Die Künstlerproblematik im Werk Thomas Manns am Beispiel der Novellen "Tonio Kröger" und "Tristan"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

1. Thomas Mann – Mensch und Autor
1.1. Thomas Mann – Der Mensch
1.1.1. Kaiserreich und bürgerliche Gesellschaftsordnung (1875 – 1913)
1.1.2. Der Erste Weltkrieg und Weimarer Republik (1914-1929
1.1.3. Der Zweite Weltkrieg und der Nationalsozialismus (1930 – 1945)
1.1.4. Die Nachkriegszeit (1945 – 1955)
1.2. Thomas Mann – Der Autor

2. „Tonio Kröger“
2.1. Vorbemerkungen
2.1.1. Entstehung einer Künstlernovelle.
2.1.2. Thematische Vorbemerkungen
2.2. Werkstruktur und Inhaltsabriss
2.2.1. Komposition und Leitmotivtechnik
2.2.2. Sonatensatz und inhaltliche Entsprechung
Exposition
Durchführung
Reprise
Coda
2.3. Zusammenfassung

3. „Tristan
3.1. Einleitendes
3.2. Künstlerproblematik in „Tristan“
3.3. Vergleich „Tristan“ und „Tonio Kröger“

4. Fazit.

Literatur

0. Einleitung

Die Novelle „Tonio Kröger“ ist wohl der Literatur zuzurechnen, die auf den jugendlichen Leser einer jeden Generation größten Einfluss hat. Wie der Autor selbst einmal feststellte, ist dies nicht aus sich selbst heraus verständlich.[1] Vielleicht liegt es daran, dass sich in der Problematik des Vereinbarens von Bürgerperson und Künstlerperson ein weitaus umfassenderer Konflikt darstellt. Ein Konflikt, der zu den tiefsten Fragen menschlicher Gesellschaft führt, grob formuliert, dem Verhältnis von Individuum und Gesellschaft, Fragen die sich Menschen ein Leben lang, angefangen in der Jugend, stellen. Inwieweit dieser grundsätzliche Konflikt in Thomas Manns „Tonio Kröger“ Ausdruck findet, soll jedoch nur eine Frage neben anderen sein. Grundlegend soll in der vorliegenden Arbeit das Problematisieren des Lebens als Künstler und Bürger im Werk Thomas Manns dargestellt werden. Praktisch soll dies vornehmlich an der Novelle „Tonio Kröger“, und im Vergleich dazu an einer weiteren Novelle, „Tristan“, geschehen. Bei diesem Versuch sind Leben und Werk Manns untrennbar miteinander verbunden. Die Schwierigkeit liegt vielleicht eher darin, das Werk nicht nur aus der Biographie Thomas Manns heraus zu verstehen und zu interpretieren.

Um eine erste Trennung zu erreichen werde ich im ersten Teil zunächst zwei Lebensläufe vorstellen. Zum einen soll der Mensch Thomas Mann und seine Umwelt dargestellt werden. In was für einer Zeit lebte er, welche Ereignisse waren prägend, wie gestalteten sich die Beziehungen zu seiner Familie und nicht zuletzt die Beziehung zu sich selbst. Diese Fragen sollen dem Umfang der Arbeit entsprechend nur kurz angedeutet werden, um einen Eindruck und Einstieg zu ermöglichen. Manns Werke werden nur benannt, wenn es unumgänglich ist. Zum anderen soll der Autor Thomas Mann dargestellt werden. Dieser vornehmlich bibliographische Abriss findet seine Komplettierung in den Verbindungen zum vorangestellten Leben des Autors. In einem nächsten Schritt, dem Hauptteil der Arbeit, beschäftige ich mich mit der Novelle „Tonio Kröger“. Einleitende Informationen, darunter einiges zur Entstehung und einer ersten Inhaltsangabe, gehen über zur Personenkonstellation, hin zum thematischen Schwerpunkt der Novelle, dem Leben als Künstler oder Bürger bzw. einer möglichen Vereinigung beider.

Um das im zweiten Teil behandelte Thema zu vertiefen und die Entwicklung festzuhalten, die das Werk Thomas Manns hierbei durchlebt, wird eine kurze schwerpunktorientierte Analyse eines weiteren Frühwerks Manns vorgenommen, der Novelle „Tristan“.

Ein abschließendendes Fazit fasst die Ergebnisse kurz zusammen.

1. Thomas Mann – Mensch und Autor

1.1. Thomas Mann – Der Mensch

Das Leben Thomas Manns kann man in vier Epochen der Neueren Geschichte einteilen. Er wird in eine Welt geboren, die geprägt ist vom Kaiserreich und einem bürgerlichen Gesellschaftssystem, beides verbunden mit gesellschaftlichen Werten wie Ordnung, Disziplin, Gehorsam etc.

In der zweiten Phase wird dieser Konservatismus bis zum Zenit ausgelebt und findet seinen negativen Höhepunkt im Ersten Weltkrieg. Der erste, sich anschließende Versuch eine Republik auf deutschem Boden zu gründen, endet im Fiasko.

Das Scheitern dieser Weimarer Republik läutet die zweite bedeutende Phase ein, das Dritte Reich und den Nationalsozialismus, eine Prüfung von Recht und Unrecht, Moral und Gewissen für jeden Menschen, besonders aber für Schriftsteller.

Nach dem Ende dieser Zäsur der Weltgeschichte gilt es sich im zerstörten Deutschland zu positionieren, den Aufbau auf die eine oder andere Weise zu begleiten.

In welcher Beziehung stand Thomas Mann zu diesen verschiedenen Epochen der Weltgeschichte, welchen Platz nahm er darin ein und wie reagierte er auf die Eindrücke? Diese Fragen sollen nun in einem Abriss seines Lebens beantwortet werden.

1.1.1. Kaiserreich und bürgerliche Gesellschaftsordnung (1875 – 1913)

Das Leben Paul Thomas Manns beginnt am 6. Juni 1875, wo er in Lübeck das Licht der Welt erblickt. Seine Eltern, Vater Thomas Johann Heinrich Mann, ein Kaufmann, und die Mutter Julia (geborene da Silva Bruhns), welche zur Hälfte brasilianischer Herkunft war, ermöglichen Thomas eine „gehegte und glückliche Kindheit“[2]. Vier weitere Kinder, Julia, Carla, Viktor sowie das bekannteste, Heinrich, gehen aus dieser Ehe hervor. Als Thomas 16 Jahre ist, stirbt sein Vater an Blasenkrebs, woraus sich der weitere Lebensunterhalt der Familie ergibt, der aus dem Erlös des Verkaufes von Unternehmen und Wohnhaus besteht. Obwohl nicht unbegabt, zeigt Thomas wenig Interesse an der Schule. Mehr Freude bringt ihm die sich früh zeigende Neigung zum Schreiben, die Ausdruck findet in einer 1893 von ihm herausgebrachten Zeitschrift „Der Frühlingssturm“, die er mit Prosa und Skizzen bereichert. Doch schon mit 14 Jahren ist er sich seiner Profession sicher – er unterschreibt Briefe mit „Thomas Mann. Lyrisch-dramatischer Dichter“[3]. Da seine Beziehung zur Schule keine Besserung erfährt, verlässt er 1894 das Gymnasium Katharineum um seiner Mutter und den Geschwistern nach München zu folgen. Infolge des Wunsches seines Vormundes Krafft Tesdorpf ergreift Thomas einen bürgerlichen Beruf und arbeitet bei einer Feuerversicherungsgesellschaft. Diese recht spröde Tätigkeit gibt er zugunsten eines Studiums an der TH München im Jahre 1895 auf, findet aber ähnlich wie in seiner Schulzeit nicht die richtige Einstellung zum Studium. 1896, mit nun 21 Jahren und der damit verbundenen Volljährigkeit, bekommt er ein monatliches Taschengeld vom Erbe des Vaters. Dies unterstützt den Gedanken, das Studium zu beenden und sich zukünftig als freier Schriftsteller zu behaupten.

Ein Jahr später reist er mit seinem Bruder Heinrich nach Italien – eine Zeit in der sich beide Brüder noch verstehen, was sich später ändern soll. Zusätzliches Geld erarbeitet Thomas sich durch gelegentliche Arbeiten wie der Mitarbeit an der Zeitschrift „Simplicissimus“.

Was den für diese Zeit gesellschaftlich hoch geachteten Militärdienst betrifft, tut sich Mann nicht hervor – nach drei Monaten im Münchener Leibregiment wird im das Zeugnis der Untauglichkeit ausgestellt.

1904 lernt Thomas seine spätere Frau Katharina (Katia) Pringsheim kennen, mit der er sechs Kinder hat, darunter Erika, Klaus und Golo. Neben seiner Familie bleibt jedoch Manns Neigungen zu homophilen Beziehungen und Schwärmereien für Jünglinge bestehen.

1.1.2. Der Erste Weltkrieg und Weimarer Republik (1914-1929)

Das Verhältnis Thomas Manns zu dem Krieg, der 1914 fast ganz Europa erfasst, ist nicht ganz eindeutig. Er ist kein eindeutiger Kriegsgegner, wie sein Bruder Heinrich – eine Differenz, die den Kontakt zwischen den beiden Brüdern für eine Zeit einfriert. Andererseits muss gesagt werden, dass Thomas Mann nicht als glühender Kriegsbefürworter bezeichnet werden kann, eher sollte man von einem verhaltenen Patriotismus sprechen. Unabhängig davon hatten sich beide Brüder auch schon literarisch auseinander entwickelt, „Thomas Mann fand sein Werk durch [Heinrich] angezweifelt“[4].

Das Schlüsselerlebnis der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg ist für Mann der Mord an Walther Rathenau, der 1922 erschossen wird. In seiner Rede „Von deutscher Republik“ wagt sich Mann erstmals wirklich als politischer Mensch aufzutreten. Demokratie und Humanität preist er als Werte, die Grundlage der Republik sein sollten.

Bei der Preußischen Akademie der Künste beteiligt sich Mann als Gründungsmitglied der „Sektion Dichtkunst“ an der Stärkung des Ansehens der Literatur. Der Einschränkung schriftstellerischer Freiheit durch das „Schmutz- und Schundgesetz“ stellt er sich hierbei entgegen.

Ein Höhepunkt in seinem Leben stellt der 1929 erhaltene Nobelpreis dar, den er länger schon erhofft hatte.

1.1.3. Der Zweite Weltkrieg und der Nationalsozialismus (1930 – 1945)

Von Anfang an hegt Mann Misstrauen gegen die neue nationale Bewegung, die sich parteipolitisch in der NSDAP wiederfindet. Die „Deutsche Ansprache“, die er 1930 im Berliner Beethovensaal hält und in der er den Nationalsozialismus scharf verurteilt, geben Zeugnis davon.

Von einer Auslandsreise mit Frau Katja 1933 kehrte er nicht mehr zurück, der Anfang seiner Zeit des Exils, in der er sich zunächst in verschiedenen Staaten aufhält, so der Schweiz, Frankreich oder Ungarn. Der Weg zurück ist durch seine offene Kritik am Nationalsozialismus versperrt, was sich auch folgerichtig in einem „Schutzhaftbefehl“ gegen ihn äußert.

Ab 1934 unternimmt Mann verstärkt Reisen in die USA, auch wenn er 1936 zunächst die tschechische Staatsbürgerschaft annimmt, die deutsche wird ihm kurze Zeit später aberkannt. Zwei Jahre später siedelt er in die USA und nimmt eine Gastprofessur an der Universität Princeton an.

Mit zahlreichen Aktivitäten engagiert sich Mann gegen den Zweiten Weltkrieg, der 1939 ausbricht. Am bekanntesten hierbei sind seine Reden „Deutsche Hörer“, in denen er aufrütteln und Mut machen will, sich nicht dem nationalsozialistischen Willen zu fügen.

Ein Jahr vor Kriegsende, 1944, erhält Mann die amerikanische Staatsbürgerschaft.

1.1.4. Die Nachkriegszeit (1945 – 1955)

Das Verhältnis Nachkriegsdeutschlands zu Mann ist zunächst schwer belastet, was dadurch begründet ist, dass Mann Vertreter der Kollektivschuldthese ist. Für ihn habe sich das gesamte deutsche Volk vom Nationalsozialismus blenden und verführen lassen. Erst im Laufe der Jahre wurde ihm diese Meinung verziehen und man freundet sich wieder mit ihm an, so wird er beispielsweise 1955 Ehrenbürger seiner Heimatstadt Lübeck.

Zunächst verweilt Mann in den USA, kehrt aber 1952 nach diversen Problemen der dortigen Einschätzung seiner Person in die Schweiz zurück. Hier verlebt Thomas Mann seinen Lebensabend, der am 12. August 1955 in Zürich ein Ende findet.

1.2. Thomas Mann – Der Autor

Nachdem wichtige Stationen seines Lebens dargestellt wurden, soll nun ein kurzer Abriss seines erzählerischen Werkes vorgestellt werden.

Sein Debüt als Schriftsteller gibt Thomas Mann mit der Kurznovelle „Gefallen“ im Alter von 19 Jahren. Sie wird in dem Magazin „Gesellschaft“ veröffentlicht und wohlwollend aufgenommen. In der Zeit, als Thomas mit seinem Bruder Heinrich die Italienreise unternimmt, entstehen einige Novellen, darunter „Der kleine Herr Friedemann“. Zudem beginnt er an den „Buddenbrooks. Verfall einer Familie“ zu arbeiten. Dieser wird 1901 als Manns erster Roman veröffentlicht und 28 Jahre später als die hauptsächliche Begründung der Verleihung des Nobelpreises an ihn benannt. Eine seiner berühmtesten Novellen verfasst Mann 1903 mit „Tonio Kröger“ – im selben Jahr erscheint „Tristan“. Die Triade der wichtigsten Novellen zur Künstlerproblematik wird 1912 mit „Der Tod in Venedig“ abgeschlossen.

1909 schreibt er den Roman „Königliche Hoheit“, in dem er das nicht leichte Werben um seine Frau Katia verarbeitet. Eine Krankheit von ihr 3 Jahre später und der damit verbundene Aufenthalt in einem Sanatorium in Davos inspirieren Mann zum Roman „Der Zauberberg“, den er jedoch erst 1924 beendete, unterbrochen durch den Ersten Weltkrieg. Zu Anfang der Weimarer Republik stellt Mann dann seinen Roman „Felix Krull. Bekenntnisse eines Hochstaplers.“ fertig.

Ein Jahr später beginnt er die Joseph-Tetralogie. In die Figur des Joseph fließt u.a. Manns Leidenschaft für einen 17-jährigen Freund seiner Kinder, Klaus Heuser, ein.

Der intensiven Beschäftigung Manns mit seinem Vorbild Goethe verleiht er in seinem Roman „Lotte in Weimar“ Ausdruck, den er zu Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 verfasst. In der Vorkriegszeit entstehen neben der Joseph-Tetralogie weitere Erzählungen und Novellen herausragender Bedeutung wie z.B. „Mario und der Zauberer“ oder „Wälsungenblut“. Dass Mann sich zeitlebens für klassische Musik und die Kunst der Komposition interessiert, wird in vielen seiner Werke deutlich, am eindringlichsten im „Doktor Faustus“, der 1947 erschien, sein letztes umfassendes Werk.

Neben seinem erzählerischen Werk machte Mann auch durch literarische Meinungsbildung auf sich aufmerksam, so z.B. mit den Aufrufen aus der Zeit der Emigration „Deutsche Hörer!“. Aber auch Essays wie das im Todesjahr verfasste „Versuch über Schiller“ gehörten zu seinem Repertoire.

[...]


[1] Sakurai S.68

[2] GW S.126

[3] ebd. S.131

[4] Schröter S. 96

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Die Künstlerproblematik im Werk Thomas Manns am Beispiel der Novellen "Tonio Kröger" und "Tristan"
Hochschule
Universität Leipzig  (Germanistik)
Veranstaltung
Die Künstlerproblematik in der Literatur des 20.Jhd.
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
23
Katalognummer
V56471
ISBN (eBook)
9783638511339
ISBN (Buch)
9783656799993
Dateigröße
509 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit behandelt das Problem der Künstlerexistenz im Frühwerk Thomas Manns. Diesbezüglich wird die Novelle "Tonio Kröger" interpretiert und dazu vergleichend seine Novelle "Tristan" bearbeitet.
Schlagworte
Künstlerproblematik, Werk, Thomas, Manns, Beispiel, Novellen, Tonio, Kröger, Tristan, Künstlerproblematik, Literatur
Arbeit zitieren
Marko Rosteck (Autor:in), 2005, Die Künstlerproblematik im Werk Thomas Manns am Beispiel der Novellen "Tonio Kröger" und "Tristan", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56471

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