Die Geschichte des Hebräischen


Hausarbeit (Hauptseminar), 1999

39 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2.1 Die Einordnung des Hebräischen innerhalb der semitischen Sprachgruppe
2.1.1 Die Bezeichnung "semitisch"
2.1.2 Spezifische Kennzeichen der semitischen Sprachen
2.1.3 Das Verbreitungsgebiet der semitischen Sprachgruppe
2.1.4 Die Unterscheidung der semitischen Sprachen
2.2 Nordostsemitisch
2.3 Westsemitisch
2.3.1 Südwestsemitisch
2.3.1.1 Südarabisch
2.3.1.2 Nordarabisch
2.3.2 Nordwestsemitisch
2.3.2.1 Aramäisch
2.3.2.2 Kanaanäisch
2.3.2.2.1 Mittelkanaanäisch: Phönizisch
2.3.2.2.2 Südkanaanäisch
2.4 Hebräisch
2.4.1 Biblisches Hebräisch
2.4.2 Mischna-Hebräisch/Rabbinisches Hebräisch
2.4.3 Mittelalterliches Hebräisch (Neuhebräisch)
2.4.4 Modernhebräisch
2.4.4.1 Die Haskalah
2.4.4.2 Der Zionismus und Eliezer Ben Yehuda
2.4.4.3 Israelisches Hebräisch
2.4.4.3.1 Probleme des Israelischen Hebräisch

3. Ausblick

Bibliographie

1. Einleitung

Nach biblischer Überlieferung und dem Glauben orthodoxer Juden war He­bräisch die Ursprache der Menschheit; da nach Genesis 3,20 Eva (hebr. chawa) die "Mutter aller, die da leben" (chai) war und unverkennbar einen hebräischen Namen trug, läßt sich daraus schlüssig ableiten, daß die ge­meinsame Sprache der damals existierenden Menschheit (Adam und Eva) Hebräisch war. Dies hat sich bis zum Turmbau zu Babel offenbar nicht ge­ändert.[1]

Doch natürlich ist Hebräisch für den aufgeklärten Menschen als "Ursprache" der Menschheit nicht mehr von Bedeutung; vielmehr gründet sich die heutige wissenschaftliche Beschäftigung mit der hebräischen Sprache darauf, daß Hebräisch (1) immer noch Kultsprache der mosaischen Religion und in ge­wisser Weise auch des Christentums ist, (2) eine der ältesten Kulturspra­chen der Welt und (3) die einzige Sprache überhaupt ist, die nach 2000 Jah­ren erfolgreich als Gebrauchssprache wiederbelebt worden konnte.

Der erste Teil der hier vorliegenden Arbeit soll einen Überblick über die dem Hebräischen ver­wandten Sprachen geben, um es innerhalb der semitischen Sprachgruppe einzuordnen und ihre möglichen Einflüsse zu erklären. Der zweite Teil wird sich ausführlicher mit der Geschichte des Hebräischen be­schäftigen.

2.1 Die Einordnung des Hebräischen innerhalb der semiti­schen Sprachgruppe

2.1.1 Die Bezeichnung "semitisch"

Obschon die Verwandtschaft der wichtigsten semitischen Sprachen "bereits den jüdi­schen und islamischen Grammatikern des Mittelalters bekannt" war, erwachte das In­teresse an der Semitistik im christlichen Europa erst im 16. Jahrhundert; die Bezeich­nung "semitisch" selbst wurde 1781 durch L. v. Schlözer zum Ausdruck gebracht.[2]Sie geht zurück auf Genesis 10, 21-31[3](die Semiten als die Nachkommen des Noahsohnes Sem) und wird als Be­nennung für eine "Sprachgemeinschaft", "nicht aber [..] ein Volks­tum, eine Rasse oder eine Kultur", verwendet,[4]"that share common features of pho­nology, morphology, syntax and vocabulary"[5].

Für die semitische Sprachgruppe wird, wie für das Indogermanische, ein Ur­typus ("Proto-Semitic") vorausgesetzt,[6]der zwar nicht mehr zu rekonstru­ie­ren ist, aber doch charakteristische Merkmale erkennen läßt.[7]Wohl eher spekulativ ist die Vermutung Körners, es habe eine "semitisch-hamitisch-in­doeuropäische[] Sprachgemeinschaft um 6000 v. Chr." bestanden, die al­lerdings "nicht mehr lokalisierbar" sei.[8]

Körner nimmt wegen des großflächigen Verbreitungsgebiets eine wahr­scheinliche frühe Aufspaltung dieser Ursprache in Dialekte an;[9]heutzutage treten etwa siebzig verschie­dene semitische Sprachen oder Dialekte auf[10]. Dabei ist jedoch zu beachten, daß die Grenzen des semitischen Verbrei­tungsgebietes und der Zugehörigkeit zum Semitischen nicht klar festgelegt werden können, da auch Sprachen wie beispielsweise das Libysche – als hamitische Sprache mit dem Semitischen verwandt[11]– Züge aufweisen, die eine Klassifizierung als semitisch nicht ganz abwegig erscheinen lassen.[12]

Sáenz-Badillos merkt ferner an, daß bei der Zuordnung einzelner Sprachen zum Semiti­schen von einigen Forschungsrichtungen nicht nur sprachliche, sondern auch geogra­phische, historische und kulturelle Gegebenheiten be­rücksichtigt würden, obschon die unsichere Überlieferung diesen Sach­ver­halten höchstens den Stellenwert von Hypothesen zuweisen kann.[13]

Die semitische Sprachgruppe gilt als verwandt mit der hamitischen, mit Ägyptisch, (Libysch-)Berberisch und Kuschitisch[14]sowie Tschadisch und eventuell Omotisch, mit der sie zusammen den sogenannten afro-asiati­schen oder hamito-semitischen Sprachstamm bildet.[15]

2.1.2 Spezifische Kennzeichen der semitischen Sprachen

Kennzeichnend für die semitischen Sprachen sind einmal zahlreiche em­pha­tische Konsonanten, das heißt pharyngalisierte (Rachenlaute) und glot­tali­sierte (Knacklaute). Für das Semitische ist ferner die Wurzelflexion cha­rakte­ristisch, also die Beugung von – meist drei – "Radikalen" (deswegen auch "Triliteralität" genannt).

In der Morphologie des Verbs gibt es "zwei Aspektformen mit unterschiedli­chen Konjugationsmustern"; einerseits das Perfekt, das das Präteritum aus­drückt, andererseits das Imperfekt zur Darstellung von Präsens respektive Futur.[16]

Das "reiche Diathesen-System"[17]der semitischen Sprachen enthält "Konju­gationsformen" zur "Modifikation[] des Verbalbegriffes"; im Hebräi­schen sind dies sieben, Binjanim genannte Stammesmodifikationen.[18]Die Grundform, Pa'al oder Kal, besteht aus dem Grundstamm des Verbs; das Pi'el drückt die Intensität der Hand­lung oder den Kausativ aus. Ebenfalls kausative, dazu aber noch deklarative Bedeutung hat das Hif'il, während das Hitpa'el refle­xive oder reziproke Handlungen bezeichnet. Nif'al, Pu'al und Hof'al sind die Passivformen von Pa'al, Pi'el und Hif'il.

Das Nomen weist ein zweistufiges Genus-System mit Maskulinum und Fe­mininum auf; häufig sind drei Kasus anzufinden – Nominativ, Genitiv und Ak­kusativ. Dativ und Lokativ sind rekonstruierbar; in modernen Sprachen, so auch beim Modernhebräischen, gibt es häufig überhaupt keine Kasus mehr.

Dualformen und teilweise Unterscheidung von Kollektiv und Singulativ sind Bestandteile des Numerussystems;[19]eine Besonderheit des Semitischen ist der Status constructus, der den Genitiv bildet und bei dem das regierende Nomen (Regens) statt des im Genitiv stehenden Rectum flektiert wird.[20]

2.1.3 Das Verbreitungsgebiet der semitischen Sprachgruppe

Als Ursprungsgebiet des Semitischen wird im allgemeinen die arabische Halbinsel angesehen;[21]dies ist jedoch nicht unumstritten: auch andere Teile des semitischen Siedlungsgebietes, das in der Antike ganz Vorderasien umfaßte, werden vereinzelt als Herkunftsgebiet genannt.[22]Außer den ori­entalischen Ländern, also Mesopotamien (Nordostsemitisch), Arabien (Süd­westsemitisch), Syrien und Palästina (Nordwestsemitisch), ist ferner Äthio­pien aufzuführen, das, von Südarabien aus kolonisiert[23], schon im Al­tertum zum südwestsemitischen Siedlungsgebiet zählte.[24]

Nach den islamischen Eroberungen breitete sich zudem Arabisch in Nord­afrika, Spanien und anderen Teilen Südeuropas aus; als Kreolsprache ist es bis heute Landessprache in Malta (Maltesisch).[25]

2.1.4 Die Unterscheidung der semitischen Sprachen

Die Gliederung des Semitischen teilt es gewöhnlich in zwei große Sprach­gruppen, das Nordost- oder Ostsemitische (Akkadisch) und das Westsemiti­sche, das sich wiederum in Nordwestsemitisch (Kanaanäisch, Aramäisch und andere Sprachen) und Südwestsemi­tisch (Nordarabisch, Südarabisch und Abessinisch) aufspaltet.[26]

Schon vor 3000 v. Chr. trennte sich das Nordostsemitische ab; das Akkadi­sche ver­drängte im Nordosten in der Folgezeit das (nichtsemitische) Sume­rische, nicht ohne dessen Substrateinfluß ausgeliefert zu werden. Auch im Nordwesten, etwa in Ebla, wurde während dieser Zeit eine semitische Spra­che verwendet, deren Einordnung allerlei Schwierigkeiten aufwirft (s. u. S. 11f.).[27]

Im 2. Jahrtausend v. Chr. erfolgte die Spaltung des Akkadischen in zwei Dialekte (Babylonisch und Assyrisch), gleichzeitig der Aufstieg des Amoriti­schen, später des Ugaritischen und anderer Sprachen.

Schon vor der Wende zum 2. Jahrtausend hatte sich wahrscheinlich das Westsemitische in Nord- und Südwestsemitisch geteilt; am Ende des 2. Jahrtausends traten Kanaanäisch und Aramäisch im Nordwestsemitischen auf. Im Südwestsemitischen entwickelten sich Nordarabisch, Südarabisch und Äthiopisch, deren älteste Schriftzeugnisse aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. stammen.[28]

2.2 Nordostsemitisch

Die älteste überlieferte Sprache der semitischen Sprachgruppe ist das Ak­kadische, das "im alten Mesopotamien" beheimatet war.[29]Vom Anfang des 3. Jahrtausends bis ins 6. Jahrhundert v. Chr., als seine Hegemonie als Lin­gua franca vom Aramäischen übernommen wurde, war es als Verwaltungs­sprache im Nahen Osten in Gebrauch.[30]

Das Akkadische zeigt dem Westsemitischen gegenüber eine "altertümlichere Entwicklungsstufe des semitischen Sprachtyps". Vor allem im Lautbestand ist sein sumerisches Substrat erkennbar, der "Verlust der Laryngale, der dentalen Spiranten und größtenteils der Halbvokale" wie die Schwäche der Pharyngale. Die Verwendung der ebenfalls von den Sume­rern übernomme­nen Keilschrift erschwert die Rekonstruktion erheblich, da sie "die in ihr ge­gebenen Möglichkeiten genauerer Lautbezeichnung nur un­vollkom­men [ausnützt]".[31]

Im 2. Jahrtausend teilte sich das Akkadische dann in "zwei merklich ver­schiedene Dia­lekte", das Babylonische, dessen klassische Zeit die "Periode der Hammurabi-Dynastie" (1792-1750) war, und das Assyrische, von dem am meisten aus der "Periode des neuassyrischen Weltreichs" überliefert ist.[32]

Letzte Belege des Akkadischen reichen "nahe an unsere Zeitrechnung" heran[33], viel­leicht sogar noch in die Zeit Kaiser Trajans (98-118 n. Chr.).[34]Danach war es völlig vom Aramäischen verdrängt worden.[35]

[...]


[1]Genesis 11, 1: "Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache", bis "der HErr da­selbst verwirrt hat aller Länder Sprache" (11, 9).

[2]Bauer/Leander 1; Bußmann 680f. ("Semitisch"); Körner 13.

[3]Kutscher 3.

[4]Körner 13.

[5]Kutscher 3; vgl. Körner 13.

[6]Körner 13; Kutscher 3.

[7]Kutscher 3.

[8]Körner 14.

[9]Körner 13.

[10]Sáenz-Badillos 3.

[11]Kutscher 4.

[12]Sáenz-Badillos 4.

[13]Sáenz-Badillos 6f.

[14]Kutscher 4.

[15]Bußmann 54f. ("Afro-Asiatisch").

[16]Bußmann 681 ("Semitisch").

[17]Bußmann 681 ("Semitisch").

[18]Simon 51.

[19]Bußmann 681 ("Semitisch").

[20]Bußmann 681 ("Semitisch"); Simon 31.

[21]Körner 13.

[22]Sáenz-Badillos 7.

[23]Sáenz-Badillos 15.

[24]Körner 13; Kutscher 3; Sáenz-Badillos 3.

[25]Kutscher 3.

[26]Körner 13f.; Kutscher 3f.; Sáenz-Badillos 4, 10.

[27]Sáenz-Badillos 3, 10.

[28]Sáenz-Badillos 3f., 10.

[29]Bußmann 680 ("Semitisch").

[30]Sáenz-Badillos 12f.

[31]Bergsträsser 13, 20.

[32]Bergsträsser 20; vgl. Körner 13; Sáenz-Badillos 12.

[33]Bauer/Leander 2.

[34]Schmitt 571.

[35]Bauer/Leander 3.

Ende der Leseprobe aus 39 Seiten

Details

Titel
Die Geschichte des Hebräischen
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg  (Fachbereich Germanistik)
Veranstaltung
Hauptseminar: Probleme der Etymologie
Note
1
Autor
Jahr
1999
Seiten
39
Katalognummer
V5467
ISBN (eBook)
9783638133319
Dateigröße
554 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geschichte, Hebräischen, Hauptseminar, Probleme, Etymologie
Arbeit zitieren
Christina Manthe (Autor:in), 1999, Die Geschichte des Hebräischen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5467

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