Im dritten Teil seines Buches Götterzeichen - Liebeszauber - Satanskult. Neue Einblicke in alte Goethetexte analysiert Albrecht Schöne die Walpurgisnacht in Goethes Faust I,wobei ein beachtlicher Teil der Abhandlung den Paralipomena, den aus dem Faust verbannten Textfragmenten, gewidmet ist. In Schönes Rekostruktionsversuch, der die Paralipomena in den Text- und Sinnzusammenhang des autorisierten Fausttextes stellt, konzentriert sich die Untersuchung auf die Figur Gretchens. Schöne gelangt auf diesem Wege zu der These, die Erscheinung Gretchens kurz vor dem Intermezzo der Walpurgisnacht habe einen engen Bezug zum Paralipomenon 65, der sogenannten Hochgerichtserscheinung, und erlaube deshalb, in Gretchen eine als Hexe Beschuldigte im damaligen Sinne zu sehen. Schöne schlägt vor, mit Hilfe einer eingehenden Untersuchung der Geschichte des Hexenglaubens, wie Goethe sie gekannt haben muß, und des völkischen Wissensguts, wie es jedem Menschen zum Ausgang des achtzehnten Jahrhunderts eigen gewesen sein muß, Gretchens Erscheinung im Kontext der Walpurgisnachtszene zu durchleuchten, oder, wie Peter Delvaux meinte, Gretchens Hintergrund „versuchsweise auch [im Vergleich mit] kollektiv verbreiteten Bildvorstellungen insbesondere aus der christlichen Ikonographie zu sehen.“ Schöne impliziert, allerdings ohne es weiter zu verdeutlichen, daß damit freilich nicht behauptet werden solle, Goethe selbst hätte Gretchen als Hexe präsentieren wollen.Sein Anliegen sei es vielmehr gewesen, Gretchens Schicksal mit dem einer zu Unrecht als Hexe Beschuldigten gleichzusetzen, und anzudeuten, daß Gretchens drastische Bestrafung in nicht unerheblichem Maße auch mit der damals üblichen Kategorisierung ihrer Verfehlungen als geradezu typische Hexentaten - Vergiftung (wenn auch unabsichtlich) und Kindesmord - im Zusammenhang stehe. Anders ausgedrückt: Goethe war sich durchaus bewußt, daß Gretchens Taten dem einfachen Verstand als Taten einer Hexe erscheinen mußten, und verlegt aus diesem Grund ihre Hinrichtung in die Sphäre der Hexenverfolgungen, eben um zu zeigen, daß er Gretchen zwar für schuldig, nicht aber für schuldig im Sinne der Anklage halte. Christoph Müller bestätigt indirekt Schönes Annahme mit der Aussage, „daß Gretchen als Hexe hingerichtet wird, besagt noch nicht, daß sie eine Hexe ist.“ Natürlich steht auch für Albrecht Schöne außer Frage, daß Gretchen keine Hexe ist.
Inhaltsverzeichnis
- Zur Einleitung
- Der Walpurgissack
- Zur Figur Mephistos
- Zur Funktion Mephistos
- Hexentanz und Schönheit
- Schlußbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Abhandlung befasst sich mit der Walpurgisnacht in Goethes Faust I und analysiert insbesondere die Figur Gretchens im Kontext des Hexenglaubens des 18. Jahrhunderts. Der Autor untersucht die Rolle der Paralipomena, der von Goethe aus dem Faust-Text gestrichenen Fragmente, für die Interpretation der Walpurgisnacht und Gretchens Schicksal.
- Die Rolle der Paralipomena für die Interpretation der Walpurgisnacht
- Die Figur Gretchens als potentielle Hexe im Kontext des damaligen Hexenglaubens
- Die Verbindung zwischen Gretchens Schicksal und den Hexenverfolgungen
- Die Bedeutung des Hexentanzes und der Schönheit in der Walpurgisnacht
- Die Frage nach Goethes Intentionen bei der Gestaltung der Walpurgisnacht
Zusammenfassung der Kapitel
Zur Einleitung
Die Einleitung stellt die Argumentation von Albrecht Schöne vor, der die Figur Gretchens als eine mutmaßliche Hexe im Kontext des Hexenglaubens des 18. Jahrhunderts interpretiert. Schöne argumentiert, dass Gretchens Erscheinung in der Walpurgisnacht auf ein aus dem Text gestrichenes Fragment, das Paralipomenon 65, verweist und ihre Hinrichtung als eine Folge der Hexenverfolgungen interpretierbar macht. Der Autor stellt Schönes These dar und diskutiert die Argumentation anderer Autoren wie Peter Delvaux und Christoph Müller, die Schönes These teilweise bestätigen, aber auch differenzieren.
Der Walpurgissack
Das Kapitel „Der Walpurgissack“ konzentriert sich auf die Analyse der Paralipomena, die von Goethe als „infernalischer Schlauch“ bezeichnet werden und wichtige Einblicke in die Walpurgisnacht-Szene bieten. Der Autor diskutiert die Bedeutung der Paralipomena für die Interpretation des Werkes und stellt Goethes eigene Meinung über die Fragmente dar, die er als gefährlich und bedrohlich empfand.
Der Unterabschnitt „Figur des Mephistopheles“ befasst sich mit der Rolle des Mephistopheles im Kontext der Walpurgisnacht. Der Autor stellt fest, dass Mephistopheles als eine zentrale Figur in Goethes Werk gilt und seine Funktion für das Verständnis des Stückes unerlässlich ist.
Schlüsselwörter
Schlüsselwörter des Textes sind: Goethe, Faust I, Walpurgisnacht, Gretchen, Hexenglaube, Paralipomena, Mephistopheles, Hexentanz, Schönheit, Interpretation, Literaturwissenschaft, Germanistik.
- Quote paper
- Silja Rübsamen (Author), 2002, "Ich fürchte mich selbst davor" - Faust im Gegenlicht des Walpurgissacks, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55916