Geschichtliche Grundlagen des deutschen Strafverfahrensrechts


Seminararbeit, 2002

40 Seiten, Note: 13 Punkte


Leseprobe


Gliederung

A. Aufgabenstellung

B. Die Frühzeit
I. Die Rezeption
II. Die Peinliche Gerichtsordnung
III. Der Gemeine deutsche Strafprozess

C. Die Aufklärung
I. Die strafprozessuale Entwicklung der Aufklärung in Frankreich und Italien
II. Die strafprozessuale Entwicklung der Aufklärung in Deutschland
III. Das Strafverfahrensrecht Preußens unter Friedrich dem Großen
IV. Die Preußische Kriminalordnung vom 11. Dezember 1805

D. Die rechtsstaatlich-liberale Epoche
I. Das französische Prozessrecht als Vorbild
II. Die Prozessreform in den deutschen Staaten

E. Die Entstehung der RStPO

F. Die Entwicklung des Strafprozesses im 20. Jahrhundert

G. Fazit

H. Literaturverzeichnis

A. Aufgabenstellung

Ein öffentliches, akkusatorisches Strafverfahren, welches vor einer unabhängigen Justiz geführt wird, ist ein wesentlicher Bestandteil jedes modernen freiheitlich-demokratischen Rechtssystems. Selten spiegelt sich das Verhältnis zwischen dem einzelnen Bürger und dem Staat so deutlich wider, wie im Strafprozess.

Wann und wie hat sich unser modernes Strafverfahrensrecht entwickelt? Auf welchen Wurzeln beruht es? Wie vollzog sich der Wandel vom Prozessrecht der Straftat zum Prozessrecht des Straftäters?

Gegenstand dieser Arbeit soll es nicht sein, eine möglichst umfassende historische Entwicklung des Strafverfahrens auf deutschem Boden darzustellen. Vielmehr besteht die Aufgabe darin, die Entwicklung des deutschen Strafprozesses vom frühen 16. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts und die großen Veränderungen zu skizzieren, die diesem in der Zeit unterlief. Dabei soll weniger die pure Ereignisgeschichte dargestellt werden. Es sollen vielmehr Rechtsentwicklungen und Rechtsgedanken im Kontext ihrer Zeit dem Leser begreiflich, sowie deren Einfluss auf die Rechtsprechung und Gesetzgebung aufgezeigt werden.

Aus diesem Grund soll im Folgenden herausgearbeitet werden, wann und woher das Gedankengut kam, welches den deutschen Strafprozess seit der Entstehung der Constitutio Criminalis Carolina bis ins Kaiserreich des 19. Jahrhunderts hinein einem konstanten Entwicklungsprozess unterzog, auf dem letztlich unser modernes Strafverfahrensrecht beruht.

Der Vollständigkeit halber wird die strafprozessuale Entwicklung im 20. Jahrhundert am Ende der Arbeit knapp skizziert.

B. Die Frühzeit

I. Die Rezeption

Der einheimische deutsche Strafprozess wies gegen Ende des 15. Jahrhunderts zunehmend Missstände und Mängel auf. Die Anwendung der Folter war an keinen bestimmten Verdachtsgrad gebunden, sondern lag im Ermessen des Inquerenten. Das Verfahren des Inquisitionsprozess bestand darin, dass der Richter das Bestreben hatte, den von ihm zur Untersuchung Gezogenen, den Inquisiten, zu überführen. Dies hatte sich zum Normalverfahren gegen jeden einer Straftat Verdächtigen entwickelt. Auch nichttodeswürdige Taten konnten inquisitorisch verfolgt werden.

Das deutsche Prozessrecht wies bis dorthin kaum Entwicklung wissenschaftlicher oder systematischer Art auf. Keine der seit dem 13. Jahrhundert entwickelten Verfahrensarten verdankte seiner Existenz der Frage, wie sich mit den Mitteln der Justiz der Schuldige finden, der Unschuldige aber vor Strafe bewahrt werden soll und welche Beschränkungen deswegen den Verfolgungsbehörden auferlegt werden muss. Vielmehr führte der hemmungslose Gebrauch der Folter zu Zuständen, die dafür sorgten, dass dem Reichskammergericht im Jahre 1495 zahlreiche Klagen über Willkür in Strafsachen und Justizmorde zugingen.

Das Reichskammergericht wurde im Zuge der Reichsreform und Aufrichtung des "Ewigen Landfriedens" im Jahre 1495 unter Maximilian I. als oberstes Gericht des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation gegründet.[1] Es hatte die Aufgabe, anstelle von Fehde, Gewalt und Lösegelderpressung ein geregeltes Streitverfahren von Gericht zu entwickeln und damit Rechtskonflikte in friedliche Bahnen zu lenken.[2] Nach Aufenthalten in verschiedenen süd- und südwestdeutschen Städten war es ab 1527 in Speyer und nach dessen Zerstörung von 1689 bis zum Ende des Alten Reichs 1806 in Wetzlar ansässig Die Beschwerden, die das Reichskammergericht erhielt, waren derart dringlich und zahlreich, dass es diese 1496 der Reichsversammlung zugeleitet hat. Diese wiederum gab 1498 dem Freiburger Reichstag den Anstoß zu einer Reform der Strafrechtspflege.[3] Woher sollten jedoch entsprechende Rechtsgedanken kommen?

In Italien fand sich zu dieser Zeit ein hochentwickeltes Recht, das weder rein römisch noch kanonisch war. Vielmehr war es eine Verschmelzung und Fortentwicklung durch die italienischen Rechtsschulen der Glossatoren und Postglossatoren[4], die der praktischen Rechtspflege ihrer Zeit dienen wollten und deren Arbeit daher durch die Gerichtspraxis wesentlich beeinflusst wurde. Ferner legten sie Wert auf klare Begrifflichkeiten und Systematisierungen, die dem deutschen Recht abgingen. Von dieser Lehre wurden jedoch weniger inhaltliche Regelungen übernommen („rezipiert“), sondern eher die juristisch-wissenschaftliche Methode.

Das Gedankengut der Rezeption wurde vom neuen Typus des fachlich gebildeten Rechtsanwenders getragen. Viele Deutsche absolvierten ihr Studium an oberitalienischen Universitäten und brachten das erlernte Gedankengut nach Deutschland zurück; später ermöglichten auch deutsche Universitäten die systematische Kenntnis des italienischen Rechts.[5] Die italienischen Rechtsgedanken kamen noch auf eine weitere Art nach Deutschland: So sorgten zwei private Rechtsspiegel, der richterliche Klagespiegel von 1470/1516 und der Laienspiegel von 1509 als populärwissenschaftliche Literatur für die entsprechende Verbreitung.[6]

Bei Rechtsspiegeln handelt es sich um private Aufzeichnungen des Rechts, die das bestehende ungeschriebene und durch Gerichtsgebrauch überlieferte Gewohnheitsrecht im Sinne vorbildhafter Lebensregeln wiedergibt (deshalb "Spiegel").[7] So berichtet der Verfasser des Laienspiegels, Ulrich Tengler, dass er in seiner praktischen Tätigkeit häufig bei Problemen den Rat Rechtsgelehrter einholen musste. Um daraus einen praktikablen Leitfaden zu erstellen habe er „manigerlay wolgegründeter ordnungen, loblich gewonhaiten und gebrauch in latein und teutsch zu wegen gebracht.“[8]

Lange Jahre umstritten war die These Eberhard Schmidts, dass sich der (weltliche) Inquisitionsprozess in Deutschland lange vor der Rezeption und damit ohne italienischen Einfluss entwickelt habe.[9] Diese These gilt jedoch mittlerweile als widerlegt. Zwar war auf deutschem Boden die Folter als physisches Zwangsmittel im weitesten Sinne schon vor dem Entstehen des Inquisitionsprozesses zu finden. Entscheinend ist jedoch, dass sie zum eigentlichen Bereich des Inquisitionsprozesses mit der „peinlichen Frage“ gehört. Nur, wenn eine solche Verbindung nachweisbar ist, kann man von einem Element des Inquisitionsprozesses sprechen.[10] Letztlich können neuere Untersuchungen nachweisen, dass die Folter als kodifizierter integraler Prozessbestandteil erst in den zwanziger Jahren des 14. Jahrhunderts in Erscheinung tritt.[11]

II. Die Peinliche Gerichtsordnung

1. Die Leistung der Rezeption wird deutlich, wenn man die mit ihrem Gedankengut erlassenen Gesetze mit früheren Halsgerichtsordnungen vergleicht. Die Halsgerichtsordnungen stellten die ersten deutschen Strafprozessordnungen dar und entstanden in der zweiten Hälfte des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts. (Ellwanger, 1466; Nürnberger, 1485;Tiroler, 1499; Radolfzeller 1506) Sie dienten dazu, um an den sogenannten Halsgerichten, den Gerichtsbarkeiten für schwere Verbrechen, das Verfahren gesetzlich festzulegen.[12] Zunächst blieben die Regelungen auf einige Städte beschränkt; seit dem Ende des 15. Jahrhunderts erlangten einige überregionale Bedeutung, wie z.B. die Tiroler oder Radolfzeller Halsgerichtsordnung.[13]

Zwar kodifizieren die Gesetze der Rezeptionszeit harte Strafen und die Anwendung der Folter, jedoch wird zum ersten Mal das grenzenlose Ermessen des Richters ansatzweise eingeschränkt.

Auf den Gedanken der Rezeption basiert die Peinliche Gerichtsordnung (PGO) oder auch Constitutio Criminalis Carolina (CCC) genannt, die unter Kaiser Karl V. 1532 als Reichsgesetz erlassen wurde.

Zuvor waren die neuen Rechtsgedanken in die Aufzeichnungen einzelner Städte eingedrungen: 1498 wurde erstmalig in der Wormser Reformation rezipiertes Gedankengut kodifiziert. Johann Freiherr von Schwarzenberg[14] schaffte 1507 als Vorsitzender des bischöflichen Hofgerichts in Bamberg die Constitutio Criminalis Bambergensis (CCB). Mit der CCB wurde die deutsche Praxis umfassend mit der fremden Rechtslehre verbunden. Die darin enthaltene Tragweite und die Überlegenheit des neuen Rechtsdenkens sind frühzeitig erkannt worden. So sind zahlreiche Bestimmungen der CCB wörtlich in die CCC übernommen worden und haben damit Geltung für das gesamte Reich erlangt. Somit ist auch die CCC zum großen Teil sachlich Schwarzenbergs Werk. Es ist äußerst bemerkenswert, dass der Rezeptionsvorgang in der CCB und der CCC durch einen bewussten Rechtsetzungs- und Gestaltungsakt eines einzelnen großen Rechtsdenkers eingeleitet und in einheitlich feste Bahnen gelenkt worden ist.[15]

2. Die CCC befasste sich in erster Linie mit dem Prozessrecht. Lediglich im Abschnitt über das Urteil ist materielles Strafrecht eingefügt. Rein äußerlich betrachtet, ist nach wie vor der althergebrachte Anklageprozess die in erster Linie in Betracht kommende Prozessart. Bei diesem Privatklageverfahren obliegt die Erhebung der Anklage dem Verletzten, oder einem seiner Verwandten oder Freunde. Die Tatsachenermittlung übernahm nicht das Gericht; vielmehr oblag diese der Initiative der Parteien.[16]

Jedoch existierte der privatrechtliche Strafanspruch in der CCC kaum mehr, da die Fürsten und die Städte die Strafverfolgung als hoheitliche Aufgabe erkannt haben. Das Anklageverfahren war zwar grundsätzlich noch möglich, jedoch versuchte man den Kläger von diesem Verfahren abzuschrecken. Dies geschah einmal durch eine zu erbringende Sicherheitsleistung; zum anderem wurde der Kläger für die Dauer des Verfahrens ebenfalls in Haft genommen (Art. 12 CCC).[17] In aller Regel erfolgte die Aufnahme des Verfahrens jedoch von Amts wegen (Art. 6 CCC). Die Durchführung selber blieb inquisitorisch.

Das Beweisrecht der Carolina war rein formal, so dass der Richter an bestimmte gesetzliche Beweisregeln gebunden war. Eine Verurteilung setzte entweder zwei einwandfreie Zeugen oder ein Geständnis voraus. Indizien genügen nicht zur Verurteilung; jedoch berechtigen sie, den Beschuldigten zu foltern, um auf diese Art und Weise ein Geständnis zu erhalten. Jedoch war die Folter an das Vorliegen erheblicher Indizien geknüpft, deren Beschreibung sorgfältig von Schwarzenberg ausgearbeitet wurde. So wird zur Anwendung der Folter ein Kapitaldelikt vorausgesetzt („...so die missethat eyner todtstraff halben kündtlich...“[18] ), sie muss in Relation zum Tatverdacht stehen und darf den Beschuldigten nicht unnötig verletzen. Der zugrundeliegende Gedanke war, dass eine Verurteilung nicht ausschließlich durch möglicherweise unzuverlässige Indizien erfolgen konnte; vielmehr war dazu grundsätzlich ein Geständnis vonnöten. Wurde dieses jedoch vom Angeklagten verweigert, so hielt man sich dazu berechtigt die „peinliche Frage“ zu stellen und diesen zu foltern. Dass ein unter der Folter abgegebenes Geständnis kaum Beweischarakter haben kann, war den Rechtsdenkern dieser Zeit durchaus bewusst, deswegen musste das Geständnis nach Beendigung der Folter wiederholt werden. Verweigerte der Angeklagte dann das Geständnis erneut, so musste er allerdings mit einer weiteren, eventuell noch schmerzhafteren Folterung rechnen. Art, Intensität und Dauer der Folter waren in der CCC jedoch nicht festgelegt, hier entschied allein der Richter.

Das Verfahren selber war schriftlich und geheim; lediglich bei den Vernehmungen mussten Schöffen anwesend sein. Erst nach Abschluss des eigentlichen Verfahrens fand ein öffentlicher Termin, der sog. endliche Rechtstag statt. Die Verhandlung, Beweiserhebung und Urteilsfindung war jedoch bereits vorher im schriftlichen geheimen Verfahren geschehen. Vielmehr fand hier nur eine Verkündung und gegebenenfalls öffentliche Vollstreckung des Urteils statt.

Die Richter und Schöffen besaßen nicht notwendigerweise eine juristische Ausbildung, so dass sie häufig der Auslegung und Anwendung des Rechts nicht fähig waren. Vor allem war ihnen das römische Recht unbekannt, auf das die CCC an vielen Stellen verwies. Diese Problematik war den Verfassern der Carolina bekannt, deswegen verlangte diese von den Gerichten bei allen schwierigen oder zweifelhaften Fällen die Aktenversendung an ein Hofgericht oder eine juristische Fakultät. Somit wurden die Professoren und die doctores iuris in einem geheimen und schriftlichen Verfahren zu Spruchrichtern gemacht, die, ohne den Angeklagten jemals zu Gesicht bekommen zu haben, das Urteil fällten.[19] Das Schöffengericht blieb bestehen, um nach Rückkunft der Akten das Urteil zu verkünden.

3. Gefahr drohte der Carolina als Reichsgesetz durch den damaligen deutschen Rechtspartikularismus. Sowohl die freien Reichsstädte als auch die größeren Territorialstaaten traten der CCC mit großer Skepsis entgegen, da sie sich in ihren Kompetenzen beschnitten sahen.[20] Um dieses Problem zu lösen wurde eine salvatorische Klausel in das Gesetz mit aufgenommen, die eine grundsätzliche Bindung an die Regeln der CCC vorsah, Landesrecht jedoch weitergelten ließ, sofern es an Geist und den Werten der Carolina gleichzusetzen war. Ungeachtet dieser Klausel wurde die Carolina jedoch schon bald zum Vorbild vieler Landesgesetze und hat in der Praxis formal die Geltung eines Reichsgesetzes erlangt.

Nichtsdestotrotz blieb die Carolina gegenüber dem Landesrecht nur subsidiär, so dass ihr Einfluss auf die Strafrechtspflege letztlich begrenzt blieb.[21]

III. Der Gemeine deutsche Strafprozeß

Aufbauend auf der Carolina hat sich in der Folgezeit der Gemeine deutsche Strafprozess entwickelt. In der Theorie bleibt der Anklageprozess (s.o. B II 2) bis in das 18. Jahrhundert hinein das reguläre Verfahren. In der Praxis jedoch herrscht der Inquisitionsprozess.[22]

Die Verteidigung hatte keine Möglichkeit, Beweismaterial dem Prozess beizubringen; ihre Möglichkeiten blieben darauf beschränkt, zu dem vom Richter gesammelten Material eine schriftliche juristische Würdigung abzugeben. Das Beweisrecht blieb nach den Vorschriften der Carolina formal. Lediglich bei einem fehlenden formalen Vollbeweis der Schuld oder Zweifeln an der Unschuld des Angeklagten konnte der Inquerent eine mildere so genannte Verdachtsstrafe aussprechen oder einen Freispruch verkünden unter dem Vorbehalt der jederzeitigen Wiederaufnahme des Verfahrens. In besonders schwerwiegenden Fällen wie Hexen- oder Ketzerprozesse entfiel nach damaliger Rechtsauffassung eine Bindung des Strafverfahrens und insbesondere der Ausübung der Folter an irgendwelche Ermessenseinschränkungen völlig. Der Gedanke, dass ein schwereres Delikt solche härteren Methoden erfordere, ließ Einwände, dass gerade dadurch dem Beschuldigten ein ordentliches Verfahren mit der Gelegenheit zu seiner Verteidigung zugute kommen müsse, nicht aufkommen.

Im absolutistischen Staat wurde der Laienrichter als Inquerent durch einen beamteten und von seinem Landesherrn abhängigen Richter ersetzt. In schweren Fällen bedurften Strafurteile der Bestätigung durch den jeweiligen Landesherrn, der diese nach Belieben aufheben, mildern oder schärfen konnte. Dieses Recht behielt sich der Monarch bis ins 19. Jahrhundert hinein vor.

C. Die Aufklärung

Im 17. Jahrhundert begann auf allen Gebieten eine Ablösung des mittelalterlichen Denkens durch eine Epoche des Vernunftrechts als spezielle Ausprägung des Naturrechts.[23] Unter Naturrecht ist grundsätzlich die Summe der allgemeingültigen Grundsätze einer gerechten Ordnung des gesellschaftlichen Lebens zu sehen, welche dem Maßstab für die Gerechtigkeit der Natur entnommen wird – sowohl der Natur des Menschen als auch der Welt insgesamt. Kennzeichen des Vernunftrechts des 17. und 18. Jahrhunderts war, dass es säkularisiertes Naturrecht war, also an sich selbst den Anspruch erhob auch zu existieren, wenn es keine Kirche gäbe.[24]

Die Schlagkraft der Naturrechtslehre beruht auf der eigenen Methode, die es sich schafft: Als Vorbild dient das Verfahren der Naturwissenschaften durch Analyse und Synthese einzelner Elemente der Erscheinung sichere Kenntnis zu gewinnen. Es wird sichtbar in den revolutionierenden Entdeckungen Galilieis und Newtons und bewirkt auch im straftheoretischen Denken eine Entwicklung der Dogmatik in systematisch-synthetischer Richtung.[25]

Ergänzt wurde diese Entwicklung durch das aufkommende Gedankengut der Aufklärung. Aufklärung wird durch Kant als „Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“ definiert.[26] Die Quelle allen Rechts wird damit in der menschlichen Vernunft erkannt. Dabei erfasst diese nicht nur, sondern erzeugt aus sich heraus den kritischen Maßstab für alle Erscheinungen des Rechts. Das Hauptanliegen aufklärerischer Rechtsdenker besteht somit darin, alles „überkommene“ Recht auf den Prüfstein der rational-sachlichen Betrachtung zu stellen.

[...]


[1] Zur Geschichte des Reichskammergerichts eingehend: Press, Reichskammergericht; Hausmann, Fern vom Kaiser, S.9 ff.

[2] So die Präambel zur Reichskammergerichtsordnung von 1555: „... dass alle newe und alte Ordnung, declaration und pesserung des cammergerichts [...] in ein buch zusammengezogen und gebracht werden solten [...] und sonst im reich solcher richtigen zusammengefaßten ordnung zum höchsten notturtig gewesen...“, entnommen aus Laufs, Reichskammergerichtsordnung, S. 59

[3] vgl. Roxin, Strafverfahrensrecht, § 69, Rdnr, 4

[4] dazu näher: Schmidt, Geschichte der Strafrechtspflege, § 86

[5] vgl. Rüping, Grundriss der Strafrechtsgeschichte, Rdnr. 110

[6] vgl. Roxin, Strafverfahrensrecht, § 68, Rdnr. 3; eingehend: Kaspers, vom Sachsenspiegel zum Code Napoléon, S. 122 ff.

[7] zu Herkunft und Bedeutung von Rechtsspiegeln: Zoepfl, Rechtsgeschichte, § 30; Schröder, Deutsche Rechtsgeschichte, § 54

[8] vgl. Tengler, in:Kaspers, vom Sachsenspiegel zum Code Napoléon, S. 124

[9] vgl. Schmidt, Geschichte der Strafrechtspflege, § 92

[10] dazu eingehend: Trusen, Strafprozeß und Rezeption, S. 29ff.;Oehler, Kaufmann-GS, S. 847ff.

[11] vgl. Hippel, Strafprozeß, S. 29; Rüping, Strafrechtsgeschichte, Rdnr. 178

[12] zu den Halsgerichtsordnungen näher: v. Bar, Geschichte des deutschen Strafrechts, S. 116f.; Sellert/Rüping, Gesichte der deutschen Strafrechtspflege, S. 191 ff.

[13] vgl. Sellert/Rüping, a.a.O.

[14] zu Schwarzenberg eingehend: Wolf, Rechtsdenker, S. 102-137

[15] vgl. Schmidt, Geschichte der Strafrechtspflege, § 87

[16] vgl. Rüping, Grundriß der Strafrechtsgeschichte, Rdnr. 133

[17] vgl. Schmidt, Die Carolina, S. 74

[18] vgl. Art. 8 CCC

[19] vgl. Rüping, Strafrechtsgeschichte, Rdnr. 113

[20] dazu näher: Schmidt, Geschichte der Strafrechtspflege, § 115

[21] vgl. Roxin, Strafverfahrensrecht, § 69, Rdnr. 4

[22] vgl. Laufs, Rechtsentwicklungen, S. 132

[23] vgl. Erler/Kaufmann, Luig, Handwörterbuch der deutschen Rechtsgeschichte, Bd. V, S. 782

[24] dazu eingehend: Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 249ff.; Erler/Kaufmann, a.a.O.

[25] vgl. Schmidt, Geschichte der Strafrechtspflege, § 203

[26] vgl. Kant, Was ist Aufklärung?, S 20

Ende der Leseprobe aus 40 Seiten

Details

Titel
Geschichtliche Grundlagen des deutschen Strafverfahrensrechts
Hochschule
Universität Bayreuth  (Rechts- und wirtschaftswissenschaftliche Fakultät)
Note
13 Punkte
Autor
Jahr
2002
Seiten
40
Katalognummer
V5678
ISBN (eBook)
9783638134880
Dateigröße
655 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geschichtliche, Grundlagen, Strafverfahrensrechts
Arbeit zitieren
Karsten Leffrang (Autor:in), 2002, Geschichtliche Grundlagen des deutschen Strafverfahrensrechts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5678

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Geschichtliche Grundlagen des deutschen Strafverfahrensrechts



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden