Der Panoptismus in Michel Foucaults Werk "Überwachen und Strafen"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A) Einleitung

B) Der Panoptismus in Michel Foucaults Werk „Überwachen und Strafen“
1) Die Kernaussagen von „Überwachen und Strafen“
2) Das Panopticon
2.1) Begriffserklärung und Idee des Panopticons
2.2) Der architektonische Aufbau des Panopticons
2.3) Die Wirkungsweise und Funktion des Panopticons
2.4) Das Panopticon – ein Machtschema
3) Panoptismus in der Gesellschaft
4) Der Machtbegriff im Allgemeinen bei Michel Foucault

C) Resumée

A) Einleitung

Beschäftigt man sich mit Michel Foucaults (1926-1984) „Überwachen und Strafen“, so ist man zunächst von der Eingrenzung der Arbeit durch den Untertitel überrascht.

Über die „Geburt des Gefängnisses“ hinaus, ist es nämlich die Frage nach der „normalisierenden Macht und der Formierung des Wissens in den modernen Gesellschaften“[1], die Foucault aufwirft. Natürlich ist auch die Geschichte des Strafens und die Entstehung der Gefängnisse Thema dieses Buches. Genau anhand dieser Geschichte verdeutlicht Foucault Machtverhältnisse und ihre Modifikation.

In „Überwachen und Strafen“ wird die Genealogie des modernen Individuums als eines fügsamen und stummen Körpers und einer normativen Sozialwissenschaft aufgezeigt[2]. Im Buch selbst heißt es: „Thema dieses Buches ist eine Korrelationsgeschichte der modernen Seele und einer neuen Richtgewalt. Eine Genealogie des heutigen Wissenschaft/Justiz-Komplexes, in welchem die Strafgewalt ihre Stützen, ihre Rechtfertigungen und ihre Regeln findet, ihre Wirkungen ausweitet und ihre ungeheure Einzigartigkeit maskiert[3].

In „Überwachen und Strafen“ schlägt Foucault vor, Bestrafung und Gefängnisse als eine komplexe gesellschaftliche Funktion und nicht bloß als eine Reihe von Unterdrückungsmechanismen aufzufassen. Er will anhand des Gefängnisses die Entwicklung einer spezifischen Machttechnik herausarbeiten[4].

Meine Hausarbeit beschäftigt sich aufgrund der Komplexität und der verschiedenen Aspekte des Buches nur mit einem kleinen Ausschnitt. Mein Hauptaugenmerk gilt der Analyse des Foucaultschen Panoptismus im Werk „Überwachen und Strafen“. Zunächst werde ich in einem kurzen Abriss die wichtigsten Aussagen des gesamten Buches zusammenfassen, ehe ich konkret auf das Panopticon eingehe.

In einem weiteren Punkt versuche ich zu klären, inwieweit panoptische Strukturen auch gesellschaftlich wirksam sind, bevor ich zum Abschluss noch den Machtbegriff bei Foucault beleuchte.

Der Panoptismus erscheint in „Überwachen und Strafen“ als wichtiger Gesichtspunkt, da der Autor beschreibt, wie sich die Techniken der Einschließung ändern, um eine ausgiebigere Beobachtung des Eingeschlossenen zu gestatten. Das Problem, gleichzeitig ein Höchstmaß an Schutz und ein Maximum an Beobachtung zu garantieren findet eine architektonische Lösung[5] ; und zwar dadurch, dass an die Stelle der alten, massiven Einschließung in dicken Mauern, Anlagen treten, die mit Blenden, Spiegeln, Lichtkegeln und Fenstern arbeiten und das Dunkel der Kerkermauern durch eine „kalkulierte Ökonomie der Sichtbarkeit“ ersetzen[6].

Die Perfektion des Ganzen ist das von Jeremy Bentham entwickelte und durch Michel Foucault weitergedachte Panopticon.

B) Der Panoptismus in Michel Foucaults Werk „Überwachen und Strafen“

1) Die Kernaussagen von „Überwachen und Strafen“

Das Werk „Überwachen und Strafen“ von 1975 bezeichnet Foucault selbst als „Höhepunkt seiner Laufbahn“[7]. Michel Foucault legt mit dieser Arbeit eine illusionslose Analyse der Institutionen der bürgerlichen Gesellschaft vor. Es geht folglich nicht nur um die „Geburt des Gefängnisses“, sondern um die Entstehung der Disziplinartechnologie[8].

Foucault spricht von „der modernen Gesellschaft als Gefängnis“[9]. Betrachtet man nun den Inhalt des Buches genauer, so lassen sich insgesamt sechs Ebenen ausmachen. Auf einer ersten Ebene geht es um die Veränderung des Strafwesens. Einleitend veranschaulicht Foucault die Veränderung der Form der Bestrafung durch die Gegenüberstellung des Schauspiels einer Vierteilung (Königsmörder Damiens 1757[10] ) mit dem geregelten Tagesablauf in einer Anstalt (Gefängnisreglement 1838[11] ). Statt einer Leibesmarter gilt fortan eine Zeitplanung. Foucault verdeutlicht hier den Übergang von öffentlicher Grausamkeit hin zu milderen Strafen, die durch minutiöse Zeitplanung den Gefangenenalltag bis ins kleinste Detail regeln.

Auf einer zweiten Ebene thematisiert Foucault den Zusammenhang zwischen dem neuen Strafvollzug und der Herausbildung der Humanwissenschaften.

Die Entscheidung über Strafmaß und Art des Strafens liegt nicht mehr allein beim Richter, sondern ein ganzer Kreis von Sachverständigen, Medizinern, Pädagogen und Psychiatern beraten ihn[12]. Foucault weist – drittens – mit Nachdruck auf die Verbindung von Wissen und Macht hin. Wissen und Macht sind keinesfalls Gegensätze, sondern unterhalten komplexe Verbindungen. Das Wissen steht auf der Seite der Macht und ein neuer wissenschaftlicher Machttypus bildet die gemeinsame Grundlage der Humanisierung des Strafwesens und der Herausbildung der Humanwissenschaften[13].

Auf einer vierten Ebene führt die Analyse der Institution Gefängnis zum Idealtyp der Strafanstalt. Benthams Panopticon von 1787, das später noch ausführlicher behandelt wird, bewirkt vollkommene Überwachbarkeit. Ein rundumblickendes Zentralauge erkennt, beaufsichtigt und beherrscht sämtliche Erscheinungen. Die Vernunft nimmt in diesem perfekten Überwachungssystem vollendete Gestalt an. Foucault stellt heraus, dass wir in einer Gesellschaft der Transparenz zu vollständig Sehenden und zu vollständig Gesehenen zugleich werden[14].

Zudem kommt es – fünftens – zu einer Internalisierung der Überwachung. Der Delinquent, der sich in jedem Augenblick potentiell beobachtet fühlt, trägt dieser Situation Rechnung, indem er sich selbst kontrolliert. So wird die Seele zum Gefängnis des Körpers. Foucault übt allerdings auch schwere Kritik: Er behauptet, dass das Gefängnis Kriminalität erzeugt. Die Delinquenz ist in Foucaults Augen eine strategische Antwort auf die Bedrohungen, nämlich eine von den Herrschenden unter Kontrolle gehaltene und deshalb manipulierbare Gesetzeswidrigkeit, die als Waffe zur Überwachung und Spaltung der revoltierenden Klassen dient[15].

Gefängnis, Polizei und Delinquenz bilden einen komplexen Apparat, von dem her illegale, aber politisch-ökonomisch gewinnbringende Praktiken (Prostitution, Waffenhandel, etc.) koordiniert werden[16].

Foucault beschreibt zum Abschluss, dass dieses dargestellte Schema vielfach anwendbar ist: auf Sträflinge, Kranke, Schüler, Wahnsinnige oder auf Arbeiter.

Das Ergebnis ist eine Disziplinargesellschaft. Die Macht die straft, hat sich in eine Macht verwandelt, die überwacht und diszipliniert. Mit dem Gefängnis wurde ihr Modell erfunden und darin liegt die herausragende Bedeutung des Gefängnisses für die bürgerliche Welt. Die Überwachung wird immer perfekter und subtiler. Das Gefängnis ist der Prototyp der fortan herrschenden Überwachung und Disziplinierung und die Fabriken, Schulen, Kasernen oder Krankenhäuser werden alle dem Gefängnis ähneln[17].

2) Das Panopticon

2.1) Begriffserklärung und Idee des Panopticons

Trifft der deutschsprachige Leser auf das Wort „Panoptikum“, so denkt er wahrscheinlich zunächst an ein Wachsfigurenkabinett. Schlägt man im Brockhaus (1991) nach, erfährt man, der Begriff „Panoptikum“ meine eigentlich „Gesamtschau, Kuriositätensammlung, Wachsfigurenkabinett“[18]. Verfolgt man die Geschichte des Begriffs weiter, so findet man heraus, dass die Eindeutschung um 1874 durch einen Berliner Schausteller erfolgte:

„Panoptikum, Sammlung von Sehenswürdigkeiten, engl. panopticon von Bentham für Gefängnisbau, Satans-Panoptikum (1871-1922), Wachsfigurenkabinett“[19].

Der erste Eintrag datiert von 1885, wobei der Begriff Panoptikon (gri.), als Name einer alles zur Anschauung bringenden Anstalt, insbesondere einer Sammlung von allerlei Apparaturen zur Anschauung und Belehrung durch Experiment bezeichnet wird. Die Begriffsentwicklung führt später zur „Schauhalle“ und dann zu „Sehenswürdigkeiten und Kuriosa“, sowie „Dingen die zur Volksbelustigung dienen“.

Dieser Bedeutungswandel ist nicht nur selbst kurios, sondern verweist auf einen wichtigen Aspekt der panoptischen Technologie sozialer Kontrolle: Auf die Geburt der humanwissenschaftlichen Disziplinen in der Domestizierung des Körpers und des Todes[20].

Die Idee des Panopticons wurde im 18. Jahrhundert von Jeremy Bentham (1748-1832) entwickelt. Bentham war ein führender englischer Philosoph, Jurist, politischer Theoretiker und Begründer des Utilitarismus. Er widmete sich einer radikalen Gesellschaftskritik und der Reform der englischen Legislation. Das herausragende Werk seiner außergewöhnlichen Produktivität, die „Einführung in die Prinzipien von Moral und Gesetzgebung (1789)“ erregte überall Aufsehen. Zudem nahm er auch Stellung zur Gefängnisreform, Religion, Armenunterstützung oder dem Internationalen Recht. Inspiriert wurde Bentham durch Barkers „Panorama“, einem Rundbau, dessen konkave Innenwand durch Dachfenster von oben erhellt wurde.

Der Maler hatte auf der Innenwand ein Seekriegsgemälde aufgetragen, so dass sich den Besuchern ein strahlender Ausblick über das Meer bot[21].

Eine weitere Inspiration erhielt Bentham durch die Weiterentwicklung zum Diorama, wo die Besucher auf einer drehbaren Plattform standen und sich an den feststehenden Bildern vorbeibewegten[22]. Bentham stellte sich den Besucherstrom so vor, dass die Besucher durch einen unterirdischen Gang in den Zentralturm gelangen und von da aus die Kreislandschaft des Panopticons beobachten. Darum ist Foucault der Meinung, dass Bentham von Barkers Panoramen beeinflusst wurde. Die Besucher nahmen immer den Platz des souveränen Blicks ein[23].

[...]


[1] Pasquino, P.: Moderne, Subjekt und der Wille zum Wissen. S. 89.

[2] Vgl. Dreyfus, H.L.: Michel Foucault. S. 173.

[3] Foucault, M.: Überwachen und Strafen. S. 33.

[4] Vgl. Dreyfus, H.L.: Michel Foucault. S. 173.

[5] Vgl. Rolf, U.: Das Normale Leben. S.22.

[6] Vgl. ebd. S. 23.

[7] Vgl. Duman, Y.: Zur Frage der Macht im Werk Michel Foucaults. S. 78.

[8] Vgl. ebd. S. 78f..

[9] Vgl. Foucault, M.: Überwachen und Strafen. S. 388.

[10] Vgl. Marti, U.: Michel Foucault. S. 84.

[11] Vgl. ebd. S. 84.

[12] Vgl. Barth, T.: Soziale Kontrolle in der Informationsgesellschaft. S. 40. /Marti, U.: Michel Foucault. S. 84f..

[13] Vgl. Kammler, C.: Michel Foucault. S. 155. / Dreyfus, H.L.: Michel Foucault. S. 235f..

[14] Vgl. Foucault, M.: Überwachen und Strafen. S. 259.

[15] Vgl. Marti, U.: Michel Foucault. S. 95.

[16] Vgl. ebd. S. 95.

[17] Vgl. Foucault, M.: Überwachen und Strafen. S. 394f..

[18] Brockhaus Enzyklopädie, Mannheim 1991, Bd. 16.

[19] Basler, O.: Deutsches Fremdwörterbuch, Berlin, Bd. 2. S. 306.

[20] Vgl. Barth, T.: Soziale Kontrolle in der Informationsgesellschaft. S. 41/42.

[21] Vgl. ebd. S. 43.

[22] Vgl. ebd. S. 43.

[23] Vgl. Foucault, M.: Überwachen und Strafen. S. 266.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Der Panoptismus in Michel Foucaults Werk "Überwachen und Strafen"
Hochschule
Universität Regensburg  (Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Hauptseminar
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
21
Katalognummer
V55790
ISBN (eBook)
9783638506519
ISBN (Buch)
9783638765794
Dateigröße
570 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Der Panoptismus erscheint in "Überwachen und Strafen" als wichtiger Gesichtspunkt, da der Autor beschreibt, wie sich die Techniken der Einschließung ändern, um eine ausgiebigere Beobachtung des Eingeschlossenen zu gestatten. Das Problem, gleichzeitig ein Höchstmaß an Schutz und ein Maximum an Beobachtung zu garantieren findet eine architektonische Lösung.
Schlagworte
Panoptismus, Michel, Foucaults, Werk, Strafen, Hauptseminar
Arbeit zitieren
M.A. Nico Ernstberger (Autor:in), 2004, Der Panoptismus in Michel Foucaults Werk "Überwachen und Strafen", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55790

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