Deckung von Terrorrisiken durch den Staat und Privatversicherung bei Sach- und Vermögensschäden


Seminararbeit, 2002

34 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Deckung von Terrorschäden durch die Privatversicherung
1. Rechtsquellen
2. Begriff und Umfang des Sach- und Vermögensschadens
a) Sachschaden
b) Vermögensschaden
3. Einzelne Schadensversicherungszweige
4. Bisherige Leistungspflicht des Versicherers
a) Versichertes Interesse
b) Eintritt des Versicherungsfalles und versicherte Gefahr
aa) Primäre Risikoabgrenzungen
bb) Sekundäre Risikoabgrenzungen
c) Leistungsausschlüsse bei politischen Gefahren
aa) Ausschlussarten in einzelnen Versicherungszweigen
(1) Feuerversicherung
(2) Maschinenversicherung
(3) Transportversicherung
bb) Ausschlussgründe
cc) Ausschlussvoraussetzungen
(1) Krieg
(2) Terror
(3) Fazit und Lösungsvorschlag
(4) Abgrenzung zu anderen politischen Risiken
d) Ergebnis zur allgemeinen Leistungspflicht

III. Deckung von Terrorschäden durch den Staat
1. Schadenersatz aus Amtshaftung
2. Beispiele der Staatshaftung
a) Lastenausgleich
b) Opferentschädigungsgesetz
3. Sinnhaftigkeit einer Staatshaftung
a) Deckung durch die Versicherungswirtschaft
b) Deckung durch den Staat
c) Lösungsvorschlag

IV. Neuregelungen zur Deckung von Terrorschäden als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA
1. Deckungsmodell der Bundesregierung
2. Deckungsmodell der „Allianz-Gruppe“ und europäischer Partner

V. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Thema:

Deckung von Terrorrisiken durch Staat und Privatversicherung bei
Sach- und Vermögensschäden

I. Einleitung

Besonders nach den verheerenden Terroranschlägen in den USA, die eine nie geahnte Schadensgröße erreichten, wurde die Frage, wer für die entstandenen Schäden haftet, von neuer und brisanter Bedeutung.

Auch vor den Ereignissen vom 11. September 2001 hat es terroristische Handlungen gegebenen, das Risiko eines terroristischen Schadenseintrittes war daher für den Staat und die Versicherungsbranche kein Neuland.

Nur die mögliche Höhe des Schadensausmaßes ist ein Novum, so dass Diskussion darüber besteht, ob die Versicherungswirtschaft oder der Staat terroristische Schäden abzudecken hat.

Im Folgenden soll daher dargestellt werden, wer bislang für die aus terroristischen Handlungen erwachsenden Sach- und Vermögensschäden aufgekommen ist und sich unter dem Gesichtspunkt einer angemessenen Lastenverteilung an der Deckung dieser Verluste in Zukunft beteiligen sollte.

Für die Regulierung kommen neben den Geschädigten und den Schädigenden, von denen jedoch selten etwas zu erlangen ist, besonders die Versicherungswirtschaft und der Staat in Betracht.

II. Deckung von Terrorschäden durch die Privatversicherung

Fraglich ist daher, ob sich aus den aktuellen Regelungen des Privatversicherungsrechts ein Einschreiten der Versicherer nach terroristischen Schadensfällen ergeben könnte.

1. Rechtsquellen

In erster Linie besteht das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) als die wichtigste gesetzliche Regelung des Privatrechts.[1]

Daneben spielen besonders die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) als vertragliches Recht eine wichtige Rolle. Sie stellen zwar keine Rechtquelle im engeren Sinne dar, sondern Vertragsabreden, die jedoch den Raum ausfüllen, den das dispositive Gesetzesrecht lässt.[2]

Die AVB bezeichnen daher vorformulierte Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen ohne Rücksicht auf individuelle Verschiedenheiten der einzelnen Risiken bestimmt sind.[3]

Unter Verwendung der AVB werden somit im Versicherungsvertragsrecht, das durch seine privatautonome Gestaltung geprägt ist, die rechtlichen Beziehungen zwischen den Vertragsparteien, besonders zum Schutze des Versicherungs-nehmers geregelt.[4] Ferner können neben den AVB bei Vertragsschluss „besondere Bedingungen“, also individuell ausgehandelte Sonderbedingungen vorliegen. Ist das der Fall, verdrängen diese gemäß § 1 II AGBG die AVB und haben nach § 4 AGBG Vorrang, soweit sie den AVB widersprechen.[5] Haben die Parteien daher im Versicherungsvertrag Sonderbedingungen für die Schadensdeckung bei Terrorschäden ausgehandelt, werden dadurch mögliche Regelungen bezüglich dieser Gefahren in den AVB ersetzt.

2. Begriff und Umfang des Sach- und Vermögensschadens

Des weiteren ist der Begriff und besonders der Umfang eines Sach- und Vermögensschaden näher zu konkretisieren und einzugrenzen.

Der versicherungsrechtliche Schadenbegriff deckt sich im Grundsatz mit der schuldrechtlichen Definition. Allerdings ist beim Vergleich des Ist-Zustandes nach Beeinträchtigung des versicherten Interesses mit der hypothetischen Vermögenslage nicht das gesamte Vermögen die Vergleichsgröße, sondern es ist vielmehr auf den Wert des versicherten Interesses ohne den Eintritt des Versicherungsfalles abzustellen.[6]

a) Sachschaden

Der Begriff des Sachschadens im Versicherungsrecht steht in enger Verknüpfung zum Zivilrecht und definiert sich als der an einer Sache entstandene Schaden oder auch Substanzschaden. Bei der Beschädigung einer Sache handelt es sich um einen Teilsubstanzschaden, bei der völligen Zerstörung um einen Totalsubstanzschaden.[7]

Ein Sachschaden könnte im Falle eines terroristischen Anschlages beispielsweise an einem Gebäude, dem Inventar oder an dem in der Nähe geparkten KfZ entstehen.

b) Vermögensschaden

Ein Vermögensschaden ist gegeben, wenn der gegenwärtige tatsächliche Wert des Vermögens geringer ist als der Wert der Vermögenslage, in der sich der Geschädigte ohne den Eintritt des schädigenden Ereignisses befinden würde.[8]

Je nachdem, welche Auswirkungen die Schäden auf den Vermögensstand des Geschädigten haben, unterscheidet § 253 BGB Vermögensschäden und Nichtvermögen­sschäden, bzw. materielle und immaterielle Schäden.

Materielle Schäden sind diejenigen wirtschaftlichen Nachteile, die sich in der Bilanz des Geschädigten negativ niederschlagen. Sie unterteilen sich in den positiven Schaden, der in der Minderung vorhandener Vermögenswerte oder der Entstehung von Aufwendungen zum Ausdruck kommt und in den sogenannten entgangenen Gewinn, der das Ausbleiben eines erwarteten Vermögenszuwachses bedeutet. Dieser bedarf jedoch gemäß § 57 VVG einer gesonderten Vereinbarung.[9]

Demgegenüber stellen immaterielle Schäden Einbußen an einem Rechtsgut wie Körper, Gesundheit oder Freiheit dar, also z.B. erlittene Schmerzen oder das sogenanntes Affektionsinteresse, den Liebhaberwert an einer zerstörten Sache.[10] Gegenstand der Schadensversicherung gemäß § 1 I S. 1 VVG sind jedoch ausschließlich materielle Schäden, weil nur objektivierbare Vermögenseinbußen versicherbar sind.[11]

Somit könnte bei einem terroristischen Schadensereignisses zum einen ein Vermögensschaden in Form eines Sachschadens, z.B. an einem zerstörten Gebäude oder Fahrzeug auftreten, aber auch durch etwaige Rettungs- und Schadensermittlungskosten.

Zum anderen kommt jedoch auch ein Vermögensschaden durch entgangenen Gewinn oder eine aus der Zerstörung von Bürogebäuden resultierende Betriebsunterbrechung in Betracht.

3. Einzelne Schadensversicherungszweige

Zu den wichtigsten im VVG gesetzlich normierten und bei Terrorrisiken wohl relevantesten Sachversicherungszweigen zählen vor allem die Feuerversicherung (§§ 81 ff. VVG) mit den Allgemeinen Feuerversicherungsbedingungen (AFB), die Transportversicherung (§§ 129 ff. VVG) mit u.a. den Allgemeinen Deutschen Binnen-Transportversicherungs-Bedingungen (ADB) und den Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Kaskoversicherung (AKB). Hinzu kommt die nicht im VVG behandelte Maschinenversicherung i.V.m. den AMB.[12]

Zu den einschlägigen Vermögensversicherungen zählen die Feuer-Betriebsunter­brechungs-Versicherung mit den FBUB und die Maschinen-Betriebsunterbrechungs-Versicherung i.V.m. den AMBUB.[13]

4. Bisherige Leistungspflicht des Versicherers

Die Leistungspflicht des Versicherers zur Geldleistung oder Wiederherstellung des versicherten Interesses ist bedingt durch den Eintritt des Versicherungsfalles während der Dauer der Gefahrtragungspflicht.[14]

Ein zwischen dem Versicherer und Versicherungsnehmer abgeschlossener Vertrag muss daher klarstellen, unter welchen Bedingungen die Versicherung leistungspflichtig ist. Eine genaue Festlegung des versicherten Interesses, der versicherten Gefahren und etwaiger Risikoausschlüsse mittels VVG und der Allgemeinen Versicherungsbe­dingungen ist somit wesentlicher Bestandteil eines jeden Versicherungsvertrages.[15]

Im Falle eines terroristischen Schadensereignisses kommt daher eine Regulierungsver­pflichtung der Privatversicherung nur unter den Voraussetzungen in Betracht, dass das versicherte Interesse durch die Realisierung der versicherten Gefahr tangiert worden ist, und kein Leistungsausschluss greift.

a) Versichertes Interesse

Gemäß § 68 VVG muss in der Schadensversicherung das versicherte Interesse genau umrissen werden, und der Schaden zu dessen Lasten eingetreten sein.[16]

Dabei bezeichnet das „Interesse“ im Versicherungsrecht abstrakt eine Beziehung eines Rechtssubjekts zu einem Vermögensgut, dessen Beeinträchtigung ihm einen wirtschaftlichen Nachteil bringt.[17]

Dieses Interesse kann im Falle der Aktivenversicherung darauf gerichtet sein, den Wert bestimmter Sachen oder Forderungen, einschließlich einer möglichen Gewinnerzielung i.S.v. § 53 VVG, zu erhalten. Das Interesse kann aber auch wie bei der Passivenversicherung den Schutz des Vermögens vor Belastungen zum Gegenstand haben.[18]

Bei der Versicherung eines möglichen terroristischen Schadensereignisses besteht das versicherte Interesse des Versicherungsnehmers somit darin, z.B. sein Haus, Auto oder sonstiges Eigentum an Sachen und Forderungen oder sein Vermögen im Ganzen gegen Einbußen zu schützen.

b) Eintritt des Versicherungsfalles und versicherte Gefahr

Die Einstandspflicht des Versicherers wird mit der Realisierung der versicherten Gefahr bzw. Risikos ausgelöst, also mit Eintritt des Versicherungsfalles.[19]

Daher ist es notwendig, dass durch die die besonderen Vertragstypen regelnden Normen und den AVB, die den Begriff des Versicherungsfalles auch selbstständig definieren können, eine möglichst präzise Beschreibung der versicherten Gefahren vertraglich festgelegt wird, und zudem wann der Versicherer einstandspflichtig ist.[20]

Bei politischen Gefahren übernehmen diese Funktion die objektiven Gefahrenausschlüsse, bei denen zwischen primären und sekundären Risikoabgrenzungen zu differenzieren ist.

aa) Primäre Risikoabgrenzungen

Die sogenannten primären Risikoabgrenzungen gestalten das Produkt des Versicherers, indem sie die versicherten Gefahren und Schäden meist in den AVB näher umschreiben.[21]

Der Versicherer gewährt beispielsweise in der Feuerversicherung Versicherungsschutz für Schäden, die durch einen „Brand“ entstanden sind. Dabei findet eine klare Definition dieses versicherten Risikos statt, so dass zum Beispiel Feuerschäden beim Kochen und Trocknen nicht gedeckt werden.

Eine auf solche Weise vorgenommene Umreißung der versicherten Gefahr grenzt diese somit gegenüber anderen Schädigungen, die nicht von der Definition abgedeckt werden, ab.

bb) Sekundäre Risikoabgrenzungen

Eine weitere Einschränkung des Kreises der versicherten Gefahren kann jedoch auch noch durch eine Korrektur der zu weit geratenen primären Abgrenzungen, durch sogenannte sekundäre Risikoabgrenzungen vorgenommen werden.[22]

In einigen Schadensversicherungen haftet der Versicherer beispielsweise nicht für Schäden, die durch Krieg oder innere Unruhen verursacht werden.

In diesen Fällen handelt es sich dann um einen absoluten Ausschluss, d.h. dieses Risiko wird von keinem Versicherer gedeckt. Ein relativer Ausschluss hingegen liegt vor, wenn der Versicherer gegen Zahlung eines zu vereinbarenden Prämienzuschlages den Versicherungsschutz übernimmt.[23]

Fraglich ist daher an dieser Stelle, welche Gefahren für Sach- und Vermögensschäden von der Deckung durch die Privatversicherung im VVG und den AVB ausgeschlossen werden, und ob darunter auch Terrorrisiken fallen.

c) Leistungsausschlüsse bei politischen Gefahren

Zur Abgrenzung des versicherbaren und unversicherbaren Risikos bedienen sich die Versicherungen seit jeher des Instruments des „Risiko- bzw. Leistungsausschlusses“. Vordringlicher Regelungsgegenstand ist dabei die Risikoabgrenzung der politischen Gefahren, da die einzelnen Ausschluss-tatbestände stets der neuesten Entwicklung angepasst werden mussten.[24]

In der folgenden Darstellung der Ausschlussarten wird lediglich von politischen Gefahren durch „Krieg“, „Unruhen“ und „Aufruhr“ gesprochen, der Terminus „Terrorismus“ findet jedoch kaum Anwendung. Grund für die fehlende gesetzlichen Gegenwärtigkeit sind die vielfältigen neuen Erscheinungsformen bewaffneter Konflikte unter Einbeziehung der unbeteiligten Zivilbevölkerung außerhalb der Operationsgebiete der Streitkräfte im Krisengebiet. Die Grenze zwischen den „Kriegsrisiken“ und dem „Terrorrisiko“ wird daher stärker verwischt.[25]

[...]


[1] Schimikowski, VersicherungsvertragsR, Rn. 1.

[2] Hofmann, PrivatversicherungsR, 1.3.4, S. 11 ff..

[3] Hofmann, PrivatversicherungsR, 1.3.4, S. 11 ff..

[4] Schimikowski, VersicherungsvertragsR, Rn. 6.

[5] Hofmann, PrivatversicherungsR, 1.3.4.2, S. 13.

[6] Schimikowski, VersicherungsvertragsR, Rn. 304.

[7] HdV, Schaden, A, II, S. 730.

[8] Brox, Allg. Schuldrecht, § 25, Rn. 320.

[9] HdV, Schaden, A, I, 3., S. 729.

[10] Brox, Allg. Schuldrecht, § 25, Rn. 320.

[11] HdV, Schaden, A, I, 3., S. 729 f..

[12] Hofmann, PrivatversicherungsR, 3.7, S. 173.

[13] Hübner, ZVersWiss 1981, 1 ff..

[14] Weyers, VersicherungsvertragsR, Rn. 376 ff..

[15] Hofmann, PrivatversicherungsR, 2.3, S. 64.

[16] Hofmann, PrivatversicherungsR, 3.1, S. 122.

[17] Weyers, VersicherungsvertragsR, Rn. 383 ff..

[18] Schimikowski, VersicherungsvertragsR, Rn. 299.

[19] Schimikowski, VersicherungsvertragsR, Rn. 295.

[20] Prölss/Martin, VVG, § 1, Rn. 31.

[21] Schimikowski, VersicherungsvertragsR, Rn. 291.

[22] Hofmann, PrivatversicherungsR, 2.3, S. 64.

[23] Schimikowski, VersicherungsvertragsR, Rn. 292.

[24] Glotzmann in VersR 1975, 784 [786].

[25] Symposiumsdokumentation, Versicherung d. Kriegsrisikos, S. 33.

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Deckung von Terrorrisiken durch den Staat und Privatversicherung bei Sach- und Vermögensschäden
Hochschule
Universität zu Köln  (Institut für Versicherungsrecht)
Veranstaltung
Seminar im Versicherungsrecht
Note
gut
Autor
Jahr
2002
Seiten
34
Katalognummer
V5642
ISBN (eBook)
9783638134552
ISBN (Buch)
9783638686686
Dateigröße
529 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Privatversicherung, Schadensbegriff, Staatshaftung, Terror- und Kriegsbegriff, Leistungspflicht, Leistungsausschluss, einzelne Versicherungszweige, Opferentschädigungsgesetz, Lasenausgleich, neuste D
Arbeit zitieren
Alexander Schulte-Silberkuhl (Autor:in), 2002, Deckung von Terrorrisiken durch den Staat und Privatversicherung bei Sach- und Vermögensschäden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5642

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