Die Habitustheorie nach P. BOURDIEU und deren Standpunkt in der Erwachsenenbildung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

23 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

Einleitungsgedanken

1. Grundlegende Überlegungen zur Erwachsenenbildung
1.1 Zur Theorie der Erwachsenenbildung
1.2 Theoretische Zugangsrichtungen und Probleme bei ihrer Differenzierung

2. Das Habitus-Konzept nach P. BOURDIEU
2.1 Die Habitus-Theorie
2.1.1 Ursprung des Habitus-Konzepts
2.1.2 Die Habitus-Theorie
2.2 Habitus und Feld
2.3 Die Entstehung des Habitus

3. BOURDIEUs Bildungstheorie in der Erwachsenenbildung

4. Schlussgedanken

5. Literaturverzeichnis

Einleitungsgedanken

Laut SCHWINGEL (2003) galt der französische Soziologe Pierre BOURDIEU vor allem unter soziologischen Kollegen bereits als Klassiker seines Metiers. Sein wissenschaftliches Gesamtwerk beschäftigt sich mit einer Vielfalt von Themen aus den Bereichen der Ethnologie, Soziologie, aber auch Philosophie und Politik, wodurch seine Arbeiten über die Soziologie hinaus auch in anderen Fachwissenschaften wie z. B. Geschichte, Erziehungs- oder Literaturwissenschaft oder aber auch bei einer breiten, an soziopolitischen Fragen interessierten Öffentlichkeit Beachtung fanden.

BOURDIEUs Gesamtwerk beinhaltet nicht eine „große Theorie“, sondern besteht aus verschiedenen Teilkomponenten wie der Theorie der Praxis, der Habitustheorie oder der Kapitaltheorie. (vgl. SCHWINGEL 2003)

Neben den Vorstellungen vom sozialen Raum, vom sozialen Feld oder dem kulturellen Kapital gehört das Habitus-Konzept zu den „zentralen Erkenntnisinstrumenten“, die BOURDIEU den Sozialwissenschaften hinterlassen hat. (vgl. KRAIS / GEBAUER 2002)

In meiner Arbeit werde ich die Habitus-Theorie von P. BOURDIEU vorstellen und ihre Bedeutung für die Erwachsenenbildung erläutern.

Ich beginne meine Arbeit mit grundlegenden Überlegungen zur Erwachsenenbildung. Am Anfang steht eine kurze Erläuterung der Probleme bei der Erarbeitung einer Theorie der Erwachsenenbildung aufgrund ihres besonderen, sehr vielfältigen Gegenstandsbereichs, wie es DEWE (1988) aufzeigt. Es folgt dann eine Darstellung der Schwierigkeiten bei der Differenzierung theoretischer Zugangsmöglichkeiten zur Erwachsenenbildung sowie eine kurze Vorstellung von DEWEs Unterscheidung verschiedener Sichtweisen der Erwachsenenbildung.

Anschließend komme ich zum Hauptthema meiner Arbeit, der strukturalistischen Bildungstheorie nach P. BOURDIEU, deren zentraler Punkt das Habitus-Konzept ist. Ich werde BOURDIEUs Weg zur Erarbeitung des Habituskonzepts aufzeigen und dann die Habitus-Theorie in ihren Kernpunkten vorstellen.

Im darauf folgenden Kapitel werde ich auf den Zusammenhang von Habitus und Feld eingehen sowie die Entstehung des Habitus einer Person im Laufe ihrer Sozialisation und den Bezug zu ihrem individuellen Lebenszusammenhang beschreiben.

Zum Abschluss meiner Arbeit zeige ich letztendlich die Bedeutung von BOURDIEUs Habitustheorie für eine sozialisations- und bildungstheoretische Sichtweise der Erwachsenenbildung auf.

1. Grundlegende Überlegungen zur Erwachsenenbildung

1.1 Zur Theorie der Erwachsenenbildung

Im Folgenden gehe ich kurz auf DEWEs Ausführungen zu grundlegenden Schwierigkeiten bei der Bestimmung einer Theorie der Erwachsenenbildung ein.

DEWE stellt sich die Frage, warum es nicht möglich ist, die Theorie der Erwachsenenbildung zu erarbeiten. Er sieht den Grund dafür vor allem darin, dass sich der Gegenstand der Erwachsenenbildungstheorie bzw. erwachsenenpädagogisches Handeln nicht klar definieren und eindeutig abgrenzen lässt. (vgl. 1988, 19)

Die Erwachsenenpädagogik – wie die Erziehungs- und Sozialwissenschaften im allgemeinen – hat es nicht mit Naturgesetzmäßigkeiten zu tun, die registriert, erklärt und in ihren Abläufen vorhergesagt werden können, sondern nach WITTPOTH besteht ihr Gegenstandsbereich im Wesentlichen aus (mehr oder weniger zielgerichtetem) Handeln von Akteuren, Individuen oder Kollektiven. (Hervorhebung im Original; vgl. 2003, 38)

Des Weiteren ist das Handlungsfeld von Erwachsenenbildung sei relativ wenig gesellschaftlich ausdifferenziert, d.h. „es bildet nicht in dem Maße einen klar umgrenzten sozialen Handlungsbereich, als daß es zur alleinigen Domäne einer Theorie gemacht werden könnte.“ (Hervorhebung im Original; DEWE 1988, 19) Die Offenheit und die Unbestimmtheit des Gegenstands möglicher Theorien der Erwachsenenbildung zeigen zugleich theoretische Probleme und praktische Fragen der Erwachsenenbildung auf, so DEWE. (1988, 20) Er nennt in diesem Zusammenhang unter anderem die unterschiedlichen Organisationen und ihr jeweilig unterschiedliches Bildungsangebot sowie die höchst inhomogene soziale Struktur ihrer Teilnehmer. (ebenda)

Aus den unterschiedlichen Feldern der Erwachsenenbildung wie z. B. berufsbezogener Fortbildung, Seniorenbildung oder Rehabilitation ergibt sich die Forderung nach differierenden Konzepten und Methoden, die dem intransparenten und vielfältigen Gegenstand einer Theorie der Erwachsenenbildung gerecht werden. (vgl. DEWE 1988, 21)

Ebenso wie die Pädagogik ist die Erwachsenenbildung als Erziehungswissenschaft eine angewandte, handlungsbezogene Wissenschaft, d.h. ,wie DEWE schreibt, dass ihre Theorien sich letztendlich nicht nur an den Standards der Logik von Forschung und von Erkenntnisfortschritt bewähren müssen, sondern an den Anforderungen der erwachsenenpädagogischen Praxis, und dass die Lösung theoretischer Probleme der Bearbeitung praktischer im konkreten Handlungszusammenhang der Erwachsenenbildung sich stellender Fragen dienen soll. (vgl. 1988, 19)

Es wird dabei verkannt, dass „handlungsbezogene Disziplinen, wie eben die Erwachsenenpädagogik, die ihre zu lösenden Handlungsprobleme außerhalb einer spezifischen Form wissenschaftlicher Institutionalisierung haben, sich nicht selbstverständlich nach dem Muster anerkannter Forschungsprinzipien entwickeln können.“ (Hervorhebung im Original; DEWE 1988, 19) Eine Theorie der Erwachsenenbildung kann nach DEWEs Verständnis keine konkreten Handlungsanweisungen und Regelanwendungen im Sinne von Rezepten für die private und berufliche Lebenspraxis bieten; er setzt die Ableitung von Handlungsstrategien im pädagogischen Geschehen unmittelbar aus theoretischen Aussagen über den Gegenstand der Erwachsenenbildung gleich mit dem „Verzicht auf sinnhaftes Handeln“. (vgl. 1988, 25)

In Bezug auf den spezifischen Unterschied zwischen pädagogischer Praxis und erziehungs- bzw. sozialwissenschaftlicher Theorie ergibt sich für letztere die Funktion der Erklärung von innerhalb der Lebenspraxis auftauchender Handlungsprobleme und der Vermittlung der gewonnenen Einsichten, welche dem Handelnden u. a. aufgrund der sie involvierenden Sachzwänge teilweise verborgen bleiben, an die Lebenspraxis. (vgl. DEWE 1988, 25f.)

Es besteht hier die Gefahr, das Nachdenken über pädagogisches Handeln auf die bloße Anwendung x-beliebiger Standards zu reduzieren. Denn wissenschaftliche Theorie über Erwachsenenbildung im Sinne DEWEs kann weitaus mehr, nämlich „Handlungsprobleme der erwachsenenpädagogischen Praxis stellvertretend für eben diese deuten bzw. reflektieren.“ (DEWE 1988, 26) Die Erwachsenenbildungstheorie kann generelle Beweggründe und Handlungsdefizite der erwachsenenpädagogischen Praxis durch das vorsichtige und überlegte Aufzeigen von Deutungs- und Handlungsalternativen gegenüber der bestehenden Praxis bewusstmachen. (ebenda)

DEWE wird hier noch konkreter:

„Der Unterschied zwischen einer wissenschaftlich - theoretischen Durchdringung des Erwachsenenbildungsgeschehens und dem erfahrungsgeleiteten berufspraktischen Verständnis des pädagogischen Mitarbeiters ist keineswegs einer, der sich auf die prinzipielle Fähigkeit einer realitäts-angemessenen Erkenntnis von Wissenschaftlern gegenüber Nicht-Wissenschaftlern bezieht.“ (Hervorhebung im Original; 1988, 26)

Da soziales Handeln als absichtsvolles, motiviertes Verhalten nicht unter Verkennung subjektiv-sinnhafter Handlungsbedeutungen auf ein gleichsam technisches Problem verkürzt werden kann, enthält jede erziehungs- und sozialwissenschaftliche Theorie stets ein Element an Deutungswissen und kann kein Problemlösungswissen für lebens- und berufspraktische Handlungssituationen und Krisen bereitstellen. (vgl. DEWE 1988, 26)

WITTPOTH bezeichnet Theorien in diesem Zusammenhang als „Sehhilfen“, die letztendlich in Handlungszusammenhängen einen anderen Blick auf die umgebende Realität eröffnen können. (vgl. 2003, 35)

1.2 Theoretische Zugangsrichtungen und Probleme bei ihrer Differenzierung

Bevor ich näher auf die Problematik bei der Differenzierung theoretischer Zugangsweisen zur Erwachsenenbildung eingehe und DEWEs Kategorisierung verschiedener Sichtweisen beschreibe, stelle ich im Folgenden in verkürzter Form einen Katalog von Voraussetzungen vor, welche nach DEWE von jenen Arbeiten erfüllt werden müssen, die dem Anspruch eines Beitrags zur „Theorie der Erwachsenenbildung“ gerecht werden wollen (vgl. 1988, 23ff.).

Einzelne Aussagen einer Theorie der Erwachsenenbildung müssen einen intern logischen und systematischen Zusammenhang erkennen lassen und auf empirisch vorfindbare Strukturen des Bereichs der Erwachsenenbildung anwendbar sein. (Hervorhebungen im Original; vgl. DEWE 1988, 23f.)

Des Weiteren sollen sich Aussagen einer Theorie der Erwachsenenbildung auf die konkrete Bildungspraxis beziehen, also einer wissenschaftlich begründeten Anleitung des pädagogischen Geschehens in der Erwachsenenbildung dienen. Dabei geht es der Erwachsenenbildungstheorie nicht nur um die Formulierung pragmatischer Handlungsanweisungen, sondern auch um die Thematisierung versäumter Alternativen und realer Utopien bzw. Gegenmodelle zur etablierten Erwachsenenbildung, so DEWE. (vgl. 1988, 24) Die Erwachsenenbildungstheorie bewertet und bestätigt nachträglich das bereits Bestehenden, dient aber auch der perspektivischen Entwicklung von etwas „Neuem“. (Hervorhebung im Original; ebenda)

[...]

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Die Habitustheorie nach P. BOURDIEU und deren Standpunkt in der Erwachsenenbildung
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg  (Philosophische Fakultät III Institut für Pädagogik)
Veranstaltung
Theorien und Grundfragen der Erwachsenenbildung
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
23
Katalognummer
V54381
ISBN (eBook)
9783638496032
ISBN (Buch)
9783638653541
Dateigröße
483 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Habitustheorie, BOURDIEU, Standpunkt, Erwachsenenbildung, Theorien, Grundfragen, Erwachsenenbildung
Arbeit zitieren
Nina Friedlein (Autor:in), 2006, Die Habitustheorie nach P. BOURDIEU und deren Standpunkt in der Erwachsenenbildung , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54381

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