Die Redefreiheit gehört spätestens seit Einführung der Demokratie zu den elementaren Grundrechten jedes Menschen. [...]
Vorausgesetzt, er lebt in einem demokratischen Staat. Denn noch immer gibt es Länder, in denen sich die Bürger nicht frei äußern können, weil sie mit politischer Verfolgung, Strafe, Freiheitsberaubung oder gar mit körperlichen Sanktionen rechnen müssen. Doch erstaunlicherweise gibt es auch in Staaten, in denen grundsätzlich nichts zu befürchten ist, Menschen, die nicht zu Wort kommen, die sich kein Gehör verschaffen können. In den meisten Fällen scheitert es an unzureichender Ausbildung in Lesen und Schreiben. Darüber hinaus sind Medien in ihrem Lebensraum überhaupt nicht oder nur in geringem Maß vertreten, so dass ihnen auch die Möglichkeit der mündlichen Äußerung verwehrt bleibt. Sie sind praktisch von der Außenwelt abgeschnitten und niemand hört, was sie zu sagen, was sie erlebt und was sie erlitten haben – abgesehen von den Nachbarn und Mitmenschen in ihrem direkten Umfeld.
Im Laufe der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts hat sich jedoch eine literarische Gattung entwickelt, die diesen Menschen – überwiegend den Bürgern der unterprivilegierten Bevölkerungsschicht in Mittel- und Südamerika – erstmals eine Stimme gab. Sie hatten plötzlich die Möglichkeit, ihre Sicht der Dinge darzulegen, ihre Geschichte zu erzählen und die Welt darüber aufzuklären, welche Kämpfe sie täglich austrugen, mit welchen Problemen sie alltäglich konfrontiert waren und unter welchen sozialen Bedingungen sie lebten. Diejenigen, die bisher stumm waren und nahezu stillschweigend in Umständen lebten, die für die restliche Weltbevölkerung nur schwer vorstellbar waren, kamen endlich zu Wort. Und man hörte ihnen zu.
Um diese literarische Gattung, die so genannte literatura testimonial, soll es in der vorliegenden Arbeit gehen. Dabei sollen das Wesen dieses Genres und seine Entwicklung, jedoch vor allem die kritischen Aspekte in diesem Zusammenhang thematisiert werden. Um dabei den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen und die Thematik möglichst anschaulich darzustellen, werden sich die folgenden Ausführungen auf das Beispiel des Romans „Si me permiten hablar…“ von Moema Viezzer und Domitila Barrios beschränken.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Literatura testimonial
- Ursprung und Entwicklung
- Problematik
- „Si me penniten hablar..."
- Domitila Barrios und Moema Viezzer
- Historischer Hintergrund
- Das Zeugnis der Domitila Barrios
- Können die Untergeordneten Sprechen?
- Spivaks Ansatz und seine Bedeutung im Hinblick auf die literarische Gattung der Testimonio-Literatur
- Domitila Barrios — eine subalteme Frau?
- Schlusswort
- Literaturverzeichnis
- Erklärung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der literarischen Gattung der Testimonio-Literatur, wobei die Entwicklung und die Problematik des Genres im Vordergrund stehen. Der Roman „Si me permiten hablar..." von Moema Viezzer und Domitila Barrios dient als Beispiel und wird im Detail analysiert.
- Die Entwicklung der Testimonio-Literatur aus anthropologischen Feldforschungen
- Die Problematik der Authentizität und der Rolle des Herausgebers in der Testimonio-Literatur
- Die Bedeutung der Subaltemität in der Testimonio-Literatur und die Frage, ob die Unterprivilegierten wirklich zu Wort kommen
- Die Rolle der Frauen und die Kritik an der gesellschaftlichen Struktur in Bolivien
- Die politische Intention der Testimonio-Literatur und die Frage nach der Repräsentation der unterdrückten Klasse
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Redefreiheit und die Bedeutung der Testimonio-Literatur für die Unterprivilegierten ein. Kapitel 2 beleuchtet den Ursprung und die Entwicklung der Testimonio-Literatur, wobei die Problematik der Authentizität und die Rolle des Herausgebers im Vordergrund stehen. Kapitel 3 widmet sich dem Roman „Si me permiten hablar..." von Moema Viezzer und Domitila Barrios. Es werden die Lebensgeschichte der Autorin, der historische Hintergrund und das Zeugnis der Domitila Barrios vorgestellt. In Kapitel 4 wird die Frage aufgeworfen, ob die Unterprivilegierten wirklich zu Wort kommen können. Spivaks Ansatz und seine Bedeutung im Hinblick auf die Testimonio-Literatur werden erläutert und die Autorin des Romans, Domitila Barrios, auf ihre Subaltemität hin untersucht. Das Schlusswort fasst die wichtigsten Erkenntnisse der Arbeit zusammen.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Testimonio-Literatur, die Subaltemität, die Authentizität, die politische Intention, die Rolle des Herausgebers, die Frauenrechte, die Situation der Minenarbeiter in Bolivien und die Geschichte der Domitila Barrios de Chungara. Der Text beleuchtet die Frage, ob die Unterprivilegierten wirklich zu Wort kommen können, und diskutiert die Bedeutung der Testimonio-Literatur als Mittel der politischen und sozialen Veränderung.
- Quote paper
- Natascha Clausen (Author), 2005, Zur Gattung der Testimonio-Literatur am Beispiel des Romans 'Si me permiten hablar...' von Moema Viezzer und Domitila Barrios, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54377
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