studiengänge vor große Heraus­forderungen. Universitäten befinden sich derzeit in dem „Dilemma“,

• als Bestandteil des staatlich organisierten Bildungssystems, o.g. Forderungen aus Poli­tik, Wirtschaft und Gesellschaft nachkommen zu sollen,

• dieses vor dem Hintergrund finanzieller und personeller Einschränkungen im Hoch­schulwesen, sowie den historisch gewachsenen Ansprüchen universitärer Ausbildungen stattfinden muss und

• der „Störfaktor Student“ dazukommt, der natürlich eigene Vorstellungen und Motive in das universitäre Spannungsfeld einbringt.

Hinzu kommt, dass es mitunter schwer fällt, den jeweiligen Teilarbeitsmarkt mit seinen An­forderungen konkret zu beschreiben und zu strukturieren. Die Gründe hierfür sind in den volks­wirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Veränderungen mit hohen Ausdifferenzierungs­tendenzen der Beschäftigungsbereiche und -verhältnisse zu sehen.

Diese Arbeit versucht das oben dargestellte Spannungsfeld für den Diplomstudiengang Sport­wissenschaft darzustellen.

Ausgehend von den eben skizzierten Spannungsfeld wird im ersten Teil der vorliegenden Arbeit darzustellen versucht,

1. wie sich die Beschäftigungsstrukturen im „Tätigkeitsfeld Sport“ entwickelt haben, welche Anforderungen sich für die Studienschwerpunkte Prävention / Rehabilitation und Sportmanagement / -ökonomie ergeben,
2. welche Fertigkeiten in einem zukünftigen Arbeitsmarkt aufgrund prognostizierter wirtschaftlicher Entwicklungen benötigt werden,
3. welche gesellschaftlichen Entwicklungen daraus resultieren können und
4. über welche Fähigkeiten Arbeitnehmer verfügen sollten, um künftigen An­forderungen des Arbeitsmarktes gerecht zu werden.

Während im ersten Teil sozusagen die Aussagen „unbeteiligter Dritter“ wiedergegeben werden, also ein relativ „objektives“ Bild gesellschaftlicher Anforderungen an universitäre Berufsausbildung (gesellschaftliches „Sollen“) gezeichnet wird, stehen im zweiten Teil der Arbeit die subjektiven Sichtweisen Studierender (studentisches „Wollen“) des Diplomstu­diengangs Sportwissenschaft im Mittelpunkt.

Es wird hinterfragt,

1. mit welchen beruflichen Zielstellungen Studierende an den Diplomstudiengang Sportwissenschaft herangehen,
2. wie sie diese Vorstellungen entwickelt haben,
3. welche Probleme sie antizipieren und
4. mit welchen Strategien sie ihre Berufsvorstellungen verwirklichen wollen.

Auf Grundlage der Ergebnisse aus dem ersten und dem zweiten Teil der Arbeit, wird im dritten Teil der Arbeit versucht Möglichkeiten universitärer Ausbildung zu skizzieren, mit denen (vor dem Hintergrund eigener eingeschränkter finanzieller und personeller Ressourcen) die Unter­schiede zwischen den Anforderungen des Arbeitsmarktes und den Berufsvorstellungen Stu­dierender angleichen und damit „Berufsbezogenes Studieren“ ermöglichen kann (universitäres „Können“).

Ausgegangen wird dabei vom Begriff der „Schlüsselqualifikationen“ (vgl. Mertens 1974), der kri­tischen Auseinandersetzung mit ihm (vgl. Dörig 1995; Minnameier 1997; Zabeck 1989) und vor dem Hintergrund des Paradigmenwechsels vom objektivistischen zum konstruktivistischen Weltbild, in dessen Zusammenhang auch die „Objektivität des Wissens“ in Frage gestellt wird (vgl. Gerstenmaier/Mandl 1995; Minnameier 1997). In diesem Zusammenhang wird auf die gegen­wärtige Diskussion um universitäre Wissensvermittlung eingegangen. Die Ausführungen ran­ken sich dabei weniger um die jeweiligen fachspezifischen Inhalte - die aufgrund rapide fort­schreitender technischer Entwicklungen und der damit verbundenen immer kürzeren „Halb­wertszeit des Wissens“ (vgl. Eberle 1997) ständig neu bestimmt werden müssten - sondern um Prozessorientierung des Lernens und der Herauslösung des Lernens aus seinem Lernkontext.

Dieser Prozess des Herauslösens ist letztendlich das, was einen Wissenstransfer ermöglicht (vgl. Mandl/Gerstenmaier 2000; Mandl/Friedrich 1992). Wissenstransfer beinhaltet die Möglich­keit den Unterschied zwischen universitärer Theorie und beruflicher Praxis zu verringern, den „Praxisschock“ und ein „Neu-Lernen-Müssen“ im Beruf zu verhindern ohne sich dabei von der Humboldt’schen Idee universitärer Ausbildung als „Vor-Entwurf von Praxis“ (vgl. Buchmann/Kell 1997) zu entfernen.

I.1 Forschungsstand

Aufgrund der komplexen Herangehensweise an die Problemstellung, fällt es schwer Untersu­chungsergebnisse zu finden, die sich der gleichen Problemstellung widmeten. In Abhängigkeit von den Studiengängen und den daraus erwachsenden Berufs- und Tätigkeitsoptionen werden von den Verfassern unterschiedliche Aspekte betont. Da der Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung das Tätigkeitsfeld Sport betrifft, werden Untersuchungen aus anderen Bereichen nur dann erwähnt, wenn sie direkten Bezug zu den hier untersuchten Fragestellungen haben.

So untersuchte Blickle den „ Zusammenhang zwischen Berufsorientierungen, Motiven und grundlegenden Persönlichkeitsmerkmalen “ (Blickle 1995). Er untersuchte den Zusammenhang zwischen Berufsorientierungen (Karriere – Freizeit – alternatives Engagement) mit Leistungs-, Macht- und Anschlussmotiv einerseits und den Faktoren der Persönlichkeit (Neurotizismus, Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Offenheit für Erfahrung) andererseits. Sieverding (1992) befasste sich mit den Berufskonzepten von Medizinstudierenden. Auf Grund­lage der Selbstkonzept-Theorie untersuchte sie die Bedeutung subjektiver Berufskonzepte bei Studierenden der Medizin unter besonderer Berücksichtigung weiblicher Karrierekonzepte und deren Verwirklichung im Krankenhaus-Alltag. Buck-Bechler (1995) untersuchte das Studien­wahlverhalten, die gewählten Studienstrategien und erwarteten Studienbedingungen von Studi­enanfängern in den neuen Bundesländern. Ein Ergebnis war, dass die meistgenannte Studien­motivationen die „Eröffnung besserer Arbeitsmarktchancen durch den Hochschulabschluss“ ist.

Mit Zunahme der wirtschaftlichen Bedeutung des Sports und der damit einhergehenden Entste­hung von neuen Tätigkeitsfeldern im Sport befassten sich in den letzten Jahren mehrere Unter­suchungen und Veröffentlichungen. Sie lassen sich abhängig von der ihnen zugrundeliegenden Perspektive in verschiedene Segmente einteilen.

Epel/Elpel (1990), Weber/Schnieder/Kortlüke/Horak (1995) und Woratschek (1998) untersuchten aus einer eher volkswirtschaftlichen Orientierung die Bedeutung des Sports in Deutschland. Elpel/Elpel(1990) untersuchten dabei die Zukunft gewerblicher Anbieter im Sport. Sie be­schrieben deren Tätigkeitsmerkmale und Organisationsformen und leiteten aus der Bestands­aufnahme mögliche neue Angebote ab. Weber/Schnieder/Kortlüke/Horak (1995) verfassten eine erste umfassende Bestandsaufnahme der wirtschaftlichen Bedeutung des Sports in Deutsch­land; sie ermittelten Umsatzzahlen und Beschäftigte in den verschiedenen Teilbereichen des Sports und stellten Prognosen über künftige Entwicklungen auf.

Der Teilbereich der Sportdienstleistungen wurde von Woratschek (1998) untersucht. Er kam zu dem Ergebnis, dass der Begriff der Sportdienstleistungen aufgrund der Heterogenität von Sportarten und Dienstleistungen zwar nur schwer zu definieren sei, erarbeitete aber eine Typo­logie der Dienstleistungen, welche als Grundlage für Management- und Strategie-Ansätze dienen könnten.

Bereits 1987 – resultierend aus der beginnenden Akademiker-Arbeitslosigkeit, die zunehmend auch für die Absolventen sportwissenschaftlicher (damals vorwiegend Lehramts-) Stu­diengänge relevant wurde – beschäftigten sich Untersuchungen verschiedener Universitäten mit Berufsperspektiven im außerschulischen Berufsfeld Sport. Zu ihnen gehören die Untersu­chungen von Rittner (1987), Heim/Lichtenauer (1987) sowie die von Haag/Heinemann (1987) her­ausgegebenen Beiträge zu Tätigkeitsfeldern und Berufschancen in außerschulischen Tätig­keitsfeldern des Sports, wie Verwaltung, Wirtschaft, Kommunikation, Freizeit und Gesundheit.

Während diese Veröffentlichungen noch einen eher prospektiven Charakter aufwiesen und sich mit möglichen Entwicklungen im Erwerbsfeld Sport beschäftigten, befassten sich die zeitlich folgenden Studien mit dem konkreten Verbleib der Studierenden im „nachuniversitären” Leben und versuchten aus der Anforderungsstruktur im Arbeitsalltag dieser Absolventen neue Studi­enprofile zu entwickeln oder vorhandene Studienprofile arbeitsmarktgerecht zu gestalten. Zu ih­nen lassen sich die Untersuchungen von Emrich (1988), Heinemann/Dietrich/Schubert (1990), Schubert (1991), Buchmeier/Zieschang (1992), Hartmann-Tews/Mrazek (1994), Schlattmann/Hackforth (1994), Belz/Volck (1996) und Horch (1998) zählen. Die Untersuchungen beinhalteten meist Befragungen von Absolventen und deren Arbeitgebern zu Beschäftigungs­stellen, Stellensuche und Einstellungskriterien, beruflichen Aufgaben und Tätigkeiten und das für die Berufsausübung benötigte Wissen und Können. Auf Grundlage dieser Ergebnisse wurden neue Studiengänge aufgebaut und Studieninhalte arbeitsmarktadäquat (re -)organisiert.

Als eine Folge dieser Untersuchungsergebnisse orientierten sich relativ viele sportwissen­schaftliche Studiengängen in Richtung auf gesundheitsorientierte Abschlüsse (Köln, Bielefeld, Heidelberg, München, Saarbrücken, Leipzig, Potsdam u.v.m.), da „ es (...) sozusagen mitt­lerweile eine bundesweite Vermutung gibt, dass das Gesundheitssystem besonders günstige Berufschancen für Sportwissenschaftler bereitstelle.“ (Cachay/Thiel 1999, 7)

Erst 1999 gab es die erste Untersuchung, die sich konkret mit den Beschäftigungschancen von Sportwissenschaftlern im Gesundheitssystem auseinander setzte. Cachay/Thiel (1999) unter­suchten die Beschäftigungschancen von Sportwissenschaftlerinnen und Sportwissenschaftlern im Gesundheitssystem vor dem Hintergrund der Änderung des § 20 SGB. In ihrem Untersu­chungsansatz ermittelten sie den Bedarf und die Beschäftigungsaussichten für Sportwissen­schaftler auf Grundlage einer empirischen Befragung potentieller Arbeitgeber (Krankenkassen, Kliniken und ambulante Rehazentren). Sie kamen zu dem Ergebnis „ dass die gesundheitsbe­zogene Ausbildung der Sportstudierenden keinesfalls an ein sicheres Berufsfeld anschließt. Es ist vielmehr sehr ungewiss, ob sich die Absolventen gegenüber anderen Konkurrenten dau­erhaft durchsetzen können“ ( Cachay/Thiel 1999, 303). Darüber hinaus befürchten sie, dass die Hochschulen Gefahr laufen, das Scheitern eines Teils ihrer sportbezogenen Studiengänge zu riskieren, wenn sie sich mit „ der Produktion von Absolventen “ begnügen, ohne gemeinsame arbeitsplatzfördernde Maßnahmen zu ergreifen (Cachay/Thiel 1999) Dazu zählen die Verfasser die Schaffung einheitlicher, formal-struktureller Bedingungen und Bezeichnungen der Stu­diengänge und den Aufbau eines einheitlichen Berufsverbandes.

Eher eine Bestandsaufnahme, denn ein Prognosemittel verfasste Lange (1995). Sie stellte eine Zusammenfassung existierender Berufe im außerschulischen Sport dar, mit dem Ziel einzelne berufliche Einsatzmöglichkeiten näher zu beleuchten und Studierenden eine Orientierung über außerschulische Anforderungsprofile im Tätigkeitsfeld Sport zu geben. Lange führt in ihrer Dar­stellung auch jene sportbezogenen Berufe auf, die unterhalb einer universitären Ausbildung liegen, wie Pferdewirt oder Bademeister/Masseur.

Bereits seit längerem befassen sich der Deutsche Sportbund (DSB) und andere Interessensver­treter mit den Möglichkeiten berufliche Erstausbildungen und Fortbildungen unterhalb universi­tärer Abschlüsse im Sport zu implementieren, da die Entlohnung von Hochschul- und Fachhochschulabsolventen viele Vereine und Verbände vor finanzielle Probleme stellt und das Aufgabenprofil nach Meinung des DSB eine universitäre Ausbildung nicht unbedingt voraus­setzt. Im Rahmen des Forschungsprojektes „ Grundlagen für die berufliche Qualifizierung in der Freizeitwirtschaft “ (DSB 1999) werden zwei dreijährige berufliche Erstausbildungen vorge­schlagen von denen sich eine im Bereich „Sport und Technik“ (Arbeitstitel: Freizeit- und Sport­betreuer/in) und die andere im Bereich „Verwaltung und Organisation“ (Arbeitstitel: Sport­fachangestellte/r) ansiedelt.

Die bis hierhin aufgeführten Untersuchungen und Beiträge haben gemeinsam, dass sie sich mit existierenden und potentiellen Beschäftigungsmöglichkeiten im Tätigkeitsfeld des außerschu­lischen Sport befassten. Untersuchungen die sich dagegen mit den studentischen Vorstel­lungen und Einstellungen hinsichtlich des Tätigkeitsfeldes Sport befassen sind selten.

1990 entstand in Köln eine Studie (Mrazek/Hartmann-Tews 1990), die sich mit der „ Studiensitua­tion und studentischen Orientierungen an der Deutschen Sporthochschule “ beschäftigte. „ Aus­gangspunkt der Untersuchung war der Umstand, dass über die Situation der StudentInnen an der Deutschen Sporthochschule nur sehr wenige systematische Informationen vorhanden sind, über ihre Studienplanung und den Studienverlauf, über ihre Wahrnehmung des Studiums und dessen Bewertung, über ihre wirtschaftliche Lage und Wohnsituation sowie über ihre Zukunftsperspektiven “ (Mrazek/Hartmann-Tews 1990, 16).

Grundlage war eine empirische schriftliche Befragung der Studierenden im Wintersemester 1986/87 an der DSHS; die Stichprobengröße umfasste ca. 10 % der Studierenden. Über die mit der vorliegenden Arbeit vergleichbaren Fragestellungen hinaus, bezüglich der Motive für die Wahl des Studiums, der Wahl der Studienschwerpunkte und der Berufsaussichten, wurden folgende weitere Fragen untersucht: soziodemographische Merkmale, Daten zum Studium, Gründe für die Wahl des Studiums in Köln, das vorhandene Zeitbudget, die Studienzufrieden­heit, vorhandene Probleme, wirtschaftliche Lage und Wohnsituation.

Als Resümee stellen die Verfasser unter anderem fest, dass „ die Entscheidung der Stu­dentInnen für das Sportstudium (...) weniger das Ergebnis systematischer Überlegungen (ist,) als das Resultat einer sportzentrierten Sozialisation und einer affektiven Bindung an den Sport. “ (Mrazek/Hartmann-Tews 1990, 123)

Ihre berufliche Zukunft sehen die Studierenden eher skeptisch, erwerben im Lauf ihres Studi­ums vor allem Zusatzqualifikationen „ und orientieren sich im Studium stärker als andere Stu­dierende am Arbeitsmarkt“ (Mrazek/Hartmann-Tews 1990, 128). Als Arbeitsbereiche von denen sich die Studierenden die größten Entwicklungsmöglichkeiten erhoffen werden „Gesundheit“ und „Freizeit“ am häufigsten genannt.

I.2 Funktion und Bedeutung der Erwerbsarbeit für das Subjekt

Die Erwerbsarbeit und die sie umgebenden Sicherungssysteme der Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung prägten und prägen die Struktur des modernen Lebenslaufs. Erwerbsarbeit hat in diesem Lebenslauf existenzsichernde Funktionen und bildet die Grundlage für eigenständige Handlungsfähigkeit und Individualisierung. „ Der Eintritt in den Beruf und die Einmündung in eine berufliche Laufbahn gelten in unseren Gesellschaften auch unter veränderten Bedingungen - insbesondere sei auf den starken Rückgang der Lebens- und Tagesarbeitszeit und die damit verbundene Ausdehnung der „Freizeit“ verwiesen - als das so­ziale Rückgrat einer Erwachsenenexistenz. Die Berufstätigkeit ist eine Grundgarantie für eine materiell unabhängige Lebensführung und wesentliches Symbol für die ökonomische und so­ziale Autonomie als Bürger. “ (Hurrelmann 1993, 149).

Aus diesem Grund reagieren Berufstätige empfindlich auf Weichenstellungen in der Berufslauf­bahn, sei es auf Entlassungen als auch auf Karrieresprünge. Berufliche Weichenstellungen werden nach demateriellen und immateriellen Werten für die Definition der eigenen Person abgetastet, die sich besonders in der öffentlichen Wahrnehmung durch die soziale Umwelt widerspiegelt.

Mit der Fixierung auf die Erwerbstätigkeit wurde der Lebenslauf des einzelnen institutionalisiert ( vgl . Kohli 1994). Die Institutionalisierung bewirkte eine Dreiteilung des Lebenslaufes in die Phase der Erwerbsarbeit, als einem eigenständig organisierten Bereich, und die staatlich organisierten Bildungs- und Rentensysteme. Diese Dreiteilung gilt hauptsächlich für männliche Biographien, da die weiblichen Biographien durch Phasen der Schwangerschaft, Kindererzie­hung und/oder Hausarbeit anders strukturiert sind/waren. Ihre zunehmende Erwerbsbeteiligung macht diese Dreiteilung aber auch für sie relevanter.

„Die einstige Institutionalisierung des Lebenslaufes beinhaltete drei Aspekte:

- Kontinuität, im Sinne einer materiell gesicherten Lebensspanne,
- Sequenzialität im Sinne eines geordneten und chronologisch festgelegten Lebenslaufes
- Biographizität im Sinne eines Codes von persönlicher Entwicklung.

Die Institutionalisierung des Lebenslaufes besteht also aus mehr als der Gewährleistung einer kontinuierlichen Lebensspanne und der sequentiellen Ordnung und chronologischen Nor­malisierung von Verhaltensabläufen; sie besteht aus dem Übergang zu einer biographischen – d.h. vom Ich aus strukturierten und verzeitlichten – Selbst- und Weltauffassung. Dieser dritte Aspekt ist der Kern dessen, was gewöhnlich unter Individualisierung verstanden wird “ (Kohli 1994, 220).

Wenn auch die Übergangsphasen zwischen den Lebensabschnitten - und auch innerhalb der Erwerbsphase - durchaus Diskontinuitäten und Brüche aufweisen, so bilden „diese Etappen Teile eines einheitlichen, übergreifenden und als solchen antizipierbaren Ablaufprogrammes (...), das Kontinuität über die diskontinuierlichen Teile hinweg herstellt “ (Kohli 1994, 222).

Durch das Ziel dieser Arbeit kommt der Berufseingangsphase, d.h. der Phase des Übergangs aus dem staatlichen Bildungssystem in den eigenständig organisierten Bereich der Erwerbstä­tigkeit eine zentrale Bedeutung zu.

Gerade die Berufseingangsphase stellt sich für viele junge Menschen heute geradezu drama­tisch dar. „Für viele verlängert sich die Übergangsphase in den Beruf zu einem dauerhaften Provisorium, das aus einer Sukzession verschiedener Tätigkeiten im formellen und informellen Arbeitsmarkt und einer Kombination verschiedener Einkommensquellen besteht. Dies ist keineswegs mehr auf schlecht Qualifizierte beschränkt; auch Teile der Hochschulabsolventen bieten ein bedrückendes Beispiel für eine solche Verlaufsform“ ( Kohli 1994, 229).

Die Auswirkungen der unten dargestellten technischen Entwicklungen lassen aber eine Ver­kürzung der Arbeitszeit und damit verbunden einen Bedeutungsverlust der Erwerbsarbeit erwarten. Inwieweit sich das auf bestehende gesellschaftliche Strukturen und die o.g. „bio­graphischen Selbst- und Weltauffassungen“ auswirken kann wird weiter unten dargestellt.

I.3 Berufsbezogenes Studieren

Die Berufsausbildung stellt für das Individuum den Übergang aus dem staatlich organisierten Bildungssystem in das privatwirtschaftlich organisierte Erwerbssystem dar. Berufsausbildung findet in Deutschland hauptsächlich auf zwei verschiedenen Wegen statt. Zum einen im soge­nannten Dualen System, der gleichzeitigen Ausbildung durch zwei verschiedene Ausbildungs­träger (Berufsschule und Ausbildungsbetrieb) und zum anderen durch das Absolvieren einer Akademischen Ausbildung. Während es in der Dualen Ausbildung zu einem fließenden Über­gang zwischen Bildungs– und Erwerbssystem kommt, begünstigt „ die relativ strikte Trennung von Ausbildung und Erwerbstätigkeit bei Hochschulabsolventen das Entstehen einer unklaren Risikophase zwischen Studienabschluss und Berufseintritt “ (Sackmann/Rasztar 1998, 31-32).

Die Akademische Berufsausbildung ist in den letzten Jahren wiederholt Gegenstand kritischer Auseinandersetzung verschiedener Interessensgruppen gewesen. Die größten Kritikpunkte waren die hohen Kosten der Hochschulen, die langen Studienzeiten der Studierenden sowie die „Praxisferne“ der Ausbildung. Um die gegenwärtigen Debatten verständlicher zu machen, soll an dieser Stelle ein kurzer Abriss der Entstehung der Akademischen Berufsausbildung gegeben werden.

Akademische Berufsausbildung hatte in der Historie drei verschiedene Gründungsphasen, de­ren zugrundeliegenden Ideen die heutige Diskussion um Studium und Praxisbezug nach wie vor beeinflussen.

Die erste Phase war die Gründung der modernen Universitäten im Geist des Neuhumanismus zu Beginn des 19. Jahrhunderts - als Gegenwelt des Geistes zur feudalistischen Herrschaft (vgl. Buchmann/Kell 1997) - welche die allseitige Vervollkommnung des Menschen durch die Wissenschaft zum Ziel hatte. Dieses Ansinnen äußerte sich in dem Prinzip, dass vor einer Spe­zialisierung durch eine Berufsausbildung (Mediziner, Juristen etc.) die Allgemeinbildung vervoll­kommnet werden sollte. Das Verhältnis zur beruflichen Praxis, insbesondere zu Ausbildungsan­forderungen, die das Prinzip der Einheit von Forschung und Lehre gefährden könnte konnte als eher „defensiv“ verstanden werden (vgl. Habermas 1986).

Die zweite Phase beinhaltete die Gründung der Technischen- und Handels-Hochschulen im Kontext der Industrialisierung am Ende des 19. Jahrhunderts. Wissenschaft avancierte zu einer Produktivkraft der industrialisierten Gesellschaft. „ Die Naturwissenschaften büßten ihre Welt­bildfunktion zugunsten der Erzeugung technisch verwertbaren Wissens ein “ (Habermas 1986, 710). Das Primat der Wissenschaft lag nun in der Vermittlung nützlicher Fähigkeiten und prak­tischer Nutzanwendung. Dem Leitbild des Philosophen aus der neu-humanistischen Phase wurde der wissenschaftlich ausgebildete Spezialist, der Ingenieur entgegengesetzt.

Im Reformjahrzehnt von 1965 bis 1975 – der dritten Phase – ist versucht worden, diese beiden Entwicklungen zu integrieren. In dieser Phase sind – neben den Debatten um Ziele, Aufgaben und Strukturen der Hochschulen – die Technischen Hochschulen in Technische Universitäten umbenannt und die Pädagogischen Hochschulen in die Universitäten integriert worden. Parallel dazu wurde durch die Überleitung der Höheren Fachhochschulen als Institution der „höheren“ beruflichen Weiterbildung in die neugegründeten Fachhochschulen ein anderes „Theorie-Pra­xis-Verständnis“ geschaffen: die berufliche Praxis wurde das organisierende Prinzip und zentraler Bezugspunkt für Kurzzeit-Studiengänge. Wissenschaft wurde nur noch als „Stein­bruch“ (vgl. Buchmann/Kell 1997, 592) genutzt, für das, was für die jeweiligen beruflichen Tätig­keitsfelder als verwertbar erschien. Theorie war somit nicht länger „Vor-Entwurf von Praxis“, und akademische Berufsausbildung an der Struktur der Wissenschaft orientiert, sondern die berufliche Praxis wurde zum organisierenden Prinzip bei der Auswahl von Wissenschaftsbestandteilen, wie sie zur didaktischen Strukturierung von Fachhochschulstudiengängen benötigt werden.

Diese drei Entwicklungslinien wirken nach wie vor auf Strukturen und Debatten der Hochschul­politik ein. Sie bilden die Spannungsbögen in der Diskussion um Akademische Berufsausbil­dung:

•- Bildung in der Spannung zwischen allgemeinen und speziellen Wissenschaften.
-• Forschung in der Spannung von grundlagen-, anwendungs- und berufspraxisorientierter Forschung.
•- Praxis in der Spannung zwischen den zwei gegensätzlichen Paradigmen zum Theorie-Praxis-Verhältnis (vgl. Buchmann/Kell 1997, 592).

I.4 Studierende und ihre Umwelt

Zentraler Bestandteil dieser Arbeit soll der Studierende und seine Sicht auf das Berufsfeld Sports stehen. Da sich jedes Individuum in Wechselbeziehung zu seiner Umwelt entwickelt, steht der Studierende im Mittelpunkt einer Umwelt, die sich ihm mehr oder weniger deutlich erschließt, je nachdem, wie sie sein tägliches Leben, seinen Wirkungskreis betrifft.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Studierende und ihre Umwelt. (Nach Buchmann/Kell 1997, 594.)M

In Anlehnung an ein Modell der Berufs- und Wirtschaftspädagogik von Bronfenbrenner und Kell (vgl. Buchmann/Kell 1997) lässt sich die Umwelt der Studierenden in verschiedene Bereiche einteilen.

Der kleinste Wirkungsbereich ist ein sogenanntes „Mikrosystem“ (vgl. Buchmann/Kell 1997); Stu­dierende erleben ihre Umwelt in „Studiensituationen“ (siehe Abb. 1), in einer Vorlesung, einem Seminar, in bestimmten Unterrichtsräumen, im Kontakt zu ihren Kommilitonen. Die Studiensi­tuation wird aber auch von anderen „Lebensräumen“ der Studierenden beeinflusst. Zu diesen Lebensbereichen zählen die private Lebenssituation und unter Umständen auch die Arbeits- oder Praktikumssituation. Wenn diese verschiedenen Lebenssituationen auch nicht simultan auftreten, „ so beeinflussen solche Situationen vor und nach der Studiensituation die personale Entwicklung in der Studiensituation “ (Buchmann/Kell 1997, 595).

Darüber hinausgehend wird das Mikrosystem „Studiensituation“ von einem Mesosystem be­einflusst. Zu ihm gehört in erster Linie die Institution Hochschule mit ihren Studienangeboten, ihrer infrastrukturellen Ausstattung, ihrem Lehrpersonal, ihrer Medienausstattung, ihrer Mitbe­stimmungsmöglichkeit usw.. Neben der Hochschule gehören zu diesem Mesosystem auch noch der private Haushalt sowie Betrieb und Verwaltung. Hierbei spielt nicht nur der gegen­wärtige Bezug zu diesen Lebenssituationen eine Rolle, sondern auch zukünftige, antizipierte Lebens– und Arbeits-Situationen. Dieses Mesosystem wiederum wird von einem übergeordne­ten Exosystem beeinflusst.

Das Exosystem setzt sich zusammen aus den interdependierenden Bereichen der Bildung, der privaten Lebensgestaltung und dem Beschäftigungssystem. Es kennzeichnet jene Institutionen, welche die Studierenden in ihrer personalen Entwicklung beeinflussen. Dazu lassen sich auch die Subsysteme der Daseinsgestaltung und Daseinsfürsorge wie Kranken-, Arbeitslosen- und Rentensystem zählen, wie auch die Einflüsse von Medien und der Freizeitsysteme.

Überwölbt wird das Exosystem von einem Makrosystem, welches die Weltanschauungen, Nor­men und Ideologien beinhaltet, die den eben genannten Subsystemen zugrunde liegen. Zu ih­nen lassen sich z.B. Kultur, Gesellschaftssystem und Wirtschaft zählen.

Die eben geschilderte Beschreibung der Einflussfaktoren gleicht einem „Schnappschuss“, der die Einflüsse wiedergibt, mit denen Studierende konfrontiert werden. Ein Studium stellt auch ein zeitliches Kontinuum dar, in dem Studierende nicht nur gegenwärtigen Einflüssen „ausgeliefert“ sind, sondern auch ihre vergangenen Erfahrungen und antizipierten Planungen, Vorstellungen, Befürchtungen und Hoffnungen das Gegenwartshandeln beeinflussen. „ Die vergangenen Lern-, Arbeits- und Lebenssituationen in der Biographie Studierender beeinflussen deren Wahrneh­mung und Definition eines Studiengangs (den subjektiven Sinn, den sie ihm geben) ebenso wie den Übergang in der ersten Statuspassage sowie in den Lern- und Prüfungssituationen wäh­rend des Studiengangs “ (Buchmann/Kell 1997, 597). Darüber hinaus beeinflussen sie auch den Erfolg des Studiums und den Übergang in die zweite Statuspassage, nach Abschluss des Stu­diums.

Es liegt in der Natur von Modellen, dass sie Wirklichkeit nur vereinfacht abbilden. Die Schwä­che diese Modells liegt in der „künstlichen“ Abgrenzung verschiedener Lebensbereiche, die im „täglichen Leben“ nicht zu trennen sind. Andererseits lassen sich dadurch aber die verschie­denen Einflussfaktoren auf das Individuum und ihre jeweilige Distanz zum handelnden Subjekt verdeutlichen.

Dieses Modell dient im ersten Teil der Arbeit als Struktur zur Beschreibung der verschiedenen Umweltbereiche Studierender, wie sie in zeitgenössischen soziologischen und wirtschaftlichen Veröffentlichungen beschrieben werden und das „Berufsbezogene Studieren“ betreffen. Dazu gehören die Darstellung des Berufsfeldes Sport (Mikro– und Mesosystem), die Beschreibung des Beschäftigungssystems (Exosystem) sowie prognostizierte wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen (Makrosystem).

I.5 Das Modell des Radikalen Konstruktivismus

Wie bereits dem letzten Zitat von Buchmann/Kell zu entnehmen ist, wird der Wahrnehmung eines Studiengangs eine „subjektive Sinnzuschreibung“ durch die Studierenden unterstellt. Da­mit wird dem Individuum eine „aktive“ Rolle bei der Wahrnehmung und Gestaltung seiner Wirklichkeit zugeschrieben: das Individuum konstruiert aus den einwirkenden Sinnesreizen sei­ne Wirklichkeit und damit seine Bewertungs- und Handlungsgrundlage eigenständig. Dieses der Arbeit zugrundeliegende Modell des Radikalen Konstruktivismus (Schmidt 1992, 1996) sollen an dieser Stelle erläutert werden.

Die dem Radikalen Konstruktivismus vorausgegangenen Erkenntnistheorien basierten auf den Prämissen,

•- dass die Welt eine vom Menschen, seinem Denken und Handeln weithin unabhängige objektive Größe sei, der der Mensch als Subjekt gegenübersteht,
•- dass das Subjekt über seine Sinne und deren Qualität Zugang zu dieser Welt erhält,
•- dass Sprache die Welt deskriptiv abbildet und
•- dass empirische Erfahrung Sinneserfahrung ist, und nur empirische Erfahrung eine richtige Erkenntnis der Wirklichkeit liefert (vgl. Schmidt 1996).

Im Mittelpunkt der radikal-konstruktivistischen Perspektive steht hingegen die Auffassung, dass Wahrnehmung Konstruktion und Interpretation ist und Wirklichkeit immer durch das Individuum selbst konstruiert wird (Schmidt 1996). Das heißt, das zwar von der Existenz eine „realen Welt“ ausgegangen werden kann, aber keiner sagen kann, wie sie aussieht. Durch die Funktions­weise unseres Gehirns sind wir nicht in der Lage unsere Umwelt 1:1 abzubilden, wir können nur die durch Sinnesorgane und Nervensystem gefilterten Informationen im Gehirn mit Bedeu­tung zu versehen (siehe unten).

Wissenschaftsgeschichtlich sind diese Kernannahmen des Radikalen Konstruktivismus nicht neu, sie lassen sich bis zu Berkeley´s Bemerkung aus dem Jahre 1710 zurückverfolgen, wo­nach „ alles Sein wahrgenommen werden muss “ (Lueger 2000, 16). Seit jener Zeit „ war die Ero­sion des Glaubens an die Erlangung eines sicheren Wissens über die `objektive Welt` nicht mehr aufzuhalten “ (Lueger 2000, 16) Die neuere Entwicklung dieser Theorie lässt sich bis auf Untersuchungen zu Selbstregulation, Autonomie und hierarchische Ordnungen der Systemt­heorie der 40er Jahre von Weiss und v. Bertalanffy zurückverfolgen (nach Schmidt 1996, 12). Ihre Untersuchungen wurden zu einem Konzept entwickelt, welches die Kybernetik zu einem metadisziplinären Forschungsbereich gemacht haben.

Als grundlegend für die Entwicklung einer konstruktivistischen Erkenntnistheorie haben sich dabei vor allem die Prozesse der Selbstreferenz und der Selbstorganisation erwiesen. Diese Prozesse der Selbstorganisation haben sowohl zur Entwicklung einer biologischen Kognitions­theorie, durch Maturana und Varela, als auch zum Entwurf einer Theorie der Wissenskonstrukti­on, durch v. Foerster, McCulloch und v. Glaserfeld geführt (nach Schmidt 1996).

Aktualisiert wurden die Annahmen durch die gehirnphysiologischen Erkenntnisse Schmidts. Nach Schmidt liefern unserer Sinnesorgane zwar die zur Wahrnehmung benötigten Reize, die eigentliche Wahrnehmung aber findet in den mit den Sinnesorganen vernetzten Hirnregionen statt. Roth stellte fest, dass das Gehirn die wahrgenommenen Reize aber nicht als Abbild der Realität darstellt, sondern es deutet und bewertet die eingegangenen neuronale Signale nach eigenentwickelten Kriterien (vgl. Roth 1992). Das Gehirn stellt dabei kein umweltoffenes Reflex­system dar sondern ein in sich geschlossenes System, welches nur seine eigene „Sprache“ versteht und nur mit seinen eigenen Zuständen umgeht (vgl. Schmidt 1996, 14).

Man muss sich die ablaufenden Prozesse folgendermaßen vorstellen: die aus den Rezeptoren eingehenden Impulse müssen für die Verarbeitung im Gehirn (weil es sich um ein ge­schlossenes System handelt) „übersetzt“ werden. Bei diesem Übersetzungsprozess geht aber die originäre Bedeutung der Sinneseindrücke verloren, da die Sprache des Nervensystems selbst bedeutungsneutral ist. Im Gehirn sind aber der signalverarbeitende und der bedeutungs­zuweisende Teil nicht voneinander zu trennen. Daraus ergibt sich, dass die eintreffenden Si­gnale nur das bedeuten können, was das Gehirn ihnen an Bedeutung zuweist. „Wahrnehmung ist Interpretation, ist Bedeutungszuweisung“ (Roth 1985, zitiert in Schmidt 1996, 15).

Die Entscheidung welche Bedeutung, welcher Inhalt einem ankommenden Signal zugewiesen wird, erfolgt auf Grundlage früherer interner Erfahrungen. Das heißt aber, dass dem Individuum nur das bewusst werden kann, was bereits vorher gestaltet oder geprägt ist.

„Aufgrund dieser Arbeitsweise ist das Gehirn gar nicht in der Lage, Wirklichkeit als solche abzubilden oder zu repräsentieren: Es gibt kein Urbild “ (Schmidt 1996, 15). Die Bedeutungszu­weisung folgt dabei den Prinzipien der Gestaltpsychologie: Widerspruchsfreiheit, Prägnanz, gute Gestalt, gemeinsames Schicksal, etc..

Bedeutsam ist die von Roth getroffene Unterscheidung zwischen realem Gehirn und kognitiver Welt : „Der reale Organismus besitzt ein Gehirn, das eine kognitive Welt erzeugt, eine Wirklich­keit, die aus Welt, Körper und Subjekt besteht, und zwar in der Weise, dass dieses Subjekt sich diese Welt und diesen Körper zuordnet. Dieses kognitive Subjekt ist natürlich nicht der Schöpfer der kognitiven Welt, dieser Schöpfer ist das reale Gehirn, es ist vielmehr eine Art ‘Objekt‘ der Wahrnehmung, es erfährt und erleidet Wahrnehmung. Das reale Gehirn ist in der kognitive Welt ebenso wenig gegeben wie die Realität selbst und der reale Organismus“ (Roth 1985, zitiert in Schmidt 1996, 16).

Aus kognitionswissenschaftlicher Sicht werden diese Annahmen von Maturana (1987) unter­stützt: Nicht irgendwelche Umweltreize bestimmen das Verhalten eines Menschen, sondern dessen eigene kognitive Struktur, die selbständig Informationen erzeugt und sie verarbeitet. Maturana (1987) und Varela (1987), später auch Luhmann (1990), beschreiben lebende Systeme als autopoietische Systeme und stützen damit die konstruktivistischen Ansätze Schmidts (nach Gerstenmaier/Mandl 1995, 869).

Die Grundidee der Theorie autopoietischer Systeme lässt sich wie folgt zusammenfassend skizzieren: Lebende Systeme sind selbsterzeugende, selbstorganisierende, selbstreferentielle und selbsterhaltende Systeme.

Das heißt:

• Die im System vorhandene Struktur legt fest, welche strukturellen Änderungen sie durchmachen können,

• hinsichtlich ihrer Organisation arbeiten autopoietische Systeme als homöostatische Sys­teme und können nur solche Änderungsprozesse durchleben, die ihre Autopoiese nicht beeinträchtigen.

• Dennoch sind autopoietische Systeme dynamische Systeme und unterliegen einem ständigen strukturellen Wandel, dessen Bereich der strukturellen Änderungen jedoch von jeweils gegenwärtig vorhandenen Struktur bestimmt werden und deren Grenzen von der Organisation des Systems bestimmt werden, ohne dass das System seine je­weilige Klassenidentität verliert (vgl. Maturana 1996, 95-96).

Dadurch dass das lebende Systeme bestimmte Teile ihrer Organisation nicht ändern (können), somit invariant halten, bewahren sie eine bestimmte spezifische Identität, die von einem Beob­achter des Systems als Individualität interpretiert wird. Bedingt durch seine interne Organisation bestimmt sich das System seine Umwelt (Nische) selbst, mit der es interagieren kann. Wenn man Umwelt als „ein Bereich von Klassen von Interaktionen“ (die der Struktur und Organisation des Systems gegenwärtig möglich sind) betrachtet, setzt sich die Kognitive Realität des Sys­tems somit aus den seiner Organisation und Struktur entsprungenen vorausgesagten Klassen von Interaktionen zusammen (vgl. Schmidt 1996, 23-24).

Leben als Prozess ist somit ein Prozess der Kognition. Durch die Fähigkeit des Organismus mit seinen internen Zuständen so zu interagieren, als ob diese von ihm unabhängige Gegenstände wären, schafft er das scheinbare Paradoxon, seinen kognitiven Bereich innerhalb seines kogni­tiven Bereiches zu enthalten (vgl. Schmidt 1996).

Das Verhältnis des Organismus zu seiner Umwelt bestimmt sich somit entsprechend den Pro­zessen wie sie sich auch schon bei Piaget (1974) finden: der Assimilation und Akkomodation. „ Die Assimilation ist konservativ und möchte die Umwelt dem Organsimus so unterordnen, wie sie ist, während die Akkomodation Quelle von Veränderungen ist und den Organismus den sukzessiven Zwängen der Umwelt beugt “ (Piaget 1974, 339).

Erkennen und Verhalten gleichen dabei „...einem Instrumentenflug, bei dem die Effektoren (Motoren, Klappen usw.) ihren Zustand verändern, um die Werte der Messinstrumente konstant zu halten oder zu verändern, entsprechend einer genau angegebene Variationsse­quenz, die entweder festgelegt (durch Evolution spezifiziert) oder während des Fluges auf­grund des Flugzustandes verändert werden kann (Lernen)“ (Maturana 1982, zitiert in Schmidt 1996, 24).

Eine weitere, für die Konstruktion von Wissen und für die Bildung von Wissen elementare Aus­sage Maturanas besagt, dass lebende Systeme als selbstreferentielle geschlossene Systeme informationsdicht und strukturdeterminiert (autonom) sind. Sie verfügen über keinen informa­tionellen Input und Output; sind zwar energetisch offen, aber informationell geschlossen. Das System erzeugt somit die Informationen die es verarbeitet selbst, im Prozess der eigenen Ko­gnitionen (vgl. Schmidt 1996, 24).

In Bezug auf die Vermittlung von berufsbezogenem Wissen, scheinen wir es vor diesem Hin­tergrund letztendlich mit einem Problem unterschiedlicher Wahrnehmung aufgrund unterschied­licher Bedeutungszuweisung zu tun zu haben. Da sich, wie oben erwähnt, die Bedeutungszu­weisung aufgrund früherer interner Erfahrungen ergibt, scheint es „logisch“, dass junge Men­schen, die nach dem Abitur an die Hochschule wechseln, eine andere Wahrnehmung des Tä­tigkeitsfeldes haben, als diejenigen, die aufgrund ihrer langjährigen Erfahrungen die Inhalte und Methoden des Studienganges festgelegt haben. (Wobei sich die „langjährige Erfahrung“ auch nur aus den eigenen, subjektiv entwickelten Wirklichkeitswahrnehmungen und Bedeutungszu­schreibungen zusammensetzt.)

Nun wäre es aber kurzschlüssig zu denken, dass diejenigen „mit der langjährigen Erfahrung“ im Recht seien, weil sie „mehr“ wüssten. Dies mag zwar „objektiv“ richtig sein, hilft aber bei der Vermittlung von Wissen nur wenig, weil es sich auf der Seite der Studierenden (aus konstruk­tivistischer Sicht) um „geschlossene Systeme“ handelt, die nur die Informationen in ihr System lassen, die ihrer systeminternen Struktur und Organisation als passend erscheinen und den Erhalt des Systems und seiner Homöostase nicht gefährden.

Wenn das Subjekt - in den Worten Roths: die Ich-Welt des Subjektes (Roth 1992) - darüber entscheidet welche Informationen für seine Entwicklung wichtig sind, scheint es empfehlens­wert das Subjekt und nicht das zu vermittelnde Wissen in den Mittelpunkt des Prozesses der Wissensvermittlung zu stellen.

Diese Erkenntnisse haben auf das Lernen und die Vermittlung von Wissen großen Einfluss: Wissensvermittlung die nicht bei der Wirklichkeit der Studierenden ansetzt, würde zwar (im besten Fall) zu einer Anhäufung von „Prüfungswissen“ führen, dieses Wissen würde aber als „Träges Wissen“ (vgl. Renkl 1996; Gruber/Mandl/Renkl 2000) im Individuum „schlummern“, ohne dass es zur lernkontextunabhängigen Nutzung kommt.

Auf die Problematik der Wissensvermittlung wird im vierten Abschnitt dieser Arbeit genauer ein­gegangen werden.

II. Gesellschaftliches „Sollen“

II.1 Das Tätigkeitsfeld Sport

Wenn man sich auf die Darstellung der Umwelteinflüsse auf Studierende aus dem vorange­gangenen Kapitel bezieht, so kann man davon ausgehen, dass für Sportstudierende die Tätig­keiten und Berufe des Sports zum jeweiligen Mikrosystem und Mesosystem gehören. In Abhän­gigkeit davon, ob sie die Tätigkeiten bereits selber parallel zum Studium ausüben, gerade ein Praktikum absolvieren oder sie das Berufsfeld Sport als potentielles Tätigkeitsfeld antizipieren, würde die Einordnung in Mikro- oder Mesosystem erfolgen.

An dieser Stelle soll kurz geschildert werden, wie sich das Berufsfeld Sport - mit Schwerpunkt auf den universitären Abschlüssen - entwickelt hat und wie es sich im Augenblick dem Beob­achter darstellt.

Die ersten Berufe die sich im Sport entwickelten, waren - neben den „professionell Sport­treibenden“, die damals häufig eher dem Schausteller- oder Kuriergewerbe (z.B. als Pedestri­en) zuzurechnen waren als den Profisportlern - die der Sport-Lehrenden, entweder als Sport­lehrer in den Schulen oder als Trainer und Betreuer im direkten Umfeld der Sportler (vgl. Bernett 1992; Pfister 1992).

Mit der Akkumulation, Diversifizierung und Differenzierung von Aufgaben in einem Tätigkeits­feld ändern sich im Lauf der Zeit die Anforderungen an die in ihm Beschäftigten. Dieser An­passungsprozess dokumentiert sich u.a. in der Entstehung neuer Berufe. Dabei passiert es, dass zuerst ehrenamtlich oder nebenamtlich ausgeübte Tätigkeiten zu einer hauptberuflichen Beschäftigung werden. Dieser Prozess der Entwicklung von einer Beschäftigung zu einem eigenständigen Beruf wird als Professionalisierung oder als Verberuflichung bezeichnet.

Es hat den Anschein, dass man im Sport einen analogen Vorgang der Ausdifferenzierung und, damit einhergehend, der Professionalisierung wie in anderen Gesellschaftsbereichen vorfindet. Auch der Bereich des Sports hat sich ähnlich wie anderswo entfaltet, in Einzeldomänen diversi­fiziert, spezialisiert, einen Markt für eine Reihe von Spezialkompetenzen gebildet, wo die Ware „Sport“ auf eine Nachfrage trifft und Preise festgelegt werden. Es gibt Marktgesetzlichkeiten, ökonomische Prinzipien und Techniken, Marketing, usw.“ (Gebauer 1992, 25).

Mit der Popularisierung des Sport in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts, z. B. durch Sport­journalisten wie Carl Diem (Ader 1992), und der Entwicklung des Vereinswesens in Deutsch­land entwickelten sich auch das ehrenamtliche Funktionärswesen. Durch die Zunahme der An­forderungen an Vereine und Verbände generierten sich – analog dem oben beschriebenen – aus einem Teil der ehrenamtlichen Tätigkeiten Berufe wie die des „Vereinsgeschäftsführers“ oder des „Sportdirektors“.

Als der Sport nicht mehr nur körperbildende Funktion hatte, sondern (in der Phase des „Kalten Krieges“ und darüber hinaus) auch als Träger von politischen Interessen und nationalem Pres­tige funktionalisiert wurde, expandierte die Professionalisierung im Umfeld des Sports. Es ent­standen wissenschaftliche Forschungseinrichtungen mit Wissenschaftspersonal aus Trainern, Psychologen, Medizinern, Bewegungswissenschaftlern, Statistikern, Ingenieuren und Betreuern mit dem Ziel der Leistungsoptimierung von Athleten und Wettkampfgeräten.

Ab Mitte der achtziger Jahre, mit Initiierung der Trimm-Dich-Bewegung und der einsetzenden Fitness-Welle, drängten in den alten Bundesländern vorwiegend arbeitslose Sportlehrer in die neu entstehenden Tätigkeitsbereiche der Freizeit- und Fitness-Wirtschaft. Mit Zunahme der Funktionalisierung des Sports für Zwecke des Gesundheitsmarkts, der Tourismusindustrie, der Kommunikationsbranche in Form von Werbung und Sponsoring, und auch der politischen und sozialen Institutionen, stieg der Bedarf an Fachkräften im und um den Sport, auch und gerade außerhalb der „traditionellen“ Lehrer und Trainerberufe.

Die Hochschulen, die bis dato hauptsächlich für den Schulbedarf ausbildeten, entwickelten im Zuge neuer Anforderungen im Sport-, Gesundheits- und Freizeitbereich (aber auch in der Not­wendigkeit eines eigenen Profilierungsbedarfes innerhalb eines expandierenden Hochschulsek­tors) neue Teil- und Aufbaustudiengänge wie z.B.

•- Aufbaustudiengang Sport und Gesundheit in Würzburg
-• Aufbaustudiengang Gesundheit / Fitness in Bayreuth
-• 1983 Aufbaustudiengang Motologie in Marburg
-• Ergänzungsstudium Publizistik in Mainz und Hohenheim und
•- 1981 Aufbaustudiengang Sportrecht / Sportverwaltung Bayreuth.

Diese sollten, auf ein sportwissenschaftliches (Lehramts-) Studium aufbauend, den Berufsein­steigern das jeweilige branchenspezifische Fachwissen vermitteln. 1989 erließ die Fachkom­mission Sportwissenschaft eine neue Rahmenordnung in der die Berufsbezeichnung „Diplom-Sportlehrer“ durch die Bezeichnung „Sportwissenschaftler“ ersetzt wurde. In der Rahmenord­nung wurde das sog. „Y-Modell“ festgeschrieben, welches ein bundesweit einheitliches Grund­studium vorschreibt, dadurch einen Studienortwechsel bei Anerkennung der erbrachten Leis­tungen zulässt und vor allem eine Profilierung im Hauptstudium ermöglicht.

Weber et al (1995) ermittelten für das Jahr 1990 678.300 abhängig Beschäftigte im Sport in der Bundesrepublik Deutschland. Dabei wurden die ehrenamtlich Beschäftigten sowie Beschäftigte des Teilarbeitsmarktes Gesundheit und Sport, nicht eingerechnet. Damit entsprachen die Beschäftigtenzahlen im Berufsfeld Sport denen der Chemischen Industrie, bzw. denen der Ban­ken und Kreditinstitute.

Heutzutage wird der Begriff der Professionalisierung, der „Ver-Beruflichung“ im Sport, auf alle Tätigkeiten, die mit dem „Wirtschaftsfaktor Sport“ - oder etwas zynischer: dem Sport als Bestandteil des globalen „Tittytainment“ (Brzezinski, Z. in: Martin/Schumann 1998, 13) – einer Mi­schung aus betäubender Unterhaltung und ausreichender Ernährung, die die frustrierte Be­völkerung der Welt bei Laune hält – in Beziehung stehen angewandt.

II.1.1 Systematisierung

Mit Ausnahme des Sportlehrerberufes und einiger weniger Berufe (u.a. Tauchlehrer, Skilehrer, Sport-Heilpraktiker) erfüllen die meisten Erwerbstätigkeiten im Sport die eigentliche Definition des Begriffs „Beruf“ nicht. Damit eine Tätigkeit in Deutschland als „Beruf“ anerkannt wird, muss sie bestimmte Bedingungen erfüllen. Berufsbilder werden von den jeweiligen Berufsfachver­bänden und der Bundesanstalt für Arbeit erarbeitet. Zu solchen Berufsbildern und Berufs­beschreibungen gehören die Darstellung

-• der Aufgaben, die jeder zu erfüllen hat, der diesen Beruf ausübt,
-• die Tätigkeiten, die zur Erfüllung der Aufgabe nötig sind,
•- des spezifischen Ausbildungsganges,
•- der Anforderungen an die Auszubildenden,
- •der Prüfungsanforderungen und
•- der Aufstiegsmöglichkeiten.

So lassen sich zwar im Sport- und Freizeitbereich ständig neue Tätigkeiten, Tätigkeitsprofile und neue Aus-, Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten entdecken, aber eine Vereinheitlichung mit der Zielsetzung einer der obigen Definition folgenden „Berufsbildung“ ist nicht zu erkennen. Das lassen es zum jetzigen Zeitpunkt angeraten erscheinen, hier nach wie vor eher von einem „Tätigkeitsfeld“ als von einem „Berufsfeld“ Sport zu sprechen.

Die Tätigkeitsprofile des Sport sind vielfältig (siehe Abb. 2). Sie lassen sich nur schwer sys­tematisieren und abgrenzen; Überlappungen und Überschneidungen gibt es in vielen Teilberei­chen, zumal ständig neue Segmente entstehen. Dies bezieht sich sowohl auf die Institutionen und Organisationen als auch auf die Art der Tätigkeiten.

Dieses diffuse Tätigkeitsfeld, für das es nur in wenigen Fällen geschützte Berufsbezeichnungen (z.B.: Staatlich geprüfter Skilehrer, Sportfachwirt IHK), Zugangsbeschränkungen oder „objek­tive“ Einstellungskriterien gibt (häufig reichen eine Leistungssportkarriere und/oder ein persönli­ches Netzwerk im Organisationsfeld „Sport“, um sein Hobby „Sport“ zum Beruf zu machen), erschwert Absolventen jedweder Ausbildungsinstitution die Berufsfindung. „ Als nachteilig bei der Berufsfindung im außerschulischen Arbeitsmarkt Sport erweist sich eine Unübersichtlich­keit und Uneinheitlichkeit von Berufsbezeichnungen, Ausbildungen und Qualifikationen. Da­durch werden Arbeitgeber in bezug auf mögliche Einstellungen verunsichert, weil sie die Quali­tät der einzelnen miteinander konkurrierenden Ausbildungen nicht mehr übersehen und beur­teilen können “ (Lange 1995, 119).

Konkurrenz entsteht nicht nur innerhalb der Absolventen sportbezogener Ausbildungen. Absol­venten anderer Fachrichtungen, z.B. kaufmännische, medizinische oder betriebswissenschaftli­che Ausbildungen, drängen ebenso in das Tätigkeitsfeld Sport und „babylonisieren“ die Be­grifflichkeiten, Qualifikationen und Tätigkeiten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Tätigkeitsprofile im Sport. Nach (KREIß 1999).

II.1.1.1 Tätigkeitsstatus und Beschäftigungsformen

Neben unterschiedlichen Tätigkeitsprofilen und -inhalten gibt es unterschiedliche Formen des Tätigkeitsstatus und der Beschäftigungssituationen. Der Tätigkeitsstatus lässt sich in die Berei­che

•- ehrenamtliche, unbezahlte Tätigkeit
-• nebenberufliche, teilweise bezahlte Tätigkeit und
•- hauptamtliche, bezahlte Tätigkeit unterteilen.

Diese drei grundlegenden Statusmöglichkeiten divergieren in sehr differenzierte Formen der Mitarbeit und der Entlohnung. Als Formen der Beschäftigung und Entlohnung findet man:

-• Kostenerstattung auf Nachweis
•- Pauschale Kostenerstattung
•- Geringfügiges Entgelt
•- 630.- DM Jobs
•- Sachleistungen als Entgelt (z.B. Fahrzeugstellung)
•- überproportionale Zunahme von Teilzeitbeschäftigungen
•- Zunahme von befristeten Arbeitsverträgen
•- Projekt-Verträge
-• Freiwilliges soziales Jahr
-• Wehrersatzdienst/Zivildienst
-• ABM
-• Personal-Leasing über Beschäftigungsgesellschaften
-• extern finanzierte Arbeitsplätze/Arbeitsplatzsponsoring

[...]

Ende der Leseprobe aus 159 Seiten

Details

Titel
Berufsbezogenes Studieren – im Spannungsfeld von gesellschaftlichem „Sollen", studentischem „Wollen“ und universitärem „Können“
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Sportwissenschaft)
Note
1,7
Autor
Jahr
2000
Seiten
159
Katalognummer
V54269
ISBN (eBook)
9783638495165
ISBN (Buch)
9783638709019
Dateigröße
2306 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
79 Seiten + 81 seitiger Anhang.
Schlagworte
Berufsbezogenes, Studieren, Spannungsfeld
Arbeit zitieren
Jörg Latuske (Autor:in), 2000, Berufsbezogenes Studieren – im Spannungsfeld von gesellschaftlichem „Sollen", studentischem „Wollen“ und universitärem „Können“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54269

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