Nur wenige Philosophen haben Fichte so intensiv beschäftigt wie Jacobi. Schon Jahre vor Jacobis ”Sendbrief” äußerte Fichte seine Bewunderung für ihn und suchte seine Freundschaft. Selbst die deutliche Kritik, die Jacobi im ”Sendbrief” von 1799 an Fichtes Philosophie äußerte, konnte daran nur wenig ändern. Vielmehr hat Fichte in seinen Überlegungen nach 1799 immer wieder die Kritikpunkte Jacobis zu berücksichtigen versucht.
Umgekehrt hatte auch Fichte in Jacobis Philosophie eine besondere Bedeutung. Er war für Jacobi der wesentliche Vertreter einer ganzen philosophischen Grundströmung, in die Jacobi auch Spinoza einordnete und die er als Fehlentwicklung kritisierte. Seine Kritik an Fichte im Sendbrief zielt also weit über diesen hinaus auf den gesamten transzendentalen Idealismus.
Um die Kontroverse zwischen Fichte und Jacobi um den ”Sendbrief” von 1799, die das Thema dieser Hausarbeit ist, nicht nur historisch wiederzugeben, sondern auch in ihrer systematischen Bedeutung deutlicher werden zu lassen, soll sie unter der Leitfrage behandelt werden, wie Jacobi und Fichte sich zu der Frage nach den Grenzen des Wissens stellen. Diese Frage ist nicht nur das wesentliche Thema der Kontroverse, sondern sie ist auch für Fichtes Wissenschaftslehre, die sich eine vollständige Darstellung des Wissens zum Ziel gesetzt hat, eine dauernde Herausforderung.
Zunächst wird es darum gehen, genauer zu zeigen, was Jacobi mit seiner Kritik an Fichte meint. Dabei wird auch die Metapher des ”salto mortale”, die Jacobi in seinen Briefen an Mendelssohn verwendet hat, ein Thema sein. Dann werde ich mich Fichtes Reaktion zuwenden. Diese ist sehr vielschichtig und nicht auf wenige Texte einzugrenzen: Denn erstens hat Fichte mehrfach in Briefen an Jacobi selber oder an Reinhold auf die Kritik im ”Sendbrief” reagiert. Zweitens hat er auch einige Versuche unternommen, der Kritik in einer eigenen Schrift öffentlich entgegenzutreten. In einem weiteren Sinne hat drittens Jacobis Kritik auch in der weiteren Ausarbeitung von Fichtes gesamter Philosophie nach 1799 eine Rolle gespielt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der "Sendbrief" an Fichte
- Jacobis Bestimmung des Wissenschaftsbegriffs
- Der Vorwurf des Nihilismus
- "Unwissenheitslehre" anstatt "philosophisches Wissen des Nichts"
- Von der Kritik an Fichte zu Jacobis eigener philosophischen Position...
- Der "Sprung" in den Spinozabriefen.....
- Ahndung, Gefühl und Vernehmen
- Fichtes Reaktion
- Die Abgrenzung von Spekulation und Leben
- Fichtes theoretische Auseinandersetzung mit den Grenzen des Wissens..
- Philosophie als "Begreifen des Unbegreiflichen"
- Fichtes Kritik an Jacobi im 18. Vortrag der Wissenschaftslehre von 1804
- Die Ausgangssituation der Wissenschaftslehre von 1804 (Zweiter Vortrag)..
- Die "Vernichtung des Begriffs am Absoluten"
- Die Evidenz des Absoluten..
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit analysiert die Kontroverse zwischen Fichte und Jacobi im Kontext von Jacobis "Sendbrief von 1799" und beleuchtet die Frage, wie beide Philosophen sich mit den Grenzen des Wissens auseinandersetzen. Die Arbeit untersucht Jacobis Kritik am transzendentalen Idealismus und Fichtes Reaktion darauf.
- Jacobis Wissenschaftsbegriff und seine Kritik am transzendentalen Idealismus
- Die "Unwissenheitslehre" als Gegenposition zum "philosophischen Wissen des Nichts"
- Fichtes Abgrenzung von Spekulation und Leben sowie seine theoretische Auseinandersetzung mit den Grenzen des Wissens
- Die Rolle des "Begreifens des Unbegreiflichen" in Fichtes Philosophie
- Die Kontroverse zwischen Fichte und Jacobi im Kontext der Wissenschaftslehre von 1804
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung erläutert die Bedeutung der Kontroverse zwischen Fichte und Jacobi, die im Zentrum der Arbeit steht. Es wird die zentrale Fragestellung der Arbeit - die Auseinandersetzung mit den Grenzen des Wissens - eingeführt.
Der erste Teil der Arbeit konzentriert sich auf Jacobis "Sendbrief" an Fichte. Hier wird Jacobis Wissenschaftsbegriff und seine Kritik am transzendentalen Idealismus analysiert. Jacobi argumentiert, dass die spekulative Philosophie versucht, die natürliche Gewissheit von Ich und Welt zu vereinheitlichen, was zu einer "Unwissenheitslehre" führt.
Der zweite Teil der Arbeit befasst sich mit Fichtes Reaktion auf Jacobis Kritik. Es wird Fichtes Abgrenzung von Spekulation und Leben sowie seine theoretische Auseinandersetzung mit den Grenzen des Wissens beleuchtet. Fichte argumentiert, dass die Philosophie das "Unbegreifliche" begreifen soll, was er im Kontext seiner Wissenschaftslehre von 1804 weiter ausarbeitet.
Schlüsselwörter
Transzendentaler Idealismus, Wissenschaftslehre, Grenzen des Wissens, Unwissenheitslehre, Spekulation, Leben, Fichte, Jacobi, Sendbrief, "Begreifen des Unbegreiflichen".
- Arbeit zitieren
- Moritz Deutschmann (Autor:in), 2006, Fichtes Reaktion auf Jacobis "Sendbrief" von 1799, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55270