Die Gründe, die Heine 1831 nach Paris führten, lagen sicherlich zum einen am Überdruss der in Deutschland herrschenden Zustände, die insbesondere seine Arbeit als politischer Schriftsteller zunehmend beeinträchtigten. Zum anderen bestand die Anziehung Frankreichs, das ein Jahr zuvor eine erneute Revolution, die Julirevolution, erlebte, die Heines Entschluss, in die französische Hauptstadt zu gehen, verstärkte. Demzufolge bildete natürlich der Vergleich der beiden Länder, seinem Heimatland und seiner Wahlheimat, ein immer wiederkehrendes Motiv in seinen Arbeiten. In der Analyse ging Heine dabei freilich auch auf die Menschen mit all ihren Eigenarten und Charakteristiken ein, um die Unterschiede in der Wesensart und die daraus resultierenden Verschiedenheiten in Politik und gesellschaftlichen Leben hervorzuheben.
In der Lutezia arbeitet Heine nun explizit mit Klischees der Völkerpsychologie und teils überzeichneten Nationalcharakteren, mit dem Ziel, seine „pacifike Mission“, sprich die Völker einander näher zu bringen, voranzutreiben. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht demnach der völkerpsychologische Vergleich zwischen Deutschland und Frankreich in der Lutezia, sowie Heines Europakonzeption, in der genannte Länder führend sein werden, England hingegen völlig außen vor bleiben muss. Zunächst wird jedoch auf den deutschen Sonderweg als verspätete Nation, auf Ideen zu Europa und Nation vor Heine, de Staëls Werk über Deutschland, welches Heine unmittelbar beeinflusst hat, sowie die Nationalcharakteristiken des frühen Heine eingegangen. Im weiteren Verlauf der Arbeit werden schließlich Gründe für die Umakzentuierung der Charakteristiken in der Lutezia gesucht und die Unvereinbarkeit von Heines utopischen Vorstellungen mit der Entwicklung politischer und gesellschaftlicher Zustände Mitte de neunzehnten Jahrhunderts beleuchtet.
Sekundärliteratur zu Heinrich Heine ist zwar im großen Umfang vorhanden, erstaunlicherweise scheint aber die Analyse der Berichte in der Lutezia ein weitgehend unberührtes Feld zu sein. Demzufolge fällt das Literaturverzeichnis ein wenig übersichtlicher aus. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Titel
- Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Deutschland als verspätete Nation
- Ideen zu Europa und Nation vor Heine
- De Staëls Deutschlandbild und Heines Reaktion
- Nationalcharakteristiken des frühen Heine
- Ausschluss Englands aus Heines Europakonzeption
- Völkerpsychologischer Vergleich Frankreich, Deutschland
- Ergänzungsgedanke Deutschland / Frankreich - Heines Europakonzeption
- Umakzentuierung der Nationalcharakteristiken in der Lutezia
- Unvereinbarkeit von historischen und utopischen Denken
- Schluss
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die völkerpsychologischen Vergleiche zwischen Deutschland und Frankreich in Heines „Lutezia“ im Kontext seiner Europakonzeption. Das Werk befasst sich mit den Ursachen und Folgen des deutschen Sonderwegs als verspätete Nation sowie den Ideen zu Europa und Nation vor Heine. Es untersucht De Staëls Einfluss auf Heines Deutschlandbild und analysiert die Nationalcharakteristiken des frühen Heine im Vergleich zu seinen späteren Schriften. Des Weiteren wird der Ausschluss Englands aus Heines Europakonzeption beleuchtet.
- Der deutsche Sonderweg als verspätete Nation
- Die Rolle von De Staëls Werk für Heines Deutschlandbild
- Heines Nationalcharakteristiken im Vergleich zu Frankreich
- Heines Europakonzeption und die Ausschließung Englands
- Die Umakzentuierung der Nationalcharakteristiken in der Lutezia
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Arbeit analysiert Heines „Lutezia“ und stellt den völkerpsychologischen Vergleich zwischen Deutschland und Frankreich in den Mittelpunkt. Sie beleuchtet Heines Europakonzeption, die Frankreich und Deutschland als führende Kräfte sieht, England jedoch ausschließt.
- Deutschland als verspätete Nation: Der deutsche Sonderweg wird im Vergleich zu Frankreichs Entwicklung in den Bereichen Industrialisierung und Demokratiebewegungen beleuchtet. Der kleinstädtische Provinzialismus und die daraus resultierende Erstarrung des gesellschaftlichen Lebens werden als Gründe für den deutschen Rückstand analysiert.
- Ideen zu Nation und Europa vor Heine: Das Kapitel erörtert verschiedene Ideen zur europäischen Einheit, beginnend mit Karl dem Großen und den Vorstellungen des Heiligen Römischen Reichs. Der Einfluss französischer Autoren wie Voltaire, Rousseau und Montesquieu auf die Entwicklung eines neuen Europabewusstseins wird betrachtet, sowie Herders Humanitätsphilosophie und die Rolle der Nationalcharaktere in der europäischen Entwicklung.
- De Staëls Deutschlandbild und Heines Reaktion: De Staëls Werk über Deutschland und dessen Einfluss auf Heines Sichtweise werden behandelt. Heines Reaktionen auf de Staëls Beschreibungen des deutschen Nationalcharakters werden analysiert.
- Nationalcharakteristiken des frühen Heine: Heines frühe Schriften werden hinsichtlich seiner Darstellung der deutschen Nationalcharakteristiken analysiert. Die Kapitel beleuchten die Unterschiede zu seinen späteren Arbeiten und die Veränderungen, die in seinen Beschreibungen von Deutschland und Frankreich erkennbar sind.
- Ausschluss Englands aus Heines Europakonzeption: Heines Gründe für die Ausschließung Englands aus seiner Europakonzeption werden untersucht. Die Rolle Englands in der europäischen Geschichte und die politischen und wirtschaftlichen Faktoren, die Heines Sichtweise beeinflusst haben könnten, werden beleuchtet.
- Völkerpsychologischer Vergleich Frankreich, Deutschland: Heines völkerpsychologische Vergleiche zwischen Deutschland und Frankreich werden im Detail untersucht. Die Kapitel beleuchten die unterschiedlichen Nationalcharakteristiken und die daraus resultierenden Differenzen in Politik und Gesellschaft.
- Ergänzungsgedanke Deutschland / Frankreich - Heines Europakonzeption: Die Rolle des ergänzenden Gedankens von Deutschland und Frankreich in Heines Europakonzeption wird betrachtet. Das Kapitel analysiert, wie diese beiden Länder in Heines Vision eine Einheit bilden, die England als unvereinbar ausschließt.
- Umakzentuierung der Nationalcharakteristiken in der Lutezia: Die Veränderungen in Heines Darstellung der Nationalcharakteristiken in der Lutezia werden untersucht. Das Kapitel analysiert die Gründe für die Umakzentuierung der ursprünglichen Beschreibungen und die möglichen Folgen für die Gesamtinterpretation von Heines Werk.
- Unvereinbarkeit von historischen und utopischen Denken: Das Kapitel beleuchtet die Unvereinbarkeit von Heines utopischen Vorstellungen über Europa mit der historischen Entwicklung politischer und gesellschaftlicher Verhältnisse Mitte des 19. Jahrhunderts.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen Nationalcharakter, Völkerpsychologie, Europakonzeption, deutsche Besonderheiten, De Staël, Heine, Lutezia, Frankreich, Deutschland, England, Industrialisierung, Demokratie, Provinzialismus, Kleinstädtische Kultur, Revolution, Aufklärung, Humanität, Christentum, historische und utopische Denkweise.
- Arbeit zitieren
- Stefan Schusterbauer (Autor:in), 2005, Völkerpsychologie und Nationalcharaktere in Heines "Lutezia", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56288