Als im Sommer 1945 der Zweite Weltkrieg und damit der Schrecken des antisemitischen Nationalsozialismus’ ein Ende fand, breitete sich die Erleichterung darüber nicht nur in der Masse der Bevölkerung, sondern auch bei den Deutschen und Juden im Exil aus. In das Nachkriegsdeutschland kehrten nun auch nach und nach die ins Exil gegangenen Schriftsteller zurück, die im Exil weiterhin deutschsprachige Literatur verfasst hatten. Anders verhielt es sich jedoch mit dem deutschsprachigen Lyriker Paul Celan, zumal er auch eine andere Seite nicht nur des Krieges, sondern auch des Dritten Reiches erleben musste. Die meisten Schriftsteller, überwiegend deutschstämmig, nahmen entweder aktiv am Krieg teil oder beobachteten die Geschehnisse aus einem anderen Land. Celan war als Jude jedoch vielmehr dem deutschen Antisemitismus ausgesetzt, er musste die Folgen der Judenvernichtung im Ausland miterleben und konnte wie alle anderen Juden nur versuchen irgendwie zu überleben.
In seiner Lyrik versucht Celan diese Geschehnisse zu vergegenwärtigen, nicht alleine um sie zu verarbeiten, sondern vielmehr um die Erinnerung daran wach zu halten, für sich und das ganze deutsche Volk. Die Aufgabe, die Celan sich damit gestellt hatte, grenzte an den Versuch das Unsagbare dieses Schreckens in Worte zu fassen; ein Ringen um Worte in einer Sprache, die durch den Missbrauch der Nazis fast unbrauchbar geworden war, um die vergangenen und gegenwärtigen Ereignisse adäquat ausdrücken zu können.
Dieses Ringen um Worte spiegelt sich deutlich zunehmend in der Lyrik Celans wieder, ein Ringen, das nahe am Verstummen zu sein scheint. Um diese Entwicklung nachzuvollziehen, soll in dieser Arbeit der Weg der Lyrik Celans anhand einiger Werke, die exemplarisch für die jeweilige Schaffensperiode stehen, nachskizziert werden. Hierbei geht es hauptsächlich darum, die typischen Merkmale der Celanschen Poetik zu einem bestimmten Zeitpunkt an Beispielen aufzuzeigen. Diese Betrachtung kann ebenfalls nicht alle Eigenheiten der Lyrik Celans berücksichtigen, da diese zu vielschichtig ist, um alle Motive und Besonderheiten auf engem Raum darstellen zu können. Daher beschränkt sich die Abhandlung auf das Moment des Sprechens, d.h. die Thematisierung und Problematisierung des Sprechens und der allmählichen Verstummung im Gedicht, selbst wenn dies der Vielschichtigkeit und Komplexität im Gesamtzusammenhang der Celanschen Poetik nicht annähernd gerecht werden kann.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zur Entwicklung der Lyrik Celans — Der Weg des verstummenden Gedichts
- Mohn und Gedächtnis
- Von Schwelle zu Schwelle
- Sprachgitter und Die Niemandsrose
- Atemwende
- Ausblick
- Zusammenfassung
- Anhang
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Entwicklung der Sprachlosigkeit im lyrischen Werk Paul Celans. Sie analysiert die Gedichte Celans im Kontext seiner Biographie und der historischen Ereignisse, die ihn prägten, insbesondere die Shoah. Die Arbeit verfolgt das Ziel, die Entwicklung der Sprachlosigkeit in Celans Lyrik anhand ausgewählter Gedichtbände nachzuvollziehen und die damit verbundenen Herausforderungen und Möglichkeiten des Sprechens in einer von der Naziherrschaft traumatisierten Sprache zu beleuchten.
- Die Sprachlosigkeit als zentrales Thema in Celans Lyrik
- Die Auseinandersetzung mit der deutschen Sprache im Kontext der Shoah
- Die Entwicklung der poetischen Form und Sprache in Celans Werk
- Die Rezeption von Celans Lyrik im Nachkriegsdeutschland
- Die Bedeutung von Erinnerung und Gedächtnis in Celans Dichtung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Sprachlosigkeit in Celans Lyrik ein und beleuchtet die historischen und biographischen Hintergründe. Sie stellt die Bedeutung der deutschen Sprache für Celan dar, die gleichzeitig die Sprache seiner Mutter und die Sprache der Mörder seiner Eltern war. Die Einleitung unterstreicht die besondere Herausforderung, die Celans Lyrik in diesem Kontext darstellt.
Das zweite Kapitel analysiert die Entwicklung der Sprachlosigkeit in Celans Lyrik anhand ausgewählter Gedichtbände. Es beginnt mit der Sammlung "Mohn und Gedächtnis" und zeigt, wie Celan bereits in frühen Werken die Schrecken der Shoah thematisierte und die Problematik des Sprechens darüber aufwarf. Der Abschnitt beleuchtet die formalen und inhaltlichen Besonderheiten dieser Gedichte und analysiert die Verwendung von Metaphern und Symbolen.
Der Abschnitt über den Gedichtband "Von Schwelle zu Schwelle" untersucht die zunehmende Verstummung in Celans Lyrik. Es wird deutlich, wie Celan mit dem Schweigen ringt und die Grenzen des Sprechens auslotet. Der Abschnitt analysiert die Verwendung von Metaphern wie dem Schnee, die das Schweigen symbolisieren, und die zunehmende Reduktion und Konzentration auf das einzelne Wort.
Der Abschnitt über den Gedichtband "Sprachgitter" beleuchtet die fortschreitende Abstrahierung und die Verzerrung der Sprache in Celans Werk. Es wird die Bedeutung der Wiederholung und der Wortneuschöpfungen analysiert, die ein stockendes und um Worte ringendes Sprechen erzeugen.
Der Abschnitt über den Gedichtband "Niemandsrose" untersucht die weitere Entwicklung der Sprachlosigkeit und die zunehmende Verdichtung der Sprache. Der Abschnitt analysiert die Verwendung von biblischen Elementen und die zunehmende Verzweiflung des lyrischen Subjekts.
Der Abschnitt über den Gedichtband "Atemwende" beleuchtet die radikale Reduktion der poetischen Form und die zunehmende Verwendung von Fachtermini und Neologismen. Es wird die resignative Haltung Celans gegenüber der Sprache und der Gesellschaft analysiert.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Paul Celan, Sprachlosigkeit, Lyrik, Shoah, deutsche Sprache, Erinnerung, Gedächtnis, poetische Form, Metaphern, Symbolismus, Rezeption, Nachkriegsdeutschland, Verstummung, Sprechen, Schweigen, Gedichtbände, "Mohn und Gedächtnis", "Von Schwelle zu Schwelle", "Sprachgitter", "Die Niemandsrose", "Atemwende", "Fadensonne", "Lichtzwang", "Schneepart".
- Quote paper
- Christine Porath (Author), 2006, Zu: Paul Celan "Das verstummende Gedicht" - Zur Entwicklung der Sprachlosigkeit im lyrischen Werk Paul Celans, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55502
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