Phänomenale Kausalität und die Attribuierung von Emotionen und Motiven


Hausarbeit, 2006

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Erkenntnistheoretische Hintergründe zur Kausalität
2.1. David Hume
2.2. Immanuel Kant

3. Die Wah rnehmung von Kausalität
3.1. Gestalttheoretische Grundlagen
3.2. Michottes Versuche zur Phänomenale Kausalität
3.3. Die Ampliation der Bewegung

4. Emotionen als funktionale Verbindungen

5. Schlussbemerkung

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Fähigkeit kausale Zusammenhänge zu erkennen ist fundamental für das menschliche Denken. Sie hilft uns die Welt um uns herum zu verstehen. Als Kausalität (von lat.: causa = Ursache) bezeichnet man im Allgemeinen die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung. Doch wie lassen sich Ursache- Wirkungszusammenhänge erkennen? Seit der Antike versuchten zahlreiche Philosophen diese Frage zu beantworten. Dabei konzentrierten sie sich in erster Linie darauf, zu fragen, mit welcher Berechtigung wir von in der Vergangenheit beobachteten kausalen Zusammenhängen auf zukünftige Ereignisse schließen können.

Die kognitive Psychologie hingegen untersucht die mentalen Prozesse, die kausalem Schließen und Urteilen zu Grunde liegen. Dabei ist sie vor allem bemüht, kausale Zusammenhänge im Verhalten und Erleben von Menschen aufzudecken. Eine besondere Fähigkeit des Menschen stellt in diesem Kontext die sogennante Theory of Mind dar. Unter der Theory of Mind versteht man die Fähigkeit, die mentalen Zustände anderer Menschen zu erkennen und sich damit ihr Verhalten zu erklären (Frith & Frith, 1999). Ohne diese Fähigkeit wäre es für den Menschen sehr schwer sich im Alltag zurechtzufinden. Tatsächlich konnte gezeigt werden, dass Menschen mit Autismus genau diese Theory of Mind fehlt (Frith & Frith, 1999). Autisten können sich nicht in andere Menschen hineinversetzen, keine Gefühle erkennen und sich somit das Verhalten anderer Menschen nicht erklären.

Doch wie erkennen wir die Emotionen und Motive anderer Menschen und welche Mechanismen sind für dieses Erkennen verantwortlich? Die Beantwortung dieser Frage ist eng verzahnt mit der Antwort auf die Frage, wie wir generell kausale Zusammenhänge erkennen können.

Schließen wir aufgrund wiederholt gemachter Erfahrungen auf einen Zusammenhang, interpretieren wir Kausalität in eine Situation hinein, oder können wir Ursache-Wirkungsbeziehungen direkt wahrnehmen?

Ich werde im Folgenden zunächst die beiden wichtigsten in der Philosophie vorherschenden Auffassungen zum Erkennen kausaler Zusammenhänge darstellen - die von David Hume und Immanuell Kant. Danach werde ich mich ausführlich mit den Versuchen und theoretischen Überlegungen zur Phänomenalen Kausalität des belgischen Psychologen Albert Michotte auseinandersetzen. Dieser zeigte in einer Reihe von Untersuchungen, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen zwei Ereignissen unter bestimmten Voraussetzungen direkt von der Wahrnehmung erfasst werden kann. Zudem stellte er in weiteren Versuchen fest, dass auch die Attribuierung von Emotionen und Motiven, also der Aspekt der Theory of Mind, emotionale Zustände anderer Personen erfassen zu können, spontan von der Wahrnehmung vorgenommen wird.

2. Erkenntnistheoretische Hintergründe zur Kausalität

2.1. David Hume

Der englische Philosoph David Hume prägte die Auffassung, dass Kausalrelationen niemals am Einzelfall beobachtet, sondern nur aufgrund vorher gemachter Erfahrungen inferiert werden könnten. Als anschauliches Beispiel wählte Hume (1973) das Zusammenstoßen zweier Billardkugeln. Wenn eine Kugel eine andere anstößt, so könne man lediglich das zeitliche Vorangehen der Ursache vor der Wirkung und die spatiotemporale Nähe von Ursache und Wirkung wahrnehmen, nicht aber Kausalität an sich. Denn die notwendige Verknüpfung von der stoßenden Kugel als Ursache und der angestoßenen Kugel als Wirkung könne nur durch wiederholt gemachte Beobachtungen des selben oder ähnlicher Ereignisse hergestellt werden. Nach Hume kann also ein Mensch, der zum ersten Mal einen Zusammenstoß zweier Billardkugeln beobachtet nicht aussagen, „dass das eine Ereignis mit dem anderen verknüpft war, sondern nur, dass das eine mit dem anderen in Zusammenhang stand.“(Hume, 1973, S.91) Diese Auffassung war insbesondere für die Methodenlehre von großer Bedeutung, denn sie etablierte die Überzeugung, dass man Kausalzusammenhänge nur an einer Vielzahl von Untersuchungsobjekten feststellen könne, jedoch niemals an einem Einzelfall (Kiene, 1998).

2.2. Immanuel Kant

Für Immanuell Kant stellt die Kausalität eine der grundsätzlichen Kategorien des Denkens dar. Andere Kategorien sind beispielsweise Raum und Zeit. Ohne diese a priorischen Funktionen unseres Verstandes, könnten wir nach Kant (1976) gar keine Erfahrungen machen, denn sie liegen jeder Vorstellung sinnlicher Realität zu Grunde. Demnach sind sie angeborene Orientierungshilfen für die Wahrnehmung der Welt. Wenn es um Kausalität geht, wird häufig der Gegensatz zwischen Humes und Kants Auffassungen in den Vordergrund gerückt. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass sie von zwei verschiedenen Problemstellungen ausgingen. Hume ging es in erster Linie darum, den Begriff der Ursache und der singulären Kausalbehauptung zu untersuchen, während Kant das allgemeine Kausalitätsprinzip begründen wollte (vgl. Stegmüller, 1983, S. 517). Trotzdem war Kant wie auch Hume der Auffassung, dass wir Kausalität nicht wahrnehmen können. Seiner Meinung nach erkennen wir in unserer sinnlichen Wahrnehmung zwei aufeinanderfolgende Phänomene. Deren Verknüpfung als Ursache und Wirkung entzieht sich aber unserer Wahrnehmung. Der Unterschied zu Hume besteht darin, dass für Kant Kausalität mit Allgemeinheit und Notwendigkeit gedacht und nicht aufgrund vorher gemachter Erfahrungen inferiert wird.

3. Die Wah rnehmung von Kausalität

Der Erste, der mit einfachen Beispielen zeigte, dass Humes Auffassung zur Unmöglichkeit des Kausalerkennens am Einzelfall im Grundsatz falsch ist, war der Gestalttheoretiker Karl Duncker (1935). Nach Duncker erstreckt sich die Gestalt der Ursache hinein in die Gestalt der Wirkung und lässt sich somit dort wiederfinden. „Der Rhythmus der Klopfgeräusche entspricht dem Rhythmus der Klopfbewegungen.“ „Die Spur gleicht dem sie hinterlassenden Gegenstand.“ „Der Schlüsselbart gleicht dem Schlüsselloch.“ (Duncker, 1935, S. 80-81). Das heisst, wenn wir z.B. auf einem Acker eine Reifenspur beobachten, so können wir in der Gestalt der Wirkung (Reifenspur) unmittelbar die Gestalt der Ursache (Profil des Reifens) erkennen. Wir müssen dazu nicht erst eine Vielzahl ähnlicher Untersuchungsobjekte (also Äcker mit Reifenspuren) betrachten, sondern können Kausalität direkt an einem Einzelfall erkennen. Mit diesen Überlegungen gelang Duncker zweierlei: Erstens wiederlegte er Humes Auffassungen im Hinblick auf die statistische Methodenlehre. Zweitens ebnete er anderen Gestalttheoretikern wie Michotte den Weg, auch Humes Aussage zur Unmöglichkeit des direkten Beobachtens von Kausalität zu widerlegen und Kants Kausalprinzip (als angeborene Kategorie des Denkens) nicht der Wahrnehmung zu Grunde, sondern, zumindest teilweise, in ihr selbst liegend zu lokalisieren.

[...]

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Phänomenale Kausalität und die Attribuierung von Emotionen und Motiven
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Institut für Kognition und Kommunikation)
Veranstaltung
Kognitionspsychologische Vertiefung: Phänomenale Kausalität in interaktiven Umgebungen
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
23
Katalognummer
V54952
ISBN (eBook)
9783638500296
Dateigröße
522 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Phänomenale, Kausalität, Attribuierung, Emotionen, Motiven, Kognitionspsychologische, Vertiefung, Phänomenale, Kausalität, Umgebungen
Arbeit zitieren
Simon Gall (Autor:in), 2006, Phänomenale Kausalität und die Attribuierung von Emotionen und Motiven, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54952

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