Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
II Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretischer Rahmen
2.1 Wohlfahrts-Regime
2.2 Feministische Kritik und Gender Regime
2.3 Wohlfahrtsstaat Schweden
2.4 Wohlfahrtsstaat Deutschland
3. Geschlechtergerechtigkeit des deutschen und schwedischen Arbeitsmarktes
3.1 Arbeitsmarktintegration
3.1.1 Beschäftigungsquoten
3.1.2 Arbeitslosigkeit
3.2 Qualität der Erwerbstätigkeit
3.2.1 Einkommensunterschiede
3.2.2 Geschlechtliche Segregation
3.2.3 Atypische Beschäftigung
4. Wohlfahrtsstaatliche Anreize und Resriktionen
4.1 Steuerpolitik
4.2 Mutterschutz und Elternzeit
4.3 Finanzielle Leistungen
4.4 Kinderbetreuung
5. Schlussbetrachtung
III Literaturverzeichnis
II Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Tabelle 1: Frauen-Beschäftigungsrate und Gender Gap in Abhängigkeit der Kinderzahl (2000)
Tabelle 2: Geschlechtsspezifisches Lohngefälle Deutschland und Schweden (2002)
Abbildung 1: Geschlechtersegregation nach Berufen und Wirtschaftszweigen (2000)
Abbildung 2: Frauen in Teilzeitarbeit 2003 Deutschland und Schweden (in % von allen Frauen)
Abbildung 3: Frauen und Männer mit befristeten Verträgen Europa (2000)
Abbildung 4: Gewünschte und tatsächliche Erwerbsmuster von Paarhaushalten mit Kindern unter
sechs Jahren in Deutschland und Schweden (1998)
Abbildung 5: Besuch von Betreuungseinrichtungen von Klein- und Kindergartenkindern (2001)und
ganztägige Betreuung von Grundschülern (1995/1996) in % der gleichaltrigen Kinder 25
1. Einleitung
„Die gesellschaftlich wichtigste Brücke zwischen Familie und Arbeitswelt schlägt am Ende des zwanzigsten, des ‚sozialpolitischen Jahrhunderts’ (Ralf Dahrendorf) die Sozialpolitik.“ (Opielka 2002: 2)
Seit den 70er Jahren hat sich die Rolle der Frau in der westlichen Welt stark gewandelt. Besonders Bildungsexpansion und zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen haben Veränderungen der dominierenden Leitbilder des Geschlechterverhältnisses hervorgerufen. Das lebenslange oder auch zeitweilige Hausfrauendasein wird von der Vorstellung abgelöst, dass sich auch Frauen auf dem Arbeitsmarkt verwirklichen. Viele Frauen sind neben ihrem Mutterdasein erwerbstätig, was oft zu einer Doppelbelastung führt, da das Engagement der Väter für Familien- und Haushaltsarbeit mit der Emanzipation der Frauen nicht Schritt gehalten hat. Aufgrund dieser Doppelbelastung stehen Frauen daher oftmals vor der Entscheidung entweder berufstätig zu sein oder Kinder zu haben. Einige verzichten auf Arbeit und andere auf Kinder.
Doch dies ist nicht nur im Sinne der Gleichberechtigung der Geschlechter von Nachteil sondern gerade in Zeiten niedriger Geburtenraten ist diese Entwicklung für den Wohlfahrtsstaat gefährlich. Prognosen sagen eine Verringerung des Erwerbspersonenpotentials in Deutschland von einem Drittel in den nächsten fünfzig Jahren voraus (vgl. Eichhorst/ Thode 2002: 7). Eine immer kleinere Zahl von Einzahlern in die deutschen Sozialversicherungssysteme steht einer immer größeren Zahl von Leistungsbeziehern gegenüber, was die Krise des Wohlfahrtsstaates verstärken wird. Die entstehenden Engpässe auf dem Arbeitsmarkt werden zudem bedeutende Konsequenzen für die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft haben. Der Anteil der Erwerbspersonen muss also langfristig erhöht werden. Zum einen durch Zuwanderung und zum anderen durch Integration von Erwerbspersonen die bisher unzureichend am Arbeitsmarkt präsent sind, neben älteren Arbeitnehmern vor allem Frauen.
In den skandinavischen Ländern ist die Erwerbsbeteiligung von Frauen wesentlich höher als in Deutschland. Dies gilt jedoch genauso für die Geburtenrate, die in den skandinavischen Ländern um ein Drittel höher ist (vgl. Thode7 Eichhorst 2002: 3) . Hier scheint es zu gelingen, Frauen in den Arbeitsmarkt zu integrieren ohne dass sie dabei auf Kinder verzichten müssen.
Arbeitsmarkt und Wohlfahrtsstaat beeinflussen sich gegenseitig, insbesondere was die Integration von Frauen in die Erwerbstätigkeit angeht. Zudem erhält der Arbeitsmarkt seine Bedeutung für die Wohlfahrtsproduktion durch die Tatsache, dass er neben Familie und Staat einer der wichtigsten Hauptschauplätze ist, in dem die individuellen Lebensbedingungen und damit die Kriterien des individuellen Wohlergehens bestimmt werden und im Sinne der Gleichberechtigung der Geschlechter Frauen und Männer gleichen Zugang zum selben haben sollten.
Als Paradebeispiel für Gleichstellung der Geschlechter in Gesellschaft und Arbeitsmarkt gilt Schweden, neben den anderen skandinavischen Ländern. „Nach wie vor ist Esping-Andersen davon überzeugt, die kontinentaleuropäischen könnten und sollten von Schweden lernen (...)“ (Ostner 1998: 227) auch im Bezug auf die Gleichberechtigung von Männern und Frauen. „Die Schweden sind besessen von der Idee der Gleichstellung der Geschlechter.“ (Veil 2003: 12). Dies spiegeln zahlreiche familienpolitische Institutionen wieder. Insbesondere ist hier eine flächendeckende Kinderbetreuung und Altenpflege gewährleistet. Was gleichzeitig den Nebeneffekt hat, dass der Dienstleistungssektor ausgebaut wird, was wiederum Arbeitsplätze schafft. Doch die Kritiker des schwedischen Modells sehen genau hier ein Problem. Auf den gering entlohnten Dienstleistungs-Arbeitsplätzen finden sich überwiegend Frauen womit sich die Frage stellt ob der vermeintliche Vorsprung der Gleichstellung in Schweden nur ein quantitativer ist und auf Kosten der Qualität der Erwerbstätigkeit von Frauen entsteht.
Nach einer Erörterung des Wohlfahrts-Regime-Konzeptes von Esping-Andersen und einer Gegenüberstellung der feministischen Kritik, mit Vorschlägen zur Klassifizierung von Wohlfahrtsstaaten nach Gendergesichtspunkten, sollen Deutschland und Schweden gegenübergestellt werden. Nach einer Analyse der Quantität und Qualität der Erwerbsintegration von Frauen, werden Anreize bzw. Fehlanreize der Wohlfahrtspolitik von Schweden und Deutschland diskutiert.
2. Theoretischer Rahmen
2.1 Wohlfahrts-Regime
Es gibt verschiedene Konzeptionen, Wohlfahrtsstaaten zu analysieren und zu klassifizieren. Eines der bedeutendsten der aktuellen Wohlfahrtsstaatsforschung ist das Konzept wohlfahrtsstaatlicher Regime von Esping-Andersen.[1] Im Sinne Esping-Andersens sind sie „spezifische Formen des institutionellen Umgangs fortgeschrittener kapitalistischer Gesellschaften der westlichen Welt mit den ineinander verflochtenen Problemkomplexen gesellschaftlicher Arbeit und sozialer Sicherheit“ (Lessenich/ Ostner 1998: 11). Die Regime haben sich jeweils aus der historischen politischen Kräftekonstellation während des Aufbaus der Wohlfahrtsstaaten und der Entstehungsgeschichte derselben konstituiert. Esping-Andersen setzt einen Fokus auf die Gewährung sozialer Rechte im Wohlfahrtsstaat die nach den Prinzipien der De-Kommodifizierung, sozialer Stratifikation und dem Verhältnis von Markt, Staat und Familie[2] analysiert und kategorisiert werden (vgl. Esping-Andersen 1998: 35ff).
De-Kommodifizierung ist ein Kriterium für die Entkoppelung von Verteilungsfragen vom Marktmechanismus, also dafür, inwieweit der Wohlfahrtsstaat Optionen des Ausstiegs aus dem Arbeitsmarkt aus gesundheitlichen, familiären oder altersbedingten Gründen bietet. Weiteres Klassifikationsprinzip ist Stratifizierung, das Verhältnis zwischen Staatsbürgerrechten und sozialen Klassen im Wohlfahrtsstaat. Die zentrale Frage ist hier ob die wohlfahrtsstaatliche Ordnung Klassenunterschiede zu überwinden sucht oder gar selber Stratifizierung fördert. Drittes Unterscheidungskriterium ist die Frage nach der Rolle die Markt, Staat und Familie bei der Produktion sozialer Dienstleistungen spielen, in welcher Sphäre Solidarität eingefordert wird.
Nach diesen Kriterien werden drei Wohlfahrtsregime unterschieden (vgl. Esping-Andersen 1998: 44ff):
Das liberale Regime, in dem De-Kommodifizierung gering ist, Klassenunterschiede gefördert und dem Markt zentrale Rolle bei der Wohlfahrtsproduktion eingeräumt wird, lässt sich vor allem in angelsächsischen Nationen finden.
Im konservativen Regime, vor allem in Österreich, Frankreich, Deutschland und Italien zu finden, sind wohlfahrtsstaatliche Leistungen vor allem auf Statuserhalt ausgelegt, De-Kommodifizierung spielt hier also nur eine mittlere Rolle
Das sozialdemokratische Regime, vor allem in den skandinavischen Ländern zu finden zeichnen sich durch Universalismus und starke de-kommodifizierende Rechte aus.
„Statt den Dualismus zwischen Arbeiterklasse und Mittelschicht hinzunehmen, strebten die Sozialdemokraten einen Wohlfahrtsstaat an, der Gleichheit auf höchstem Niveau (...) bieten sollte.“ (Esping-Andersen 1998: 45)
Das Konzept wohlfahrtsstaatlicher Regime ist ein wichtiger Fortschritt in der Wohlfahrtsstaats-forschung, da es wie kaum ein anderes einschlägiges Buch der Zeit, frischen Wind in die Wohl-fahrtsanalyse brachte (vgl. Ostner 1998:228). Doch bleibt es nicht unumstritten und hat besonders unter feministischem Blickwinkel einige Schwächen aufzuweisen.
2.2 Feministische Kritik und Gender Regime
Wesentlicher Kritikpunkt der feministischen Wohlfahrtsstaatsanalyse entzündet sich am Kriterium der De-Kommodifizierung als „Gütesiegel für Sozialstaaten“ (Ostner 1998: 231). So geht Esping-Andersen von kontinuierlicher Vollerwerbstätigkeit und damit verbundenen Rechten des Ausstiegs aus dem Arbeitsmarkt aus. Wesentliche Frage ist hier jedoch, ob Männer und Frauen überhaupt gleichberechtigt kommodifiziert, also in den (Arbeits-) Markt eingebunden sind bevor De-Kommodifizierung überhaupt ein Gütekriterium sein kann.
„Diese [die Frauen] sind aber vor jeder De-Kommodifizierung nicht nur auf Dienstleistungen aller Art, die ihnen Familienaufgaben abnehmen, sondern auch auf Gleichbehandlungsmaßnahmen im Arbeitsmarkt angewiesen, die ihre Verfügbarkeit dort erhöhen und jener der männlichen Konkurrenten angleicht.“ (Ostner 1998: 229)
Für Frauen ist Kommodifizierung also wesentlicher Wohlfahrtsindikator und De-Kommodifizierung könne sich sogar als Exklusion manifestieren (vgl. Kulawik 2005: 7).
So hat die feministische Wohlfahrtsstaatsforschung die These entwickelt, dass Regime weniger nach De-Kommodifizierung als vielmehr nach ihrem Einfluss auf Unabhängigkeit der Frauen von Ehe und Familie unterschieden werden sollten (vgl. Veil 2003a: 1 f.). In diesem Zusammenhang gibt es eine rege wissenschaftliche Diskussion und es wurden verschiedene Konzepte vorgeschlagen, Wohlfahrtsstaaten unter Gender-Gesichtspunkten zu klassifizieren und sogenannte ‚Genderregime’ zu identifizieren[3].
Lewis und Ostner schlagen vor, Wohlfahrtsstaaten in ihrer Abweichung zu einem modellhaften „männlichen Ernährermodell“, in dem Männer, mit Sozialleistungen ausgestattet, ihre abhängigen Frauen ernähren und diese wiederum unbezahlte Reproduktionsarbeit leisten, zu analysieren. So stellen Lewis und Ostner einen starken, einen modifizierten und einen schwachen Typus des männlichen Ernährermodells fest. Deutschland gehört nach dieser Klassifizierung zu den starken Ernährermodellen in denen die Erwerbstätigkeit von Müttern und Frauen vergleichsweise niedrig ist und eine hohe weibliche Abhängigkeit von Sicherungsleistungen die der Mann erworben hat besteht. In Schweden und den anderen skandinavischen Ländern herrsche hingegen ein schwaches männliches Ernährermodell. Hier weisen Mütter und Frauen hohe Erwerbsquoten auf, die Sicherungssysteme gehen von einem geschlechtslosen Erwerbs-Eltern-Bürger aus, abgeleitete Sicherungselemente gibt es kaum noch und Erziehungsarbeit wird in diesen Ländern von umfassenden Sozialleistungen und staatlichen Dienstleistungen unterstützt. Der moderate Typ stellt einen Mittelweg zwischen beiden Extremen dar (vgl. Kulawik 2005: 8).
[...]
[1] Vgl. hierzu auch Esping-Andersen, Gøsta 1990; The three Worlds of Welfare Capitalism, Cambridge und Esping-Andersen, Gøsta, 1998
[2] nach Ostner (1998: 7ff.) auch Wohlfahrtsdreieck
[3] vgl. hierzu u.a. Ostner/ Lewis 1994; Ostner 1995; Sainsbury 1996; Lewis 2003; Schunter-Kleemann 1992