Die Fünfziger Jahre - Der Wiederaufbau in Deutschland


Seminararbeit, 2004

37 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Die politische Lage nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges
1.1. Das geteilte Deutschland und der Kalte Krieg
1.2. Die Ära Adenauer
1.3. Exkurs: Die Zustände in der DDR

2. Die gesellschaftliche Situation der 50er Jahre
2.1. Das Wirtschaftswunder
2.2. Die Familienstruktur und die Rolle der Frau
2.3. Die Politik im Alltagsleben

3. Das kulturelle Bild und die Freizeitgestaltung in den 50er Jahren
3.1. Das Automobil und der steigende Tourismus
3.2. Wohnen, Mode und Kunst8
3.3. Die Literatur
3.4. Rundfunk, Film und Fernsehen
3.5. Die Jugendkultur

Nachwort

Anhang

Aus dem Jahrbuch für öffentliche Meinung 1957

Über das Fernsehverhalten der 50er-Generation

Bilder

Literaturverzeichnis

Vorwort

„Sagt, 50er Jahre, seid Ihr den Überlebenden der Fanatiker

oder denen gerecht geworden, die dem Henkerseil

in letzter Minute entrissen wurden ?

Habt Ihr mit dem Pfunde eines Teils der dezimierten

Nachkriegsjugend gewuchert, die Euch ein entschiedenes

OHNE UNS entgegenschrieen, damit Ihr keine

Westdeutsche Wehrmacht aufbaut, keine Wehrpflicht einführt ?

Oder habt Ihr aus strammen Pimpfen, Hitlerjungen, Jungoffizieren

DEMOKRATEN gezüchtet, flink wie Windhunde,

hart wie Kruppstahl, zäh wie Leder?[1]

Der 8.Mai 1945 besiegelte mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Streitkräfte das Ende des Zweiten Weltkrieges und damit das Ende des Dritten Reiches. Gleichzeitig markiert dieses Datum den Beginn einer großen Aufgabe. Europa mußte sich nun wieder aus den Trümmern erheben, die jene Jahre unter Hitler hinterlassen hatten.

Den Blick auf Deutschland gerichtet, erscheint der Wiederaufbau der späten 40er und der gesamten 50er geradezu utopisch verlaufen zu sein. Aus den Schuttbergen der Städte erwuchsen neue Gebäude, die wirtschaftliche Lage verbesserte sich rapide, es gelang die Stellung des Landes in der Welt wieder zu stabilisieren und es entstand ein breites kulturelles Spektrum.

Es scheint allerdings zweifelhaft, ob diese Dinge allein genügen, um von einem erfolgreichen Wiederaufbau zu sprechen. Gehört dazu nicht auch die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit und deren Aufarbeitung? In wieweit dies, aber auch die bewußte Wahrnehmung der gegenwärtigen Situation, in den 50er Jahren erfolgte, ist aus heutiger Sicht schwer zu beurteilen.

Eine systematische Betrachtung der politischen Lage nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, der gesellschaftlichen Situation und des kulturellen Angebotes jener Zeit mag diese Frage doch zumindest tendenziell beantworten.

1. Die politische Lage nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges

1.1. Das geteilte Deutschland und der Kalte Krieg

Die Situation nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands am 8.Mai 1945 war katastrophal. Es zeigte sich ein Bild der Verwüstung zusammengesetzt aus ca.55 Millionen Toten, Vertriebenen, Flüchtlingen und Verschleppten, einer nie gekannten Obdachlosenproblematik zwischen unbewohnbaren Trümmern und einer Wirtschaft, die vollständig am Boden lag. Geld galt als praktisch wertlos, da sich in Folge der Kriegswirtschaft zuviel in Umlauf befand. Zudem hatte Deutschland den Krieg verloren und trug die alleinige Kriegsschuld, weshalb es zu Wiedergutmachungen verpflichtet und mit entsprechenden Maßnahmen belegt wurde. Als eine der einschneidendsten Maßnahmen erwiesen sich wohl die Demontagepläne, die den Abbau zahlreicher Rüstungsindustrien vorsahen, was für einige Städte wohl das endgültige wirtschaftliche Aus bedeutet hätte. Wie sollte nun es weitergehen?

Die Entscheidung wie nun weiter zu verfahren wäre, oblag den Siegermächten. Durch die Konferenzen von Jalta und Potsdam 1945 wurde das besiegte Land in vier Sektoren unterteilt: Einen Amerikanischen, einen Britischen und einen Französischen, die zusammen die Westzone bildeten, und einen Sowjetischen bzw. die Ostzone. Trotz der Aussplitterung herrschte zunächst Einigkeit darüber, Deutschland als eine Einheit zu verwalten. Schnell wurde allerdings deutlich, daß ein gemeinsamer Kurs kaum zu finden sein würde:[2]

„Die Westmächte und die Sowjetunion waren während des Zweiten Weltkrieges durch das gemeinsame Interesse an der Niederringung Deutschlands miteinander verbunden. Je sichtbarer der Zusammenbruch Deutschlands wurde desto deutlicher trat die grundsätzlich unterschiedliche Interessenlage der Kriegsverbündeten wieder zutage. Die auf die Weltherrschaft des Kommunismus ausgerichtete Politik der Sowjetunion zeigte sich wieder unverhüllt, namentlich in den Europa und insbesondere Deutschland betreffenden Fragen. Die Politik der Westmächte hingegen basierte auf der Verwirklichung und Erhaltung einer freien demokratischen Lebensform, wie sie sich im Laufe der Jahrhunderte in Europa herausgebildet hatte.“

Um den Wiederaufbau in Deutschland und ganz Europa voranzutreiben, kündigte der amerikanische Außenminister George C. Marshall im Juni 1947 ein Hilfsprogramm an, das European Recovery Program, später besser bekannt als Marshall-Plan. Dieser entscheidende Schritt in Richtung wirtschaftliche Erholung, beinhaltete an erster Stelle eine Währungsreform und durch die dementsprechende Einführung der Deutschen Mark 1948 anstatt der wertlos gewordenen Reichmark, füllten sich die Geschäfte tatsächlich praktisch über Nacht mit all den Waren, die zuvor nur auf dem Schwarzmark zu bekommen waren. Dies stärkte das Vertrauen und die Hoffnung der Bevölkerung – zumindest derjenigen, die in der Westzone lebten.

Die Sowjetunion lehnte für sich und die von ihr beherrschten Länder, einschließlich der Ostzone Deutschlands, die angebotene Teilnahme am Marshall-Plan ab und versuchte darüber hinaus, nicht zuletzt durch die Blockade des westlichen Berlin, die Verbindung der Westzone mit Amerika zu verhindern oder wenigstens zu verzögern. Die Kluft zwischen den Besatzungsmächten vertiefte sich.

Zwar gab es in der Besatzungspolitik der Westmächte anfangs zwar ebenfalls gewisse Unterschiede, doch die potente Stellung der USA, die politisch und ökonomisch gestärkt aus dem Krieg hervorgegangen waren, führte schnell zu einer Unterordnung Großbritanniens und Frankreichs unter die Interessen Amerikas.[3]

Genau genommen standen sich also ab diesem Zeitpunkt zwei Nationen mit differenten Motivationen gegenüber: Auf der einen Seite die Sowjetunion im Zeichen des Kommunismus und auf der anderen Seite die USA als Land des Kapitalismus. So prägte diese schwelende Feindschaft, die als „Kalter Krieg“ in die Geschichte einging ein ganzes Jahrzehnt.

Mitten in diesem Disput stand Deutschland, das nun langsam aber stetig aufhörte als Einheit zu existieren. Aus einem Staat erwuchsen 1949 mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik Zwei, die sich im Verlauf der 50er Jahre immer stärker an ihren jeweiligen Bündnispartner annäherten.

Im selben Jahr noch erfolgte im Petersberger Abkommen die von den USA und der BRD bekundete Absicht, die Eingliederung der Bundesrepublik in das westeuropäische Bündnissystem herbeizuführen.

Dabei sollte ihr Status nicht mehr der eines Besiegten ohne Rechte sein, sondern nach und nach der eines gleichberechtigten Mitglieds. Dies war der Beginn einer vielversprechenden Entwicklung:[4]

„Die Teilnahme der Bundesrepublik als geachteter und gleichberechtigter Partner an übernationalen Zusammenschlüssen setzte eine Stabilisierung der Lebensverhält-nisse voraus, die dem Ausland Vertrauen in die zukünftige deutsche Entwicklung geben konnte. Die frühen fünfziger Jahre waren in Westdeutschland einer intensiven Aufbauarbeit gewidmet, die sich auf allen Ebenen des politischen, rechtlichen, sozialen und gesellschaftlichen Lebens beobachten ließ. Dementsprechend fanden sich die Westmächte bereit, ihre Besatzungsrechte einzuschränken und der Bundesrepublik nach und nach größere Souveränitätsrechte zuzubilligen.“

1955 trat die BRD der NATO bei und bereits einige Monate darauf kam es, trotz offiziell gegenteiliger Beteuerungen im Petersberger Abkommen, zur Wiederbe-waffnung durch die Gründung der Bundeswehr. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wurde deutlich, daß die Alliierten ihr ursprüngliches Ziel, Deutschland zu einem ihnen untergeordneten, entmilitarisierten Gebiet umzuformen längst verworfen hatten. Schließlich würde sich ein gleichgestellter Staat mit militärischer Schlagkraft in Anbetracht des Kalten Krieges als wesentlich konstruktiver erweisen.

Allerdings bedeutete diese verstärkte Annäherung auch eine immer größer werdende Spaltung der beiden deutschen Gebiete, denn auch die DDR-Regierung verfolgt einen parallelen Kurs in Hinsicht auf die Sowjetunion. Auch hier kommt es zur Wiederbewaffnung durch die Gründung der Nationalen Volksarmee, zum Beitritt in den Warschauer Pakt 1955 und damit ebenfalls zu einer politischen und militärischen Angliederung. Besiegelt wird dieses Auseinanderdriften der beiden deutschen Staaten im Bau der Mauer 1961.

Die gesamten 50er Jahre waren also von dem tiefgehenden Konflikt zwischen Ost und West geprägt. Realistisch betrachtet könnte man sogar sagen, während des gesamten Jahrzehnts schwebte das Damoklesschwert eines erneuten Krieges über der Bevölkerung.

1.2. Die Ära Adenauer

Die 50er Jahre werden in den meisten Geschichtsbüchern in einem Atemzug mit der Ära Adenauer genannt – nicht zu unrecht. „Der im Jahre 1876 geborene Dr.Konrad Adenauer war zweifellos die überragende Erscheinung unter den deutschen Politikern der Nachkriegszeit. Er galt, solange er regierte, als der starke Mann im Nachkriegsdeutschland. Daß seine Politik nicht unbestritten ist, mindert nicht seine Leistung.“[5]

Von 1949 bis 1963 gelang es ihm als einer der wichtigsten politischen Instanzen des Staates durch die soziale Marktwirtschaft oder die Einschränkung der Demontagen für wirtschaftliche Stabilität zu sorgen. Zudem legte er die Basis, Deutschland allmählich wieder die Eigenständigkeit zu verschaffen, die es eingebüßt hatte. Schritte in eine freiheitlich-demokratische Zukunft wie die Pariser Verträge 1954, in denen neben dem Beitritt zur NATO auch von einem Ende des Besatzungsregimes die Rede war, oder der Elysee-Vertrag 1963, in dem die kaum denkbare Aussöhnung mit Frankreich besiegelt wurde, wären ohne Adenauer wohlmöglich nie zustande gekommen:[6]

Schon früh hatte er erkannt, daß ein besiegtes, besetztes Volk eine völlig andere auswärtige Politik verfolgen müsse, als eines, das sich in normalen Verhältnissen befindet. Sein Kurs war deshalb in erster Linie geprägt von der Annäherung an Amerika und erst in zweiter Linie von dem Bestreben eine Wiedervereinigung mit der DDR durch Verhandlungen mit der Sowjetunion zu erwirken; dennoch verlor er nie das übergeordnete Ziel der Schaffung einer souveränen Position für die BRD aus den Augen.

Diese „Versteifung“ auf das Primärziel USA wurde ihm allerdings in Regierungs-kreisen häufig zum Vorwurf gemacht. Sein Streben sich das Wohlwollen Amerikas zu sichern, stünde der Wiedervereinigung Deutschlands nur im Wege und führe zu einer immer breiter werdenden Kluft zu Moskau. In der Bevölkerung wurde das „Problem“ jedoch weit weniger dramatisch aufgefaßt. Man hatte Vertrauen in die Kompetenz Adenauers als Staatsmann.

Auch wenn man nicht jede Maßnahme, in erster Linie die Wiederbewaffnung, guthieß, bestand für die Mehrzahl der Bürger kein Zweifel daran, daß kein anderer Politiker fähiger wäre, das Land aus der Krise und in eine positive Zukunft zu führen.[7]

Allerdings, auch wenn sich dieses Vertrauen der Bevölkerung als gerechtfertigt erwies, ist es dennoch in gewisser Hinsicht als blind zu bezeichnen. Kaum jemand hinterfragte Adenauers Motive oder seine Persönlichkeit. Ob er bzw. seine Minister im Nazi-Regime gedient hatte oder ob er während dieser Zeit überhaupt in Deutschland verweilte schien niemanden zu interessieren.[8]

Hierin könnte man den ersten Hinweis sehen, daß eine Aufarbeitung der Vergangenheit noch nicht (ausreichend) stattgefunden hatte, denn wie sonst ließe sich erklären, daß die Menschen immer noch bereit waren, einem Mann ohne wirkliche Kritik oder einem gewissen Maß an gesundem Mißtrauen zu folgen – nur diesmal Adenauer und nicht Hitler.

1.3. Exkurs: Die Zustände in der DDR

Bisher war überwiegend von der BRD und von der sich dort augenscheinlich rapide verbessernden wirtschaftlichen und politischen Lage die Rede. Wie aber zeigten sich die Zustände in der Ostzone?

Nach dem Text der Verfassung, die von der provisorischen Volkskammer 1949 in Kraft gesetzt worden war, galt sie als ein bürgerlich-parlamentarischer Staat. In der Realität aber zeigte sich, dass die Deutsche Demokratische Republik durch die SED unter Generalsekretär Walter Ulbricht nach dem Vorbild der Sowjetunion umgebildet wurde. „Während sich in der Bundesrepublik das politische Leben seit Inkrafttreten des Grundgesetzes vielseitig und in neuen Formen weiterentwickelte, nahmen Vereinheitlichung und Gleichschaltung von Parteien und Verwaltung, von Wirtschaft und Gesellschaft in der DDR ihren Fortgang.“[9]

Der Aufbau des Kommunismus bzw. Sozialismus schritt unaufhaltsam fort und auch die Verfolgung politisch Andersdenkender gehörte seit der Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit zum Alltag. Zudem wurden die Demontagen der Rüstungsbetriebe und ähnliche Maßnahmen durch die UdSSR wesentlich rigoroser vorgenommen als dies in der BRD der Fall war, obwohl man dem „verhassten Westen“ wirtschaftlich bereits deutlich hinterher hinkte. Die erschwerte Situation führte zu einer tiefgreifenden Ablehnung der Regierung innerhalb der Bürger:[10]

„Trotz härtester Zwangsmaßnahmen, die eine Flucht von Millionen aus der Zone zur Folge hatten, ist es dem Regime der DDR lange Jahre nicht gelungen, die innere Anerkennung durch die Bevölkerung zu erlangen. Zum schlagenden Ausdruck für die schwärende Unzufriedenheit in der Sowjetzone wurde der Volksaufstand des 17. Juni 1953, als die Bevölkerung, vor allem die Arbeiter, zuerst eine Aufhebung der Normenerhöhung und schließlich freie Wahlen, damit die Befreiung von dem unerträglich gewordenen System verlangten.“

Derartiges Aufbegehren blieb aber weitestgehend ohne Erfolg. Einzig wirksames Mittel gegen eine Regierung, die weder ausreichend Güter, noch wirkliche persönliche Freiheit zu bieten im Stande war, blieb die Flucht in den Westen – und der Strom riß nicht ab. Daran änderten auch die Slogans der Propagandaindustrie wie „Der Westen steht unmittelbar vor dem Untergang“ oder „Wir werden seinen Lebensstandard in Kürze erreicht haben“ nichts. Zu durchschaubar zeigte sich die Tatsache, dass sich hinter dem darin zur Schau getragenen kämpferischen Haß gegen und der hochgemuten Siegesgewissheit über den Westen, gleichzeitig von Neid zerfressene Bewunderung verbarg.[11]

Die Zustände in der DDR sprechen also nicht unbedingt von einem allseits gelungenen Wiederaufbau. Den Menschen im Westen ging es zwar gut, aber den Verwandten, Freunden oder ehemaligen „Mit-Deutschen“ in der Ostzone weniger.

Wie nun spiegelten sich die politischen Umstände der Vergangenheit bzw. der Gegenwart im gesellschaftlichen Leben wieder – arbeitete man die Schuld des Dritten Reiches auf, hatte man sich schon vollständig von seinen Idealen getrennt und nahm man bewusst war, dass der Wiederaufbau nicht so golden war wir er schien?

2. Die gesellschaftliche Situation der 50er Jahre

2.1. Das Wirtschaftswunder

Der zweite Mann, der neben Adenauer die 50er Jahre entscheidend mitprägte und als „Vater des Wirtschaftswunders“ zur Leitfigur einer Generation wurde, war Ludwig Erhard. Die von ihm vorangetriebene soziale Marktwirtschaft stabilisierte die ökonomische Lage Deutschlands merklich und gab der Bevölkerung das Gefühl von „Wir sind wieder wer!“.

Zweifelsohne zeigte sich eine deutlich spürbare Verbesserung der Lebensverhältnisse. Gerne versicherten die breiten Massen all derer, die an dem steigenden Wohlstand profitierten wie viel mehr Geld sie plötzlich verdienten, wie sehr sich die Arbeitsbedingungen verbessert hätten, wie die Freizeit immer länger werde, wie das Warenangebot zunehme und wie sich die sozialen Leistungen dem Arbeitsaufwand angepasst hätten.[12] Sicherlich entsprach diese Auffassung in großem Maße der Realität. Es ging dem Bürger weit besser, als man es sich zwischen den Nachkriegs-Trümmern der Städte hätte ausmalen können. Allerdings hatte der Aufschwung auch seine Schattenseiten, die zunächst nur schwer zu erkennen waren.

„Daß dieses Wirtschaftswunder mit einer gewaltigen Monopolisierung, das heißt einem Verzicht auf ökonomische und politische Mitbestimmung erkauft worden war, wurde den meisten damals noch gar nicht bewusst.“[13] Die Regierung schwieg dazu und auch von Seiten der Presse fand kaum eine Thematisierung dieses „Problems“ statt. Die wenigen Artikel, die sich doch damit befassten, sprechen eine deutliche Sprache. So z.B. die Zeitung Christ und Welt am 6.September 1964:[14]

„Zusammengefasst sind es 94 Männer die in der kombinierten Funktion als Vorstände und Aufsichtsräte den Kern der deutschen Wirtschaft beherrschen, die Personalpolitik für mehrere Millionen Belegschaftsangehörige und die Geschäfts-politik für eine zweistellige Milliardensumme an Käufen und Verkäufen bestimmen. Nicht zuletzt sind diese Männer entscheidend für die Zuwendungen an die Wahlfonds der Parteien, Institutionen der öffentlichen Meinungsbildung und Interessenvertretungen.“

Selbst wenn man die politische Kehrseite außer Acht ließe, brachte der wirtschaftliche Senkrechtstart nicht nur positive Aspekte mit sich, denn er förderte das Vergessen bzw. das Verdrängen. Niemand fragte sich, ob der Chef eines Unternehmens vorher ein Hakenkreuz auf der Brust getragen hatte, denn schließlich wurde man gut bezahlt, arbeitete unter angenehmen Bedingungen und konnte der Familie einiges bieten. Es wurde schwer, jemandem Vorwürfe wegen seiner Vergangenheit zu machen, wenn derjenige mit seinem Betrieb zur angestrebten Zukunft beitrug, wenn er half die Wirtschaft anzukurbeln. Zudem schien die Regierung zu erwarten, dass man nicht zu genau nachfragte, denn schließlich imitierte man hier nur im Kleinen, was dort im Großen vorgelebt wurde. Ein Hans Globke, Leiter des Bundeskanzleramtes, hatte vor 1945 als Oberregierungsrat im Reichsministerium und als Kommentator der Nürnberger Rassengesetze gearbeitet oder ein Wilhelm G.Grewe, Leiter der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes, war ständiger Mitarbeiter an zahlreichen prominenten Nazi-Zeitschriften gewesen.[15] Die Jahre des Dritten Reiches schienen also im Laufe des stetigen Aufbaus immer mehr in den Hintergrund zu treten.

[...]


[1] Siepmann, E., Lusk, I. und Holtfreter, J. (Hrsg.): Bikini – Die fünfziger Jahre.

Kalter Krieg und Capri-Sonne. Berlin 1981. S.296

[2] Adenauer, K.: Erinnerungen 1953-1955. Stuttgart 1966. S.15

[3] Vgl. Siepmann, E. u.a. (Hrsg.): Bikini – Die fünfziger Jahre. Berlin 1981. S.12

[4] Lilge, H.: Deutschland 1945-1963. Hannover 198012. S.83

[5] Noak, P.: Die deutsche Nachkriegszeit. (Geschichte und Staat Bd.114/115). München 19732. S.37 f.

[6] Vgl. Adenauer, K.: Erinnerungen 1953-1955. Stuttgart 1966. S.63

[7] Vgl. Meinungsumfragen: siehe Anhang

[8] Vgl. Meinungsumfragen: siehe Anhang

[9] Lilge, H.: Deutschland 1945-1963. Hannover 1980. S. 96

[10] Noak, P.: Die deutsche Nachkriegszeit. München 1973. S.98

[11] Vgl. Karasek, H.: Go West ! Eine Biographie der 50er Jahre. Hamburg 1996. S.35 f.

[12] Vgl. Hermand, J.: Kultur im Wiederaufbau. Die Bundesrepublik Deutschland 1945-1965.

Frankfurt/M und Berlin 1989. S.226

[13] Ebd. S.227

[14] Ebd. S.227

[15] Vgl. Siepmann, E. u.a. (Hrsg.): Bikini – Die fünfziger Jahre. Berlin 1981. S.68

Ende der Leseprobe aus 37 Seiten

Details

Titel
Die Fünfziger Jahre - Der Wiederaufbau in Deutschland
Hochschule
University of Sheffield
Veranstaltung
Proseminar
Note
2,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
37
Katalognummer
V56505
ISBN (eBook)
9783638511636
ISBN (Buch)
9783638693127
Dateigröße
875 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fünfziger, Jahre, Wiederaufbau, Deutschland, Proseminar
Arbeit zitieren
Magistra Artium Daniela Herbst (Autor:in), 2004, Die Fünfziger Jahre - Der Wiederaufbau in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56505

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