Adalbero von Laons Dreiteilungstheorie im 'Carmen ad Rotbertum regem'


Hausarbeit, 2006

21 Seiten, Note: 1,4


Leseprobe


Inhalt

I. Einleitung

II. Adalbero von Laons Dreiteilungstheorie im „Carmen ad Rotbertum regem“
1. Entstehungssituation des Werks
2. Aufbau des Gedichts
3. Adalberos Erklärung seines Gesellschaftsmodells
4. Adalbero von Laons Quellen
4.1 Die beiden Schriften des Pseudo-Dionysius Areopagita
4.2 Augustins „De ordine“
4.3 Die „Moralia“ Gregors des Großen

III. Zusammenfassung

Quellen- und Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Vom Ende des 9. bis zum Anfang des 12. Jahrhunderts wurde in der gesamten westlichen Christenheit die Gliederung der Gesellschaft in drei Gruppen beschrieben. Laut der verbreiteten Ideologie trennte sich die Menschheit nun auf in die „oratores“, die Geistlichen, die durch das Gebet Gottes Beistand herbeirufen zu können vorgaben, die „bellatores“, die Krieger des neuen Adels, welche die Sicherheit des Zusammenlebens garantieren sollten, und die „laboratores“, worunter man Handwerker und Bauern verstand.

Den König betrachtete man als gottgegebenen Herrscher, der als Schutzherr über allen Ständen throne und für das Gleichgewicht zwischen ihnen sorge. Denn ohne Harmonie und Interdependenz zwischen den drei Bevölkerungsgruppen bräche der Staat zusammen. Da ein Übertreten der Grenzen für den ganzen Kosmos schädlich sei, habe man sich in seinem Stand zu bescheiden. Diese Ständereflexion war das Ergebnis einer Wechselwirkung zwischen Metaphysik, Erkenntnislehre und Ethik.

Einige Historiker gehen davon aus, dass das dreiteilige Schema die gesellschaftlichen Vorgänge nicht nur definieren, sondern vor allem die Ausbildung der nationalen nachkarolingischen Monarchien propagieren sollte.

Einer der großen Theoretiker, dem die Verfolgung dieses Ziels nachgesagt wird, war der französische Bischof Adalbero von Laon. Mit seinem dem König Robert gewidmeten Gedicht[1]lieferte er etwa im Jahre 1025 einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung und Verbreitung der Dreiteilungstheorie, die fortan zum Grundmotiv wurde. Deshalb hat das „Carmen ad Rotbertum regem“ bereits zahlreiche Historiker beschäftigt.

Die wesentlichsten Beiträge zur Forschung über Inhalt, beabsichtigte und tatsächlich erreichte Wirkung dieses Textes lieferten G.A. Hückel mit seiner Studie „Die satirischen Gedichte Adalberos“ im Jahre 1901 und Carl Erdmann mit seinen Schriften „Die Satire Adalberos von Laon“ von 1935 und „Repertorium fontium historiae medii aevi“ von 1967 sowie Otto Gerhard Oexle mit seinem 1978 erschienen Aufsatz „Die funktionale Dreiteilung der `Gesellschaft` bei Adalbero von Laon“. In seiner Einleitung zu der von ihm 1979 herausgegebenen Fassung des Gedichts beleuchtete Claude Carozzi die bis dahin gewonnenen Erkenntnisse zum Thema.

In der vorliegenden Arbeit soll das von Adalbero von Laon entwickelte Deutungsschema erläutert werden. Da man es nicht losgelöst von der Situation verstehen kann, in der es entstanden ist, werde ich sie soweit nötig erklären.

Um einen kurzen Überblick über die Zusammenhänge zwischen der Ausbildung nationaler Monarchien im nachkarolingischen Europa und der Verbreitung des Dreiteilungsschemas zu gewinnen, nahm ich Jaques Le Goffs Aufsatz „Zur Dreigliedrigkeit der Gesellschaft“[2]zu Hilfe. Weiterführende Informationen hierzu lieferte die Abhandlung „Die funktionale Dreiteilung als Deutungsschema der sozialen Wirklichkeit in der ständischen Gesellschaft des Mittelalters“[3]von Otto Gerhard Oexle und Heinrich Fichtenaus Studie „Lebensordnungen des 10. Jahrhunderts“[4].

Besonderes Augenmerk soll in der folgenden Abhandlung auf den Gesellschaftstheorien liegen, auf die sich der Bischof nach eigenem Bekunden bei der Entwicklung seines Trifunktionalitätsmodells bezog. Dieses sind die Schriften von Pseudo-Dionysius Areopagita, Gregor dem Großen und Augustinus. Die wesentlichen Thesen der genannten Autoren möchte ich an gegebener Stelle erläutern.

Um mir den Inhalt dieser Texte vertraut zu machen, habe ich zwei Werke herangezogen, zwischen deren Erscheinen knapp 60 Jahre liegen: Zum einen die Aufsatzsammlung „Der Ordo-Gedanke“ von Luise Manz[5]aus dem Jahr 1937, zum anderen Alfred J. Hublers Buch „Ständetexte des Mittelalters“ von 1993[6], welches die Intention und kognitive Struktur der Deutungsschemata analysiert. Zu einem erweiterten Blickwinkel, der sich von den antiken Grundlagen des Dreiteilungsschemas bis zu seinen Auswirkungen über das 13. Jahrhundert hinaus erstreckt, verhalf mir Bernhard Langers Dissertation „Die Lehre von den Ständen im frühen Mittelalter“ von 1953.[7]

Zum besseren Verständnis von Laons Text selbst war mir insbesondere das Werk „Die drei Ordnungen“ von Georges Duby[8]dienlich, in dem Aufbau, Inhalt und Intention des Gedichts zusammengefasst und interpretiert werden.

Das aktuellste von mir verwendete Buch ist die englische Ausgabe von Dominique Iogna-Prats „Ordonner et exclure“[9]. Es konzentriert sich zwar hauptsächlich auf die Wechselwirkung zwischen Cluniaszensern und Christentum mit Häretikern, Juden und Muslimen. Doch kommt das Werk der französischen Historikerin auch auf Adalbero von Laon und die von ihm zitierten Theoretiker zu sprechen und bringt dies betreffend mit prägnanten Formulierungen komplexe Themen auf den Punkt, was mir bei meinen Recherchen entgegenkam.

Zu Beginn werde ich kurz die Situation darstellen, in welcher der Bischof sein Gedicht verfasste. Nach dem Erklären von Aufbau und Inhalt der Schrift soll die mit dem Verfassen des Textes beabsichtigte Wirkung des Autors besprochen werden. Anschließend möchte ich näher auf die Schriftstücke eingehen, die Adalbero von Laon nach seiner eigenen Angabe als Vorbilder seiner Gesellschaftstheorie dienten. Inwiefern stützen sie seine Argumentation? Welche Gemeinsamkeiten lassen sich zwischen Adalberos Soziallehre und ihren von ihm genannten Vorgängern erkennen? Diesen Fragen soll hier nachgegangen werden.

II. Adalbero von Laons Dreiteilungstheorie im „Carmen ad Rotbertum regem“

1. Entstehungssituation des Werks

Bei dem etwa im Jahre 1025 verfassten „Carmen ad Rotbertum regem“ des Bischofs Adalbero von Laon handelt es sich, wie der Name schon sagt, um ein dem König Robert gewidmetes Gedicht. Gleichzeitig ist es das politische Testament eines Geistlichen, der zum Zeitpunkt des Schreibens bereits seit beinahe fünfzig Jahren im Amt war.[10]

Damals führte die „zunehmende Arbeitsteilung und die steigende Bedeutung der Laien (…) zum Durchbruch der umfassenden Ständelehre, die den geistlichen wie den weltlichen Bereich gleichermaßen umfangreich thematisierte.“[11]

Adalbero von Laon war in Nordfrankreich der erste, der über die Trifunktionalität schrieb[12]. Er verfasste sein letztes, unvollendetes Werk[13]während der Anfänge der Kapetingerherrschaft.[14]Die Bischofskirche von Laon spielte aufgrund ihrer geographischen Lage im äußersten Süden des Kapetingerreiches eine herausragende politische und geistliche Rolle sowohl bei der Errichtung dieser Dynastie als auch bei der Entwicklung des monarchischen Ideals in derFrancia occidentalis, die den Kapetingern dienlich war.[15]

Die Bischöfe erhielten ihre Macht durch Salbung und konnten sie auf dem gleichen Wege übertragen. Da der König als von Gott erwählter materieller Führer der Menschen galt, wurde auch er gesalbt.[16]Das Verhältnis zwischen König und Bischöfen drückt Iogna-Prat so aus: „the bishops fulfilled the role of guides and tutors to the monarchs, who by virtue of their anointing were similar to bishops.“[17]In Dubys Augen war der König den Bischöfen allerdings nicht nur ähnlich, sondern war sogar einer von ihnen.[18]Als Schnittstelle zwischen Geistlichem und Weltlichem trug er die Verantwortung für den Frieden.[19]

Die damals verfassten Ständetexte bildeten ökonomische und soziale Vorgänge nicht nur ab, sondern entwarfen auch Lebensformen.[20]Auch das Gedicht von Adalbero von Laon spiegelte die gesellschaftlichen Bedingungen nicht nur wider, sondern beabsichtigte auch ihre Beeinflussung.[21]

2. Aufbau des Gedichts

Das Gedicht gliedert sich in vier Teile, von denen drei Reden sind. Die erste ist ein Monolog des Bischofs. Sie wendet sich an die Jugend des Königs, womit seine ungestüme Beeinflussbarkeit und nicht sein Alter gemeint ist, und beschreibt die herrschende Unordnung[22]. Die zweite Rede ist ein Dialog zwischen Robert und Adalbero und ist an die königliche Weisheit gerichtet. Sie beinhaltet Adalberos im Himmel angesiedeltes Gesellschaftsmodell. In der dritten Rede, in der wiederum der Bischof alleine spricht, wird vorgebracht, wie sich die Ordnung wieder herstellen lässt. Zwischen den letzten beiden Reden untermauert ein Text die Beschreibung der Ordnung. Laut Duby „kommt genau hier das System einer guten Regierung zum Ausdruck, die den erleuchteten Rat der Bischöfe wie eine Brustwehr um den Herrscher errichtet.“[23]

[...]


[1]Adalbéron de Laon: Poeme au roi Robert. Paris 1979

[2]Le Goff, Jaques: Zur Dreigliedrigkeit der Gesellschaft. Zur Begründung des monarchischen Gedankens und zum wirtschaftlichen Auf

schwung in der Christenheit des 9. bis 12. Jahrhunderts. In: Für ein anderes Mittelalter. Zeit, Arbeit und Kultur im Europa des 5. bis 15. Jahrhunderts. Hg. von Jaques Le Goff. Frankfurt/ M., Berlin, Wien 1984

[3]Oexle, Otto G.: Die funktionale Dreiteilung als Deutungsschema der sozialen Wirklichkeit in der ständischen Gesellschaft des Mittelalters. In: Ständische Gesellschaft und soziale Mobilität. Schriften des Historischen Kollegs Kolloquien 12. Hg. von Winfried Schulze. München 1988, S.19-51

[4]Fichtenau, Heinrich: Lebensordnungen des 10. Jahrhunderts. Studien über Denkart und Existenz im einstigen Karolingerreich. München 1992

[5]Manz, Luise: Der Ordo- Gedanke. Ein Beitrag zur Frage des mittelalterlichen Ständegedankens (=Beiheft zur Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Nr.33). Hg. von Pr. Dr. H. Aubin. Stuttgart 1937

[6]Hubler, Alfred J.: Ständetexte des Mittelalters. Analysen zur Intention und kognitiven Struktur. Tübingen 1993

[7]Langer, Bernhard. Die Lehre von den Ständen im frühen Mittelalter. Inaugural- Dissertation zur Erlangung der philosophischen Doktorwürde der Hohen Philosophischen Fakultät der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität in Würzburg. 1953

[8]Duby, Georges: Die drei Ordnungen. Das Weltbild des Feudalismus. Frankfurt 1981

[9]Iogna-Prat, Dominique: Order and exclusion. Cluny and Christendom face heresy, Judaism, and Islam, 1000-1150. New York 2002

[10]Carozzi, Claude: Introduction. In: Adalberon de Laon: Poeme au roi Robert. S.20

[11]Hubler, Alfred J.: Ständetxte, S.58-59

[12]Duby, Georges: Die drei Ordnungen, S.20

[13]ebd., 73

[14]Le Goff, Jaques: Zur Dreigliedrigkeit, S.44

[15]ebd.

[16]Duby, Georges: Die drei Ordnungen, S.29-31

[17]Iogna-Prat, Dominique: Order and exclusion, S.15

[18]Duby, Georges: Die drei Ordnungen, S.76

[19]ebd.,S.75

[20]Oexle, Otto G.: Die funktionale Dreiteilung, S.38-40

[21]Duby, Georges: Die drei Ordnungen, S.22

[22]Duby, Georges: Die drei Ordnungen, S.74-77

[23]ebd., S.77-78

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Adalbero von Laons Dreiteilungstheorie im 'Carmen ad Rotbertum regem'
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg  (Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte)
Veranstaltung
PS: Kirche und Gesellschaft
Note
1,4
Autor
Jahr
2006
Seiten
21
Katalognummer
V56581
ISBN (eBook)
9783638512282
ISBN (Buch)
9783638792325
Dateigröße
507 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Adalbero, Laons, Dreiteilungstheorie, Carmen, Rotbertum, Kirche, Gesellschaft, Mittelalter
Arbeit zitieren
Felix Brenner (Autor:in), 2006, Adalbero von Laons Dreiteilungstheorie im 'Carmen ad Rotbertum regem', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56581

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