Geschlechterverhältnisse im Alten Griechenland


Seminararbeit, 2002

29 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsangabe

Vorwort

I. Das öffentliche Leben
1. Die äußere Erscheinung
2. Der von Männern dominierte Staat

II. Das Privatleben
1. Die ehelichen Verhältnisse
2. Das Familienleben.
3. Die Erziehung zum Mann...
4. Die Erhebung des Mannes über die Frau durch Homosexualität..

III. Der Frauenhaß griechischer Männer
1. Die Ursprünge und Hintergründe des Frauenhasses
2. Die Reflexion des Frauenhasses in der Mythologie.

IV. Die Frage nach der naturellen oder kulturellen Etablierung der
Geschlechterverhältnisse.
Nachwort.
Anhang
1. Die bekanntesten Beispiele homosexueller Liebe in der Mythologie...
2. Die Verfehlungen des Zeus.
3. Einige graphische Darstellungen

Bibliographie

Vorwort

„ Immer schon war es Gesetz, das der Schwächere

dem Stärkeren Untertan seinoch niemand hat je zugelassen,

daß der Ruf nach Gerechtigkeit seinen Drang behindere,

wenn er einen Vorteil durch Gewalt erringen konnte.“[1]

Dieser Ausspruch, den athenische Gesandte einst benutzt hatten, um die Gepflogen-heiten ihrer Heimat zu verteidigen, bringt eine der tiefgreifendsten Charaktereigen-schaften des griechischen Menschen zum Ausdruck, das Verlangen zu beherrschen.

Es läßt sich auf diverse Bereiche ihrer sozialen, politischen und kulturellen Umwelt anwenden, so auch auf die Geschlechterverhältnisse. Der Stärkere wurde dement-sprechend vom Mann symbolisiert und der Schwächere von der Frau, denn über Jahrhunderte hielt sich dort das Patriarchat.

Kapitel I dieser Arbeit soll nun zunächst das öffentliche Leben, bestehend aus der äußeren Erscheinung und dem Staatswesen, näher beleuchten, Kapitel II anschließend das private Leben mit den zentralen Themen Ehe, Familie, Erziehung und Sexualität und Kapitel III den, aus den vorangegangenen Abschnitten resultierenden Frauenhaß, seine Ursachen, Hintergründe und Ausformungen. Kapitel IV widmet sich dann dem Problem, ob das männerbestimmte System in Hellas natur- oder kulturbedingt war.

Dabei bemüht sich die Arbeit zusätzlich um eine Klärung der Frage, ob der geschlechterbezogene Dualismus als konsequent gelten und wie ein Teil der Bevöl-kerung über so lange Zeit dominieren kann.

Das Thema wird insgesamt mit verstärktem Blick auf den Mann bearbeitet werden, die Herangehensweise mit verstärktem Blick auf die Frau erfolgt durch die Kommilitonin Stephanie Rabis.

I. Das öffentliche Leben

1. Die äußere Erscheinung

Für die Griechen existierte kaum ein größeres Gut als die Schönheit, will man den zahlreichen Poeten glauben, die sie besungen haben. Ihr Vorhandensein bildete demnach einen bedeutenden Teil des Selbstverständnisses und unterlag deshalb einer relativ fest verankerten Definition.

So sollte der Mann von schlanker, aber kräftiger Gestalt sein mit gewölbter Brust und geraden Schenkeln. Die Haltung seines von der Sonne gebräunten Körpers mußte Eleganz und Schwungkraft ausstrahlen, alles gekrönt von einem ausdrucksvollen Kopf mit blondem bis bräunlichem Haar und feurigen Augen.[2]

Bezüglich der weiblichen Erscheinung galten bis auf die natürliche Unterschiede in der Physiognomie und der weißen Haut, die aus dem Teilnahmeverbot an den gymnas-tischen Übungen unter freiem Himmel resultierte, ganz ähnliche Ansprüche.

Darüber hinaus trugen im 6.Jh.v.Chr. beide Geschlechter das Haar lang. Erst nach Marathon gingen die Männer dazu über es zu kürzen, wahrscheinlich, um das durch den Bart angedeutete maskuline Auftreten zu verstärken. Diese Vermutung liegt nahe, da ihnen die Worte Ästhetik und Eitelkeit alles andere als fremd waren. Öle, Parfüme, Luxusgüter zur Körperpflege und die Schwäche für Modeerscheinungen ließen sich durchaus nicht nur auf die Frauen beschränken.[3]

Die Kleidung stellte sich im großen und ganzen ebenfalls als universell dar. Man trug das „Chiton“ genannte Untergewand[4] und das „Himation“, das Obergewand, deren rechteckige Grundform immer gleich war. Lediglich die geringere Stoffmenge, die Art des Anlegens und das Fehlen von Regeln hinsichtlich der Trageweise räumten dem griechischen Herrn eine Sonderstellung ein.[5]

2. Der von Männern dominierte Staat

Das Alltagsleben gestaltete sich strikt nach Geschlechtern getrennt. Bei Xenophon erläutert Ischomachos Sokrates den Sachverhalt folgendermaßen: „Da beide Arten von Arbeit nötig sind, die draußen und drinnen, schuf Gott die Natur des Weibes für die Arbeiten im Hause, die des Mannes für die Arbeiten außerhalb des Hauses. Denn der Mann ist mehr dazu geschaffen, Kälte und Wärme, Märsche und Feldzüge zu ertragen. Daher trug der Gott ihm die Arbeiten außerhalb des Hauses auf. Der Körper der Frau ist weniger widerstandsfähig, deshalb ist sie besser für die Arbeiten im Hause geeignet.“[6]

In dieser Aussage liegt die Basis des griechischen Patriarchat, doch bleibt sie in ihrer philosphisch geprägten und romatisierten Form stark an der Oberfläche. Praktisch umgesetzt bedeutete die hier angesprochene „Arbeitsteilung“ nämlich, daß alle Staatsmacht in männlicher Hand lag.

Das Theater in seiner bürgerlich-politischen Funktion legt den Sachverhalt wohl am deutlichsten klar, denn es war stets Spiegelbild der Menschen. Zunächst schloß es die Frauen, abgesehen von ihrer passiven Rolle als Zuschauer, gänzlich aus. Genauso verhielt es sich in der Realität, wie bereits die Tatsache vermittelt, daß die Worte für Bürger (polites) und Athener (Athenaios) nur die maskuline Form kannten und die Registrierung im jeweiligen Wohnort ausschließlich dem Mann vorbehalten war.[7] Ebenso verhielt es sich mit dem Wahlrecht, der Besetzung öffentlicher Ämter und dem Erwerben bzw. Besitzen von Reichtum.

Weiterhin oblagen die weiblichen Rollen in der Tragödie zwangsläufig dem anderen Geschlecht. Auf den Staat übertragen offenbarte sich dieses Verhalten in der Person des rechtlichen Wächters[8], der die Vormundschaft (kyrios) über die Frauen seiner Familie übernahm. Er legte in ihrem Namen den Eid ab, verwaltete ihr Vermögen und be-stimmte eigentlich ihr ganzes Leben.

Das Erben war somit auch dem Hellenen vorbehalten. Starb beispielsweise der Ehegatte so ging der Nachlaß nicht an die Gattin über, sondern an die Söhne oder, sollten diese nicht vorhanden gewesen sein, an die Söhne der Tochter.[9]

Die stattgefundene sozial-politische Zentralisierung drückte nicht allein männliche Machtbesessenheit aus, sie wurzelte wie es scheint vielmehr in der Überzeugung, die von ihnen geschaffene Ordnung würde durch die Hellenin gefährdet und diese müsse geschützt werden. Bezeichnend für diese Einstellung war ein Gesetz, das zu den Faktoren, die die Rechtshandlungen eines Mannes unwirksam machten, neben Senilität, Rauschmittelgenuß, Krankheit und Nötigung, auch die Beeinflussung durch eine Frau zählte.[10] Ob und wie es angewandt wurde, läßt die Überlieferung jedoch offen.

Auf welche Weise nun vermochten die Patriarchen ihre dominante Position zu rechtfertigen und zu sichern ? Einerseits setzten sie auf die Stärke der Menge in ihren Männerbünden, versagten ihrem Gegenpart gleichzeitig eine solche Gruppenbildung mittels rechtlicher Beschränkungen und nutzten dessen verstärkte Bindung ans Haus durch Schwangerschaft und Mutterpflichten.[11]

Andererseits verliehen sie der Kultur in Sprache, Weltauffassung und Gebräuchen eine maskuline Prägung. Sie verbanden die Tugend (arete) mit kriegerischer Tüchtigkeit (Ersichtlich im Namen des Kriegsgottes Ares) und das Bürgerrecht mit Wehrfähigkeit. Sie machten sich die Attribute Dauerhaftigkeit, Herrschaft, Transzendenz und Strukturiertheit zu eigen. Mit anderen Worten, sie versahen alles, was gut ist, mit ihrem Siegel, erklärten alles Weibliche zu dessen Feind und erhoben sich dadurch zu den Bewahrern der Welt vor dem Chaos, das sie einzig dem Matriarchat und seinen Dienerinnen anhafteten.[12]

II. Das Privatleben

1. Die ehelichen Verhältnisse

Der Hellene legte wenig Wert auf die Heirat, bezog sich die Forderung nach vorehe-licher Keuschheit doch nur auf das Mädchen, während es ihm freigestellt war, mit Dirnen zu verkehren.[13] Allerdings beschränkte man ihn, selbst wenn er den Bund einging, diesbezüglich ebenfalls kaum, wie es aus einer Stelle bei Plutarch hervor-geht: „Wenn ein gewöhnlicher Mann, weil er schlecht erzogen und ausschweifend ist, sich an einer Hetäre oder Sklavin vergeht, so darf die Gattin nicht grollen noch zürnen, weil er ja aus Scheu vor ihr eine andere an seiner Liederlichkeit, Zügellosigkeit und Ausgelassenheit teilnehmen läßt.“[14]

Oder bei Demosthenes: „Dirnen dienen uns zu unserer Lust, Konkubinen zur täglichen Gesundheitspflege unseres Körpers und die Gattin als Gebärerin gesetzlicher Nachkommenschaft und als getreue Hüterein des Hauses.“[15]

Verständlich werden diese Aussagen erst mit Betrachtung des griechischen Sexuallebens. Der Beischlaf wurde als schmutzig betrachtet und als etwas für den Gatten äußerst Beschämendes, da er laut den Philosophen aus biologischer Notwen-digkeit und der Unfähigkeit femininer Verführungskunst zu widerstehen, handelte. Dementsprechend mußte der Coitus in absoluter Abgeschlossenheit, ohne zu sprechen und mit völliger Passivität der Gattin vollzogen werden. Einzig die Hetären unterlagen nicht diesen Anforderungen und deshalb bevorzugte man sie als Lustobjekt.[16]

Weiterhin sollte bedacht werden, daß jene Bündnisse eigentlich nie aus Liebe geschlossen wurden, sondern aus wirtschaftlichen Erwägungen, also mit Blick auf die Höhe der Mitgift und die Arbeitskraft der zukünftigen Braut, denn körperliche Arbeiten sollten den griechischen Mann nicht an seiner Selbstentfaltung hindern. Außerdem bestimmten die Eltern und nicht das betreffende Paar über die Vermählung.

Desweiteren galt es als übliche Verfahrensweise, einen erheblich älteren, gebildeteren und erfahreneren Herrn mit einem jungen Mädchen zu verbinden, woraus sich schließen läßt, daß man der häuslichen Kommunikation wenig Bedeutung schenkte.[17]

Das fiel allerdings wohl kaum ins Gewicht, da sich die Eheleute ohnehin nur selten sahen. Die vorhin zitierte Rede des Ischomachos hatte bereits angedeutet, daß des einen Platz im Hause, des anderen Platz außerhalb gewesen ist. Männer machten sich sogar regelrecht zum Gespött, wenn sie sich daheim aufhielten, anstatt die für den Zweck der Versammlung errichteten öffentlichen Gebäude (thiasos) aufzusuchen.[18]

Nicht allein das Zusammenleben, ebenso dessen Beendigung zeigte sich als vom Patriarchat geprägt. Es gestaltete sich äußerst schwierig eine Scheidung gegen den Willen des Ehegatten durchzusetzen, nur bei ernsten Vergehen seinerseits, zu denen gesetzlich die Päderastie zählte, war dies überhaupt möglich und selbst dann blieb es eher Theorie. Zu den männlichen Rechten dagegen zählte die Freiheit, sich jederzeit, ohne nähere Angabe von Gründen, trennen oder die Gattin verstoßen zu können.[19]

Ehebruch erwies sich, neben Kinderlosigkeit, als die häufigste Ursache der Verstoßung. Der Hellene hatte diesbezüglich nichts zu fürchten. Wie bereits erwähnt durfte er nach Belieben mit Dirnen (oder alleinstehenden Bürgerinnen) verkehren. Zudem schrieb man es seinem Ermessen zu, die Ehebrecherin und ihren Geliebten angemessen zu bestrafen, und er besaß die Möglichkeit ihre Keuschheit auf die Probe zu stellen. Wurde ein ähnlicher Test auf ihn angewandt, drohte der Betreffenden die Todesstrafe.[20]

All diese Maßnahmen entsprangen vermutlich der männlichen Furcht, das Gesicht zu verlieren. In einer Kultur, die von seinesgleichen dominiert wurde, mußte er den Anforderungen, die an ihn gestellt wurden, entsprechen. Anderenfalls setzte er sich der Gefahr aus, als „Frauenknecht“ (katagynaios) oder „Pantoffelheld“ (gynaikodulos) zu gelten.[21]

[...]


[1] Thukydides, Geschichte, 1, 3

[2] Vgl. Alexander von Gleichen-Russwurm und Friedrich Wencker, Kultur und Sitte in Hellas

(Kultur- und Sittengeschichte aller Zeiten und Völker, Bd.3/4), Hamburg ca.1929, S.256

[3] Vgl. Will und Ariel Durant, Das klassische Griechenland (Kulturgeschichte der Menschheit, Bd.3),

Köln 1985, S.61

[4] Bei Frauen ist gelegentlich auch vom sog. „Peplos“ die Rede

[5] Vgl. Alexander von Gleichen-Russwurm, Kultur und Sitte in Hellas, Hamburg ca.1929, S.264

[6] Xenophon, Oikonomikos, 7, 22

[7] Vgl. Michael X. Zelenak, Gender And Politics In Greek Tragedy

(Artists And Issues In The Theatre, Vol.7), New York 1998, S.21

[8] Dies kann der Vater sein, der Gatte, der Sohn oder jedes andere männliche Familienmitglied

[9] Vgl. J.Roy, Polis And Oikos In Classical Athens. In: Rome And Greece 46 (1999), S.10

[10] Vgl. W.K. Lacey, Die Familie im antiken Griechenland (Kulturgeschichte der Antiken Welt, Bd.14),

Mainz 1983, S.166

[11] Vgl. Prof.Dr.Richard Müller-Freienfels, Du und die Psychologie.

Menschenkenntnis und Menschenbehandlung, Berlin 1951, S.313/314

[12] Vgl. Marilyn French, Jenseits der Macht. Frauen, Männer und Moral, Reinbek bei Hamburg 1996, S.141

[13] Vgl. Will und Ariel Durant, Das klassische Griechenland, Köln 1985, S.68

[14] Plutarch, Alexander, 8

[15] Demosthenes, Gegen Neaera,59, 122

[16] Vgl. Peter Walcot, Plutarch On Sex. In: Rome And Greece 45 (1998), S.166/167

[17] Vgl. J.Roy, Polis And Oikos In Classical Athens. In: Rome And Greece 46 (1999), S.6

[18] Vgl. W.K. Lacey, Die Familie im antiken Griechenland, Mainz 1983, S.158/159

[19] Vgl. L. Cohn-Haft, Divorce In Classical Athens. In: JHS 115 (1995), S.4

[20] Vgl. L. Cohn-Haft, Divorce In Classical Athens, S.9

[21] Vgl. Ernest Borneman, Das Patriarchat, Frankfurt 1975, S.204

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Geschlechterverhältnisse im Alten Griechenland
Hochschule
University of Sheffield
Veranstaltung
Proseminar
Note
1,7
Autor
Jahr
2002
Seiten
29
Katalognummer
V56643
ISBN (eBook)
9783638512794
ISBN (Buch)
9783638693622
Dateigröße
705 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geschlechterverhältnisse, Alten, Griechenland, Proseminar
Arbeit zitieren
Magistra Artium Daniela Herbst (Autor:in), 2002, Geschlechterverhältnisse im Alten Griechenland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56643

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