„Unter ‘symbolischer Prägnanz’ soll also die Art verstanden werden, in der ein Wahrnehmungserlebnis als ‘sinnliches’ Erlebnis, zugleich einen bestimmten nicht-anschaulichen ‘Sinn’ in sich
faßt und ihn zur unmittelbar konkreten Darstellung bringt.“ [PSF III, 235] In dieser Arbeit möchte ich den ‘drei Elementen’, die in dieser ‘Definition’ von „symbolische Prägnanz“2durch Ernst Cassirer in spezifischer Weise in Beziehung zueinander gesetzt werden, nachdenken. Meine Vorgehensweise hierbei hat vor allem einen defensiven Charakter. Dafür rekonstruiere ich in den beiden Hauptteilen 1. und 2. einige grundsätzlich kritische Einwände gegen Cassirers Konzept der symbolischen Prägnanz. Da diese Einwände von analytisch orientierten Cassirerexegeten erhoben worden sind, werde ich deren Interpretations- und Argumentationsmethoden mitvollziehen, wobei sich zeigen soll, dass sich auch bei einer vermeintlich „präzisen theoretischen und begrifflichen Durchdringung“ der Problematik um „Stoff“ und „Form“, „Sinnlichkeit“ und „Sinn“ und deren Verhältnis zueinander theoretische und begriffliche Probleme ergeben, die mitreinerWort- oder Begriffsanalyse ‘nicht in den Griff’ zu bekommen sind. Die Anwendung dieser Methode der Interpretation sollte dabei ebensowenig als Ausdruck einer bestimmten Positionierung innerhalb einer ‘philosophischen Denkrichtung’ missdeutet werden (sondern vielleicht eher als ‘homöopathischer’ Ansatz), wie auch meine Verteidigung des Cassirerschen Konzepts keinen solchen ‘Standpunkt’ (z. B. einen phänomenologischen) darstellt. Mein Hauptanliegen mit dieser Untersuchung ist der Aufweis einer konsistenten Verstehensmöglichkeit eines zentralen Cassirerschen Begriffs gegen seine Kritiker. Was nicht gezeigt werden kann und soll ist, dass „symbolische Prägnanz“‘den Grundbegriff’der Philosophie der symbolischen Formen darstellt oder nicht darstellt und auch nicht, dass es sich um einen Begriff von ganz besonderer (etwa transzendentaler) philosophischer Qualität handelt oder nicht handelt. Die immanenten Bezüge der ‘Elemente’ von „symbolische Prägnanz“ werden in den drei Hauptteilen behandelt. Unter 1. wird nach der inneren Logik und der prinzipiellen Möglichkeit zur Formulierung dieses Konzepts gefragt, in Teil 2. wird die darin implizierte Wahrnehmungstheorie kritisch geprüft, während 3. eine weiterführende Frage an Cassirers Konzept der symbolischen Prägnanz enthält.
Inhaltsverzeichnis
- 0. Einleitung
- 1. Eine differenzierte Ganzheit
- 1.1 Logische Probleme einer 'distinctio rationis'
- 1.2 Sprachliche Probleme einer 'distinctio rationis'
- 1.3 Unterscheiden ohne zu trennen
- 1.4 Wahrheit ohne Ausdrückbarkeit
- 2. Zur Extension eines ‘Grundbegriffs’
- 2.1 Die Ambivalenz der Wahrnehmung
- 2.2 Ein fragwürdiges Dilemma
- 2.2.1 Ausdrucks- oder Dingwahrnehmung
- 2.2.2 Ausdrucks- und Dingwahrnehmung
- 3. Symbolische Prägnanz - Eine Symmetrie?
- 4. Verwendete Literatur
- 4.1 Quellentexte
- 4.2 Sekundärliteratur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht kritische Einwände gegen Ernst Cassirers Konzept der symbolischen Prägnanz, insbesondere die von analytisch orientierten Exegeten vorgebrachten Argumente. Das Ziel ist der Nachweis einer konsistenten Verstehensmöglichkeit dieses zentralen Cassirerschen Begriffs. Die Arbeit vermeidet eine Positionierung innerhalb bestimmter philosophischer Denkrichtungen und konzentriert sich auf die immanente Logik und die Möglichkeiten der Formulierung des Konzepts.
- Logische und sprachliche Probleme der "distinctio rationis" in Cassirers Konzept
- Kritik an Cassirers Wahrnehmungs- und Bedeutungstheorie
- Untersuchung der Beziehung zwischen Sinnlichkeit und Sinn im Rahmen der symbolischen Prägnanz
- Analyse der Möglichkeiten und Grenzen einer "absolutistischen Identitäts-Logik" in Bezug auf synthetische Urteile
- Die Einheitsthese von hyletischem und noetischem Moment in Cassirers Werk
Zusammenfassung der Kapitel
0. Einleitung: Die Einleitung stellt die zentrale Fragestellung der Arbeit vor: die Verteidigung des Begriffs der "symbolischen Prägnanz" bei Ernst Cassirer gegen kritische Einwände. Sie beschreibt die Vorgehensweise, welche in einer Rekonstruktion und Analyse dieser Einwände besteht, ohne dabei eine bestimmte philosophische Position zu vertreten. Der Fokus liegt auf dem Aufweis einer konsistenten Verstehensmöglichkeit des Begriffs, nicht auf seiner grundlegenden Bedeutung innerhalb des Cassirerschen Werks.
1. Eine differenzierte Ganzheit: Dieses Kapitel analysiert die Kritik von Konrad Marc-Wogau und Andreas Graeser an Cassirers Konzept. Marc-Wogau argumentiert, dass die Unterscheidung von Sinnlichkeit und Sinn (distinctio rationis) logisch problematisch ist, da sie das Ununterschiedene unterscheidet. Graeser kritisiert Cassirers Linienzugbeispiel als selbstwidersprüchlich, da die sprachliche Beschreibung des Sinnlichen bereits eine Form setzt. Das Kapitel konfrontiert diese Kritiken mit Cassirers Verteidigung, die aufzeigt, dass eine absolutistische Identitätslogik die Formulierung synthetischer Urteile unmöglich macht. Cassirer argumentiert, dass Unterscheiden nicht mit Trennen gleichzusetzen ist.
2. Zur Extension eines ‘Grundbegriffs’: Dieses Kapitel befasst sich mit der Wahrnehmungs- und Bedeutungstheorie, die Cassirers Konzept der symbolischen Prägnanz impliziert. Es analysiert die Ambivalenz der Wahrnehmung und diskutiert das Dilemma zwischen Ausdrucks- und Dingwahrnehmung. Die Kritik an Cassirers Konzept ist hier implizit im Umgang mit der jeweiligen Wahrnehmungstheorie verwoben. Das Kapitel beleuchtet das Problem, dass eine strikte Trennung von Sinnlichkeit und Sinn der Einheit des Wahrnehmungs- und Bedeutungserlebnisses widerspricht. Es analysiert die Interdependenz zwischen Sinnlichkeit und Bedeutung im Verständnis Cassirers, sowie die potentiellen Konsequenzen für eine einheitliche Theorie des Wahrnehmens und Bedeutens.
Schlüsselwörter
Symbolische Prägnanz, Ernst Cassirer, distinctio rationis, Wahrnehmungs- und Bedeutungstheorie, analytische Philosophie, phänomenologische Betrachtung, Sinnlichkeit, Sinn, Synthetische Urteile, Identitätslogik, Kritik der symbolischen Formen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Analyse der Symbolischen Prägnanz bei Ernst Cassirer
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert kritische Einwände gegen Ernst Cassirers Konzept der symbolischen Prägnanz, insbesondere aus analytisch orientierter Perspektive. Ziel ist der Nachweis einer konsistenten Verstehensmöglichkeit dieses zentralen Begriffs, ohne dabei eine bestimmte philosophische Position zu vertreten. Der Fokus liegt auf der immanenten Logik und den Formulierungsmöglichkeiten des Konzepts.
Welche Hauptthemen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die logischen und sprachlichen Probleme der "distinctio rationis" in Cassirers Konzept, Kritik an seiner Wahrnehmungs- und Bedeutungstheorie, die Beziehung zwischen Sinnlichkeit und Sinn im Kontext der symbolischen Prägnanz, die Möglichkeiten und Grenzen einer "absolutistischen Identitäts-Logik" in Bezug auf synthetische Urteile und schließlich die Einheitsthese von hyletischem und noetischem Moment in Cassirers Werk.
Welche Kritikpunkte an Cassirers Konzept werden untersucht?
Die Arbeit untersucht die Kritik von Konrad Marc-Wogau und Andreas Graeser. Marc-Wogau kritisiert die logische Problematik der Unterscheidung von Sinnlichkeit und Sinn ("distinctio rationis"), während Graeser Cassirers Linienzugbeispiel als selbstwidersprüchlich ansieht. Die Arbeit analysiert auch die implizite Kritik in der Auseinandersetzung mit Cassirers Wahrnehmungs- und Bedeutungstheorie, insbesondere das Problem der strikten Trennung von Sinnlichkeit und Sinn.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in Einleitung, ein Kapitel zur "differenzierten Ganzheit" (Analyse der Kritik an der "distinctio rationis"), ein Kapitel zur Extension des "Grundbegriffs" (Wahrnehmungs- und Bedeutungstheorie), ein Kapitel zur "symbolischen Prägnanz" (Symmetrie?) und ein Kapitel mit Literaturangaben. Jedes Kapitel wird in der Zusammenfassung der Kapitel näher erläutert.
Welche Schlüsselbegriffe sind zentral?
Zentrale Schlüsselbegriffe sind: Symbolische Prägnanz, Ernst Cassirer, distinctio rationis, Wahrnehmungs- und Bedeutungstheorie, analytische Philosophie, phänomenologische Betrachtung, Sinnlichkeit, Sinn, synthetische Urteile, Identitätslogik und Kritik der symbolischen Formen.
Was ist das Fazit der Arbeit (in Kurzfassung)?
Die Arbeit zielt darauf ab, eine konsistente Verstehensmöglichkeit des Cassirerschen Begriffs der "symbolischen Prägnanz" aufzuzeigen, indem sie kritische Einwände analysiert und die immanente Logik des Konzepts herausarbeitet. Sie vermeidet eine Positionierung innerhalb bestimmter philosophischer Denkrichtungen.
Wo finde ich die detaillierten Kapitelzusammenfassungen?
Detaillierte Zusammenfassungen der einzelnen Kapitel (Einleitung, "Eine differenzierte Ganzheit", "Zur Extension eines ‘Grundbegriffs") finden sich im Abschnitt "Zusammenfassung der Kapitel" des Dokuments.
Für wen ist diese Arbeit gedacht?
Diese Arbeit richtet sich an Leser, die sich mit der Philosophie Ernst Cassirers und insbesondere mit seinem Konzept der symbolischen Prägnanz auseinandersetzen möchten. Sie ist besonders für akademische Zwecke und die Analyse philosophischer Themen geeignet.
- Quote paper
- Sebastian Wengler (Author), 2004, Aporien der Symbolischen Prägnanz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54440