Die Eroberung Jerusalems durch die Römer und die damit einhergehende Zerstörung des Tempels im Jahr 70 n.C. markierte in Judäa das Ende einer Epoche, die von der Existenz des Tempels geprägt war. Während die Römer Judäa in eine prätorische Provinz umwandelten und weitere Präventivmaßnahmen gegen neue Aufstände ergriffen, die sie auf eine ruhigere Zukunft hoffen ließen, befand sich das jüdische Volk in einem geistigen und institutionellen Krisenzustand. Die Vernichtung des Tempels hatte die jüdische Nation um ihr Identifikationszentrum und den Mittelpunkt ihres organisierten Lebens beraubt. Sie hinterließ somit ein Vakuum im Geist und im Alltag des jüdischen Volkes und hatte eine an Verzweiflung grenzende Depression zur Folge. Es gab jedoch unter der Bevölkerung Judäas einige Juden, die die Initiative zum Wiederaufbau des innerjüdischen Lebens ergriffen.
Hauptgegenstand dieser Arbeit soll es nun sein, diese Neuorganisation des jüdischen Volkes in der Zeit zwischen 70 n.C- 132 n.C. zu untersuchen. Dabei möchte ich der Frage auf den Grund gehen, inwiefern sich die Organisation seitens des jüdischen Volkes im Vergleich zu der Zeit vor dem 1. Jüdischen Krieg verändert hat. Unter dem Begriff Organisation verstehe ich nun im folgenden die Gestaltung der jüdischen Gesellschaft. Darunter fallen Aspekte der Praktizierung des Glaubens, der Selbstverwaltung und der internen Führung sowie auch der Homogenität der Gesellschaft. Um jedoch Aussagen über Veränderungen treffen zu können, möchte ich zunächst einmal kurz darlegen, wie die Juden ihr Leben vor dem 1. Jüdischen Krieg organisierten. Basierend auf diesen Kenntnissen werde ich dann die Zeit zwischen 70 n.C. und 132 n.C. auf etwaige Veränderungen hin untersuchen. Meine Ausführungen konzentrieren sich im folgenden auf die Stadt Jabne, die in der Nähe der westlichen Mittelmeerküste Judäas gelegen ist, und die Aktivitäten der dort wirkenden Juden, denn gemeinhin gilt dieser Ort als das Zentrum der jüdischen Neuorganisation. So wird die Zeit zwischen der Zerstörung des Tempels im Jahre 70 n.C. und dem Beginn des Bar Kochba- Aufstands im Jahr 132 n.C. aus jüdischer Sicht auch als „Jabne-Periode“ bezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Quellenlage
- Allgemein
- Flavius Josephus
- Die Evangelien
- ,,Dokumente aus der Wüste Judäas“
- Rabbinische Literatur
- Forschungsstand
- Das jüdische Volk vor dem 1. Jüdischen Krieg
- Der Tempel
- Die Hohepriester
- Die Sekten
- Der Sanhedrin
- Die Reorganisation des Judentums nach 70 n.C.
- Rabban Johanan ben Zakkai und Rabban Gamaliel II
- Entstehung des „Lehrhauses“ in Jabne
- Die rabbinischen Lehre
- Zusammensetzung der Versammlung in Jabne
- Forschung
- Argumente für Fortsetzung der pharisäischen Bewegung
- Argumente für „Große Koalition“
- Administrative Funktionen des „Lehrhauses\" in Jabne
- Zwischenzusammenfassung
- Ausübung der Legislative
- Ausübung der Judikative
- Zwischenzusammenfassung
- Die personelle Führung - Die Anfänge des Patriarchats
- Das Patriarchat
- Rabban Johanan ben Zakkai
- Kompetenzen
- Anerkennung durch das gesamte jüdische Volk
- Anerkennung durch die Römer
- Rabban Gamaliel II
- Kompetenzen
- Anerkennung durch das gesamte jüdische Volk
- Anerkennung durch die Römer
- Zwischenzusammenfassung
- Fazit
- Quellen
- Literatur
- Die Rolle des Tempels als Identifikationszentrum und Mittelpunkt des organisierten Lebens der Juden
- Die Auswirkungen der Zerstörung des Tempels auf die jüdische Gesellschaft
- Die Entstehung des „Lehrhauses“ in Jabne als Zentrum der jüdischen Neuorganisation
- Die Entwicklung der rabbinischen Lehre und ihrer Bedeutung für die Reorganisation
- Die Rolle des Patriarchats als Führungsinstanz in der neuorganisierten jüdischen Gesellschaft
- Die Einleitung führt in das Thema der Arbeit ein und beschreibt die Bedeutung der Zerstörung des Tempels für das jüdische Volk. Sie stellt den Forschungsgegenstand und die Zielsetzung der Arbeit dar.
- Das Kapitel "Quellenlage" beleuchtet die verschiedenen Quellen, die für die Rekonstruktion der innerjüdischen Organisation in der Zeit zwischen den Kriegen relevant sind. Es werden die Stärken und Schwächen der jeweiligen Quellenarten diskutiert, wobei ein besonderer Fokus auf Flavius Josephus und seine Werke gelegt wird.
- Das Kapitel "Das jüdische Volk vor dem 1. Jüdischen Krieg" beschreibt die Organisation des jüdischen Lebens vor der Zerstörung des Tempels. Es werden die Institutionen des Tempels, die Hohepriester, die Sekten und der Sanhedrin vorgestellt.
- Das Kapitel "Die Reorganisation des Judentums nach 70 n.C." behandelt die Neuorganisation des jüdischen Lebens nach der Zerstörung des Tempels. Es werden die Rolle von Rabban Johanan ben Zakkai und Rabban Gamaliel II sowie die Entstehung des "Lehrhauses" in Jabne als Zentrum der neuen Organisation dargestellt.
- Das Kapitel "Administrative Funktionen des „Lehrhauses\" in Jabne" befasst sich mit den administrativen Funktionen des "Lehrhauses" in Jabne. Es werden die Aufgaben des "Lehrhauses" in den Bereichen der Gesetzgebung, der Rechtsprechung und der Führung des jüdischen Volkes beschrieben.
- Das Kapitel "Die personelle Führung - Die Anfänge des Patriarchats" behandelt die Entstehung des Patriarchats und die Rolle der ersten Patriarchen Rabban Johanan ben Zakkai und Rabban Gamaliel II. Es werden ihre Kompetenzen, ihre Anerkennung durch das jüdische Volk und die römischen Behörden sowie die Entwicklung des Patriarchats als Führungsinstanz dargestellt.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Neuorganisation des jüdischen Volkes in der Zeit zwischen der Zerstörung des Tempels im Jahr 70 n.C. und dem Ausbruch des Bar Kochba-Aufstands im Jahr 132 n.C. Sie untersucht, inwiefern sich die Organisation des jüdischen Lebens im Vergleich zur Zeit vor dem 1. Jüdischen Krieg verändert hat. Dabei liegt der Fokus auf der Gestaltung der jüdischen Gesellschaft, die Aspekte der Glaubensausübung, der Selbstverwaltung, der internen Führung und der Homogenität umfasst.
Zusammenfassung der Kapitel
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen der jüdischen Geschichte, der römisch-jüdischen Beziehungen, der Reorganisation des Judentums, dem Einfluss des Tempels auf die jüdische Gesellschaft, der Rolle des "Lehrhauses" in Jabne, der Entwicklung der rabbinischen Lehre und den Anfängen des Patriarchats. Wichtige Themen sind die Auswirkungen der Zerstörung des Tempels auf die jüdische Nation, die Bedeutung des "Lehrhauses" in Jabne als Zentrum der Neuorganisation, die Rolle des Patriarchats als Führungsinstanz und die Veränderungen in der Organisation des jüdischen Lebens nach dem 1. Jüdischen Krieg.
- Arbeit zitieren
- Birgit Lüke (Autor:in), 2004, Organisatorische Veränderungen seitens der Juden in der Zeit zwischen den Kriegen ( 70 n. Chr. - 132 n. Chr.), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55816