Gesellschaftskritik in Truman Capotes In Cold Blood


Seminararbeit, 2000

19 Seiten, Note: 2+


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung: Truman Capote als Gesellschaftskritiker

1. Kritische Darstellung der amerikanischen Gesellschaft
1.1 Die amerikanische Klassengesellschaft und die Besonderheiten der Bible Belt -Region
1.2 Die Familie Clutter als Vertreter der wohlhabenden Mittelschicht
1.3 Dick Hickock und Perry Smith als Vertreter der deprivierten Unterschicht

2. Amerika als moralisch pervertierte Gesellschaft

3. Kritik am amerikanischen Rechtssystem

Schlusswort: Kritik an Truman Capotes eigener Kaltblütigkeit

Literaturverzeichnis

Einleitung: Truman Capote als Gesellschaftskritiker

Im Jahre 1966 veröffentlichte der Autor Truman Capote nach einer mehrjährigen Recherche seinen Roman In Cold Blood, der als non-fiction novel den authentischen Fall einer grauenvollen Ermordung einer vierköpfigen Farmerfamilie in Kansas schildert. Durch eine breite panoramatische Darstellung wird nicht nur die Lebenswelt der Opfer und Täter, sondern auch ein Gesamtbild der Gesellschaft entworfen. Das Werk wirft zahlreiche Fragen zum Wesen der amerikanischen Gesellschaft und ihrem Rechtssystem, sowie dem Umgang mit Verbrechen und Verbrechern in den USA auf. Als unbeteiligter Informationsvermittler übt der Schriftsteller keine direkte Kritik. Er lässt die einzelnen Szenen im Roman für sich sprechen, ohne interpretative Ansätze hinzuzufügen, um die objektive Wirklichkeit zu präsentieren. Aus einer Stoffsammlung von über 6000 Seiten wählte Capote allerdings gezielt bestimmte Elemente aus, um die Doppeldeutigkeit des American way of life zu entlarven und folglich die Nachdenklichkeit und das Mitgefühl des Lesers zu wecken.

1. Kritische Darstellung der amerikanischen Gesellschaft

1.1 Die amerikanische Klassengesellschaft und die Besonderheiten der Bible Belt -Region

Durch die kontrapunktische Gegenüberstellung von Opfer- und Täterwelt betont Capote die krassen Gegensätze zwischen arrivierter Mittel- sowie Oberschicht und deprivierter Unterschicht.

Familie Clutter, der KBI-Agent Alvin Dewey und weitere dargestellte Bürger von Holcomb und Garden City repräsentieren die ländliche Mittelstandsgesellschaft der USA. Eine soziale Klassentrennung leugnen nahezu alle Bewohner der Region: “’No, sir. Nothing like that here. All equal, regardless of wealth, colour, or creed. Everything the way it ought to be in a democracy; that’s us’” (Capote 32). Durch die anschließende Charakterisierung der Region, welche scherzhaft als Bible Belt der USA bezeichnet wird, entlarvt Capote die Aussage als falsch. Gerade in diesem “gospel-haunted strip of American territory in which a man must . . . take his religion with the straightest of faces” (Capote 32) ist die Konfessionszugehörigkeit ein klassentrennendes Merkmal, welches den sozialen Status einer Person definiert. Die Führungselite von Finney County setzt sich aus Geschäftsleuten, Akademikern, Bänkern und reichen Ranchbesitzern zusammen, welche hauptsächlich der episkopalen oder der presbyterianischen Kirche angehören. Die Mittelschicht setzt sich aus Methodisten, Katholiken und Baptisten zusammen. Die politische Parteienzugehörigkeit ist ebenfalls ausschlaggebend. Unter die rechtsgerichteten, konservativen Republikaner des Establishments mischt sich nur gelegentlich ein Demokrat.

Ein streng traditionelles Geschlechtsrollenverständnis bestimmt die Stellung von Mann und Frau in dieser Region. Männer sind in dieser patriarchalischen Gesellschaft die Entscheidungsträger. Dies wird z.B. in der Zusammensetzung der Gerichtsjury deutlich, die kein einziges weibliches Mitglied hat. Frauen nehmen ihre soziale Position als Mutter und Hausfrau ein. Erwerbstätige Frauen besetzen keine leitenden Positionen, sondern arbeiten vorrangig als Angestellte, Sekretärinnen usw. Alvin Dewey und Herbert Clutter beteiligen sich an der Haushaltsarbeit. Die Tätigkeit wird von ihnen allerdings aus einer zwingenden Notwendigkeit heraus übernommen, da Bonnie Clutter aufgrund ihrer psychischen Verfassung nicht fähig ist ihre Hausfrauentätigkeit auszuführen und Marie Dewey berufstätig ist. An spöttischen Bemerkungen der Bekannten des ehemaligen Sheriffs wird jedoch deutlich, dass männliche Hausarbeitsbeteiligung nicht üblich ist und sogar geächtet wird: “Here comes Sheriff Dewey! Tough guy! . . . But once he gets home, off comes the gun and on goes the apron!“ (Capote 101)

Der zu Beginn des Romans beschriebene Wandel des Ortes Holcomb von einer florierenden Grenzerstadt zu einem einsamen, leicht heruntergekommenen Bezirk weist auf den Zerfall der Ideale des American Dream hin. Die Bürger der Stadt tragen zwar immer noch “narrow frontier trousers, Stetsons, and highheeled boots with pointed toes“ (Capote 1), aber der Pioniergeist ist längst verflogen, und einige öffentliche Einrichtungen, wie z.B. ein Tanzlokal, erfüllen seit Jahren nicht mehr ihre soziale Funktion. Die Bewohner sind dennoch stolz darauf, dass in ihrer ländlichen Gemeinde nicht die gleiche Anonymität herrscht, wie in New York: “who wants New York? Good neighbours, people who care about each other, that’s what counts.“ (Capote 31) Nachdenklich, stimmt aber die Tatsache, dass in einer so gemeinschaftlichen Kommune, die unmittelbaren Nachbarn der Familie Clutter in der Mordnacht nichts Auffälliges hören, obwohl sie wach sind um ihr krankes Kind zu hüten.

Die Unterschicht repräsentieren in diesem Werk in erster Linie die Täter und ihre Angehörigen. Auf der absolut niedrigsten Ebene der Gesellschaft, unterhalb der Armutsgrenze, leben der Junge Bill und dessen Großvater Johnny. Dick Hickock und Perry Smith lernen das Vagabundenpaar, welches von den Abfallprodukten der wohlhabenden Wegwerfgesellschaft existiert, auf ihrer Fahrt durch die texanische Wüste kennen. Um an Geld für Nahrung zu gelangen, sammelt der Junge weggeworfene Cola- und Limonadeflaschen, die er anschließend in Geschäften gegen Pfand eintauscht.

1.2 Die Familie Clutter als Vertreter der wohlhabenden Mittelschicht

Auf den ersten Blick scheinen Herbert Clutter, seine Frau Bonnie, sowie die beiden Kinder Nancy und Kenyon das idealtypische Bild der amerikanischen Familie abzugeben. Auf der River Valley Farm, die unmittelbar in der geographischen Mitte der USA liegt, führt die Familie ein einfaches, geordnetes Leben. Ihre Ermordung trifft die Gemeinde von Holcomb völlig überraschend; keiner kann sich die Tat erklären: “’Of all the people in all the world, the Clutters were the least likely to be murdered.’” (Capote 81) Das Eingangskapitel The Last to see Them Alive liefert eine Rekonstruktion der letzten Stunden des Alltags der Clutters, die der Kritiker Tony Tanner als ” a sort of shorthand summary of the respectable surface of American life in its most extreme form“ (Malin 99) bezeichnet; sie könnte nahezu aus einem Hollywood-Film stammen.

Herbert W. Clutter, die beherrschende Gestalt unter den Mordopfern, hat sich als Absolvent der Kansas State University seinen Wohlstand und seine soziale Position als Farmer der oberen Mittelschicht durch Anstrengung, Strebsamkeit und Fleiß hart erarbeitet. Innerhalb seiner Gemeinde ist er ein angesehener Bürger, der das Werte- und Normensystem des Bible Belt vertritt und sich mit sozialem Engagement im Solidaritätsverein 4-H Club für die Ziele der Mittelstandsgesellschaft einsetzt. Er ist ein angesehenes Mitglied der republikanischen Partei und der First Methodist Church; als Agrarwirt ist sein Name weit über Kansas hinaus sogar in Washington D.C. bekannt, da er unter Präsident Eisenhower dem Federal Farm Credit Board angehörte. Mit puritanischer Strenge setzt er sich in seiner Familie und gegenüber seinen Landarbeitern als unangefochtene Autoritätsperson durch. Nancy und Kenyon müssen sich an strenge Erziehungsregeln halten, während er seinen Angestellten ein absolutes Alkoholverbot auferlegt. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift hat eine sofortige Entlassung zu Folge, ohne dass sich der ansonsten wohltätige Farmherr um die Zukunft der Familie des Entlassenen sorgt. Den Konsum von Genussmitteln lehnt er strikt ab: “he touched neither coffee nor tea . . . The truth was he opposed all stimulants, however gentle. He did not smoke, and of course he did not drink” (Capote 7-8).

Es existiert jedoch ein Widerspruch zwischen der äußerlichen, moralischen Sauberkeit und dem Innenleben der Familie Clutter. Capote enttarnt durch die Auswahl bestimmter Aspekte und Szenen auf nahezu ironische Weise die Schwächen der Familie.

Der Familienvater handelt im bezug auf seine Kinder entgegen der amerikanischen Devise freier Selbstverwirklichung; Nancy und Kenyon sollen sich einem aufoktroyierten Lebenszweck unterordnen. Während er aufgrund religiöser Vorurteile seiner Tochter verdeutlicht, dass ihre Beziehung zu Bobby Rupp, der aus einer römisch-katholischen Familie stammt, keine Zukunft hat und er einer späteren Ehe nicht zustimmen würde, möchte er, dass sein Sohn eines Tages die Farm übernimmt, obwohl Kenyons Begabungen im naturwissenschaftlichen und technischen Bereich auf andere Berufswünsche schließen lassen: “Take Kenyon. Right now he kind of leans towards being an engineer, or a scientist, but you can’t tell me my boy’s not a born rancher. God willing, he’ll run this place some day.” (Capote 45) Obwohl Mr. Clutter bekennender Nichtraucher ist, deutet Nancys Bemerken von Zigarettengeruch darauf hin, dass ihr Vater heimlich raucht. Seine furchtlose Selbstsicherheit für die ihn seine Mitbürgerin Mrs. Ashida lobt, stellt sich als seine grösste Schwäche heraus. Als die Einbrecher Hickock und Smith in sein Haus eindringen, scheint er nicht in der Lage zu sein sich vorzustellen, dass die Eindringlinge ihm und seiner Familie tatsächlich Gewalt zufügen könnten. Der äußerst kräftig gebaute Mann unternimmt keinerlei Versuch sich körperlich gegen die Eindringlinge zur Wehr zu setzen. Der KBI-Ermittler Dewey hatte ironischerweise das Gegenteil vermutet: “If Herb had thought his family was in danger, mortal danger, he would have fought like a tiger. And Herb was no ninny – a strong guy in top condition.” (Capote 78)

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Gesellschaftskritik in Truman Capotes In Cold Blood
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg  (Institut fuer Anglistik und Amerikanistik)
Veranstaltung
Proseminar: From Novel to Film
Note
2+
Autor
Jahr
2000
Seiten
19
Katalognummer
V5433
ISBN (eBook)
9783638133050
Dateigröße
523 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gesellschaftskritik, Truman, Capotes, Cold, Blood, Proseminar, From, Novel, Film
Arbeit zitieren
Natalie Lewis (Autor:in), 2000, Gesellschaftskritik in Truman Capotes In Cold Blood, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5433

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