Es ist bekannt dieses Bild, das zur Zeit im Jüdischen Museum zu Berlin (Kreuzberg) hängt: Ein 34jähriger jüdischer Geschäftsmann ist darauf zu sehen, mit dem Eisernen Kreuz am Revers, vor seinem Kölner Laden am Marsilstein 20; direkt davor ein SA-Posten und ein Mann in Zivil, der sich dem Geschäft nähert und mit dem Rücken zum unbekannten Fotografierenden steht. Richard Stern wollte Jude und Deutscher zugleich sein. Als er am 1. April 1933 dem Boykott jüdischer Geschäfte durch die Nationalsozialisten entgegentrat, demonstrierte er dadurch seinen Anspruch auf ein gleichberechtigtes Leben in der Mitte der deutschen Gesellschaft, indem er ostentativ auf seinen Einsatz im Ersten Weltkrieg hinwies. Sein Beispiel zeigt, dass nicht alle Juden mit der nationalsozialistischen Machtübernahme ihr Verhalten ohne Widerspruch den Erwartungen der neuen Machthaber anpassten. Dabei diente ihm das Eiserne Kreuz II. Klasse, die krönende Auszeichnung eines loyal getragenen Militärdienstes, als Bürgschaft für eine erfolgreiche Integration in die deutsche Gesellschaft: Für ihn, den Patrioten, war demzufolge unbegreiflich, dass unter der Hitler-Regierung plötzlich all seine Verdienste um das Vaterland nichts mehr gelten sollten. Und sein Schicksal ist nur eines von vielen: „Das Leben Richard Sterns zeigt [...] exemplarisch den Weg der Deutschen jüdischen Glaubens in die Schoah.“ (Corbach).
In der folgenden Abhandlung soll sich Richard Stern und seinem Protest genähert werden, wobei dargelegt wird, aus welcher Motivation heraus und vor welchem Erfahrungshintergrund seine Handlungen zu verstehen sind, erscheinen sie doch dem heutigen Betrachter angesichts der Kenntnis um den späteren Verlauf der Geschichte vielmehr als wahnwitzig oder als sinnlos, angesichts des Wissens um die Totalität des immer rassisch und nie nationalpatriotisch begründeten Antisemitismus der Nationalsozialisten. Zur Bearbeitung des Themas werden neben einer historischen Einordnung dieses Mannes und der Inhalte seines Aufbegehrens auch die Denkfundamente erhellt, die ihm Legitimation und Rechtmäßigkeit versprachen, sowie der Wandel in seinem Selbstverständnis nach seinem Protest.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Verwendete Quellen und Literatur
- I Der antijüdische Boykott vom 01. April 1933
- I.1 Die antijüdische Boykottbewegung vor dem 01. April 1933
- I.2 Motivationen und „Legalisierung“ des Boykotts
- II Der 01. April 1933 im Leben des Richard Stern
- II.1 Kurzbiographie Richard Sterns
- II.2 Der Protest
- II.3 Das Flugblatt
- III Die zwei Prinzipien der „jüdischen Lebenslüge“
- III.1 Kriegsdienst als Integration?
- III.2 Der Glaube an die Rechtsstaatlichkeit
- IV Ausblick - Schlussfolgerungen
- Quellen- und Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Abhandlung untersucht den Protest des jüdischen Geschäftsmannes Richard Stern gegen den antijüdischen Boykott am 1. April 1933. Ziel ist es, Sterns Motivationen und Handlungsgrundlagen vor dem Hintergrund des sich entwickelnden Nationalsozialismus zu verstehen und seine Perspektive im Kontext der Zeit zu beleuchten. Die Arbeit analysiert Sterns Glauben an die Rechtsstaatlichkeit und die Bedeutung seines Militärdienstes für sein Selbstverständnis als Jude und Deutscher.
- Der antijüdische Boykott vom 1. April 1933 und seine Vorgeschichte
- Richard Sterns Biografie und sein Protest
- Sterns Flugblatt als Ausdruck seiner Überzeugungen
- Die Rolle des Ersten Weltkriegs und des Eisernen Kreuzes in Sterns Selbstverständnis
- Sterns Glaube an die Rechtsstaatlichkeit im Angesicht des Nationalsozialismus
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung stellt Richard Stern und seinen Protest gegen den Boykott vor, indem sie auf ein Foto Sterns vor seinem Geschäft verweist und seine Motivation, trotz des nationalsozialistischen Regimes, an seinem Anspruch auf ein gleichberechtigtes Leben festzuhalten, hervorhebt. Sie kündigt die Analyse von Sterns Motivationen und Erfahrungshintergrund an und deutet auf den scheinbaren Widerspruch zwischen Sterns Handeln und dem späteren Verlauf der Geschichte hin.
I Der antijüdische Boykott vom 01. April 1933: Dieses Kapitel beschreibt die antijüdischen Boykottmaßnahmen zwischen dem 30. Januar und dem 1. April 1933. Es betont die „rechtliche Verschiebung“ durch die Nationalsozialisten, die den Boykott als „legale“ Reaktion auf vermeintliche Provokationen darstellten, während sie selbst die eigentlichen Akteure waren. Der Fokus liegt auf der Frage der „Legitimierung“ des Boykotts und darauf, wie das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, für Stern ein zentrales Element seines Selbstverständnisses, in diesem Kontext manipuliert wurde.
I.1 Die antijüdische Boykottbewegung vor dem 01. April 1933: Dieses Unterkapitel beleuchtet die antijüdischen Boykottbewegungen vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Es zeigt die Eskalation der Gewalt nach dem 30. Januar 1933, die von spontanen Aktionen der SA bis hin zu organisierten, reichsweiten Maßnahmen reichte. Der Unterschied zwischen den willkürlichen Gewaltakten der ersten Wochen und der späteren „legalisierten“ Maßnahmen wird herausgestellt, wobei Kölner Beispiele im Kontext von Sterns Leben besonders hervorgehoben werden.
I.2 Motivationen und „Legalisierung“ des Boykotts: Hier wird die „Legalisierung“ des April-Boykotts im Kontext der negativen Auslandspresse und des drohenden internationalen Handelsboykotts erklärt. Die nationalsozialistische Regierung inszenierte den Boykott als „aufgezwungene Abwehrmaßnahme“ gegen angebliche „jüdische Greuelpropaganda“, um ihn zu rechtfertigen.
Schlüsselwörter
Richard Stern, Antijüdischer Boykott, 1. April 1933, Nationalsozialismus, Eiserne Kreuz, Rechtsstaatlichkeit, Jüdisches Selbstverständnis, Integration, Protest, Flugblatt, Nationalpatriotismus, Antisemitismus.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Protest des jüdischen Geschäftsmannes Richard Stern gegen den antijüdischen Boykott am 1. April 1933
Was ist der Gegenstand dieser Abhandlung?
Diese Arbeit untersucht den Protest des jüdischen Geschäftsmannes Richard Stern gegen den antijüdischen Boykott am 1. April 1933. Sie analysiert seine Motivationen, Handlungsgrundlagen und Perspektive im Kontext des aufkommenden Nationalsozialismus.
Welche Themen werden behandelt?
Die Abhandlung beleuchtet den antijüdischen Boykott vom 1. April 1933 und seine Vorgeschichte, Richard Sterns Biografie und seinen Protest, sein Flugblatt als Ausdruck seiner Überzeugungen, die Rolle des Ersten Weltkriegs und des Eisernen Kreuzes in seinem Selbstverständnis, sowie seinen Glauben an die Rechtsstaatlichkeit im Angesicht des Nationalsozialismus.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in mehrere Kapitel: Einleitung, Der antijüdische Boykott vom 1. April 1933 (mit Unterkapiteln zur Vorgeschichte und zur "Legalisierung" des Boykotts), Der 1. April 1933 im Leben Richard Sterns (inklusive seiner Kurzbiografie, seines Protests und seines Flugblattes), Die zwei Prinzipien der „jüdischen Lebenslüge“ (Kriegsdienst und Glaube an die Rechtsstaatlichkeit), Ausblick und Schlussfolgerungen, sowie ein Quellen- und Literaturverzeichnis.
Welche Rolle spielt Richard Sterns Glaube an die Rechtsstaatlichkeit?
Sterns Glaube an die Rechtsstaatlichkeit und sein Erleben des Ersten Weltkriegs (inklusive seines Eisernen Kreuzes) sind zentrale Aspekte der Analyse. Die Arbeit untersucht, wie dieser Glaube im Angesicht der nationalsozialistischen Gesetzgebung und der Manipulation des Rechtsstaates herausgefordert und letztendlich zerstört wurde.
Was ist die Bedeutung von Sterns Flugblatt?
Sterns Flugblatt wird als Ausdruck seiner Überzeugungen und seines Protests gegen den Boykott interpretiert. Es dient als wichtiges Quellenmaterial für das Verständnis seiner Motivationen und seines Selbstverständnisses als Jude und Deutscher.
Welche Quellen wurden verwendet?
Die Abhandlung basiert auf einer Reihe von Quellen, die im Quellen- und Literaturverzeichnis detailliert aufgeführt sind. Diese umfassen wahrscheinlich Zeitungsberichte, Dokumente aus dem Kontext des Boykotts, und möglicherweise biographische Informationen über Richard Stern.
Welche Schlussfolgerungen zieht die Arbeit?
Die Schlussfolgerungen werden im Kapitel "Ausblick - Schlussfolgerungen" präsentiert und fassen die zentralen Erkenntnisse der Analyse zusammen. Sie beleuchten wahrscheinlich Sterns Widerstand und das Scheitern seines Glaubens an die Rechtsstaatlichkeit im Angesicht des nationalsozialistischen Terrors.
Wer war Richard Stern?
Richard Stern war ein jüdischer Geschäftsmann, der am 1. April 1933 öffentlich gegen den antijüdischen Boykott protestierte. Die Abhandlung enthält eine Kurzbiografie, die sein Leben und seine Motivationen näher beleuchtet.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Richard Stern, Antijüdischer Boykott, 1. April 1933, Nationalsozialismus, Eisernes Kreuz, Rechtsstaatlichkeit, Jüdisches Selbstverständnis, Integration, Protest, Flugblatt, Nationalpatriotismus, Antisemitismus.
- Arbeit zitieren
- Dominik Jesse (Autor:in), 2005, Die Selbstbehauptung des Richard Stern am 01. April 1933, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54790