„Was ist Europa? Und, damit zusammenhängend: Was soll Europa sein? Kurz gesagt: Europa hat noch immer keinen Begriff von sich selbst.“ Diese provokante Feststellung von Beck/Grande in einem kürzlich erschienenen Artikel soll als Leitmotiv dieser Arbeit dienen. Das komplexe System „Europäische Union“ entzieht sich durch seine Neuartigkeit jedem Zuordnungsversuch. Oftmals wird es als politisches System eigener Art (sui generis) charakterisiert. Dies kann allerdings in einer wissenschaftlichen Analyse nur als Flucht vor einer begrifflichen Fixierung verstanden werden. Ein durch die Realität geschaffenes neues System bedarf auch neuer Überlegungen und Begriffsschöpfungen. Die in diesem Zusammenhang auftauchenden Begriffe sind nötig, aber trotzdem ist kritisch zu fragen, ob sie den Erkenntnisstand erhöhen, oder ob sie nur ein weiterer „Baum“ im wachsenden „Begriffsdschungel“ sind. Während die Begrifflichkeiten bei der Definition des politischen Systems der EU von „Empire Europe“, „Mehrebenensystem“ bis zum „konsoziativen Staat“ gehen, so wird auch das Regierungssystem mit immer neueren Wortschöpfungen bedacht, da die gängige Spielart der repräsentativen Demokratie, der Parlamentarismus, bezogen auf das System der EU als überholt angesehen wird. Auch im nationalen Rahmen wird den Parlamenten unter dem Schlagwort „Entparlamentarisierung“ ein immer stärkerer Bedeutungsverlust attestiert. Ein in diesem Zusammenhang häufig auftauchender Begriff ist der des „Post-Parlamentarismus“. Dieser erstmals von Andersen/Burns in einem Artikel benutzte Begriff zielt auf die immer schwächer werdende Stellung der Parlamente im Allgemeinen und des Europäischen Parlaments im Speziellen ab. Diese Einschätzung bildet den Nährboden für unzählige Kritik am „demokratischen“ Europa. Die einzige direkt vom Volk legitimierte Institution der EU hätte aufgrund der Vormachtsstellung von Kommission und Rat faktisch kaum Einflussmöglichkeit auf europäische Politik, so die Kritiker. Andere sehen das EU-Parlament wiederum als eine vielfach unterschätzte Institution Europas an. Die um den relativ diffusen Begriff „Post-Parlamentarismus“ entstandene Diskussion ist mannigfaltig und unüberschaubar. Die in der Debatte bisher aber kaum beantworteten Fragen sind: Wie lässt sich der Post-Parlamentarismus eigentlich charakterisieren und lässt sich dieser in der Europäischen Union tatsächlich feststellen? [...]
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung: Was ist Europa?...
- 2. Arbeitsdefinition Parlamentarismus.....
- 3. Die Grenzen des territorial repräsentativen Parlamentarismus...
- 4. Post-Parlamentarismus vs. Parlamentarismus- ein Typologischer Abriss…………..
- 4.1. Funktionalistische Perspektive…....
- 4.1.1. Repräsentationsfunktion.
- 4.1.2. Gesetzgebungsfunktion..
- 4.1.3. Kontrolle.....
- 4.2. Systemische Perspektive.
- 4.2.1. Souveränität..
- 4.2.2. Verantwortlichkeit..
- 4.2.3. Legitimität.
- 4.3. Zusammenfassung des typologischen Abriss...
- 5. Die Verortung der EU…
- 5.1. Rahmenbedingungen des EU-Systems...
- 5.2. Funktionalistische Perspektive.....
- 5.2.1. Repräsentation in der EU..
- 5.2.2. Gesetzgebung in der EU.
- 5.2.3. Kontrolle in der EU.
- 5.3. Systemische Perspektive......
- 5.3.1. Souveränität in der EU..
- 5.3.2. Verantwortlichkeit in der EU..
- 5.3.3. Legitimität in der EU…
- 5.4. Bewertung der Ergebnisse..
- 6. Schlussbetrachtung...
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Frage, ob das System der Europäischen Union als „Post-Parlamentarisch“ bezeichnet werden kann. Die Hauptzielsetzung ist es, eine Typologie des Begriffs „Post-Parlamentarismus“ zu entwickeln und anhand dieser Typologie das EU-System zu analysieren.
- Entwicklung einer Arbeitsdefinition für den Begriff „Parlamentarismus“
- Erstellung einer Typologie des „Post-Parlamentarismus“ aus funktionalistischer und systemischer Perspektive
- Verortung der Europäischen Union innerhalb der Typologie
- Bewertung der Ergebnisse und Diskussion der Relevanz für die wissenschaftliche Debatte
- Analyse der Rolle des Europäischen Parlaments im Kontext der EU-Governance
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Einleitung: Was ist Europa? Diese Einleitung beleuchtet die Komplexität des Systems „Europäische Union“ und die Schwierigkeit, es eindeutig zu kategorisieren. Die Arbeit bezieht sich auf die Debatte um die Natur der EU als sui generis System und stellt den Begriff „Post-Parlamentarismus“ in den Kontext der Diskussionen über die Rolle des Europäischen Parlaments.
- Kapitel 2: Arbeitsdefinition Parlamentarismus Dieses Kapitel definiert den Begriff „Parlamentarismus“ und grenzt ihn von anderen politischen Systemen ab. Dabei werden die Repräsentationstheorie und die Demokratietheorie als wichtige Grundlagen für den Parlamentarismus betrachtet.
- Kapitel 3: Die Grenzen des territorial repräsentativen Parlamentarismus Dieses Kapitel beleuchtet die Kritik an der traditionellen Form des Parlamentarismus im Kontext der Globalisierung und der Komplexität moderner politischer Systeme. Die Arbeit argumentiert, dass ein neues Verständnis von Parlamenten notwendig ist.
- Kapitel 4: Post-Parlamentarismus vs. Parlamentarismus- ein Typologischer Abriss Dieses Kapitel entwickelt eine Typologie des „Post-Parlamentarismus“ anhand von funktionalistischen und systemischen Perspektiven. Die Analyse bezieht sich auf die Funktionen von Parlamenten, wie Repräsentation, Gesetzgebung und Kontrolle, sowie auf systemische Aspekte wie Souveränität, Verantwortlichkeit und Legitimität.
- Kapitel 5: Die Verortung der EU Dieses Kapitel analysiert die Europäische Union anhand der zuvor entwickelten Typologie des „Post-Parlamentarismus“. Es untersucht die Rolle des Europäischen Parlaments im EU-System und diskutiert die Herausforderungen, denen das Parlament im Kontext der EU-Governance gegenübersteht.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen Parlamentarismus, Post-Parlamentarismus, Europäische Union, EU-Governance, Repräsentation, Gesetzgebung, Kontrolle, Souveränität, Verantwortlichkeit, Legitimität, Europäisches Parlament, Typologie, Analyse, Vergleich.
- Quote paper
- Robert Huber (Author), 2006, Parlamentarismus vs. Post-Parlamentarismus - Eine Idealtyp orientierte Verortung der Europäischen Union , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56552