Es mag zunächst paradox erscheinen, dass ein Autor, der der psychoanalytischen Literaturwissenschaft mit seinen Arbeiten ein so weites Betätigungsfeld bot und damit zu ihrer Popularität beitrug, sich dessen von Anfang an bewusst war. Denn gerade das Unbewusste spielt ja in dieser Literaturbetrachtung eine große Rolle. Kafka war ein begeisterter Leser der Schriften Sigmund Freuds und in den wenigen Deutungsversuchen seiner eigenen Werke finden sich deutliche Spuren der psychoanalytischen Literaturbetrachtung und einige Hinweise auf Freud. Viele der Erzählungen und Fragmente Kafkas ließen sich durchaus als Versuche lesen, der psychoanalytischen Literaturwissenschaft Stoff zu liefern, an dem sie sich abarbeiten und ihre Thesen belegen kann. Inwieweit Kafka sich der Möglichkeiten, die sein Schreiben den Anhängern dieser Schule bot, beim Verfassen der Texte tatsächlich bewusst war, lässt sich nur noch schwer klären und bedürfte vielleicht einer eigenen Arbeit. Aus einem Tagebucheintrag Kafkas vom 23. September 1912 geht hervor, dass er beim Schreiben nicht a priori an Freud dachte, sondern sich vielmehr von dem sich selbständig schreibenden Text an ihn erinnert fühlte, der Einfluss also ein dem Autor primär unbewusster war.
Ein anderer geistiger Übervater Franz Kafkas war Gustave Flaubert. Um das festzustellen, genügt ein Blick in die Briefe und Tagebücher Kafkas. Keinem anderen Autor widmete er dort soviel Aufmerksamkeit. Diese Textstellen suggerieren, dass Kafka sich Flaubert – ganz im Gegensatz zu Sigmund Freud - durchaus bewusst und gezielt zum Lehrmeister nahm.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Biographien
- Ehe und Familie
- Die Väter, Krankheit und Beruf
- Sprache
- Erzähltechnik
- Exkurs: Vergleich mit Madame Bovary
- Die letzten Sätze
- Wahrheit und Aufrichtigkeit
- Schluss
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Einfluss Gustave Flauberts auf das Werk Franz Kafkas, insbesondere auf dessen Erzählung "Das Urteil". Ziel ist es, die stilistischen, erzähltechnischen und inhaltlichen Parallelen zwischen Flauberts "Éducation sentimentale" und Kafkas Werk aufzuzeigen und die Bedeutung der Vorbildrolle Flauberts für Kafka zu beleuchten.
- Biografische Parallelen zwischen Flaubert und Kafka
- Stilistische und erzähltechnische Ähnlichkeiten zwischen "Éducation sentimentale" und Kafkas Werken
- Inhaltliche Motive und ihre Gemeinsamkeiten
- Kafkas Bewunderung für Flaubert als Autor und Mensch
- Die Bedeutung von "Das Urteil" im Kontext des Einflusses Flauberts
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung stellt die scheinbar paradoxe Beziehung zwischen Kafka und der psychoanalytischen Literaturwissenschaft dar, hebt aber vor allem Kafkas Bewunderung für Flaubert hervor, der im Gegensatz zu Freud ein bewusster und gezielter Lehrmeister für Kafka war. Kafkas Brief an Felice Bauer, in dem er "Éducation sentimentale" als prägendes Buch beschreibt, wird zitiert und als Ausgangspunkt der Untersuchung gesetzt. Die Arbeit kündigt die Analyse stilistischer, erzähltechnischer und inhaltlicher Parallelen zwischen beiden Autoren an.
Die Biographien: Dieses Kapitel analysiert die Biografien von Flaubert und Kafka, um Gemeinsamkeiten zu identifizieren und die Bedeutung dieser Biografien für ihr jeweiliges Schreiben herauszuarbeiten. Es beleuchtet Aspekte wie Ehe und Familie, die Rolle der Väter, Krankheit, Beruf und Sprache, um die Grundlage für die literarische Verwandtschaft beider Autoren zu legen. Der Fokus liegt auf der Suche nach Gemeinsamkeiten, die Kafkas Faszination für Flaubert erklären könnten.
Erzähltechnik: Dieses Kapitel vergleicht die Erzähltechniken Flauberts und Kafkas, wobei ein Exkurs den Vergleich mit Flauberts "Madame Bovary" beinhaltet. Es untersucht Aspekte wie die "letzten Sätze" und die Themen "Wahrheit und Aufrichtigkeit" in beiden Autoren und analysiert, wie diese Techniken zur Darstellung der jeweiligen Themen beitragen. Der Fokus liegt auf der Suche nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden in der Erzählweise, um den Einfluss Flauberts auf Kafka zu belegen.
Schlüsselwörter
Gustave Flaubert, Franz Kafka, Éducation sentimentale, Das Urteil, Realismus, Avantgarde, Biografischer Einfluss, Stilistik, Erzähltechnik, literarische Parallelen, Geistesverwandtschaft, Vorbildrolle.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Einfluss von Gustave Flaubert auf Franz Kafka
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese wissenschaftliche Arbeit untersucht den Einfluss des französischen Schriftstellers Gustave Flaubert, insbesondere seines Werkes "Éducation sentimentale", auf den Schriftsteller Franz Kafka und dessen Erzählung "Das Urteil". Der Fokus liegt auf der Identifizierung stilistischer, erzähltechnischer und inhaltlicher Parallelen sowie der Bedeutung Flauberts als Vorbild für Kafka.
Welche Aspekte werden im Detail analysiert?
Die Analyse umfasst biografische Parallelen zwischen Flaubert und Kafka (Ehe, Familie, Väter, Krankheit, Beruf, Sprache), einen Vergleich der Erzähltechniken beider Autoren (inkl. eines Exkurses zu Flauberts "Madame Bovary", die "letzten Sätze" und die Themen "Wahrheit und Aufrichtigkeit"), sowie die inhaltlichen Motive und Gemeinsamkeiten in ihren Werken. Die Bewunderung Kafkas für Flaubert wird ebenfalls beleuchtet.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel über die Biografien von Flaubert und Kafka, ein Kapitel über die Erzähltechnik, einen Schluss und ein Literaturverzeichnis. Die Einleitung betont Kafkas Bewunderung für Flaubert im Gegensatz zu Freud und setzt Kafkas Brief an Felice Bauer als Ausgangspunkt. Die Kapitelzusammenfassungen liefern detaillierte Einblicke in die jeweilige Analyseebene.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Gustave Flaubert, Franz Kafka, Éducation sentimentale, Das Urteil, Realismus, Avantgarde, Biografischer Einfluss, Stilistik, Erzähltechnik, literarische Parallelen, Geistesverwandtschaft, Vorbildrolle.
Welche Zielsetzung verfolgt die Arbeit?
Das Ziel ist es, die stilistischen, erzähltechnischen und inhaltlichen Parallelen zwischen Flauberts "Éducation sentimentale" und Kafkas Werk aufzuzeigen und die Bedeutung der Vorbildrolle Flauberts für Kafka zu beleuchten. Die Arbeit untersucht, wie Flauberts Werk Kafkas eigenes Schreiben beeinflusst hat.
Wie wird die Beziehung zwischen Kafka und Flaubert dargestellt?
Die Arbeit präsentiert Flaubert als einen bewussten und gezielten Lehrmeister für Kafka, im Gegensatz zu der eher indirekten und komplexeren Beziehung Kafkas zur Psychoanalyse. Die Arbeit unterstreicht Kafkas explizite Anerkennung von Flauberts Einfluss, untermauert durch die Zitation seines Briefes an Felice Bauer.
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- Malte Conradi (Author), 2005, Gustave Flauberts Education Sentimentale und Franz Kafkas Das Urteil, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55301