Man kann den Exegeten die redliche Mühe nicht absprechen, mit der im Laufe der Auslegungsgeschichte versucht wurde, das Buch Tobit gattungskritisch einzuordnen. Von einer Familien- und Volksgeschichte, einem Entwicklungs- oder Erziehungsroman, einer Legende oder Lehrerzählung, einem Märchen oder einer Novelle ist hier die Rede, um nur einige Varianten zu nennen. Kaum eine wird dem Werk des jüdischen Autors - und das wäre auch schon alles, was sich mit Sicherheit über ihn sagen lässt - in seiner Gesamtheit gerecht. Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich auf den Prosateil der Exposition der Erzählung, einer persönlichen Rückschau des „Titelhelden“ auf sein bisheriges Leben, welche jedoch wesentlich mehr fundiert, als sie auf den ersten Blick preisgibt.
Inhaltsverzeichnis
0. Vorbemerkungen
1. Einleitung
2.Die Darstellung Tobits in der Exposition der Erzählung (1,3-2,14)
2.1 Einordnung in die Gesamtkomposition des Buches und Gliederung
2.2 „Allezeit im Angesicht Gottes” – eine paradigmatische Lebensgeschichte
2.3 Der „historische Hintergrund” der Erzählung
2.4 Innerbiblische Bezüge
2.5 Eine jüdisch-exilische Erzählperspektive
2.6 Eine veritable Krise (2,11-14)
3. Zusammenfassung
4. Relevanz
Bibliographie
Abkürzungsverzeichnis
Die in dieser Arbeit verwendeten Abkürzungen richten sich nach:
Schwertner, Siegfried N., Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete. Zeitschriften, Serien, Lexika, Quellenwerke mit bibliographischen Angaben (IATG2), Berlin/New York: De Gruyter 21992.
„Allezeit im Angesicht Gottes“ – „Auf Wegen der Treue und in Gerechtigkeit“
0. Vorbemerkungen
Die Termini „Apokryphen“ oder „deuterokanonische Schriften“ bezeichnen einen in seiner Gesamtheit nicht mit letzter Sicherheit abzugrenzenden Textkorpus aus der spätjüdischen bzw. vorchristlichen Ära, der in der Römisch Katholischen Kirche und den Ostkirchen weitgehend Eingang in den Kanon fand, nicht aber im Judentum und den Kirchen der Reformation. Die Bezeichnung „Apokryphen“, wörtlich „verborgene Schriften“, ist an sich irreführend, denn keine von ihnen enthält irgendeine Art von Geheimlehre, die nur Eingeweihten zugänglich wäre, und auch Luther fand noch, dass sie „uns Christen auch nützlich und gut zu lesen“[1] wären.
Abgesehen von der Frage der Kanonizität aber entwickelte sich in den letzten Jahrzehnten wieder ein gesteigertes Interesse an der Erforschung der Schriften „zwischen den Zeiten“. Viele dieser Werke geben Einblick in den damaligen Lebensalltag der jüdischen Diaspora und wurden, allen voran Ben Sira, aus der Vergessenheit geholt, um Situation und Herausforderungen des Judentums an der Schwelle zur Zeitenwende besser verstehen zu können.
1. Einleitung
Man kann den Exegeten die redliche Mühe nicht absprechen, mit der im Laufe der Auslegungsgeschichte versucht wurde, das Buch Tobit gattungskritisch einzuordnen. Von einer Familien- und Volksgeschichte, einem Entwicklungs- oder Erziehungsroman, einer Legende oder Lehrerzählung, einem Märchen oder einer Novelle ist hier die Rede, um nur einige Varianten zu nennen.[2] Kaum eine wird dem Werk des jüdischen Autors – und das wäre auch schon alles, was sich mit Sicherheit über ihn sagen lässt – in seiner Gesamtheit gerecht.
Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich auf den Prosateil der Exposition der Erzählung, einer persönlichen Rückschau des „Titelhelden“ auf sein bisheriges Leben, welche jedoch wesentlich mehr fundiert, als sie auf den ersten Blick preisgibt.
2. Die Darstellung Tobits in der Exposition der Erzählung (1,3-2,14)
2.1 Einordnung in die Gesamtkomposition des Buches und Gliederung
Die Exposition (1,2-3,6) bildet zusammen mit dem Epilog (14,1-15) den Rahmen für die Schilderung der Erlebnisse des Tobias, den Hauptteil der Erzählung (4,1-13,18). Nach dem Buchtitel (1,1-2) beginnt Tobit mit einer Summe seines Lebens(ideals) in 1,3 die Erzählung in der ersten Person, blickt sodann zurück auf sein bisheriges Leben und schließt seinen Bericht mit einem Gebet (3,1-6) ab. Die Rückschau ist inhaltlich und formal gegliedert durch ein immer wiederkehrendes kai ote [1,4(2x).9.10b.12.15.19b; 2,7b.13], ein tote [1,22] und drei Zeitbestimmungen [2,1.9.11].
In auffallender Parallelität dazu schildert uns anschließend der Erzähler die Situation Saras im entfernten Ekbatana; die gleichzeitige Erhörung durch Gott, und die für beide in Aussicht gestellte Wendung des Schicksals lässt die Erzählstränge in 3,16f zusammenlaufen.[3]
1,3 Zusammenfassende Charakterisierung von Tobits Lebensweise; sein Wohnort
und gesellschaftliches Umfeld
1,4-2,14„Biographische“ Darlegung (chronologisch-geographisch)
1,4-8Jugend im Land Israel
9Eheschließung und Geburt des Tobias
10-12Nichtteilnahme an heidnischen Mahlzeiten im Exil in Ninive
13-14Aufstieg unter Salmanassar zum Einkäufer; Geldhinterlegung bei
Gabael in Medien
15-18Geächtetes Wirken (Totenbestattung) zur Zeit Sanheribs
19-21Flucht bis zum Regierungsantritt des Asarhaddon und zur
Einsetzung Achikars als Siegelbewahrer
22Auf Veranlassung Achikars Rückkehr nach Ninive
2,1-2Das unterbrochene Heimkehrmahl am Pfingstfest
3-8Totenbestattung nach Sonnenuntergang
9-10Nächtlicher Unfall und Erblindung
11-12Die Gattin Anna verdient durch Heimarbeit den Lebensunterhalt
13-14Auseinandersetzung zwischen Tobit und Anna
3,1-6 Gebet
2.2 „Allezeit im Angesicht Gottes” – eine paradigmatische Lebensgeschichte
Von Anfang an lässt der Verfasser des Buches keine Zweifel aufkommen, worum es ihm geht: Gleich zu Beginn der Selbstvorstellung Tobits in 1,3 gibt dieser sein Lebensideal summarisch in erster Person kund. Diese Erzählweise ist in der Antike nicht unüblich, sie nimmt die Geschichte gleichsam aus der Verantwortung des Autors, der dadurch nur zum Tradenten des O-Tones wird.[4] Drei gewichtige Leitworte sind in die summa des Tobit eingearbeitet: „Wege der Treue/Wahrheit“ (odoi alhqeiaj), „Gerechtigkeit(serweise)“ (dikaiosuneh/ai) und „Werke der Barmherzigkeit tun“ (elehmosunas poiein), welche im Fortgang der Erzählung immer weiter veranschaulicht werden. Sie charakterisieren primär das Handeln Gottes am Menschen (vgl. 3,2) und beschreiben so auch die folgerichtige Verhaltensantwort des Menschen auf solch empfangene Gottesgabe. Das Gewicht des zentralen Gedankens der elehmosunh, der - gut katholisch gesagt – guten Werke als Manifestation des rechten Gottesverhältnisses[5], zeigt sich auch an der Häufigkeit des Begriffes (32x in der LXX, davon 20x im [relativ kleinen] Buch Tobit) und seiner Positionierung an zentralen Stellen.[6]
[...]
[1] Rabenau, Studien, 1.
[2] Ausführliche Studien zur Gattungsfrage finden sich z.B. bei: Deselaers, Tobit 261-279.
[3] Vgl. Engel, Tobit 279f.
[4] Vgl. Moore, Tobit 105.
[5] Dass davon ausgehend das Buch Tobit in der katholischen Tradition vielfach der zeitgenössischen Frömmigkeit entsprechend interpretiert wurde (z.B. Calmet 1722), braucht hier nicht näher erläutert zu werden.
[6] Vgl. Engel, Tobit 286.
- Arbeit zitieren
- Johannes Fraiss (Autor:in), 2005, "Allezeit im Angesicht Gottes" - "Auf Wegen der Treue und in Gerechtigkeit". Eine Untersuchung von Tob 1,3-2,14, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55729
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