Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Position vor 1933
3. Katholische Kirche im Nationalsozialismus
3.1. Positionierung und Reichskonkordat 1933
3.2. Verdrängung und Reaktion
3.3. Die Kirche im Zweiten Weltkrieg
3.4. Widerstand von Gruppen und Einzelnen
4. Fazit
Literaturangaben
1. EINLEITUNG
Die nationalsozialistische Herrschaft 1933 bis 1945 stellte in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung dar, so auch für die katholische Kirche. Das totalitäre, menschenverachtende Regime missachtete christlich geprägte moralische Normen und das Verhältnis war gezeichnet von Unvereinbarkeit. Gegenstand dieses Strukturpapiers ist ein grober Überblick über das Verhalten der katholischen Kirche zur Zeit des Nationalsozialismus. Interessant ist ihr Verhalten, weil sie die nationalsozialistische Herrschaft als gesellschaftliche Großgruppe[1] recht intakt überstanden hat und, als Ausnahme, der „Gleichschaltung“ nicht völlig zum Opfer fiel.[2] Heute, mehr als 60 Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches, sind die Quellen intensiv erforscht und die Debatte um die Rolle der katholischen Kirche noch immer nicht abgeschlossen. Festzustellen ist, dass die Diskussion „immer von gegenwartspolitischen Zielen und Zwecken geprägt“[3] war.
Nach 1945 stand schnell fest, dass die katholische Kirche Widerstand geleistet habe.[4] Der Widerstandsbegriff war lange geprägt durch Hans Rothfels’ ideologisierte Darstellung[5], die Widerstand auf sogenannten Kirchenkampf und bürgerlich-militärischen Widerstand reduzierte. In den sechziger Jahren wurden die Untersuchungen zunehmend sachlicher und auch andere Widerstandsformen fanden zuvor fehlende Beachtung.[6] Das Fehlen einer klaren Definition des Widerstandsbegriffs und Meinungsunterschiede hinsichtlich der Aufgaben der Kirche verhinderten Konsens und ermöglichten kontroverse Positionen, die in ihren Thesen zur Beurteilung des Verhaltens der katholischen Kirche weit voneinander abweichen. Die Meinungen bewegten sich zwischen dem Vorwurf der Unterstützung und Anpassung[7] sowie Rechtfertigung des Widerstands[8]. Aus letztgenannter Perspektive argumentierende Historiker messen dem Selbstverständnis der Kirche große Bedeutung bei und kommen zu dem Ergebnis, die Kirche habe innerhalb ihrer Möglichkeiten sehr wohl Widerstand geleistet. Kritiker dagegen betonen ihre Loyalität und Begeisterungsfähigkeit dem Hitler-Regime gegenüber. Beide Positionen werden in der vorliegenden Arbeit im Zusammenhang mit umstrittenen Ereignissen erwähnt.
Zur Untersuchung des Verhaltens der katholischen Kirche im Dritten Reich bietet sich eine chronologische Betrachtung an. Entsprechend beginne ich mit einer kurzen Darstellung der Position der Kirche vor 1933, denn schon in der Weimarer Republik setzte sie sich mit dem Nationalsozialismus auseinander, wobei wegweisende Positionen begründet wurden. Im Hauptteil wird zunächst das Jahr 1933 ausführlicher betrachtet, da entscheidende Grundlagen für den Umgang mit dem Regime herausgebildet wurden und eine Verhaltensänderung stattfand. Anschließend rücken die Jahre vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in den Mittelpunkt, sie waren geprägt vom totalitären Verfügungsanspruch und konkreten Unterdrückungs- und Verdrängungsversuchen durch das Hitler-Regime. Die Darstellung des Verhaltens der Kirche im Zweiten Weltkrieg schließt sich an. Abschließend wird der Widerstand von einzelnen Katholiken und katholischen Gruppen thematisiert, bevor in einer Schlussbetrachtung die Ergebnisse zusammengefasst werden
2. POSITION VOR 1933
Mit dem Putschversuch 1923 in Bayern kam Hitler erstmals Aufmerksamkeit in der breiten Öffentlichkeit zu. Der katholischen Kirche war er zu diesem Zeitpunkt bekannt, man beschäftigte sich bereits 1920, als Reaktion auf sein Parteiprogramm, mit ihm. Dort tritt unter Punkt 24 ein sehr völkisches Religionsverständnis zu Tage. Steinhoff bemerkt hierzu, dass man aufgrund der vagen und ambivalenten Formulierung „vor und nach 1933 gerade in Kirchenkreisen sich nicht sehr schlüssig darüber war, was nun genau unter diesem ‚positiven Christentum’ zu verstehen sei und wie man auf die undurchsichtige Weltanschauung reagieren sollte“[9]. Dies war Hitlers Zielsetzungen nicht gerade hinderlich, schließlich hatte er bald erkannt, dass der Weg an die Spitze über Wählermassen führt. Ideologisch distanzierte sich die katholische Kirche zwar vom nationalsozialistischen Dogma, doch politisch stieß es, vor allem in Bayern, teilweise auf fruchtbaren Boden, da es ein Gegenmodell zur demokratisch-parlamentarischen Verfassungsgrundlage der Weimarer Republik bildete.[10] Erst 1930, mit dem Erscheinen von Alfred Rosenbergs „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“, wurde aus der Unentschlossenheit Abneigung.[11]
Nach der Reichstagswahl im September 1930 verbot eine bischöfliche Weisung Katholiken die Parteizugehörigkeit zur NSDAP, was im Episkopat jedoch nicht unumstritten war. Die Ablehnung beschränkte sich auf die Ideologie, doch die NSDAP wurde nicht zur glaubensfeindlichen Vereinigung erklärt (anders als z.B. Sozialisten) und bezüglich politischer Verurteilungen hielt man sich bedeckt. In diversen Verlautbarungen wurde vor 1933 immer wieder vor der nationalsozialistischen Ideologie und extremem Nationalismus gewarnt. Weitaus konkreter in ihrer Ablehnung waren einzelne Publizisten, so wurde Hitler beispielsweise als „Antichrist“ bezeichnet. In der Forschung wurden die Bekanntmachungen des Episkopats unterschiedlich bewertet. Klaus Scholder sieht in ihnen Kompromissbereitschaft, während sie für andere[12] eine Fortführung der Tradition war, die Einzelprüfungen vorsah.[13]
Eindeutiger ist die Forschungsmeinung den politischen Katholizismus in Gestalt der Zentrumspartei betreffend. Es herrscht überwiegend Konsens, dass es ihr an Einsatz zur Verteidigung der Republik und der Demokratie fehlte und sie sich den Konservativen annäherte. Innerparteiliche Spaltungen begünstigten diesen Prozess, „Elemente des Katholizismus, wie hierarchisch-autoritäre und antiliberale“[14] wurden auch politisch wirksam. Georg Denzler und Volker Fabricius erklärten gar, die Kirchen wünschten sich das monarchische Regierungssystem zurück und könnten so keine tragenden Rollen eines demokratischen Staatswesens übernehmen[15], was allerdings fraglich ist.
Letztlich ist festzustellen, dass der Nationalsozialismus von der katholischen Kirche vor 1933 recht einhellig abgelehnt wurde, wobei die Vorbehalte theologisch begründet waren und auch politische Rücksichtnahme auf das Zentrum eine Rolle spielte.[16]
3. KATHOLISCHE KIRCHE IM NATIONALSOZIALISMUS
3.1 Positionierung und Reichskonkordat 1933
Bevor das Regime den Kirchen 1933 mit Repression begegnete, versuchte es zunächst, sie zu einem Bündnis gegen Demokratie und Sozialismus zu bewegen. Zum gemeinsamen Feind wurde der Kommunismus deklariert und so sollten die Kirchen helfen, die Etablierung der Herrschaft zu beschleunigen. Groß angelegter Widerstand wurde nicht geleistet. Viele Christen standen, zumindest vorübergehend, der Bündnisidee positiv gegenüber und Widerstand regte sich nur vereinzelt.[17]
[...]
[1] Bestehend aus Gläubigen, Episkopat, Kurie, Klerus und Verbänden.
[2] Vgl. Klaus Gotto, Hans Günter Hockerts, Konrad Repgen, Nationalsozialistische Herausforderung und kirchliche Antwort. Eine Bilanz, in: Klaus Gotto / Konrad Repgen (Hg.), Die Katholiken und das Dritte Reich, Mainz 31990, 173.
[3] Wolfgang Wippermann, Umstrittene Vergangenheit, Berlin 1998, 268.
[4] Gotto / Hockerts / Repgen, Bilanz, in: Gotto / Repgen 173.
[5] Hans Rothfels, Die Deutsche Opposition gegen Hitler, Krefeld 21951.
[6] Vgl. Wippermann 272-3.
[7] Hier u.a. Ernst Klee, „Die SA Jesu Christi“ - Die Kirchen im Banne Hitlers, Frankfurt/M. 1989 und Guenter Lewy, Die katholische Kirche und das Dritte Reich, München 1965.
[8] Zu finden v.a. bei aus katholischer Perspektive argumentierenden Historikern, bspw. Dieter Albrecht, Klaus Gotto, Ulrich von Hehl, Heinz Hürten, Rudolf Morsey, Konrad Repgen.
[9] Marc Steinhoff, Widerstand gegen das Dritte Reich im Raum der katholischen Kirche, Frankfurt/M. 1997 (Elementa Theologiae), 27-8.
[10] Rudolf Morsey, Katholische Volksminderheit und der Aufstieg des NS 1930-1933, in: Gotto/ Repgen 10.
[11] Steinhoff 27-9.
[12] U.a. Rudolf Morsey und Marc Steinhoff.
[13] Steinhoff 30-2.
[14] Ebd. 33.
[15] Vgl. Georg Denzler / Volker Fabricius, Christen und Nationalsozialisten, Frankfurt/M. 1993,
35.
[16] Wippermann 255.
[17] Vgl. ebd. 251.