Die politische Kultur der Schweiz - Eine Darstellung unter Berücksichtigung der historischen Grundlagen und des politischen Systems


Seminararbeit, 2000

21 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Aufbau der Arbeit

2. Geschichtliche Grundlagen und Konfliktlinien

3. Einflußfaktoren auf die politische Kultur der Schweiz: Die Grundlagen des Systems für die politische Integration
3.1 Der Föderalismus
3.2 Die Volkssouveränität und die direkte Demokratie
3.3 Die proportionale Machtteilung und die Politik der Konkordanz
3.4 Das Milizsystem

4. Die politisch - kulturelle Ebene
4.1 Die Verankerung der demokratischen Ordnung
4.2 Das Vertrauen in die politischen Institutionen
4.3 Das Verhältnis zur Politik
4.4 Das Effektivitätsbewußtsein
4.5 Die Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen
4.6 Die politische Orientierung

5. Ausblick:
Inwiefern blockiert die politische Kultur der Schweiz die Anpassung im Zeitalter der Globalisierung?

6. Anhang: Tabellen

7. Literaturbericht

8. Literaturangaben

1. Zum Aufbau

Die Schweiz geriet vor allem um 1997, als es verstärkt um die Rolle in der EU ging, ins Kreuzfeuer der internationalen Kritik. Obwohl die Schweiz wirtschaftlich und politisch stabil sei, entziehe sie sich der Verantwortung einer UNO- und EU- Mitgliedschaft, so der Vorwurf, der wiederholt laut wurde.

Ein Punkt, der bei dieser vorgeworfenen konservativen Haltung sicher auch eine Rolle spielt, ist die politische Kultur der Schweiz, um die es hier im Allgemeinen gehen wird, wobei ich auch auf die historischen Begebenheiten und systembedingten Hintergründe eingehe.

Vorher aber noch eine Definition von politischer Kultur: Der Begriff der politische Kultur nach Almond, einem Mitbegründer der Politischen Kultur - Forschung, beinhaltet „Muster subjektiver Orientierungen gegenüber Politik innerhalb einer ganzen Nation oder Teilgruppen; (...) (außerdem) (hat) (die) (politische) (...) Kultur kognitive, affektive und evaluative Bestandteile. Sie schließt Kenntnisse und Meinungen über politische Realität, Gefühle über Politik und politische Werthaltungen ein. (...) Der Inhalt von Politischer Kultur ist das Ergebnis von Kindheitssozialisation, Erziehung, Medieneinfluß und Erfahrungen im Erwachsenenleben mit den Leistungen von Regierung, Gesellschaft und Wirtschaft. (...) (Die) Politische Kultur beeinflußt die Struktur von Regierung und Politik und ihre Leistungen, schränkt sie ein, aber determiniert sie sicherlich nicht völlig. die Kausalpfeile zwischen Kultur, Struktur und Regierungsleistungen weisen in beide Richtungen.[1]

Im Sinne der Definition halte ich es zum Einstieg in die Untersuchung der politischen Kultur der Schweiz zunächst für sinnvoll, kurz auf die geschichtliche Entwicklung des Landes einzugehen, zumal sich die Ideale der französischen Revolution und französische Ideengeschichte nach Montesquieu und Rousseau auf die gesamte Entwicklung der Nation und auch auf die politische Kultur ausgewirkt haben.

Auch die Konfliktlinien und Konfliktparteien sollen kurz erwähnt werden, zumal diese Konflikte, die in der Vergangenheit zu gewaltsamen Auseinandersetzungen geführt haben, teilweise auch heute noch - wenn auch latent - schwelen und aktuell sind.

Ein wichtiger Einflußfaktor auf die politische Kultur der Schweiz sind auch die Strukturen des Politischen Systems, die eine politische Integration ermöglicht haben, wo eine gesellschaftliche Integration aufgrund der Heterogenität der Bevölkerung innerhalb der Schweiz nicht möglich war. Dazu zählen insbesondere der Föderalismus, die Volkssouveränität und die direkte Demokratie, die proportionale Machtteilung, die Politik der Konkordanz sowie das Milizsystem. Nach der Erläuterung dieser Punkte werde ich einen ganz allgemein gehaltenen Querschnitt über die politische Kultur formulieren, deren Inhalte nicht statistisch festgehalten werden können, so wie es im nächsten Kapitel dann der Fall ist:

Auf der Basis von Longchamps und Linders Darstellungen werde ich dann genauer in die Thematik der politischen Kultur einsteigen. Die Auswirkungen der Geschichte und der genannten Systemgrundlagen lassen sich an der politischen Kultur ablesen. Hier gehe ich auf die Verankerung und die Zufriedenheit mit der demokratischen Ordnung ein, auf das Vertrauen in die politischen Institutionen, und weiterhin auf das allgemeine Verhältnis zur Politik, wobei ich hier auch das allgemeine Interesse am politischen Geschehen miteinbeziehe.

Wichtig ist innerhalb dieser Thematik auch das Effektivitätsbewußtsein der Bürger, also die Untersuchung der Frage, wie die Bürger ihren Einfluss auf die Politik von Parlament und Regierung einschätzen.

Die Partizipation der Bürger am politischen Geschehen ist ebenfalls ein aussagekräftiges Kriterium. Hier möchte ich mich aber hauptsächlich an die Teilnahme an eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen halten, weil eine Aufsplittung in die einzelnen Partizipationsformen hier zu weit führen würde und auch nicht unbedingt sachdienlich wäre.

Der letzte Punkt ist die politische Orientierung, an der man nochmals besonders den Konflikt zwischen Modernisierern und Traditionalisten ablesen kann.

Zum Abschluss möchte ich noch auf aktuelle Stimmen eingehen, die wegen der vorherrschenden politischen Kultur in der Schweiz eine Weiterentwicklung der Gesellschaft und der Politik im Zeitalter der Globalisierung in Frage stellen.

Auf Besonderheiten in kantonaler Ebene werde ich nicht eingehen.

2. Die geschichtlichen Grundlagen und Konfliktlinien

Beschäftigt man sich mit der Politischen Kultur der Schweiz, ist es sinnvoll, genauer auf die Vergangenheit des Landes einzugehen, damit man genau verfolgen kann, wie sich das politische System und das Wertmuster der Gesellschaft - und somit auch die politische Kultur - im Laufe der Geschichte entwickelt haben und bis in die heutige Zeit hineinwirken.

Staatenbildungen des 19. Jahrhunderts (wie zum Beispiel Deutschland oder auch Italien) zeigen sich als politische Bewegungen nationaler Einigung. Dem entsprechend vereinigt der Nationalstaat ein Volk gleicher Ethnie, Sprache und Kultur.

In der Schweiz war dies nicht der Fall: Der Bundesstaat von 1848 vereinigte die Völker von 25 Kantonen, die sich durch unterschiedliche Geschichte und Kultur auszeichneten und in vier Sprachgruppen[2] zerfielen. Der schweizerische Bundesstaat ist somit der politische Akt einer multikulturellen Staatsgründung, deren Resultat keine Kulturnation, sondern eine politische Staatsnation ist.

Diese Entwicklung fand ihren Anfang hauptsächlich in der französischen Revolution. 1798 besetzten französische Truppen die Schweiz, was zur Folge hatte, dass das „Ancien Régime“ der alten Kantone zusammenbrach.[3] Mit dem Diktat Napoleons von 1798 wurden die Kantone zu einer Republik nach dem Muster der französischen Direktorialverfassung.

1815 gewann die Eidgenossenschaft dann ihre volle Unabhängigkeit zurück, wobei die Gleichberechtigung aller Kantone als dauerhafte Errungenschaft der französischen Revolution bestehen blieb. Man näherte sich außerdem wieder dem alten System eines Staatenbundes, einem lockeren Zusammenschluss von 25 Kantonen, die sich als souveräne Staaten betrachteten. Zu dieser Zeit nach dem Wiener Kongress erwartete niemand, dass die schweizerischen Kantone eine der ersten Demokratien und einen eigenen Nationalstaat schaffen würden. Neu war auch die Kombination von Demokratie und Föderalismus.

Innenpolitisch waren die folgenden Jahrzehnte geprägt von einer zunehmenden Polarisierung zwischen freisinnigen Protestanten und den konservativen Katholiken.

In der Zeit der beginnenden Demokratisierung wollten die konservativen Katholiken die starke Stellung der Kirche wahren; die Freisinnigen setzten aber in der sog.

Regenerationszeit nach 1830 unter der Devise der Volkssouveränität und des zunehmenden Fortschritts in einigen Kantonen liberale Verfassungen durch. Damit verschärften sich der kulturelle und der konfessionelle Konflikt, der schon in der alten Eidgenossenschaft zu vier Religionskriegen geführt hatte[4].

1845 schlossen sich die katholischen Kantone zur Verteidigung ihrer gemeinsamen Interessen zu einem Sonderbund zusammen. In der Folgezeit kam es zu einem Krieg gegen die Freisinnigen, welche schließlich siegten und nun einen Bundesstaat auf der Grundlage einer nationalen demokratischen Verfassung gründeten. Den kulturellen Boden dafür lieferten der Geist der französischen Julirevolution und die Ideengeschichte nach Montesquieu und Rousseau: Rechtsgleichheit, persönliche Freiheitsrechte, Volksbildung, Gewaltentrennung und Volkssouveränität sind die Schlagworte, die in der Staatsgründung und schließlich auch in der Verfassung von 1874 ihren Niederschlag gefunden haben.

Weitere Konfliktlinien waren - und sind es latent noch bis heute - die vier verschiedenen Sprachbereiche. Die Sprachgruppen neigen sich eher den jeweiligen Kulturkreisen zu, und hier erscheint es evident, dass sich die italienische und französische Kultur in vielerlei Hinsicht von der deutschen und romanischen Kultur unterscheiden.

Auch das Verhältnis zwischen Deutschschweiz und Romandie war nicht immer ungetrübt: Trotz der politischen Neutralität kam es vor allem in der Zeit des Ersten Weltkrieges zu einer gefährlichen Spaltung des Landes, als die politischen Eliten sich auf die gegnerischen Seiten schlugen: die Deutschschweiz sympathisierte mit Deutschland, die Romands tendierten zur Position Frankreichs.

Heute spricht man vom sog. „Röstigraben“, der die Deutsch- und Westschweiz voneinander trennt. Der Graben verläuft aber weniger zwischen den Sprachregionen, als vielmehr zwischen Stadt und Land, zwischen ‘offen’ und ‘zurückgezogen’ sowie zwischen Traditionalisten und Modernisierern.

Weitere Konfliktlinien waren der typische Klassenkonflikt während der Industrialisierung sowie der Unterschied zwischen den ländlichen und urbanen Gebieten.

Trotz dieser bewegten Geschichte und der vielen Konfliktherde schaffte es die Schweiz eine Nation aufzubauen, obwohl es ja eigentlich keine „schweizerische Gesellschaft“ mit einer nationalen Identität, einem verbindendem Element, gab: Die nationale Identität wurde über Symbole, wie zum Beispiel die Figur der Helvetia oder Wilhelm Tell, gesucht.

Von den politischen Institutionen verlangten diese Umstände besondere Integrationsleistungen.

3. Die Grundlagen des Systems für die politische Integration

Dass die Schweiz an den vielfältigen Konflikten nicht zerbrach, sondern trotz der kulturellen Heterogenität zusammengewachsen ist, kann man auf die Besonderheiten des politischen Systems zurückführen: Der Gesellschaftstheoretiker Karl Deutsch bezeichnete die Schweiz deshalb als „paradigmatischen Fall politischer Integration“.

Geeignete politische Institutionen waren die Voraussetzung dafür, dass die historischen Konflikte auskühlen konnten und dass die sprachlichen und kulturellen Minderheiten ihre Identität innerhalb des Bundesstaates behalten konnten.

3.1 Der Föderalismus

Dem Föderalismus wird in der sprachlich - kulturell segmentierten Schweiz traditionell eine besonders wichtige Rolle für die Integration und den Zusammenhalt der Gesellschaft und des politischen Systems zugeschrieben. „1848 Ergebnis eines politischen Verfassungskompromisses zwischen Katholisch - Konservativen und Protestantisch -Freisinnigen, sichert er bis heute die kulturellen Eigenheiten der Kantone“[5]. Außerdem haben die Kantone und Gemeinden durch die föderative Teilung staatlicher Macht innerhalb des Bundes weite Kompetenzen und Einflußmöglichkeiten, da jedem Gliedstaat unabhängig von seiner Größe eine gleiche Stimmgewichtung eingeräumt wird.

[...]


[1] zitiert nach: Linder, Wolf: Schweizerische Demokratie: Institutionen - Prozesse - Perspektiven. Bern, Stuttgart: Haupt 1999; S. 63

[2] Französisch, rätoromanisch, deutsch und italienisch sind die vier Amtssprachen, die sogar in der Verfassung gleichgestellt werden.

[3] Unter dem „Ancien Régime“ der Schweiz versteht man in der gängigen Literatur die 13 Kantone, die sich locker zusammengeschlossen hatten, um gemeinsam für die Befreiung aus der feudalistischen Herrschaft zu kämpfen.

4 1529: Der gewalttätige Konflikt zwischen dem protestant. Zürich und fünf kath. Kantonen wird durch den „Ersten Kappeler Landfrieden verhindert, der konfessionelle Toleranz garantiert.

1531: Truppen aus Zürich und Bern verlieren gegen Katholiken. Im „Zweiten Kappeler Landfrieden“ wird die protestant. Konfession anerkannt, Katholiken setzten aber Vorrechte durch.

1656: Bern und Zürich wollen ihre Position gegenüber den Katholiken verbessern, es kommt zum „Ersten Villmerger Krieg“, den die Katholiken wiederum gewinnen.

1712: Den „Zweiten Villmerger Krieg“ gewinnen die Protestanten. Er sicherte den Kantonen Bern und Zürich politischen Einfluss.

[5] Linder, Wolf: Schweizerische Demokratie: Institutionen - Prozesse - Perspektiven. Bern, Stuttgart: Haupt 1999; S. 24

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Die politische Kultur der Schweiz - Eine Darstellung unter Berücksichtigung der historischen Grundlagen und des politischen Systems
Hochschule
Universität Passau
Veranstaltung
Tradition, Moderne, Globalisierung: Politische Kulturen im internationalen Vergleich
Note
1,7
Autor
Jahr
2000
Seiten
21
Katalognummer
V54763
ISBN (eBook)
9783638498852
ISBN (Buch)
9783656134039
Dateigröße
413 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kultur, Schweiz, Eine, Darstellung, Berücksichtigung, Grundlagen, Systems, Tradition, Moderne, Globalisierung, Politische, Kulturen, Vergleich
Arbeit zitieren
MA Ulrike Ziegler (Autor:in), 2000, Die politische Kultur der Schweiz - Eine Darstellung unter Berücksichtigung der historischen Grundlagen und des politischen Systems, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54763

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