Die Autorin wird sich im Folgenden im Wesentlichen auf das Standardwerk Gerhard Schneiders stützen. Schneiders Monographie ist auch nach mehr als 30 Jahren immer noch die einzige Darstellung, die sich auf die Person Fulcos konzentriert.2 Gleichwohl zeichnen die Quellen nur ein unzureichendes Bild des Reimser Erzbischofs. Zwar erlauben die Aufzeichnungen der zeitgenössischen Annales Vedastini Aufschluss über die Fakten und Ereignisse der Reichsgeschichte, doch mit Aussagen über die Charakterisierung und Beurteilung von Fulcos Wirken waren die Chronisten recht zurückhaltend. Aus diesem Grund ist jede Beschäftigung mit dem Erzbischof größtenteils abhängig von den Schriften des Reimser Klerikers Flodoard, der in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts die Reimser Kirchengeschichte verfasste.3 Beide Quellen zeichnen sich besonders durch ihre Neutralität und ausgesprochene Sachlichkeit aus, d.h., dass sie keine Verpflichtung gegenüber den Karolingern oder den Robertinern aufweisen. Flodoard profitierte zudem davon, dass er beim Verfassen der Kirchengeschichte die Position eines erzbischöflichen Archivars innehatte, weshalb ihm eine große Anzahl direkter Quellen zur Verfügung gestanden hatte.4
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Erzbischof Fulco als faktischer Regent Westfrankens
1. Fulcos Herkunft
2. Fulco und die Thronwirren von 887/888
3. Fulco und Karl der Einfältige
4. Fulcos Brief an Arnulf von Kärnten
5. Legitimität und Minderjährigkeit als Instrumetarium Fulcos
6. Fulcos De-facto-Regentschaft
7. Fulcos Ermordung
III. Zusammenfassung
IV. Quellen- und Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Vom 12. bis zum 19. Jahrhundert war der Erzbischofssitz Reims die Krönungsstadt der französischen Könige.[1] Einen Ausgangspunkt für die gewohnheitsrechtliche Anerkennung des Reimser Erzbischofs als Koronator der französischen Könige bildeten insbesondere die Geschehnisse im 9. Jahrhundert, als das Bistum vehement seinen Primatanspruch innerhalb der westfränkischen Kirche verfochten hatte. Dieser Zeitraum ist im historischen Bewusstsein eng mit dem Namen des Reimser Erzbischofs Hinkmar (845-882) als einem der einflussreichsten und bedeutendsten Gestalten des damaligen fränkischen Reiches verbunden. Bei der Betrachtung des Aufstiegs des Reimser Erzbistums findet sein direkter Nachfolger indes oftmals weniger Berücksichtigung, wenngleich sein Einfluss auf die Geschicke des Reiches mit demjenigen Hinkmars durchaus vergleichbar war: Fulco von Reims hieß dieser Metropolit, der von 883 bis 900 nicht nur der Kirchenprovinz vorstand, sondern sich in dieser Zeit gleichsam als einflussreicher „Staatsmann” profilierte. Inmitten des fortschreitenden Dekompositionsprozesses des gesamtfränkischen Reiches und den westfränkischen Thronwirren im ausgehenden 9. Jahrhundert war er der „Königsmacher". Er krönte sowohl den Robertiner-König Odo (888-898) als auch dessen Widersacher, den Karolinger Karl III. von Westfranken (893/98-923/29).
Ziel dieser Darstellung soll es nun sein, die politischen Spielräume des Mannes aus Reims aufzuzeigen und einer kritischen Betrachtung zu unterziehen.
Wie weit reichte sein Einfluss wirklich? War er Legitimist, der der Abstammung aus dem Karolingerhaus bei der Thronfolge oberste Priorität einräumte, oder war er vielmehr ein Opportunist, der sich wie ein Chamäleon bedenkenlos den jeweiligen Umständen anpasste, um seine eigenen Vorteile zu wahren?
Um letzten Endes Antworten auf diese Fragen finden zu können, wird zunächst Fulcos Herkunft näher beleuchtet, um dann im Weiteren seine Rolle bei der Erhebung Odos im Jahr 888 und bei der Erhebung Karls 893 zu untersuchen, wobei der Beziehung zu dem minderjährigen Karolinger eine besondere Betrachtung zuteil wird. Die Aufmerksamkeit wird dann in der Folge insbesondere den Aspekten der Legitimität und Minderjährigkeit als Instrumentarium des Reimser Kirchenoberhaupts gelten. Es soll gezeigt werden, dass Fulco der faktische Regent Karls war. Ehe abschließend eine Zusammenfassung die Arbeit noch einmal umreißt, gilt das Augenmerk zuvor dem Ende der Regentschaft und der Ermordung Fulcos.
Die Autorin wird sich im Folgenden im Wesentlichen auf das Standardwerk Gerhard Schneiders stützen. Schneiders Monographie ist auch nach mehr als 30 Jahren immer noch die einzige Darstellung, die sich auf die Person Fulcos konzentriert.[2]
Gleichwohl zeichnen die Quellen nur ein unzureichendes Bild des Reimser Erzbischofs. Zwar erlauben die Aufzeichnungen der zeitgenössischen Annales Vedastini Aufschluss über die Fakten und Ereignisse der Reichsgeschichte, doch mit Aussagen über die Charakterisierung und Beurteilung von Fulcos Wirken waren die Chronisten recht zurückhaltend. Aus diesem Grund ist jede Beschäftigung mit dem Erzbischof größtenteils abhängig von den Schriften des Reimser Klerikers Flodoard, der in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts die Reimser Kirchengeschichte verfasste.[3]
Beide Quellen zeichnen sich besonders durch ihre Neutralität und ausgesprochene Sachlichkeit aus, d.h., dass sie keine Verpflichtung gegenüber den Karolingern oder den Robertinern aufweisen. Flodoard profitierte zudem davon, dass er beim Verfassen der Kirchengeschichte die Position eines erzbischöflichen Archivars innehatte, weshalb ihm eine große Anzahl direkter Quellen zur Verfügung gestanden hatte.[4]
II. Erzbischof Fulco als faktischer Regent Westfrankens
1. Fulcos Herkunft
Da ein bedeutender Bischofsstuhl wie Reims kaum einem Angehörigen einer unbedeutenden Familie zugefallen sein durfte, scheint es ratsam, zunächst einen Blick auf Fulcos Herkunft zu werfen. Zumal in der mittelalterlichen Welt die Abstammung aus einem bekannten Geschlecht auf eine große soziale Akzeptanz und Autorität des Betroffenen seitens seiner Zeitgenossen schließen lässt. Nicht zuletzt gehen aus verwandtschaftlichen Beziehungen ohnehin starke Loyalitäten hervor, die zuweilen den politischen Spielraum eines Bischofs in hohem Maße determinieren können.
In Bezug auf Fulco gestalten sich die Informationen über sein Herkommen jedoch äußerst spärlich. Sein Geburtsjahr ist unbekannt und auch die sonst so ergiebige Quelle Flodoard schweigt sich, was Fulcos frühe Jahre anbetrifft, weitgehend aus. Fest steht lediglich, dass er einem adligen Geschlecht der Francia entstammte, dessen Zweige die burgundischen Miloniden umfassten und bis nach Italien reichten.[5] Aus diesem italienischen Zweig leitete sich das Verwandtschaftsverhältnis zu Wido von Spoleto ab, dem König von Italien (889-894) und römischen Kaiser (891-894), der zugleich Ambitionen auf die westfränkische Krone hegte.[6] Im Dunkeln bleiben allerdings Nähe und Grad der Verwandtschaft zwischen Fulco und den Widonen. Verwandtschaftliche Beziehungen Fulcos zu den Karolingern, die als Erklärung für seine einflussreiche Position bei dem Karolingerkönig Karl dem Einfältigen hätten dienen können, sind höchst wahrscheinlich auszuschließen.[7]
Es bleibt also festzuhalten, dass Fulco keineswegs kraft seiner Herkunft eine besondere Autorität und Bedeutung zugekommen war.
Dennoch erschien der spätere Metropolit am Hof Karls II. (auch genannt Karl der Kahle), des westfränkischen Königs (843-877) und römischen Kaisers (875-877), und begleitete ihn 875 oder 877 auf einem seiner Romzüge.[8]
Am Hofe Karls des Kahlen und seiner Nachfolger auf dem westfränkischen Thron, Ludwig II. der Stammler (877-879), Ludwig III. (879-882) und Karlmann (879-884), hatte er sich so sehr bewährt, dass er als Reaktion auf seine Hofdienste im Jahre 878 zunächst zum Abt von St. Bertin erhoben wurde. Dort war seine Tätigkeit vor allem durch die Verteidigung des Klosters vor den permanenten Normanneneinfällen geprägt.[9]
Am 7. März 883 schließlich trat Fulco sein Episkopat in Reims an. Wie sich der genaue Wechsel von Hinkmar auf Fulco vollzogen, d.h., ob es zu einer kanonischen Wahl oder zu einer Designation kam, ist ungewiss. Dessen ungeachtet liegt jedoch die Annahme nahe, dass die Erhebung Fulcos auf Intervention des königlichen Hofes geschah. Vor allem der Welfe Hugo der Abt (Hugo Abbas), der von seiner Bedeutung her den damaligen König Karlmann beinahe überragte, sah sich bei der Besetzung des Bischofsstuhles wohl gezwungen, die Interessen des Hofes zu wahren.[10] Denn zu diesem Zeitpunkt war es für den König und seine Gefolgsleute einfach unerlässlich, in Reims einen loyalen Vertrauensmann zu haben, was Fulco aufgrund seiner Beziehungen zum Hofe augenscheinlich war. Diese Notwendigkeit war die Folge des Vertrages von Ribémont (880), in dem das Gebiet Lothringen nunmehr vollständig von Westfranken an Ostfranken übergegangen war. Durch diese Gebietsabtretung befand sich die Reimser Kirchenprovinz jetzt unmittelbar in Grenznähe zu Ostfranken und sah sich zudem beträchtlich in ihrer Einflusssphäre beschnitten, da sich in Lothringen ein beachtlicher Teil des Reimser Kirchengutes befunden hatte. Zumindest eine angespannte Situation schien für das Reimser Erzbistum vor diesem Hintergrund in naher Zukunft vorprogrammiert.[11]
Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt im Jahre 883 wird mithin deutlich, dass Fulco trotz seiner anscheinend eher geringen Herkunft das Vertrauen des königlichen Hofes genoss und über Einfluss verfügte. Die Mächtigen des Reiches, allen voran Hugo der Abt, versprachen sich von seiner Einsetzung politischen Nutzen. Fulco hatte also schon in der Politik des Reiches Fuß gefasst; ihm kam ein gewisser politischer Spielraum zuteil. Seine Machtbasis als Reimser Erzbischof war damit gelegt. Insbesondere die frühen Beziehungen zum Königshaus erwiesen sich dabei als förderlich und sollten ihm in der Zukunft noch weiter von Nutzen sein. Sein Aufstieg zum „Königsmacher” war eingeleitet.
2. Fulco und die Thronwirren von 887/888
Die Jahre 887 und 888 boten Fulco von Reims dann die erste richtige Chance, sich als politischer Metropolit unter Beweis zu stellen, und zu sehen, wie weit sein politischer Handlungsspielraum in der Praxis reichte.
Westfranken erlebte in diesen beiden Jahren ein ungeahntes königliches Machtvakuum, das auf dem Reichstag zu Tribur im November 887 seinen Ausgang genommen hatte. Als dort der römische Kaiser (seit 881) und ostfränkische König (seit 876) Karl III. von Ostfranken, später auch genannt „der Dicke", unter dem sich nach dem frühzeitigen erbenlosen Tod der beiden westfränkischen Könige Ludwig III. (882) und Karlmann (884) eine Einheit des fränkischen Großreiches vollzogen hatte, von den ostfränkischen Großen unter der Führung seines Neffen Arnulf von Kärnten abgesetzt worden war,[12] hatte dies für Westfranken weitaus misslichere Folgen als für Ostfranken. Denn während in der Person Arnulfs von Kärnten (887-899), eines illegitimen Sohnes des ostfränkischen Königs Karlmann (876-880), sogleich ein Nachfolger die Herrschaft über das Ostreich angetreten hatte, blieb die Königswürde in Westfranken nach der Absetzung und dem raschen Tod Karls des Dicken am 13. Januar 888 erst einmal verwaist. Statt eines reibungslosen Übergangs des Hiatus kam es also in der Folge zu einer ernsthaften Sukzessionskrise, auf deren Verlauf und Lösung Erzbischof Fulco maßgeblichen Einfluss nahm. Die Schwäche der königlichen Zentralgewalt bot denn auch nicht nur den Großen des Reiches eine Möglichkeit in die Lücke hineinzustoßen und ihre eigene Position zu erhöhen. Vielmehr traf dies desgleichen auf ebensolche Bischöfe zu, die wie Fulco über reichlichen politischen Ehrgeiz verfügten.
[...]
[1] Holtzmann, 1910, S. 117.
[2] Vgl. Schneider, 1973.
[3] Vgl. Schneider, 1973, S. IX.
[4] Vgl. Bezzola, 1956, S. 20-23.
[5] Vgl. Schneider, 1973, S. 7.
[6] Vgl. Schneider, 1973, S. 7.
[7] Vgl. Schneider, 1973, S. 11.
[8] Vgl. Schneider, 1973, S. 22.
[9] Vgl. Schneider, 1973, S. 24.
[10] Vgl. Offergeld, 2001, S. 374.
[11] Vgl. Schneider, 1973, S. 26 f.
[12] Vgl. Annales, 1969, zu 887, S. 64.
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