Ästhetische Aspekte in "La Jongleuse" (1900) von Rachilde


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

45 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Literarische Einordnung des Romans La Jongleuse
2.1 Über Rachilde
2.1.1 A story-teller is born
2.1.2 Rachilde, homme de lettres
2.1.3 Rachildes literarischer Einfluss
2.2 La Jongleuse – ein kurze Vorstellung des Romans
2.3 Literarische Einordnung
2.3.1 Symbolismus
2.3.2 Ästhetizismus im Fin-du-Siècle
2.3.3 Ästhetik und Ästhetizismus
2.3.4 Wirkungsästhetik und Rezeptionsästhetik

3 Ästhetische Aspekte in La Jongleuse
3.1 Bildhafte Beschreibungstechniken
3.1.1 Blanche Eliante Donalger – elle vivait cependant
3.1.2 Die Alabster-Vase
3.2 L’amour e(s)t la mort
3.2.1 Orient oder Der dunkle Kontinent
3.2.2 Eros und Thanatos
3.3 Verknüpfung von Text, Bild, Dekoration, Geruch, Tanz und Musik – Synästhetische Eindrücke
3.3.1 Inter- und Intratextualität als ästhetische Momente

4 Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Abstract

Ce travail a pour but une analyse esthétique du roman La Jongleuse, écrit par l’écrivaine française Rachilde en l’an 1900. Nous allons présenter la vie de Rachilde et parler des mouvements littéraires à la fin du XIXème siècle, notamment du symbolisme. Pour notre lecture de La Jongleuse, nous allons prendre en compte le courant artistique de l’esthétisme qui est discuté dans les salons littéraires de l’époque, influençant ainsi l’œuvre de Rachilde.

Nous allons mettre en évidence la relation entre peinture, sculpture, musique et texte littéraire. La Jongleuse (le personnage principal et le texte littéraire) se sert beaucoup de l’imagination du personnage masculin, un jeune étudiant qui est amoureux d’Eliante, ainsi que de l’imagination du lecteur. Ce dernier ainsi que le personnage masculin doivent comprendre les signes et les significations des actes et des objets d’Eliante. Le texte sait faire estomper la différence entre la beauté et la laideur, entre le « normal » et l’ « anormal ». La mise en scène du suicide d’Eliante à la fin du récit est presque belle, en tout cas le spectacle réussi d’une « horreur sacrée ».

Diese Arbeit will einige ästhetische Aspekte in dem 1900 von der französischen Autorin Rachilde verfassten Roman La Jongleuse herausarbeiten. In einem ersten Teil werden wir kurz auf das Leben der Schriftstellerin und auf die literarischen Bewegungen am Ende des 19. Jahrhunderts eingehen, v.a. den Symbolismus. Unsere Lektüre des Romans La Jongleuse beachtet die Kunstströmung des Ästhetizismus, der zu der Zeit Eingang in die literarischen Salons fand und so das Werk Rachildes beeinflusst hat.

Wir werden die Verbindung von Malerei, Bildhauerei, Musik und literarischem Text herausarbeiten. La Jongleuse (sowohl die Hauptfigur als auch der literarische Text) spielt mit der Vorstellungskraft der männlichen Hauptfigur, einem jungen Studenten, der in Eliante verliebt ist, aber auch mit der des Lesers. Letzterer und die männliche Hauptfigur müssen versuchen, die Zeichen und Bedeutungen der Akte und Objekte Eliantes zu verstehen. Im Roman verwischen die Unterschiede zwischen Hässlich und Schön, „normal“ und „anormal“. Die Inszenierung des Selbstmords Eliantes am Ende der Handlung ist fast schön, auf alle Fälle das gelungene Zurschaustellen eines „horreur sacrée“.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Rachilde (Quelle: Hawthorne, Melanie C.: Rachilde and French w omen’ s a uthorship : from d ecadence to m odernism, Lincoln: University of Nebraska Press 2001, Umschlag u. S. 141)

Abbildung 2: La Dame au singe (Quelle: Lingua, Catherine: Ces Anges du Bizarre: Regard sur une aventure esthétique de la Décadence, Paris: Librairie Nizet 1995, Planche II)

Der Künstler ist der Schöpfer schöner Dinge.

Kunst zu offenbaren und den Künstler zu verbergen

Ist Ziel der Kunst. […]

Alle Kunst ist zugleich Oberfläche und Symbol.

Wer unter die Oberfläche dringt, tut es auf eigene Gefahr.

Wer das Symbol entschlüsselt, tut es auf eigene Gefahr.

In Wirklichkeit spiegelt die Kunst den Betrachter und nicht das Leben. […]

Alle Kunst ist völlig unnütz.

(Oscar Wilde: Das Bildnis der Dorian Gray)

1 Einleitung

Kaum eine andere Wissenschaft ist so interdisziplinär angelegt wie die Literaturwissenschaft. Im Verlaufe eines Germanistik-Studiums stößt man immer wieder an seine eigenen Wissens-Grenzen und gewinnt die Erkenntnis, dass die Literaturwissenschaft ein „zu weites Feld“ – oder positiver betrachtet: ein „sehr weites Feld“ – ist. Die Beschäftigung mit Literatur ist nie „nur“ Literaturbetrachtung: Einflüsse der Geschichte eines Landes oder Kulturkreises spielen eine Rolle beim Verfassen eines Textes und helfen und beeinflussen beim Lesen desgleichen, die Kenntnis der verschiedenen Gattungen hilft außerdem beim Erschließen einer literarischen Schrift und fast selbstverständlich holt sich der Leser Informationen über den Autor ein. Im Studium wird man mit verschiedenen Methoden der Textinterpretation vertraut gemacht und spätestens hier bemerkt man schnell, dass Lesen nie objektiv sein kann und mehrere Lesarten zu gleichen oder ganz verschiedenen Auslegungen führen können. Wenn nun ein deutscher oder französischer Literaturwissenschaftler Werke interpretiert, so wird man auch hier länderspezifische Unterschiede feststellen können. Das ist spannend und führt in letzter Instanz immer wieder zum eigentlichen Gegenstand der Literaturwissenschaft zurück, zum Kunstwerk selbst.

Die Diskussionen, ob ein Schriftstück zur „Schönen Literatur“ gehört oder nicht, ob es lesenswert ist oder nicht und ob es dem universitären Kanon Genüge leistet sind immer von größter Aktualität. Hätten wir gerade nicht von Literaturwissenschaft gesprochen und würde der Begriff des Kunstwerks nun fallen, so würde man möglicherweise nicht sofort an die Literatur denken, sondern mehr an Bildhauerei, Malerei oder Kunst allgemein. Dass die Literatur eng verwoben ist mit den anderen Künsten wie Musik, Bildhauerei, Malerei und neuerdings auch Design, Film und Fotografie[1] ist nicht neu und wurde spätestens durch Aristoteles Formenlehre herausgearbeitet und viele Jahrhunderte lang diskutiert. Hier tut sich auch der Zusammenhang zwischen Inhalt und Form auf, der in jeder der verschiedenen Kunstarten eine elementare Rolle spielt.

Der Begriff der Schönen Literatur, eine Übersetzung des französischen Belles Lettres, wurde im 19. Jahrhundert nötig, als der Begriff der Literatur neu definiert wurde. Im 18. Jahrhundert sprach man noch von den Schönen Wissenschaften und generell bezeichneten sowohl die Schönen Wissenschaften als auch die Schöne Literatur mündliche Überlieferungen, die einen Wert als „Kunst“ gewannen. Heute wird der Begriff der Schönen Literatur eher selten benutzt und er umschließt seit dem 20. Jahrhundert die drei Gattungen Lyrik, Dramatik und Epik. Neben Inhalt und Form spielt demnach auch die Schönheit eines Textes eine wichtige Rolle in der Literaturwissenschaft?

Doch was ist „schön“? Fänden die Griechen der Antike das schön, was wir heute als ästhetisch annehmbar empfinden? Wenn Thomas Mann in seinem Collegheft während einer Vorlesung über die Ästhetik schreibt: „Die Professoren beachten vor allem niemals den Unterschied zwischen klassischer Ästhetik und Décadence -Ästhetik und sie bedenken nicht, daß unserer Zeit die klassische Ästhetik, die sie lehren, völlig fremd sein muß“[2], so macht er uns eben auf diesen temporären und kulturellen Unterschied aufmerksam, der die Einschätzung von Schönem so schwierig macht. Und mehr noch: Möglicherweise versteht der Rezipient[3] diese Schönheit und das Trachten nach Schönheit und einer angemessenen Form gar nicht mehr. Vielleicht braucht er auch das Hässliche, um so die Art und Weise der Sinnlichkeit und/oder Sinnhaftigkeit eines Kunstwerkes in Verbindung mit seinen aktuellen Zeichensystemen zu verstehen, die sich seit der Zeit der Entstehung des Kunstwerkes verändert haben.

Eine zu lange Einleitung wie diese verstößt gegen das Regelwerk einer wissenschaftlichen Arbeit, die Form dieser Arbeit ist nicht gewahrt. Der Leser erwartet schon lange eine Hinführung zum eigentlichen Thema dieser Arbeit. Diese Einleitung zeigt, dass das Nicht-Wahren ästhetischer und/oder wissenschaftlicher Normen manchmal durchaus störend sein kann. Wir werden uns im Folgenden genau damit beschäftigen. Die französische Autorin Rachilde wurde als „la Reine de décandents“ bezeichnet. Sie müsste also eigentlich den Regeln der „Décandence“ des Fin-de-Siècle gehorchen und als „Königin der Dekadenten“ in ihren Werken gegen die guten Sitten, und somit gegen die ästhetischen und gesellschaftlichen Normen, geschrieben haben. In unserer Arbeit werden wir uns darauf beschränken, ästhetische Aspekte in ihrem im Jahre 1900 veröffentlichten Roman La Jongleuse herauszuarbeiten.

In einem ersten Teil gehen wir auf biographische Daten Rachildes ein, da das Leben der Autorin durchaus interessant ist. Außerdem wird es uns so leichter fallen, ihr Schreiben in einen größeren Zusammenhang mit den Einflüssen ihrer Zeit sehen zu können. In diesem Abschnitt erörtern wir kurz die literarischen Strömungen um 1900, um dann in einem zweiten Teil die ästhetischen Aspekte in La Jongleuse analysieren zu können. In diesem zweiten Teil werden wir v.a. textimmanent vorgehen, wobei wir versuchen, ästhetische Theorien einfließen zu lassen, und auch den Ästhetizismus, der um die Jahrhundertwende das literarische Schaffen beeinflusste. Bekannt wurde Rachilde mit ihrem provokativen Roman Monsieur Vénus, der auch heute noch in literaturwissenschaftlichen Texten behandelt wird. La Jongleuse vereint Elemente aus dem Tanz, der Bildhauerei und besticht durch seinen bildhaften Beschreibungsstil. Wir werden demnach die Verknüpfung von Musik und Tanz, Bildhauerei, Malerei und Literatur genauer untersuchen und versuchen, dadurch den Text besser zu erschließen.

2 Literarische Einordnung des Romans La Jongleuse

2.1 Über Rachilde

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Rachilde (Nachzeichnung einer Fotografie)

2001 hat Melanie Hawthorne eine interessante Biografie über Rachilde verfasst: Rachilde and French women’s authorship: from decadence to modernism. Sie rückt die Mythen, die in früheren, klassischeren Biografien über Rachilde entstanden sind in ein anderes Licht und schreibt auch eine neue Form der Biografie[4]. Wir werden im Laufe dieser Darstellung Rachildes Leben immer wieder auf Hawthornes Biografie zurückgreifen. Eine große Hilfe war auch ein Text, der im Internet[5] zu finden ist und von Nelly Sanchez verfasst wurde. Auch auf diesen werden wir uns im Laufe der Darstellung Rachildes Leben immer wieder stützen.

2.1.1 A story-teller is born

Marie-Marguerite Eymery, die sich ab 1876 Rachilde[6] nennen wird, wurde am 11. Februar 1860 in Le Cros bei Périgueux geboren. Claude Dauphiné schreibt in ihren Biografien über Rachilde:

C’est en 1860 que Marguerite Eymery voit le jour, en Périgord vert, dans la vieille demeure familiale du Cros, non loin de Château-l’Evêque et tout près de Périgueux. La petite fille, promise à une étonnante destinée littéraire sous le pseudonyme de Rachilde, arrive au monde un 11 février à minuit, dans cette province excentrée qui avait déjà donné au pays un Brantôme, et, plus récemment, un Eugène Le Roy. Minuit … détail fourni par Ernest Gaubert qui s’en remettait à Rachilde, détail mensonger puisque l’acte de naissance de Marie Marguerite Eymery, rédigé le 12 février 1860, à la mairie de Château-l’Evêque, indique qu’elle est née à « six heures du matin. »

Saturnienne, du signe du Verseau, elle choisit pour sa naissance l’heure romanesque par excellence et le décor le plus sombre autant que le plus romantique.[7]

Die erste Version der Biografie von Claude Dauphiné wurde in Kursivschrift angegeben, die zweite, überarbeitete und durch Polizeiakten ergänzte Fassung in Normalschrift. Die in Kursivschrift angegebene Textstelle findet sich in fast gleichem Wortlaut in den Biografien über Rachilde von Ernest Gaubert und von André David. Diese fast romanhafte Beschreibung erwähnt Datum, die Stunde und den Ort der Geburt, ohne dabei das Sternzeichen zu vergessen und sieht die zukünftige Beschäftigung als Schriftstellerin schon fast voraus oder legitimiert diese zumindest im Nachhinein. Hawthorne hat es folgendermaßen zusammengefasst und analysiert:

All three biographers [Ernest Gaubert, André David et Claude Dauphiné, EH] stress the literary connections with Rachilde’s birth, Gaubert and David perhaps prompted by Rachilde herself, as though to offer a veiled warning that Rachilde is a born storyteller.[8]

Hervorzuheben ist auch, dass die Biografen die Autoren Brantôme[9] et Eugène Le Roy[10] erwähnen, die in der gleichen Gegend geboren wurden wie Rachilde. Somit schreiben sie die Autorin in eine Literatur-Tradition ein, was gerade für SchriftstellerInnen um 1900 nicht selbstverständlich war. Gerade diese Verbindung mit der literarischen Vor-Welt Rachildes zeigt die Wertschätzung der Biografen für Rachilde.

Als einziges Kind von Gabrielle Faytaud (Erbin einer der einflussreichsten Familien im Périgord) und Joseph Eymery (erfolgreicher Militär) verlebt Rachilde eine ziemlich einsame Kindheit, zum größten Teil von ihrer Amme Lala und ihrer Großmutter erzogen. Armut musste sie trotz der Kriegswirren nicht erleiden. Vor allem in Haus der Großmutter entdeckt sie die Lektüre und liest alles, was ihr unter die Hand kommt – auch Bücher von Rachilde, einem schwedischen Edelmann des 16. Jahrhunderts, dessen Namen sie als literarisches Pseudonym annehmen wird. Da Rachildes Vater beim Militär ist, bleibt die Familie nie lange in einer Stadt. Ihre Mutter hatte eher schwache Nerven und litt unter der familiären Situation und der Ehe mit Joseph. Dies geht sogar so weit, dass man ihre nachsagt, sie hätte einen Hang zur Verrücktheit gehabt[11]. Der Vater war nach der Niederlage von 1870 schweigsam und gewaltsam geworden und das junge Mädchen ist immer mehr auf sich alleine gestellt. Die Beziehung Rachildes zu ihrer Mutter wird mit der Zeit immer schwieriger. Sie akzeptiert die artistische Ader ihrer Tochter nicht und diese wird sich mehr und mehr ihrem Vater zuwenden, der wiederum lieber einen Sohn gehabt hätte. In ihren Memoiren Quand j’étais jeune, schreibt Rachilde über ihren Vater:

Mon père ne parlait pas, ne s’expliquait pas ; il savait beaucoup de choses, et les subissait sans se plaindre : était-il très fort par endurance de son métier militaire, ou par indifférence naturelle ? Je lui ai souvent entendu dire que la plus grande noblesse est de savoir garder le silence, se taire, sous les armes … en guerre, comme pendant la paix.[12]

Ihr Vater versteckt sich im Schweigen, einer traditionell weiblichen Tugend übrigens, und veranlasst indirekt Rachilde dazu, eine andere Art der Äußerung zu finden. Sie wird mit dem Schreiben beginnen und verfasst zwischen 1877 und 1880 einige hundert kleine Artikel, die in verschiedenen Lokalzeitungen erscheinen.

2.1.2 Rachilde, homme de lettres

1878, nachdem sie die Verlobung mit einem der Offiziere aus dem Regiment ihres Vaters gelöst hatte, beschließt Rachilde nach Paris zu gehen, um dort ihr Glück im literarischen Milieu zu versuchen. Um sich zu finanzieren, schreibt die junge Frau Artikel für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften. 1880 erscheint im Feuilleton des L'École des femmes einer ihrer ersten Romane mit dem Titel La Dame des bois. Im gleichen Jahr erscheint Monsieur de la Nouveauté, der nicht weitere Beachtung erlangt. Das Jahr 1884 macht Rachilde wirklich bekannt, nicht wegen ihres Kinderbuches Histoires bêtes pour amuser les petits enfants d'esprit, sondern wegen des Romans Monsieur Vénus, der die öffentliche Meinung skandalisiert. Die Geschichte handelt von der Passion eine Frau, die wie ein Mann ihren Liebhaber liebt und sich dementsprechend benimmt. Monsieur Vénus zählt bis heute zu den wohl bekanntesten Werken Rachildes.[13] Bis zum Ende ihres Lebens wird Rachilde Themen wie Abweichung, Verderbnis und sexuelle Perversion behandeln; so erscheint 1885 Nono, 1886 La Marquise de Sade, À Mort, La Virginité de Diane, 1888 Madame Adonis und 1889 Le Mordu. 1893 erscheint L'Animale, ein Titel der ähnlich wie Monsieur Vénus, einen Skandal heraufbeschwört.

Rachilde weiß sich in Szene zu setzen und benutzt gekonnt die Methoden der Werbung. Sie gehört zu den Ersten, die bei der Polizei die Erlaubnis erbeten, Männerkleidung tragen zu dürfen. Die ersten Artikel in der Tageszeitung ihres Wohnortes wurden übrigens nur deswegen veröffentlicht, weil sie als Junge verkleidet in die Redaktion kam und so überhaupt die Möglichkeit hatte, ihre Artikel präsentieren zu dürfen[14]. Sie trug fortan kurzes Haar und ließ Visitenkarten mit der Aufschrift "Rachilde, homme de lettres" drucken. Diese von ihr kreierte, eher provozierende Figur entsprach nicht ganz der Realität:

Many critics used the contrast between the knowledge of human sexuality displayed in her works and her reputedly virginal status to heighten the piquancy of her work.[15]

Auf dem Ball Bullier lernt sie ihren zukünftigen Mann, Alfred Vallette (1858-1935) kennen und lieben. 1889 werden sie heiraten und ein Jahr später kommt ihre Tochter Gabrielle zur Welt.

[...]


[1] Design spielt in Werbetexten, die mit rhetorischen Figuren arbeitet, eine Rolle. Die v.a. in Deutschland sehr populäre Pop-Literatur (Pop steht hier sowohl für populär als auch für die Pop-Musik) spielt mit sehr „designten“ Buch-Covern. Die Internet-Literatur (z.B. http://www.cyberprosa.de) hat die Möglichkeit eine eigene, kooperative Ästhetik zu schaffen. Des Weiteren haben auch Film und Fotografie einen ästhetischen Charakter.

[2] Vgl. Thomas Mann zit. in: Schmitt, Axel: Der Zauberer im Hörsaal, Thomas Manns "Collegheft 1894-1895", http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=4619. Dieses Zitat ist im Original folgendem Werk entnommen: Thomas Mann: Collegheft 1894–1895, Ed. par Yvonne Schmidlin et Thomas Sprecher (Thomas-Mann-Studien 24) Frankfurt / M.: Klostermann 2001.

[3] In unserem Teil 2.3.4 Wirkungsästhetik und Rezeptionsästhetik werden wir näher auf die Rolle des Rezipienten eingehen, der seit den Theorien der Wirkungsästhetik und Rezeptionsästhetik eine wichtigere Rolle einnehmen wird. In dieser Literaturtheorie wird immer wieder die Rolle des Rezipienten herausgearbeitet und die Frage gestellt, ob es denn einen „idealen Leser“ wirklich gebe. Dabei wird Kunst allgemein von verschiedenen Rezipienten aufgenommen: Vom Leser/Betrachter und Kritiker zur Zeit der Entstehung des Werkes und später, vom Künstler selbst, von Literaturwissenschaftlern, von Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen und aus unterschiedlichen sozial-ökonomischen Systemen. Die Moderne gilt hier als wichtiger Einschnitt: geistesgeschichtlich mit der Aufklärung, politisch mit der Französischen Revolution, ökonomisch mit der Industrialisierung. In der Kunst gilt das frühe 20. Jahrhundert als die klassische Moderne – auch deswegen ist die Analyse eines Romans, dessen Entstehung in diese Zeit fällt, so interessant.

[4] Für Liebhaber von Biografien demnach unbedingt lesenswert: Melanie C. Hawthorne: Rachilde and French women’s authorship: from decadence to modernism, Lincoln: University of Nebraska Press 2001.

[5] Auch im Internet findet man mittlerweile einige Texte zu Rachilde: z.B. http://perso.wanadoo.fr/tybalt/LesGendelettres/biographies/Rachilde.htm. Kaum besser kann das Leben Rachildes zusammengefasst und dargestellt werden. Unsere Darstellung ist demnach auch durch dieses Porträt von Nelly Sanchez geprägt. Auch in Wikipedia hat es Rachilde schon geschafft: http://fr.wikipedia.org/w/index.php?title=Rachilde. Gerade Quellen aus dem Internet sollten immer auf ihren Wahrheitsgehalt untersucht werden: In der Version des Wikipedia-Artikels über Rachilde vom 6. August 2005 http://fr.wikipedia.org/w/index.php? title=Rachilde&oldid=2933748 war als Geburtsjahr noch das Jahr 1862 angegeben. Selbst Le Monde gab in ihrem Nachruf auf Rachilde im Jahre 1953 das Jahr 1862 als Geburtsjahr der Autorin an. Rachilde selbst hat des Öfteren dieses Datum angeführt und ist demnach Urheberin dieser Verwirrung.

[6] Zur Wahl dieses Pseudonyms und zu seiner Rolle, s. Hawthorne 2001, S. 65f.

[7] Die Passagen stammen aus zwei Biografien über Rachilde: Dauphiné, Claude: Rachilde, Paris: Mercure de France 1991 et ibm. : Rachilde : Femme de lettres, 1900. Périgueux : Pierre Fanlac 1985, zit. in : Hawthorne 2001, S. 14. Hawthorne analysiert koherent diese beiden Auszüge und stellt diese in einen größeren Zusammenhang mit den drei klassischen Biografen, die die zukünftige Beschäftigung Rachildes vorhersehen (« telling stories »).

[8] Hawthorne 2001, S. 15.

[9] Pierre de Bourdeille (etwa 1540 - 1614), genannt Abbé oder Seigneur de Brantôme, zählte zu den eher „leichten“ Schriftstellern. Bekannt wurde er durch die Sammlung Les dames galantes. Er verfasste Chroniken, Reise- und Kriegsberichte sowie Biografien. Er hatte eine hohe Wertschätzung für Frauen, liebte sie und schwärmte v.a. für die Königin Margot und Catherine von Médicis.

[10] Eugène Le Roy (1836-1907): Er schrieb Jacquou le Croquant, die Geschichte eines Jungen, die auf wahre Gegebenheiten basiert und an wahren Schauplätzen stattfindet.

[11] Rachilde selbst litt in ihren Pariser Jahren sehr an den Gemütszuständen ihrer Mutter und hatte große Angst, selber verrückt zu werden. Vgl. Hawthorne 2001, S. 185ff.

[12] Rachilde, Quand j’étais jeune, S. 70, zit. in: Hawthorne 2001, S. 37.

[13] Dieser Roman wird bald nach seiner Veröffentlichung durch den belgischen Herausgeber Auguste Brancart die französische Polizei interessieren. Deswegen wurde die Auflage von 1889 – die sogar bis heute die weitverbreiteste ist – um einige Passagen „erleichtert“.

[14] Man weiß nicht, ob Rachilde Männerkleidung tragen wollte, da dies die finanziellen Ausgaben einschränken würde (wie sie behauptete), oder aber um ins Gespräch zu kommen. Nachdem sie die Erlaubnis hatte, zögert Rachilde nicht, diese bis aufs Äußerste auszukosten.

[15] Hawthorne 2001, S. 86.

Ende der Leseprobe aus 45 Seiten

Details

Titel
Ästhetische Aspekte in "La Jongleuse" (1900) von Rachilde
Hochschule
Université Sorbonne Nouvelle Paris III  (Institut d'Allemand)
Veranstaltung
Seminar über Ästhetik
Note
1,5
Autor
Jahr
2006
Seiten
45
Katalognummer
V56715
ISBN (eBook)
9783638513326
ISBN (Buch)
9783656790891
Dateigröße
676 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Aspekte, Jongleuse, Rachilde, Seminar
Arbeit zitieren
Elisabeth Hecht (Autor:in), 2006, Ästhetische Aspekte in "La Jongleuse" (1900) von Rachilde, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56715

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