In der gegenwärtigen politikwissenschaftlichen Literatur wird der „Process of Government" von Arthur Fischer Bentley in unterschiedlichster Weise interpretiert. Klaus von Beyme bezeichnet den „Process" (vgl. Beyme 2000 S. 274), als eine Theorie des Gruppenkampfes. Hirsch-Weber wiederum führt ihn unter der Überschrift „Politik als Interessenkonflikt" (HirschWeber 1969, S. 14). Für Jürgen Hartmann ist der „Process" in erster Linie „eine gruppentheoretisch fundierte Analyse der amerikanischen Politik, die in der Begriffstrinität von Handeln-Gruppe-Interesse bereits eine Art empirisch gestützter Theorie der Politik überhaupt enthielt" (Hartmann 1997, S 83). Am Ende dieser Arbeit wird zu prüfen sein, in welcher Weise diese Charakterisierungen zutreffen. Beim Lesen, wäre den genannten Autoren aufgefallen, dass Bentley im „Process of Government" ein einheitliches Forschungsdesign für die politikwissenschaftliche Analyse entwirft. Schwierig scheint der „Process" deswegen zu sein, weil Bentley dort einerseits ein politikwissenschaftliches Forschungsprogramm aufstellt, welches mit statistischen Methoden zu einer empirisch fundierten Analyse von „public opinion" beitragen will (vgl. Bentley 167, S. 163). Andererseits entwirft Bentley mit daraus zu bildenden theoretischen Einheiten, den Gruppen, eine allgemeine sozialwissenschaftliche Theorie, deren Gruppen sich dynamisch und relational verhalten. (When the groups are adequately stated, everything is stated" (Bentley 1967, S. 208). Das Konzept der Interessengruppen ist ein zentrales Element in Arthur Fischer Bentleys „Process". Die Interessengruppe steht bei Bentley theoretisch, wie auch empirisch für ein allgemeines sozialwissenschaftliches Klassifikationsschema.
„Every classification of the elements of a population must involve an analysis of the population into groups" (Bentley 1967, S. 206). Die Unterschiedlichkeit der dargestellten Charakterisierungen des „Process“ scheint darauf hinzudeuten, dass, wie Peter Odegard richtig bemerkt, Klassiker wie der „Process“ häufiger zitiert als gelesen werden. Wer ihn aber liest wird verstehen, dass er leichter zu begreifen, als zu exponieren ist. Diese Tatsache kann ein Grund sein, dass der „Process“ mehr als 20 Jahre keine nennenswerte Beachtung erfahren hat. Auch in der gegenwärtigen politikwissenschaftlichen Literatur findet er nur wenig Resonanz. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- „Political Science\", eine Bestandsaufnahme
- „To prepare the way”
- „The Raw Material”
- Die Gruppe als theoretische Einheit des “Process”
- Das Individuum als empirische Einheit
- Politische Interessengruppen und politische Führung
- Zum Verhältnis von Public Opinion und Leadership
- Die pluralistische Interpretation “Government” unter gruppentheoretischer Perspektive
- Konzeptioneller Vergleich des “Equilibrium of interests” von Truman und Bentley
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text analysiert Arthur Fischer Bentleys “Process of Government” und untersucht, in welcher Weise er die politikwissenschaftliche Analyse neu gestaltet und den Fokus auf das Konzept der Interessengruppen und deren Interaktion legt.
- Bentleys Kritik an traditionellen politikwissenschaftlichen Ansätzen
- Die zentrale Rolle der Interessengruppen in Bentleys “Process”
- Die empirische Methode und die Bedeutung von “public opinion”
- Das “Equilibrium of interests” als Kernkonzept des “Process”
- Die Relevanz von Bentleys Werk für die moderne Politikwissenschaft
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Der Text stellt die verschiedenen Interpretationen von Bentleys “Process of Government” vor und führt die zentralen Themen ein, die im Text behandelt werden.
- “Political Science”, eine Bestandsaufnahme: Bentley kritisiert den Zustand der politischen Wissenschaft und argumentiert, dass traditionelle Ansätze, die sich auf Psychologie, Ideale oder Regierungsformen konzentrieren, nicht mehr adäquat sind. Er fordert eine empirisch fundierte Analyse, die sich auf das Handeln von Interessengruppen fokussiert.
- “To prepare the way”: Bentley setzt sich mit älteren Autoren, wie von Ihering, Spencer und Morgan auseinander und legt den Grundstein für seine eigene Theorie des “Process”.
- “The Raw Material”: Bentley beleuchtet das “Rohmaterial” der politischen Wissenschaft und untersucht die Lage der politischen Theorie. Er setzt sich mit der Bedeutung von Ideen und Idealen auseinander, die jedoch nicht als erklärende Faktoren für soziale und politische Prozesse dienen können.
- Die Gruppe als theoretische Einheit des “Process”: Bentley stellt seine Theorie der “politischen Gruppe” vor, die die zentrale Einheit seiner Analyse bildet. Er argumentiert, dass Gruppen sich dynamisch und relational verhalten und dass “Every classification of the elements of a population must involve an analysis of the population into groups” (Bentley 1967, S. 206).
- Das Individuum als empirische Einheit: Bentley untersucht das Individuum als empirische Einheit und setzt sich mit der Frage auseinander, wie das Individuum in den “Process” integriert wird.
- Politische Interessengruppen und politische Führung: Bentley analysiert die Rolle von politischen Interessengruppen und der politischen Führung im “Process”. Er betont die Bedeutung von “public opinion” und die Notwendigkeit, diese in der politischen Analyse zu berücksichtigen.
- Zum Verhältnis von Public Opinion und Leadership: Bentley untersucht das Verhältnis zwischen “public opinion” und der politischen Führung. Er argumentiert, dass die “public opinion” durch das Zusammenspiel von Interessengruppen geprägt wird und dass die politische Führung diese “public opinion” beeinflussen muss.
- Die pluralistische Interpretation “Government” unter gruppentheoretischer Perspektive: Bentley präsentiert seine “pluralistische Interpretation” von “Government”, die auf der Interaktion von Interessengruppen basiert. Er argumentiert, dass politische Entscheidungen durch das “Equilibrium of interests” entstehen.
- Konzeptioneller Vergleich des “Equilibrium of interests” von Truman und Bentley: Der Text vergleicht das “Equilibrium of interests” von Bentley mit dem Konzept von David Truman und untersucht die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Theorien.
Schlüsselwörter
Die zentralen Themen und Konzepte des Textes umfassen: Arthur Fischer Bentley, “Process of Government”, Interessengruppen, “Equilibrium of interests”, politische Pluralismus, empirische Forschung, “public opinion”, politische Führung, Gruppenanalyse, politische Theorie, “Equilibrium of interests”, traditionelle politische Analyse, “Group theory of politics”, moderne Politikwissenschaft.
- Arbeit zitieren
- Andreas Gotthelf (Autor:in), 2002, Eine Wiederentdeckung von Arthur Fischer Bentleys 'The Process of Government', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55436