Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch, in einigen Grundgedanken die besondere Ambivalenz einer postmodernen Melancholie und ihre Empfindlichkeit für Beschädigungen der Lebenswelt im Vollzug der Rationalisierung darzustellen. Sie möchte auch der Frage nachgehen, ob es Anschlussmöglichkeiten an die melancholische Geschichts- und Subjektphilosophie gibt und unter welchen Voraussetzungen wir uns dieser Tradition im Kontext der Gegenwart noch vergewissern können.
Melancholie ist eine Erfahrung unserer Zeit. Das ist merkwürdig, denn die Moderne war immer der Garant für Sicherheit, doch nun finden wir allenthalben Unsicherheit vor: von der Arbeitslosigkeit über die Infragestellung von Beziehungen bis hin zur ungewissen Zukunft des Nationalstaats. Diese Unsicherheit scheint offensichtlich nicht übersteigbar. Auch die Wissenschaft bietet kein sicheres Wissen mehr, sondern lehrt - philosophisch und epistemologisch - , dass letzte Sicherheit unerreichbar, nichts als eine Chimäre ist. Wenn es also unmöglich ist, die Unsicherheit zu bannen, dann bleibt nur der Versuch, sie zu "ertragen".
In der Postmoderne herrscht nach Meinung ihrer Vertreter eine Fröhlichkeit der bunten Vielfalt von Vernunfts- und Lebensformen vor, die sich insoweit als "nachmelancholisch" bezeichnen lässt, als sie nicht unbedingt im Kontext der utopischen Enttäuschung der Moderne steht. Und dennoch erhärtet ein Blick auf die wissenschaftlichen, kulturellen und politischen Diskussionen der Gegenwart den Verdacht, dass auch der postmoderne Pluralismus dem modernen Denken und dessen Melancholie in indirekt Weise verbunden verhaftet bleibt.(vgl. Heidbrink 1994: 16f)
Insgesamt fällt es zunehmend leichter zu sagen, was Postmoderne alles nicht ist, was in Hilflosigkeit und Melancholie oder die Suche nach Möglichkeiten der Ablenkung und Betäubung einmünden kann. Eine gigantische Weltmaschine, die einfach über uns hinwegrollt, ganz gleich wie viel Wissen wir anhäufen. Im Gegenteil: Das viele Wissen nimmt denen, die danach streben, den Atem. Am Ende steht eine Art freiwilliger Nihilismus. Nicht durch die Leere der Seele, sondern durch ihre Lähmung.
Der erste Teil der Arbeit soll den Melancholiediskurs in historische und systematische Beziehung setzen. In ihm wird ein geschichtlicher Abriss der Melancholie gegeben, um einen Überblick über die verschiedenen Bedeutungen des Begriffs zu erhalten, so weit dies für den Verlauf der Untersuchung wichtig ist. [...]
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- PHILOSOPHISCHE ANTHROPOLOGIE IM SPIEGEL DER MELANCHOLIE
- Antike Melancholie (Humoralpathologie und Acedia)
- Ende der Melancholie?
- Gehlen
- Spengler
- MELANCHOLIE DER POSTMODERNE
- Postmoderne - Ursprung und Entwicklung
- Die indifferente Zeit
- POSTMODERNE THEORIEN
- Zygmunt Bauman
- Postmoderne Gewalt
- Der Fremde
- Jean Baudrillard
- Wahrheit, Realität, Simulation, Hyperrealität
- Ulrich Beck
- Die reflexive Moderne
- Die Risikogesellschaft
- Zygmunt Bauman
- PERSPEKTIVEN KRITISCHER REFLEXION
- Kritik an den postmodernen Analysen
- Kritik (an) der Anthropologie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Melancholie im Kontext der Postmoderne und untersucht, wie sich die Erfahrung der Melancholie im Spannungsfeld zwischen Modernität und Postmoderne entwickelt hat. Darüber hinaus beleuchtet die Arbeit die anthropologischen Implikationen der Postmoderne, insbesondere in Bezug auf die Problematik der Melancholie.
- Die Entwicklung der Melancholie in historischen Kontexten
- Die Beziehung zwischen Melancholie und Anthropologie
- Die Auswirkungen der Postmoderne auf die Erfahrung der Melancholie
- Die Rolle der Informationsgesellschaft in der Entstehung von Melancholie
- Kritische Reflexion der postmodernen Analyse der Melancholie
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in das Thema Melancholie und ihrer Relevanz für die moderne und postmoderne Gesellschaft. Anschließend beleuchtet sie die historische Entwicklung der Melancholie, beginnend mit der Antike, und betrachtet die Perspektiven von Philosophen wie Gehlen und Spengler auf das Ende der Melancholie.
Im dritten Kapitel wird die Postmoderne als Ausgangspunkt für die Analyse der Melancholie herangezogen. Die Arbeit diskutiert den Ursprung und die Entwicklung der Postmoderne, die "indifferente Zeit" und ihre Auswirkungen auf die menschliche Erfahrung.
Im vierten Kapitel werden verschiedene postmoderne Theorien beleuchtet, insbesondere die Theorien von Zygmunt Bauman, Jean Baudrillard und Ulrich Beck. Hierbei werden die Themen Postmoderne Gewalt, der Fremde, Wahrheit und Realität sowie die reflexive Moderne und die Risikogesellschaft untersucht.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit Themen wie Melancholie, Postmoderne, Anthropologie, Informationsgesellschaft, reflexive Moderne, Risikogesellschaft, Gewalt, Fremde, Wahrheit, Realität, Simulation, Hyperrealität, Kritik, und Selbstbeschreibung.
- Quote paper
- René Derveaux (Author), 2002, Melancholie im Kontext der Postmoderne. Anthropologische Implikationen der Postmoderne unter besonderer Berücksichtigung der Melancholieproblematik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5460