Auf der Suche nach Legende und Wirklichkeit der Pax Britannica in Indien taucht zuerst das Problem auf, daß es eine systematische Untersuchung zum Begriff der Pax Britannica unter globalhistorischen Gesichtspunkten nicht gibt. Der Begriff wird jedoch mit einer Selbstverständlichkeit verwendet, als ob er ebenso geklärt wäre wie jener der Pax Romana. In dieser unreflektierten Form ist Pax Britannica gängige Münze auch in der historischen Zunft geworden und so wird der Begriff gleichfalls in Deutschland unzulänglich eingesetzt. Den Ungereimtheiten ist nur zu entgehen, wenn Pax Britannica nicht als Umschreibung eines konkreten historischen Zustands begriffen wird, sondern als ideologisches Konstrukt zum Zweck der Rechtfertigung britischer Vorherrschaft in der Welt. Die Wirklichkeit kolonialer Penetration spielte sich freilich auf materieller Ebene ab, das Bild aber wurde politisch-philosophisch, ideologisch, imaginativ als Fiktion verhandelt. Nachdem auf begriffskritischem und historiografischem Weg grundlegenden Voraussetzungen der "Errichtung einer Pax Britannica in Indien" die beanspruchte objektive Gültigkeit bestritten wurde, soll ein Blick aus der britisch-indischen Perspektive die weitere Entwicklung des kolonialen Penetrationsprozesses durch die East India Company bis zu deren Subordination unter die imperiale Staatsräson Londons gegen Ende des 18.Jahrhunderts verfolgen. Entlang der realhistorischen Sequenz "Finanzbedarf - territoriale Expansion - politisch-militärische Konsolidation - Einnahmensicherung und neuerliche Expansion" wird hier die allmähliche Herausbildung einer immer komplexeren Legitimationsproduktion in ihrer ideologischen Konstruiertheit, ihrer tagespolitischen Abhängigkeit, ihrer verwickelten Dynamik und ihrer politischen Öffentlichkeit demonstriert. Voranschreitend ins 19.Jahrhundert, werden ökonomische und v.a. intellektuelle Aspekte stärker berücksichtigt. Insgesamt erscheint Pax Britannica in Indien so offensichtlich als koloniale Ausbeutungs- und Herrschaftslegitimation, daß gefragt werden muß, wieso und wodurch das Ideologem im Kontext binneneuropäischer Außenpolitik überhaupt derart breit in Geltung kommen konnte. Es wird sich zeigen, daß aus der indischen Pax-Britannica-Vorlage 2 Varianten hervorgehen: eine für die politische Öffentlichkeit der weißen Imperialkonkurrenz, die andere für den kolonialen Beherrschungs-Komplex - und beide im Gespann eine zukunfts- und globalisierungsfähige Version von Pax Occidentalis bildeten.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- I. Begriffskritik und Historiografiekritik
- A) Begriffskritik, generell
- -1- Programm, Realität oder Rechtfertigung britischer Außenpolitik?
- -2- Pax Britannica für Indien?
- -3- Pax Britannica als ideologisches Konstrukt
- B) Historiografiekritik am Beispiel
- -1- Orientaldespotie als Ausgangspunkt
- -2- Indisch-Indien im 18. Jahrhundert: Forschungsstand
- -3- Warrior States und andere blutige Reste
- -4- Offene Fragen, blinde Flecken
- II. Koloniale Penetration und legitimatorische Begleitmusik
- A) John Company und die Unschuld des Kaufmanns
- B) East Indian Chaos: Finanzkrisen, Lösungsversuche, Friedensrhetorik
- C) 1780-1820: Laying out Ordering Principles
- III. Legende und Wirklichkeit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Begriff "Pax Britannica" im Kontext der kolonialen Penetration Indiens. Sie hinterfragt die gängige Verwendung des Begriffs und analysiert ihn als ideologisches Konstrukt zur Legitimation britischer Vorherrschaft. Die Arbeit beleuchtet die Realität der kolonialen Herrschaft und untersucht die Wechselwirkung zwischen ideologischer Konstruktion und materieller Wirklichkeit.
- Begriffskritische Auseinandersetzung mit "Pax Britannica"
- Analyse der kolonialen Penetration Indiens durch die East India Company
- Untersuchung der Legitimation britischer Herrschaft in Indien
- Die Rolle des Orientalismus in der Konstruktion des "anderen"
- Die Wechselwirkung zwischen Ideologie und materieller Realität der Kolonialherrschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung stellt das zentrale Problem der Arbeit dar: die fehlende systematische Untersuchung des Begriffs "Pax Britannica" unter globalhistorischen Gesichtspunkten. Sie hebt die unkritische Verwendung des Begriffs hervor und betont die Notwendigkeit einer ideologiekritischen Analyse, die die materielle Realität kolonialer Penetration mit der ideologischen Konstruktion von "Pax Britannica" verbindet. Der Fokus liegt auf der Untersuchung der Wechselwirkung zwischen der ideologischen Legitimation und der tatsächlichen Ausübung britischer Herrschaft in Indien.
I. Begriffskritik und Historiografiekritik: Dieses Kapitel bietet eine kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff "Pax Britannica" und der dazugehörigen Historiografie. Es analysiert verschiedene Interpretationen und legt den Fokus auf die Frage, ob "Pax Britannica" als Programm, Realität oder Rechtfertigung britischer Außenpolitik verstanden werden kann. Es wird eine kritische Auseinandersetzung mit dem Konzept der "Orientalischen Despotie" und deren Rolle in der Legitimierung der Kolonialherrschaft geführt. Das Kapitel beleuchtet auch den Forschungsstand zur präkolonialen Realität Indiens und zeigt die Herausforderungen auf, die sich bei der Anwendung eines für die britische Außenpolitik entwickelten Konzepts auf die indische Situation ergeben.
II. Koloniale Penetration und legitimatorische Begleitmusik: Dieses Kapitel verfolgt den Prozess der kolonialen Penetration Indiens durch die East India Company (EIC) bis zu deren Unterordnung unter die imperiale Staatsräson Londons. Es beschreibt die Zusammenhänge zwischen Finanzbedarf, territorialer Expansion, politischer und militärischer Konsolidierung und Einnahmensicherung. Es analysiert die allmähliche Herausbildung einer immer komplexeren Legitimationsproduktion und demonstriert deren ideologisch konstruierte, tagespolitische Abhängigkeit, verwickelte Dynamik und politische Öffentlichkeit. Das Kapitel verwendet das Beispiel des Hastings-Impeachments, um den imperialen Take-Over Londons in der Indienpolitik nachzuvollziehen.
Schlüsselwörter
Pax Britannica, Indien, Kolonialismus, Ideologiekritik, Orientalismus, East India Company, britische Herrschaft, Legitimation, Koloniale Penetration, Historiografiekritik, Indirect Rule.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Pax Britannica in Indien - Eine ideologiekritische Untersuchung
Was ist der zentrale Gegenstand der Untersuchung?
Die Arbeit untersucht den Begriff "Pax Britannica" im Kontext der britischen Kolonialherrschaft in Indien. Sie hinterfragt dessen gängige Verwendung und analysiert ihn als ideologisches Konstrukt zur Legitimation der britischen Vorherrschaft. Ein Schwerpunkt liegt auf der Wechselwirkung zwischen ideologischer Konstruktion und der materiellen Realität der Kolonialherrschaft.
Welche Aspekte werden im Einzelnen behandelt?
Die Untersuchung beinhaltet eine begriffskritische Auseinandersetzung mit "Pax Britannica", analysiert die koloniale Penetration Indiens durch die East India Company, untersucht die Legitimation der britischen Herrschaft, beleuchtet die Rolle des Orientalismus und die Wechselwirkung zwischen Ideologie und materieller Realität der Kolonialherrschaft. Es wird auch die Historiografie zu diesem Thema kritisch beleuchtet.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit und worum geht es in diesen?
Die Arbeit gliedert sich in drei Hauptteile: Kapitel I befasst sich mit der Begriffskritik von "Pax Britannica" und einer kritischen Auseinandersetzung mit der existierenden Historiografie, inklusive einer Analyse des Konzepts der "Orientalischen Despotie". Kapitel II verfolgt die koloniale Penetration Indiens durch die East India Company und analysiert die Entwicklung der Legitimationsstrategien. Kapitel III (in der Vorschau nur angedeutet) wird sich vermutlich mit dem Vergleich von Legende und Wirklichkeit der Pax Britannica befassen.
Welche Methoden werden angewendet?
Die Arbeit verwendet eine ideologiekritische Methode, um den Begriff "Pax Britannica" zu dekonstruieren und die Legitimationsstrategien der britischen Kolonialherrschaft zu analysieren. Sie kombiniert begriffskritische und historiografische Ansätze mit einer Analyse der materiellen Realität der Kolonialherrschaft.
Welche Schlüsselbegriffe sind relevant?
Schlüsselbegriffe sind Pax Britannica, Indien, Kolonialismus, Ideologiekritik, Orientalismus, East India Company, britische Herrschaft, Legitimation, Koloniale Penetration, Historiografiekritik und Indirect Rule.
Welche Zielsetzung verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, eine systematische und ideologiekritische Untersuchung des Begriffs "Pax Britannica" im Kontext der indischen Kolonialgeschichte zu liefern. Sie möchte die unkritische Verwendung des Begriffs hinterfragen und die komplexe Wechselwirkung zwischen ideologischer Konstruktion und materieller Realität aufzeigen.
Für wen ist diese Arbeit relevant?
Diese Arbeit ist relevant für Wissenschaftler, Studierende und alle Interessierten, die sich mit der Geschichte des britischen Kolonialismus in Indien, Ideologiekritik und der Geschichte der Globalisierung beschäftigen.
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- M.A. Jürgen Krämer (Author), 2004, Pax Britannica in Indien: Legende und Wirklichkeit kolonialer Penetration, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54714