Im deutschen kirchlichen und theologischen Sprachgebrauch wurde der Terminus „Fundamentalismus“ erst nach dem Zweiten Weltkrieg allgemein geläufig, und zwar meist als eine etwas vage Beschreibung für „streng konservative, an der Bibel orientierte, von pietistischer Tradition bestimmte Frömmigkeit“1. Im angelsächsischen Bereich hingegen, dem der Begriff entstammt, war er schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Gebrauch, nicht aber im Sinne von „evangelikal“ oder gar religiös-konservativ im Allgemeinen. Quer durch alle Konfessionen bezeichnet er hier zumindest mit Schwerpunkt Gruppen, für die die Lehre von der Verbalinspiration und absoluten Irrtumslosigkeit der Schrift charakteristisch ist. Bei „Fundamentalismus“ handelt es sich in diesem Zusammenhang ursprünglich um die zwischen 1910 und 19152herausgegebene Selbstbezeichnung einer Gruppe, deren
Schriftenreihe den Titel The Fundamentals: A Testimonium to the Truth trug. Der Begriff als solcher fällt zum ersten Mal 1920 in der baptistischen Zeitschrift Watchman Examiner,in der der Herausgeber Curtis Lee Laws im Vorfeld der kommenden Northern Baptist Convention eine eigene Konferenz derjenigen vorschlug, die sich für die fundamentalen Glaubenswahrheiten einsetzen wollen, „Fundamentalists“ eben.4
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Fundamentalismus eine spezifische Ausprägung der Religionsgeschichte der Moderne bezeichnet. Als „moderner Antimodernismus“ entsteht er als eine offensive und modernitätsfeindliche Abwehrhaltung unabhängig voneinander in verschiedenen Konfessionen, deren Wahrheit (i.S.v. Authentizität) er durch Relativismus, Pluralismus, Historismus und Autoritätsvernichtung bedroht sieht.
Martin Marty umfasst den Begriff „Moderne“ in der Einleitung seiner sechsbändigen Studie The Fundamentalism Project anhand folgender wesentlicher Merkmale: säkular geprägte Rationalität, religiöse Toleranz bis hin zu Relativismus und Individualismus. Der Fundamentalismus also lehnt sich auf gegen die Moderne und ihre Postulate der Autonomie und Eigenverantwortung des Individuums, die diese den überkommenen Autoritäten (absolutistische Herrschaft, Wahrheitsmonopol der Religion etc.) (feindlich) gegenüberstellt.
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung
- Einleitung
- Zum Umfeld der Entstehung des Fundamentalismus in den USA
- Soziologischer Hintergrund
- Wissenschaftliche Neuansätze
- Die Evangelikale Tradition
- Die theologischen Wurzeln des Fundamentalismus
- Die Institutionalisierung der fundamentalistischen Bewegung
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit beschäftigt sich mit den Ursprüngen des protestantischen Fundamentalismus in den Vereinigten Staaten im späten 19. Jahrhundert. Sie analysiert die soziokulturellen und theologischen Faktoren, die zu seiner Entstehung führten, und beleuchtet die Entwicklung der Bewegung von ihren Anfängen bis hin zu ihrer Institutionalisierung.
- Soziokulturelle und historische Kontextbedingungen des Fundamentalismus in den USA
- Die Rolle des Protestantismus im amerikanischen Kontext
- Theologische Wurzeln und Argumentationslinien des Fundamentalismus
- Die Bedeutung der Bibel als zentrales Dogma
- Die Institutionalisierung und Verbreitung der fundamentalistischen Bewegung
Zusammenfassung der Kapitel
- Vorbemerkung: Dieses Kapitel stellt den Begriff "Fundamentalismus" in den Kontext und verdeutlicht, dass der Essay ein spezifisches Verständnis des Begriffs zugrunde legt, welches im Seminar erarbeitet wurde.
- Einleitung: Die Einleitung beleuchtet die historische Entwicklung des Begriffs "Fundamentalismus" und unterscheidet seinen Gebrauch im angelsächsischen Bereich von seiner Rezeption im deutschen Sprachraum. Sie führt den Leser in das Konzept des "modernen Antimodernismus" ein, das den Entstehungshintergrund des Fundamentalismus prägt.
- Zum Umfeld der Entstehung des Fundamentalismus in den USA: Dieses Kapitel analysiert die soziokulturellen Bedingungen, die zur Entstehung des Fundamentalismus in den USA führten. Es beleuchtet die Rolle des Protestantismus in der amerikanischen Gesellschaft und die Herausforderungen, die aus der Industrialisierung und Urbanisierung resultierten.
- Die theologischen Wurzeln des Fundamentalismus: Dieses Kapitel untersucht die theologischen Grundlagen des Fundamentalismus. Es beleuchtet die zentrale Bedeutung der Bibel als unfehlbares Wort Gottes und analysiert die verschiedenen Argumente, die den Fundamentalismus prägen.
- Die Institutionalisierung der fundamentalistischen Bewegung: Dieses Kapitel befasst sich mit der Herausbildung und Verbreitung der fundamentalistischen Bewegung in den USA. Es analysiert die organisatorischen Strukturen, die Entwicklung von Schlüsselinstitutionen und die Verbreitung fundamentalistischer Ideen in der amerikanischen Gesellschaft.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Ursprüngen des protestantischen Fundamentalismus in den USA, wobei die wichtigsten Themen die Entstehung und Entwicklung der Bewegung, die theologischen Wurzeln, die Rolle der Bibel, die soziokulturellen Bedingungen sowie die Institutionalisierung und Verbreitung der fundamentalistischen Bewegung sind. Im Fokus stehen Themen wie modernen Antimodernismus, evangelikale Tradition, Verbalinspiration, Irrtumslosigkeit der Schrift, religiöse Toleranz, säkulare Rationalität, Industrialisierung, Urbanisierung, Bibelinterpretation, und die Rolle des Protestantismus im amerikanischen Kontext.
- Arbeit zitieren
- Johannes Fraiss (Autor:in), 2006, Die Ursprünge des protestantischen Fundamentalismus in den USA, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55727