Ein Kind seiner Epoche kann man Gottfried Benn nicht nennen, denn nicht er wurde vom Expressionismus beeinflusst, nein, andersherum prägte er die so genannte Strömung. Der Expressionismus ist von der Literaturgeschichtsschreibung zwischen 1910 und 1925 datiert, kann aber bis zum brutalen Einschnitt des Jahres 1933, dem Kriegsbeginn, ausgedehnt werden. Dem Schwebenden und Zweideutigen des Symbolismus und Impressionismus des Fin de siècle wurde eine bedingungslose Unmittelbarkeit und Aufbruchsstimmung entgegengesetzt. Dieses Unmittelbare erscheint zunächst in der Wahl der Themen, durch die das Lebensgefühl in einer in extremer Beschleunigung begriffenen Gesellschaft eingefangen wird: Großstadt, Technik, Elend, Gewalt, Sexualität werden in direkten Bezug gesetzt mit Erfahrungen der Orientierungslosigkeit, Sinnsuche, Bedrohung. Immer geht es um Grenzbereiche menschlichen Erlebens, und so hat die expressionistische Literatur stets eine Tendenz zum Ekstatischen. Oft wechseln Begeisterung und Verzweiflung einander ab; Extremformen menschlichen Fühlens und Verhaltens rücken ins Zentrum des Interesses. Rausch, Wahnsinn, Krankheit, Kriminalität und ganz allgemein jegliche Anomalität tauchen in den verschiedensten Variationen auf.
Im großen Maße trugen auch die formalen Mittel dazu bei, die angestrebte »Wirklichkeitszertrümmerung« literarisch zu vollziehen. Das kausal-lineare Erzählen wurde von assoziativ-rhapsodischen Strukturen verdrängt, Symbolik und Metaphorik erfuhren bis dahin ungeahnte Erweiterungen, die Syntax wurde zum Teil bis zum völligen Verlust von Satzkonstruktionen 'gesprengt'.
Wie der Titel schon verrät strebt diese Hausarbeit einen Vergleich der I. mit der II. Phase von Gottfried Benns gesamtem lyrischen Werk an, mit besonderem Augenmerk auf die Dualität, die sich vor allem in der Form äußert und zwar dabei oberflächlich wirkt, jedoch meiner Meinung nach tiefer geht als in der Nebeneinanderstellung von kontrastierenden Wörtern.
Da in diesem Fall das Oeuvre des Dichters in drei Phasen einzuteilen ist, ist eine genauere Untersuchung der Entwicklung vom Früh- bis zum Spätwerk vonnöten, wobei die II. Phase außer Acht gelassen werden darf.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Phasen
- I. Phase
- II. Phase
- III. Phase
- Gedichtanalysen
- „Requiem“
- „Sieh die Sterne, die Fänge“
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit analysiert die I. und II. Phase des lyrischen Werks von Gottfried Benn und untersucht dabei die sich in Form und Inhalt zeigende Dualität. Die Arbeit verfolgt das Ziel, die Entwicklung von Benns Dichtung im Spannungsfeld von Formzertrümmerung und Formgestaltung, von Nihilismus und Metaphysik aufzuzeigen.
- Entwicklung von Benns Lyrik in zwei Phasen
- Die Rolle der Dualität in Form und Inhalt
- Der Einfluss des Expressionismus auf Benns Werk
- Benns Verhältnis zu Tradition und Moderne
- Ästhetische und metaphysische Ansätze in Benns Dichtung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt Gottfried Benn als prägenden Vertreter des Expressionismus vor und erläutert die Einteilung seines lyrischen Werks in drei Phasen. Das Kapitel „Die Phasen“ befasst sich mit den charakteristischen Merkmalen der ersten und zweiten Phase von Benns Werk. Es wird insbesondere auf die unterschiedlichen Ansätze in Form und Inhalt sowie die Bedeutung des „Rausches“ als Flucht vor der „Vergehirnung“ eingegangen.
Schlüsselwörter
Gottfried Benn, Expressionismus, Lyrik, Dualität, Formzertrümmerung, Formgestaltung, Nihilismus, Metaphysik, Rausch, Vergehirnung, Verwesung, technisierte Existenz, Großstadt, Chaosgefühl, Existenzangst.
- Quote paper
- Maja Tworek (Author), 2005, Die I. und II. Phase von Gottfried Benns Oeuvre im Vergleich unter dem Aspekt der Dualität, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54736