Die vorliegende Arbeit widmet sich der Selbstbestimmung bei Menschen mit Behinderung und versucht, sie aus einer existenzialistischen Perspektive zu betrachten. Dazu wird die Existenzphilosophie Jean-Paul Sartres herangezogen. Neben den praktischen Umsetzungen hin zu mehr Selbstbestimmung setzt man sich in der Sonderpädagogik auch wissenschaftlich mit dem Konstrukt auseinander und versucht, diese Forderung nach einem selbstbestimmten Leben theoretisch zu begründen.
Hier hat Martin Hahn durch sein Werk Behinderung als soziale Abhängigkeit maßgeblich den wissenschaftlichen Diskurs um Selbstbestimmung angestoßen und zur Etablierung der Selbstbestimmung als pädagogischem Leitprinzip beigetragen. Er bietet eine anthropologisch orientierte Begründung, indem er Selbstbestimmung als für den Menschen wesenhaft herausstellt. Nimmt man Begriffe wie Selbstbestimmung oder Freiheit und betrachtet, was die moderne Philosophie hierzu anbietet, so wird man u.a. bei Jean Paul Sartres "Philosophie der Freiheit" fündig.
Bei ihm kommt die Vorstellung vom Menschen als einem freiheitlichen Wesen besonders zur Geltung, wie wohl in kaum einer anderen Philosophie. Trotzdem hat dessen Name in den Diskurs der wissenschaftlichen Sonderpädagogik noch keinen Eingang gefunden. Es stellt sich die Frage, warum Sartres Philosophie bisher keine Erwähnung gefunden hat und ob sie möglicherweise keine Anknüpfungspunkte für die wissenschaftliche Sonderpädagogik bietet.
Um dies genauer zu ergründen, scheint es geeignet, Sartres ‚Philosophie der Freiheit‘ und das gegenwärtige sonderpädagogische Leitbild der Selbstbestimmung, das eng mit der Idee der Freiheit zusammenhängt, miteinander bekannt zu machen. So stellt diese Arbeit einen Versuch dar, die Gedanken von Sartres Philosophie auf die Thematik der Selbstbestimmung bei Menschen mit Behinderung zu beziehen und diesen Kontext aus dieser existenzialistischen Perspektive zu betrachten.
Darüber hinaus soll erörtert werden, inwieweit diese Philosophie Potenziale bietet, die Forderung nach mehr Selbstbestimmung aus einer existenzialistischen Perspektive zu begründen. Dazu wird das Essay "Der Existenzialismus ist ein Humanismus" von Jean-Paul Sartre aus dem Jahre 1945 als primäre Literaturquelle herangezogen. Was bedeuten Sartres Annahmen über den Menschen für die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung und für die Bedingungen, denen sie unterliegt?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Begriffsbestimmungen
- Behinderung
- Wortbedeutungen um den Begriff der Selbstbestimmung
- Freiheit
- Selbstbestimmung
- Autonomie
- Selbstständigkeit
- Identität
- Verortung des Selbstbestimmungsgedankens in der Sonderpädagogik
- Geschichte des Leitbilds der Selbstbestimmung
- Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung in der heutigen Praxis
- Theoretische Fundierung des Selbstbestimmungsgedankens
- Die anthropologische Position von Hahn
- Der anthropologische Dreischritt von Walther
- Kritische Positionen zum Leitbild der Selbstbestimmung von Waldschmidt und Stinkes
- Die existenzialistische Philosophie von Jean-Paul Sartre
- Der Grundsatz: „Beim Menschen geht die Existenz der Essenz voraus“
- Die Bedeutung der Situation
- (Schluss-)Folgen des Grundsatzes
- Leben als engagierter Entwurf
- Verurteilung zur Freiheit
- Betrachtung des Selbstbestimmungsgedankens bei Menschen mit Behinderung aus existenzphilosophischer Perspektive
- Sartres ontologischer und Hahns anthropologischer Ansatz
- Unterscheidung zwischen Handlungsfreiheit und Wahlfreiheit
- Existenzialismus im Zeichen der Postmoderne und des Neoliberalismus
- Normen und Normalität
- Freiheit, Selbstbestimmung und schwere Behinderung
- Die Bedeutung subjektiver Sinnhaftigkeit
- Identität und Selbstbestimmung
- Selbstbestimmung und Pädagogik
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Masterarbeit befasst sich mit dem Selbstbestimmungsgedanken bei Menschen mit Behinderung aus existenzphilosophischer Perspektive. Ziel ist es, die philosophischen Grundlagen des Selbstbestimmungsbegriffs zu beleuchten und deren Relevanz für die pädagogische Praxis zu diskutieren.
- Begriffliche Abgrenzung von Selbstbestimmung, Freiheit und Autonomie
- Theoretische Fundierung des Selbstbestimmungsgedankens in der Sonderpädagogik
- Die existenzialistische Philosophie von Jean-Paul Sartre und ihre Bedeutung für den Selbstbestimmungsgedanken
- Anwendung des Selbstbestimmungsgedankens auf Menschen mit Behinderung
- Herausforderungen und Chancen der Selbstbestimmung in der heutigen Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung führt in das Thema der Masterarbeit ein und erläutert die Relevanz des Selbstbestimmungsgedankens für Menschen mit Behinderung. Sie stellt den Zusammenhang zwischen der existenzphilosophischen Perspektive und der pädagogischen Praxis her.
- Begriffsbestimmungen: Dieses Kapitel definiert die zentralen Begriffe der Masterarbeit, darunter Behinderung, Selbstbestimmung, Freiheit und Autonomie. Es werden verschiedene Definitionen und Perspektiven auf diese Begriffe beleuchtet.
- Verortung des Selbstbestimmungsgedankens in der Sonderpädagogik: Dieses Kapitel analysiert die historische Entwicklung des Selbstbestimmungsgedankens in der Sonderpädagogik und beleuchtet die heutige Praxis der Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung. Es werden zudem verschiedene theoretische Fundierungen des Selbstbestimmungsgedankens, insbesondere die anthropologische Position von Hahn und der anthropologische Dreischritt von Walther, vorgestellt.
- Die existenzialistische Philosophie von Jean-Paul Sartre: Dieses Kapitel stellt die zentrale Idee des Existenzialismus vor, wonach die Existenz dem Wesen vorausgeht. Es werden wichtige Konzepte wie die Situation, der engagierte Entwurf und die Verurteilung zur Freiheit erläutert.
- Betrachtung des Selbstbestimmungsgedankens bei Menschen mit Behinderung aus existenzphilosophischer Perspektive: Dieses Kapitel analysiert die Relevanz des Selbstbestimmungsgedankens für Menschen mit Behinderung aus der Sicht des Existenzialismus. Es werden die Beziehungen zwischen Sartres ontologischem Ansatz und Hahns anthropologischem Ansatz untersucht und die Bedeutung von Handlungsfreiheit und Wahlfreiheit diskutiert. Darüber hinaus werden Herausforderungen des Selbstbestimmungsgedankens im Zeichen der Postmoderne und des Neoliberalismus sowie im Kontext von Normen, Normalität und schwerer Behinderung beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Masterarbeit beschäftigt sich mit den Themen Selbstbestimmung, Behinderung, Existenzialismus, Jean-Paul Sartre, anthropologische Position, Freiheit, Autonomie, Handlungsfreiheit, Wahlfreiheit, Normalität, Postmoderne, Neoliberalismus und pädagogische Praxis.
- Arbeit zitieren
- Annette Gall (Autor:in), 2019, Betrachtung des Selbstbestimmungsgedankens bei Menschen mit Behinderung aus existenzphilosophischer Perspektive, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/542899