Ausgangslage: Die Selbstmordattentate vom 11. September 2001 haben die westliche Welt geschockt. Sie stellen einen vorläufigen Höhepunkt dar in einer langen Reihe von Anschlägen. Während diese bei uns in erster Linie als Terrorattacken wahrgenommen wurden, werden die Attentäter von ihrem Umkreis als Märtyrer1 verehrt. Seither ist ein alter, schillernder Begriff aus dem Vokabular der Religionen wieder in aller Munde: das Martyrium. Aus eigener Erfahrung erlebe ich, dass viele meiner Zeitgenossen mit dem Martyrium in erster Linie Fanatismus verbinden. Natürlich hängt dies auch mit der Tatsache zusammen, dass das Martyrium vor allem im Zusammenhang mit den Selbstmordanschlägen durch islamistische Fanatiker thematisiert wird, bei denen nicht nur die Attentäter selber, sondern oft auch eine grosse Zahl von unbeteiligten Zivilisten ums Leben kommen. Doch die Skepsis gegenüber dem Martyrium greift wohl noch tiefer. In einer Zeit der postmodernen ‚schwachen Vernunft’ ohne überindividuelle Gewissheiten ist für viele westliche, säkularisierte Menschen die Haltung, dass jemand für eine Idee oder eine religiöse Überzeugung im Ernstfall sein Leben hingibt, zumindest suspekt. Und doch mussten wohl in keinem anderen Jahrhundert so viele Menschen überall auf der Welt wegen ihren Überzeugungen und ihrem Engagement ihr Leben lassen wie im vergangenen. Dazu gehören so grosse religiöse Persönlichkeiten wie Martin Luther King, Dietrich Bonhoeffer, Mahatma Gandhi, Edith Stein oder Oscar Romero, die auch heute noch nicht nur von ihren jeweiligen religiösen Gemeinschaften als Märtyrer verehrt werden. Daneben dürfen aber auch jene wegen ihres Glaubens Verfolgten nicht vergessen werden, die namenlos geblieben sind und weitgehend vergessen wurden. Gerade die christlichen Kirchen haben immer an der speziellen Bedeutung der Märtyrer als Glaubenszeugen festgehalten. Auch in anderen Religionen wie dem Judentum oder dem Islam nimmt das Martyrium (oder ähnliche Phänomene mit anderen Bezeichnungen) einen herausragenden Platz ein. Aber auch scheinbar areligiöse oder sogar antireligiöse Gruppen verehren ihre Märtyrer, man denke nur an die Kommunistin Rosa Luxemburg oder an Che Guevara.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Teil I: Der traditionelle christliche Martyriumsbegriff
- 1. Das Martyrium in der Urkirche
- 1.1 Biblischer Hintergrund
- 1.2 Entstehung des Märtyrertitels
- 1.3 Die römischen Christenverfolgungen als Kontext des urchristlichen Martyriums
- 1.4 Martyriumstheologie
- 1.5 Märtyrerverehrung
- 1.6 Die Frage der Lapsi
- 2. Das Martyrium in der Kirchengeschichte
- 1. Das Martyrium in der Urkirche
- Teil II: Shusaku Endo und sein Roman Chinmoku – Schweigen – Ein japanischer Blick auf das Martyrium
- 1. Shusaku Endo – Leben und Werk
- 2. Die japanische Christenverfolgung im 17. Jahrhundert – Ursachen und Hintergründe
- 2.1 Geschichtlicher Überblick über die Christenverfolgungen
- 2.2 Ursache für die Christenverfolgung
- 2.3 Martyriumsvorstellungen
- 3. Der Roman Chinmoku - Schweigen
- 3.1 Entstehungskontext
- 3.2 Inhalt
- 3.3 Analyse
- 3.3.1 Schwachheit - Stärke
- 3.3.2 Endos Christologie
- 3.3.3 Das Martyrium im Kontext von Endos Roman Schweigen
- Teil III: Zeitgenössische Ansätze des Martyriumsverständnisses
- 1. Orte der Reflexion über das Martyrium im 20. Jahrhundert
- 2. Erweiterungen des Martyriumsbegriffs
- 2.1 Politische Märtyrer – Märtyrer für das Reich Gottes
- 2.2 Der fehlende Hass auf den christlichen Glauben: Christen als Opfer von Christen
- 2.3 Vom individuellen zum kollektiven Martyrium: Das gekreuzigte Volk
- 2.4 Der gewaltbereite Märtyrer
- Teil IV: Grundüberlegungen zu einem aktuellen christlichen Martyriumsverständnis
- 1. Das Martyrium in einer säkularisierten Gesellschaft
- 2. Christliches Martyrium in der Nachfolge Jesu
- 3. Gratwanderungen
- 3.1 Die Konflikte, die zum Martyrium führen
- 3.2 Martyrium und Jenseitsvertröstung
- 3.3 Martyrium und Heldentum
- 3.4 Die Idealisierung des Leidens
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den christlichen Martyriumsbegriff in seinen historischen und zeitgenössischen Ausprägungen. Sie beleuchtet die Entwicklung des Verständnisses von Martyrium von der Urkirche bis in die Gegenwart und analysiert den Umgang mit dem Thema in der Literatur, insbesondere im Roman "Schweigen" von Shusaku Endo. Das Ziel ist es, ein differenziertes Bild des Martyriums zu zeichnen und aktuelle Fragen zu seiner Bedeutung und Relevanz zu diskutieren.
- Der traditionelle christliche Martyriumsbegriff in der Urkirche und seiner Entwicklung in der Kirchengeschichte.
- Eine soziologische Betrachtung des Martyriums.
- Die Darstellung des Martyriums im Roman "Schweigen" von Shusaku Endo und dessen Kontext in der japanischen Christenverfolgung.
- Zeitgenössische Ansätze des Martyriumsverständnisses und dessen Erweiterung auf politische und soziale Kontexte.
- Ethisch-pastorale Fragen zum christlichen Martyrium in einer säkularisierten Gesellschaft.
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung setzt den Kontext durch die Selbstmordattentate vom 11. September 2001 und die damit verbundene öffentliche Diskussion um den Begriff des Martyriums. Sie stellt die kontroversen Assoziationen mit Fanatismus gegenüber und hebt die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung hervor. Die Arbeit konzentriert sich auf das christliche Martyrium, dessen zentrale Bedeutung für den christlichen Glauben und seine Verbindung zum Kreuzestod und der Auferstehung Christi betont werden. Schliesslich werden zentrale Forschungsfragen formuliert, die sich sowohl auf christologische Aspekte (Bedeutung des Leidens, Verhältnis von Martyrium und Jenseitsglaube) als auch auf ethisch-pastorale Aspekte (soziale Anerkennung des Martyriums, Gefahr des Missbrauchs, Umgang mit den Konflikten, die zum Martyrium führen) beziehen.
Teil I: Der traditionelle christliche Martyriumsbegriff: Dieser Teil befasst sich mit der Entwicklung des Martyriumsverständnisses in der Urkirche und seiner Weiterentwicklung in der Kirchengeschichte. Es werden die biblischen Hintergründe, die Entstehung des Märtyrertitels im Kontext der römischen Christenverfolgungen, die Martyriumstheologie und die Märtyrerverehrung behandelt. Die Frage der Lapsi (Abtrünnigen) wird ebenfalls thematisiert und der soziologische Blick auf das Martyrium beleuchtet. Dieser Abschnitt legt das Fundament für das Verständnis des christlichen Martyriums und seiner historischen Entwicklung.
Teil II: Shusaku Endo und sein Roman Chinmoku – Schweigen – Ein japanischer Blick auf das Martyrium: Dieser Teil widmet sich dem Roman "Schweigen" von Shusaku Endo. Er analysiert den historischen Kontext der japanischen Christenverfolgung im 17. Jahrhundert, die Ursachen und Hintergründe, sowie die unterschiedlichen Vorstellungen vom Martyrium. Der Schwerpunkt liegt auf Endos einzigartiger Perspektive, die sich nicht auf die „glorreichen“ Märtyrer konzentriert, sondern auf die „Verräter“ und Apostaten, um einen alternativen Blick auf das Martyrium zu werfen und die Frage nach dem christlichen Heldentum zu untersuchen.
Teil III: Zeitgenössische Ansätze des Martyriumsverständnisses: In diesem Teil werden zeitgenössische Reflexionen zum Thema Martyrium betrachtet und Erweiterungen des Martyriumsbegriffs diskutiert. Es werden verschiedene Aspekte beleuchtet, darunter politische Märtyrer, Christen als Opfer von Christen, das kollektive Martyrium und der gewaltbereite Märtyrer. Die Diskussion umfasst verschiedene Perspektiven und erweitert den traditionellen Fokus, um die Komplexität des Themas in der Moderne zu verdeutlichen.
Teil IV: Grundüberlegungen zu einem aktuellen christlichen Martyriumsverständnis: Der letzte inhaltliche Teil beschäftigt sich mit aktuellen Fragen zum christlichen Martyrium in einer säkularisierten Gesellschaft. Er untersucht das Martyrium als Nachfolge Jesu und analysiert kritisch die damit verbundenen Gratwanderungen, wie die Konflikte, die zum Martyrium führen, das Verhältnis von Martyrium und Jenseitsvertröstung, Martyrium und Heldentum, sowie die Idealisierung des Leidens. Dieser Teil bietet eine Reflexion über die Herausforderungen und die Bedeutung des Martyriums in der heutigen Zeit.
Schlüsselwörter
Christliches Martyrium, Martyriumstheologie, Kirchengeschichte, Shusaku Endo, Schweigen, Japanische Christenverfolgung, Zeitgenössisches Martyriumsverständnis, Politische Märtyrer, Säkularisierung, Nachfolge Jesu, Ethik, Christologie.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu "Christliches Martyrium: Eine Untersuchung anhand von Shusaku Endos Roman 'Schweigen'"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht den christlichen Martyriumsbegriff in seinen historischen und zeitgenössischen Ausprägungen. Sie beleuchtet die Entwicklung des Verständnisses von Martyrium von der Urkirche bis in die Gegenwart und analysiert den Umgang mit dem Thema in der Literatur, insbesondere im Roman "Schweigen" von Shusaku Endo. Das Ziel ist es, ein differenziertes Bild des Martyriums zu zeichnen und aktuelle Fragen zu seiner Bedeutung und Relevanz zu diskutieren.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt den traditionellen christlichen Martyriumsbegriff in der Urkirche und seiner Entwicklung in der Kirchengeschichte, eine soziologische Betrachtung des Martyriums, die Darstellung des Martyriums im Roman "Schweigen" von Shusaku Endo und dessen Kontext in der japanischen Christenverfolgung, zeitgenössische Ansätze des Martyriumsverständnisses und dessen Erweiterung auf politische und soziale Kontexte sowie ethisch-pastorale Fragen zum christlichen Martyrium in einer säkularisierten Gesellschaft.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit ist in vier Teile gegliedert: Teil I behandelt den traditionellen christlichen Martyriumsbegriff; Teil II analysiert Shusaku Endos Roman "Schweigen" und die japanische Christenverfolgung; Teil III untersucht zeitgenössische Ansätze des Martyriumsverständnisses; und Teil IV widmet sich Grundüberlegungen zu einem aktuellen christlichen Martyriumsverständnis.
Welche Aspekte des Romans "Schweigen" werden untersucht?
Die Analyse von Endos "Schweigen" konzentriert sich auf den historischen Kontext der japanischen Christenverfolgung im 17. Jahrhundert, die Ursachen und Hintergründe sowie die unterschiedlichen Vorstellungen vom Martyrium. Besonders wird Endos einzigartige Perspektive auf die "Verräter" und Apostaten betrachtet, um einen alternativen Blick auf das Martyrium und die Frage nach dem christlichen Heldentum zu werfen.
Welche zeitgenössischen Ansätze des Martyriumsverständnisses werden diskutiert?
Die Arbeit diskutiert Erweiterungen des Martyriumsbegriffs, darunter politische Märtyrer, Christen als Opfer von Christen, das kollektive Martyrium und den gewaltbereiten Märtyrer. Es werden verschiedene Perspektiven beleuchtet, um die Komplexität des Themas in der Moderne zu verdeutlichen.
Welche ethisch-pastoralen Fragen werden angesprochen?
Der letzte Teil der Arbeit beschäftigt sich mit aktuellen Fragen zum christlichen Martyrium in einer säkularisierten Gesellschaft, dem Martyrium als Nachfolge Jesu und analysiert kritisch die damit verbundenen Gratwanderungen, wie die Konflikte, die zum Martyrium führen, das Verhältnis von Martyrium und Jenseitsvertröstung, Martyrium und Heldentum, sowie die Idealisierung des Leidens.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Christliches Martyrium, Martyriumstheologie, Kirchengeschichte, Shusaku Endo, Schweigen, Japanische Christenverfolgung, Zeitgenössisches Martyriumsverständnis, Politische Märtyrer, Säkularisierung, Nachfolge Jesu, Ethik, Christologie.
Wie wird der Begriff des Martyriums in der Einleitung eingeführt?
Die Einleitung setzt den Kontext durch die Selbstmordattentate vom 11. September 2001 und die damit verbundene öffentliche Diskussion um den Begriff des Martyriums. Sie stellt die kontroversen Assoziationen mit Fanatismus gegenüber und hebt die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung hervor. Die Arbeit konzentriert sich auf das christliche Martyrium, dessen zentrale Bedeutung für den christlichen Glauben und seine Verbindung zum Kreuzestod und der Auferstehung Christi betont werden. Schliesslich werden zentrale Forschungsfragen formuliert.
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- Roger Husistein (Author), 2005, Martyrium zwischen Fanatismus und Heiligkeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55666