Werner Egk gehörte zu den erfolgreichsten und kulturpolitisch mächtigsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Sein Leben und Werk pendelte zwischen den Antipoden von Skandal und Establishment. Symptomatisch wird dies an der Rezeptionsgeschichte des Balletts ›Abraxas‹, einer Adaption des Faust-Mythos deutlich:
Die Erinnerung an ›Abraxas‹ ist geprägt von den Umständen des mit dem Ballett verbundenen Skandals. Dabei entfachte sich die öffentliche Entrüstung nicht am Werk selber, sondern an der von Kultusminister Dr. Alois Hundhammer geübten Kulturzensur. Sie stand 1949 in fataler zeitlicher Nähe zum Ende des ›Dritten Reichs‹ und im Widerspruch zu nun geltendem Recht. Das Ballett war also durch einen politischen, nicht aber künstlerischen Skandal geprägt. In heutiger Zeit, nur 50 Jahre nach seinem nationalen Erfolgssturm, ist es völlig aus der Rezeption verschwunden.
Claas Hanson untersucht in diesem Buch, inwieweit Werner Egk auf eine schockierende Wirkung seines Werkes spekulierte und ob gar im ›Skandal‹ der Grund für den nur temporären, aber heftigen Erfolg des Komponisten zu finden ist.
Die Empörung der Öffentlichkeit verweist auf die zeitaktuelle Auseinandersetzung mit dem ideologischen Wandel in Deutschland. Ein Beitrag zum Faust-Mythos kann sich 1947 diesem Diskurs nicht entziehen, ist die Faust-Figur doch im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte vom Lehrbild des protestantischen Sünders zum Sinnbild des deutschen Übermenschen avanciert.
Hanson geht der Frage nach, wie Werner Egk seine Abraxas-Figur im Kontext der Geschichte des ›Faustischen‹ positioniert und ob der vor und nach 1945 erfolgreiche Machtmensch Egk im ›Abraxas‹ eine Stellungnahme zur Ideologie des Nationalsozialismus abgibt.
Ein dritter Themenkomplex schließt sich damit direkt an: Werner Egks Verortung im Kultursystem des ›Dritten Reichs‹ und seine Position in der ›Moderne‹. Welche ästhetischen Postulate lassen sich aus seinem Kompositionsstil und welche Urteile und Visionen aus seinen Aussagen zur Entwicklung von Musik und Tanz im 20. Jahrhundert ablesen?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Biographische und Werkhistorische Anmerkungen
- Egk in der NS-Zeit
- Egks Kompositionsstil - ästhetische Einordnung
- Abraxas und der politische Skandal
- Faust - der Mythos
- Goethe
- Heine
- Von Heine zu Egk: das Libretto des Abraxas
- Ein analytischer Ausflug ins Pandämonium
- Formale Aspekte
- Rhythmik und Instrumentierung
- Melodik und Harmonik
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert Werner Egks Ballett Abraxas und untersucht die Zusammenhänge zwischen der Entstehung des Werks und seiner Rezeption im Kontext der Zeitgeschichte. Das Hauptaugenmerk liegt auf der künstlerischen und politischen Dimension des Balletts, insbesondere der Auseinandersetzung mit dem Faust-Mythos und der Frage, inwiefern Egk seine Faust-Figur im Kontext der deutschen Nachkriegsgesellschaft positioniert.
- Die politische Dimension des Abraxas-Skandals
- Die Bedeutung des Faust-Mythos in der deutschen Kultur
- Egks Verortung im Kultursystem des Dritten Reichs
- Egks Kompositionsstil und ästhetische Positionierung
- Die Rolle von Musik und Tanz im 20. Jahrhundert
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet den Abraxas-Skandal und die damit verbundene politische Brisanz des Balletts. Es werden die Fragen aufgeworfen, wie Egk den Faust-Mythos im Kontext der Nachkriegszeit interpretiert und welche Stellungnahme er im Bezug auf die Nazi-Ideologie vornimmt. Darüber hinaus wird Egks Position im kulturellen System des Dritten Reichs und seine ästhetische Ausrichtung untersucht.
Das zweite Kapitel widmet sich der Biografie und der Werkgeschichte Werner Egks. Es werden seine künstlerischen Entwicklungsphasen, die Begegnungen mit wichtigen Persönlichkeiten und seine Positionierung in der deutschen Musiklandschaft beleuchtet. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei Egks Zeit im Dritten Reich und seiner Rolle im Musiktheater der Zeit.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit dem Faust-Mythos, der als Grundlage für Egks Ballett Abraxas dient. Es werden die Interpretationen des Mythos durch Goethe und Heine vorgestellt und die Entstehung des Librettos für Abraxas im Kontext dieser Traditionen diskutiert.
Das vierte Kapitel analysiert ausgewählte Aspekte der Musik von Abraxas, wie z. B. Formale Aspekte, Rhythmik, Instrumentierung, Melodik und Harmonik. Die Analyse dient dazu, den Kompositionsstil Werner Egks und die spezifischen musikalischen Elemente des Balletts zu erforschen.
Schlüsselwörter
Werner Egk, Abraxas, Ballett, Faust-Mythos, Kulturzensur, Nachkriegsdeutschland, Kompositionsstil, Drittes Reich, Musik und Tanz im 20. Jahrhundert.
- Arbeit zitieren
- Claas Hanson (Autor:in), 2003, Werner Egk - Abraxas, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56486