Von Pizzas zu Pizzen oder von Pizzen zu Pizzas? Schwankende Pluralformen im Zusammenhang mit der morphologischen Integration von Fremdwörtern ins Deutsche.


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einführung

2. Die diachrone Entwicklung des - s -Plurals

3. Die heutige Verwendung des - s -Plurals

4. Die morphologische Integration von Fremdwörtern ins Deutsche
4.1 Der morphologische Assimilationsprozess von Fremdwörtern ins Deutsche erfolgt in zwei Schritten
4.2 Die Eigenschaften und Vorteile des - s -Plurals
4.3 Das Zustandekommen der Doppelformen in Zusammenhang mit der Optimalitätstheorie
4.4 Konsequenzen verschiedener Beschränkungshierarchien am Beispiel der Pluralformen Pizzas vs. Pizzen

5. Von Pizzas zu Pizzen oder von Pizzen zu Pizzas ?

6. Korpusrecherche

7. Zusammenfassung und Auswertung

8. Literaturverzeichnis

9. Anhang

1. Einführung

Für die Pluralbildung stehen im Deutschen verschiedene Marker zur Verfügung; Artikel, Suffixe und Umlaute. Trotz dieser vielen unterschiedlichen Pluralmarker hat in den letzten Jahren besonders die Zahl der Paradigmen mit - s -Plural im Deutschen stark zugenommen (Bornschein 1987: 136); mehr noch: obwohl der - s -Plural lange Zeit als sehr ungebildet galt (Bornschein 1987: 137), wird er nun als Bestandteil des zentralen Systems des Deutschen (Bornschein 1987: 136) angesehen. Da verwundert es nicht, wenn man immer wieder auf die Meinung stößt, dass andere Pluralformen zugunsten des - s -Plurals zurückgedrängt werden (z.B. Wurzel (22001)). Ob dies wirklich der Fall ist, wird diese Seminararbeit untersuchen.

Betrachtet man die Pluralformen einiger Fremdwörter, so stößt man außerdem auf Doppelformen und Zweifelsfälle; beispielsweise auf die schwankenden Pluralformen der Wörter Pizza (Pizzas vs. Pizzen), Konto (Kontos vs. Konten) oder Sauna (Saunas vs. Saunen). Hierbei ist auffällig, dass es generell eine Gruppe von Wörtern zu geben scheint, deren Pluralformen zwischen einer Form mit - s und einer mit - schwa (- e, - en, - er, usw.) schwanken. Um dieses Phänomen zu beschreiben und mögliche Ursachen zu klären, müssen nicht nur die Wörter jener Gruppe genauer untersucht werden, sondern auch der generelle Status des - s -Plurals im Deutschen und der Ablauf der morphologischen Integration von Fremdwörtern ins Deutsche mit einbezogen werden.

Diese Seminararbeit wird sich mit alldem beschäftigen und dabei einen besonderen Schwerpunkt auf die diesbezüglichen Erklärungen Wegeners zur Optimalitätstheorie legen. Darüber hinaus wird sie versuchen, die aufgestellten Thesen und vorgestellten Theorien anhand von Korpusrecherchen zu überprüfen bzw. zu bestätigen.

2. Die diachrone Entwicklung des -s-Plurals

Es gibt verschiedene Theorien bezüglich der Herkunft des Plural- s. Im dtv-Atlas Deutsche Sprache (131994: 111) ist nachzulesen, dass das - s als Pluralendung im Deutschen seinen Ursprung in der Übernahme englischer, französischer und niederdeutscher Wörter ins Hochdeutsche findet.

Laut Bornschein (1987: 136, 138) tritt das Plural- s besonders oft in niederdeutschen Dialekten auf, die in Norddeutschland gesprochen wurden, und stammt vermutlich (wie im Niederländischen und im Englischen) aus dem Altsächsischen. Einige dieser Wörter wurden aus den niederdeutschen Mundarten in die Hochsprache übernommen und haben den - s -Plural beibehalten (Docks, Wracks, Jungs,...) (Bornschein 1987: 137).

In der Hochsprache kommt der - s -Plural schon sehr lange z.B. bei Onomatopoetika (Wauwaus, Kuckucks), Interjektionen und interjektionsartigen Ausdrücken (Achs, Ohs) und bei den Buchstaben des Alphabets (A’s, B’s) vor (Bornschein 1987: 137). Bornschein (1987: 137) erklärt, dass die Pluralbildung auf - s sich schon sehr häufig im 18.Jh. bei Entlehnungen aus dem Französischen findet, wobei einige der entlehnten Wörter das Plural- s behalten (Balkons, Hotels, Omeletts), andere dagegen im Laufe der Zeit eine andere Pluralendung annehmen (Generals > Generäle; Kompliments > Komplimente). Auch die seit dem 19.Jh. vermehrt aus dem Englischen entlehnten Wörter behalten häufig das Plural- s (Jobs, Hits,…) (Bornschein 1987: 137).

Trotz des häufigen Vorkommens des Plural- s bei entlehnten Wörtern wehrt Bornschein (1987: 137) sich - im Gegensatz zu vielen anderen Sprachwissenschaftlern - jedoch dagegen, den Ursprung des Plural- s außerhalb des Deutschen, so z.B. im Französischen, zu sehen (Bornschein 1987: 137). Köpcke (1993: 153) argumentiert hierzu, dass Pluralbildungen mit - s im Deutschen schon existierten, bevor innerhalb der letzten 250 Jahre Wörter aus dem Englischen und Französischen entlehnt wurden.

Generell ist festzuhalten, dass das Plural- s lange Zeit als ungebildet galt und daher - gerade in gebildeten Schichten - verpönt war. (Bornschein 1987: 137). Im vorletzten Jahrhundert hat es sich dennoch in der Hochsprache etabliert, und bis heute wurden die Vorurteile gegenüber dem - s -Plural immer weiter abgebaut, so dass er sich im Deutschen weitgehend etabliert hat und bei einer ganzen Reihe von Substantiven von praktisch allen Sprechern des Deutschen benutzt wird.

3. Die heutige Verwendung des s-Plurals

Um dies noch einmal zusammenzufassen, ist der - s -Plural heute - laut Bornschein (1987: 139) - beispielsweise bei Onomatopoetika (Wauwaus, Kuckucks), Interjektionen und interjektionsartigen Ausdrücken (Achs, Ohs), bei den Buchstaben des Alphabets (A’s, B’s), bei Entlehnungen aus dem Niederdeutschen (Docks, Wracks, Jungs), aus dem Französischen (Abonnements, Feuilletons, Gourmets, Hotels, Trikots) und dem Englischen (Jobs, Hits, Babys, Citys, Fans, Hobbys, Ladys, Lobbys, Partys, Ponys, Songs, Storys, Teams), bei Abkürzungen (LKWs, GmbHs), Kurzwörtern (Autos, Demos, Infos, Unis), Eigennamen (Müllers, Meiers) und Produktnamen (Ferraris, Hanutas) weit verbreitet. Diese Liste wird so oder in ähnlicher Form z.B. auch von Köpcke (1993: 153) und Helbig/Buscha (181998: 242ff) bestätigt.

Die Duden-Grammatik (61998: 231) nennt hier zusätzlich noch Substantive (Fremdwörter inbegriffen), die in der unbetonten Nebensilbe auf klingenden Vokal oder Diphtong enden (Nackedeis, Opas); einige Zusammenrückungen (die Lebewohls, die Stelldicheins) und einige Fachwörter (die Hochs, die Tiefs). Darüber hinaus wird z.B. noch erwähnt (Duden 61998: 231), dass das Plural- s in der Umgangssprache manchmal im Wechsel mit der 'üblichen' standardsprachlichen Pluralform benutzt wird (die Kerls statt die Kerle; die Bestecks statt die Bestecke; die Mädels statt die Mädel).

Im Duden Band 9 (52001) schließlich stößt man auf Substantive, deren Pluralformen zwischen einer Form mit - s und einer mit - schwa (- e, - en, - er, usw.) schwanken, so z.B. Themas vs. Themen; Pizzas vs. Pizzen; Balkons vs. Balkone. Hierbei stellt sich die Frage, wie diese Doppelformen zustande kommen, bzw. wo sie ihren Ursprung finden. Im Duden Band 9 (52001: 322) findet man diesbezüglich den Hinweis, dass derartige Doppelformen besonders bei Fremdwörtern vorkommen, die weitgehend eingedeutscht sind; diesem Hinweis soll nun weiter nachgegangen werden.

Köpcke (1993: 152) stellt hierzu die These auf, dass das - s immer dann zur Pluralbildung verwendet wird, wenn keine spezifischen Schemata vorliegen, die eine andere Pluralbildung veranlassen. Anders formuliert: Sobald für ein Substantiv keine Regel zur systemgemäßen Bildung des Plurals greift, wird er automatisch mit - s gebildet. Dies würde also bedeuten, dass der - s -Plural als Übergangslösung genutzt wird, solange ein Fremdwort (noch) nicht vollständig ins Deutsche integriert ist. Aus diesem Grund bezeichnet Bornschein (1987: 138) den - s-Plural auch als 'Notfallplural'. Eine ähnliche These stellt auch Wegener (2004) auf; sie untersucht die Rolle des - s -Plurals in der Fremdwortassimilation, würde ihn in diesem Zusammenhang jedoch nicht als 'Notfallplural', sondern vielmehr als 'Übergangsplural' bezeichnen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Von Pizzas zu Pizzen oder von Pizzen zu Pizzas? Schwankende Pluralformen im Zusammenhang mit der morphologischen Integration von Fremdwörtern ins Deutsche.
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Deutsches Institut)
Veranstaltung
Hauptseminar: Zweifelsfälle der deutschen Sprache und ihre diachrone Begründung
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
20
Katalognummer
V55739
ISBN (eBook)
9783638506151
ISBN (Buch)
9783656810780
Dateigröße
524 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pizzas, Pizzen, Pizzas, Schwankende, Pluralformen, Zusammenhang, Integration, Fremdwörtern, Deutsche, Hauptseminar, Zweifelsfälle, Sprache, Begründung
Arbeit zitieren
Gaby Grünsfelder (Autor:in), 2005, Von Pizzas zu Pizzen oder von Pizzen zu Pizzas? Schwankende Pluralformen im Zusammenhang mit der morphologischen Integration von Fremdwörtern ins Deutsche., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55739

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