1. Einleitung
Wie kaum ein anderer Philosoph hat Arnold Gehlen die deutsche Nachkriegskontroverse vom Standpunkt des Institutionalismus geprägt und es gebührt ihm der Verdienst einer detaillierten, sozio- anthropologisch fundierten Kritik der Zeitgesinnung. Er ist jedoch ebenfalls für die Humanitarismusdebatte des 20. Jahrhunderts, innerhalb derer er der Ausbreitung einer globalen, menschenfreundlichen Massenmoral zutiefst kritisch gegenüberstand, von Bedeutung. In seinen Augen steht der Humanitarismus in einem destruktiven Verhältnis zu Institutionen, allen voran dem Staat. Da es sich gemäß Gehlen bei diesen Institutionen für den instinktreduzierten, mängelbehafteten und effektgeladenen Menschen um lebensnotwendige Regelmuster handelte, hätte eine umgreifende „Moralhypertrophie“ fatale Auswirkungen. Sie ließe politische Tugenden verkümmern, sprenge die Grenzen der nationalen Identifikation, und zerstöre den Staat sowohl als ideologisches als auch institutionelles Konstrukt. Ohne aber das ausführliche ethische Programm, das hinter dieser umstrittenen und vieldiskutierten Ansicht steht zu kennen, wird man dem Philosophen Arnold Gehlen nicht gerecht.
Die Monographie „Moral und Hypermoral. Eine pluralistische Ethik“ muss als wesentliche Ergänzung zu seinem Hauptwerk „Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt“ verstanden werden. Es soll im Folgenden untersucht werden, wie die Humanitarismuskritik in diesem Buch darzustellen und kritisch zu durchleuchten ist. Zudem wird der Versuch unternommen, die Argumentationsstruktur des Autors zu verdeutlichen und die verschiedenen Ebenen seiner Beweisführung aufzuzeigen. Dafür muss ebenso die Gehlensche Genealogie einer pluralistischen Ethik und deren Aufteilung in verschiedene Verhaltensregulationen skizziert werden, denn dies muss als seine gedankliche Voraussetzung für die Kritik am humanitaristischen Ethos verstanden werden.
Am Schluss steht eine kritische Zusammenfassung, welche die Kernelemente der Gehlenschen Humanitarismuskritik herausstellen und von einem ethischen als auch politikphilosophischen Standpunkt auf ihre Schlüssigkeit und ihren Gehalt überprüfen soll. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- „Die Humanitarismuskritik Gehlens in Moral und Hypermoral"
- Humanitarismus als Verfall
- Humanitarismus als überdehntes Familienethos
- Humanitarismus als Gefahr für Institutionen und Politik
- Die Diagnose der Moralhyperfrophie
- Kritischer Rückblick
- Die ideengeschichtliche Position Arnold Gehlens
- Schlussgedanken
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Proseminararbeit analysiert die Humanitarismuskritik des Philosophen Arnold Gehlen in seinem Spätwerk „Moral und Hypermoral". Sie setzt sich zum Ziel, die Argumente Gehlens zu untersuchen, seine Beweisführung zu analysieren und seine ideengeschichtliche Position im Kontext der Politik- und Rechtsphilosophie zu verorten.
- Kritik des Humanitarismus als Verfall von Institutionen und Staat
- Analyse des anthropologischen Ursprungs des Humanitarismus im Familienethos
- Die Diagnose der Moralhypertrophie als Folge der Überdehnung des Humanitarismus
- Die ideengeschichtliche Einordnung von Gehlens Position im Kontext des Realismus
- Kritik an der kategorischen Ablehnung des Humanitarismus durch Gehlen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Relevanz von Arnold Gehlens Kritik am Humanitarismus im Kontext der deutschen Nachkriegskontroverse und der Humanitarismusdebatte des 20. Jahrhunderts dar. Sie skizziert die Problematik der "Moralhypertrophie" und die Notwendigkeit, Gehlens ethisches Programm zu verstehen.
Das zweite Kapitel analysiert die Kernbegriffe "Humanitarismus", "Masseneudaimonismus" und "Moralhypertrophie" in Gehlens Werk. Es beleuchtet drei zentrale Argumente gegen den Humanitarismus: das historische Argument, das den Staatsverfall in der Antike und im Römischen Reich beleuchtet, das anthropologische Argument, das die Unterdrückung anderer Ethosformen befürchtet, und das politische Argument, das Staat und Nation als Institutionen gefährdet sieht.
Das dritte Kapitel befasst sich mit der Diagnose der "Moralhypertrophie", die Gehlen als Folge der Synthese von Humanitarismus und Eudaimonismus im 18. Jahrhundert sieht. Es untersucht die Auswirkungen der Moralhypertrophie auf die Gesellschaft, die Primitivierung der Moral und die Verbreitung von Pessimismus und Schuldgefühlen.
Das vierte Kapitel bietet einen kritischen Rückblick auf Gehlens Humanitarismuskritik. Es hinterfragt, ob Gehlen nicht eine übersteigerte Form des Humanitarismus kritisiert und ob seine Argumentation ausreichend differenziert ist. Es stellt die Bedeutung der Menschenwürde als Kernpunkt des Humanismus heraus und kritisiert Gehlens Fokus auf die Staatswürde.
Das fünfte Kapitel verortet Gehlens Position im ideengeschichtlichen Kontext, indem es Parallelen zu Machiavelli, Hobbes und dem Rechtspositivismus aufzeigt. Es analysiert Gehlens Realismus und seine Betonung der Macht und Souveränität des Staats.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Humanitarismus, die Moralhypertrophie, den Masseneudaimonismus, den Staatsverfall, die Institutionenkritik, das Familienethos, die Anthropologie, die Politikphilosophie, den Realismus und den Rechtspositivismus. Die Arbeit analysiert die Gehlensche Kritik am Humanitarismus und setzt sich mit der Frage auseinander, ob seine Argumente ausreichend begründet sind.
- Quote paper
- Christiane Burmeister (Author), 2005, Die Humanitarismuskritik Arnold Gehlens in "Moral und Hypermoral", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55601
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