Die Differenzierung der Lebensphase Jugend - dargestellt am Beispiel der Technobewegung


Diplomarbeit, 2001

119 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Anstelle eines Vorworts

1. Einleitung

2. Das gesellschaftliche Umfeld und sein Einfluss auf das Individuum
2.1 Von der Moderne zur reflexiven Modernisierung
2.1.1 Das Industriezeitalter und die Fortschrittsreligion
2.1.2 Die große Verheißung erfüllte sich nicht
2.1.3 Die reflexive Modernisierung
2.2 Auswirkungen der reflexiven Modernisierung auf das Individuum bzw. die Individualisierung im Strukturwandel der Moderne
2.2.1 Der Arbeitsmarkt als antreibende Kraft der Individualisierung
2.2.1.1 Bildung
2.2.1.2 Mobilität
2.2.1.3 Konkurrenz
2.2.2 Begriffliche Definition der Individualisierung
2.2.2.1 Die Bastelexistenz 20
2.2.2.2 Die Vergesellschaftung
2.2.3 Das Herausfallen einiger Menschen aus der materiellen Kultur
2.2.3.1 Die Armutsfalle
2.2.3.2 Risiko-, Gefahrenbiografien und Exklusionsexistenzen
2.3 Konsequenzen der Individualisierung auf die Familie 24
2.3.1 Das Binnenverhältnis individualisierter Familienmitglieder
2.3.2 Wahlverwandtschaften
2.4 Zusammenfassung

3. Die Lebensphase Jugend
3.1 Zur Differenzierung des Lebensabschnitts Jugend
3.2 Assoziationen zur Lebensphase Jugend
3.3 Historischer Rückblick
3.4 Körperliche Veränderungen im Jugendalter
3.4.1 Größenwachstum und Entwicklung der Geschlechtsreife
3.4.2 Psychische Folgen der Pubertät
3.5 Kognitive Entwicklung im Jugendalter
3.5.1 Das formallogische Denken
3.5.2 Auswirkungen der kognitiven Entwicklung
3.6 Individuation im Jugendalter
3.7 Sozialisation im Jugendalter
3.7.1 Die Familie als ambivalente Bezugsgruppe
3.7.2 Die Peer-group und ihre Funktion
3.7.3 Die Schule als instrumentalisierter Lebensbereich
3.7.4 Berufliche Ausbildung und Beruf
3.8 Jugend zwischen dem 20. und 21. Jahrhundert
3.8.1 Der Strukturwandel der Jugendphase
3.8.2 Die Pluralität der Jugend
3.8.3 Die Entstandardisierung der Jugendphase und die Pluralisierung der Jugend(sub)kulturen
3.9 Zusammenfassung

4. Die Technobewegung als Lebensgefühl und Jugendkultur der 90er Jahre
4.1 Techno als Musikphänomen
4.1.1 Die Wegebner der elektronischen Musik
4.1.2 Die Entwicklung des Musikstils Techno
4.1.3 Beschreibung einer unbeschreiblichen Musik
4.1.4 Die Ausdifferenzierung und Pluralisierung von Techno
4.2 Techno als Partykultur
4.3 Techno als Jugendkultur
4.4 Die Technobewegung als Spaßkultur
4.4.1 Der Narziss tanzt bzw. durch Techno zur Eigenliebe
4.4.2 Techno als Reflektion einer „konsumgeilen“ Gesellschaft
4.4.3 Die wortlose Demokratie der Technobewegung
4.5 Der Lebensstil Techno als Form einer posttraditionalen Vergemein- schaftung
4.5.1 „Love, Peace & Unity“ als Familienbildungsslogan
4.5.2 Everybody is different
4.5.3 “We are a different unity”
4.6 Techno als Drogenphänomen

5. Schlussbetrachtung und Fazit

Literaturverzeichnis

Erklärung

Anstelle eines Vorworts

„Die Technobewegung – das zeigt die Love Parade – ist die Jugendkultur, die unserer Zeit am besten entspricht: Die ganze Sache ist sehr oberflächlich, aber das ist genau die Weise, in der wir heute leben.“

Christian Konvicka (20) aus Wien

„Toleranz! Toleranz den Spießern gegenüber, genau wie den Extremen gegenüber!“ Natalie Melerski (22) aus Heidelberg

„Die Love Parade ist das Ausbrechen aus dem Alltag.“

Anja von Keller (19) aus Hamburg

„Ich stehe eigentlich auf die Siebziger, aber hier auf der Love Parade ist es egal welchem Stil man angehört – es ist die große Party für alle!“

Janine Krug (17) aus Berlin

„Vor drei oder vier Jahren ging es mehr um das Gefühl: We are one family. Heute geht es mir eher um das Gegenteil: Mich abzuheben von der Masse. Ich will einzigartig aussehen und sein.“ Nadja Bastian (22) aus Berlin

„Im Alltag muß man immer so normal rumrennen, aber hier kann man endlich mal ausflippen.“ Andreas Jeske (22) aus Rosenheim

„In meine erste Love Parade bin ich eher reingestolpert, hinterher war jede meiner Körperzellen energetisch aufgeladen und seitdem verstehe ich Techno.“ Iris Depping (31) aus Berlin

„Mein Vater würde auch zur Parade kommen, wenn er nicht einen Termin hätte. Ein Freund von ihm war letztes Jahr da und hat gemeint mein Vater müßte sich das auch mal ansehen.“ Dirk Illiger (19) aus Oldenburg

„Wer Ärger will und Streß macht, hat hier nichts zu suchen.“

Alexander Pell (20) aus München

„Ich bin hier, um für den Frieden zu demonstrieren. Wir machen den Leuten vor, wie es gehen kann! Außerdem sind die Mädels hier so schön.“

Martin Ott (18) aus Süddeutschland

„Ich bin dafür da, dass die Leute mich angucken und will ihnen mit der Aufschrift auf meinem Bauch sagen: Kommt nicht mit schlechtem Willen hierher – es geht um Frieden und Freundschaft.“

Sandra Neubert (17) aus Darmstadt

„Das Schöne an der Love Parade ist die Anarchie: Daß Berlin einfach überrollt wird, daß so was ausgerechnet in Deutschland stattfindet, und es aber gerade nicht wie beim rheinischen Karneval zugeht.“

Felix Brüggemann (25) aus Hamburg

„Im Moment explodiert Dance Music auf der ganzen Welt. Das hätte viel früher passieren sollen! Es ist gut für die Leute!“

Jonathan Flemming (22) aus Slough

„Genau das war der Grundgedanke der Love Parade: So viele Leute wie möglich zu erreichen.“ DJ Disko (26) aus Berlin

„...Und jetzt ist es wirklich geil, denn die Stimmung der Masse geht voll auf einen selbst über.“ Philipp Floy (18) aus München

„Ab heute bin ich Fan von Techno. Ich bin jetzt ein Raver. Seit heute!“

Daniel Stielau (24) aus Hannover

„Ich warte nur noch auf den Freakout.“ Lisbeth Nørbach (18) aus Dänemark

„Just feel it.“ DJ Woody (23) aus Berlin

Alle Statements aus: Steffen, A.: Portrait of a generation, the love parade family book. Fotoportraits zur Love Parade 1996

1. Einleitung

Mein persönliches Interesse an der Technobewegung habe ich bereits vor sieben Jahren entdeckt. Damals noch als Grunge-Fan absolute Gegnerin von der „Bum bum“-Musik meines jüngeren Bruders wurde ich von einem Freund auf meinen ersten Rave mitgenommen. Die bombastische Licht- und Lasershow, die Freundlichkeit und Offenheit, mit der mir die Menschen dort begegneten, die Musik, die mich dazu trieb mit nach oben gerissenen, offenen Armen laut mein Glücksgefühl rauszuschreien, die ganze Atmosphäre dort, hat mich nachhaltig beeindruckt. Ich glaubte gefunden zu haben, wonach ich mein Leben lang gesucht hatte. Eine Gemeinschaft, in der ich als einzigartiges Individuum akzeptiert und respektiert wurde. Ein Ort, eine Parallelwelt, wo ich den Alltag vergessen, mich fallen lassen, Urlaub für ein Wochenende von der mich sonst so oft frustrierenden Welt machen konnte.

Leider musste ich auch die Erfahrung machen, dass mit der Massenhaftigkeit, mit der wir die Menschen durch den friedfertigen Umgang untereinander anzogen, auch viel vom alten „Spirit“ auf den Partys verloren ging. Dennoch bin ich der Techno-Szene bis heute treu geblieben, weil sie richtig verstanden für mich „die“ Friedensbewegung unserer Zeit darstellt.

Ursprünglich wollte ich über die transformativen Elemente in der Technobewegung schreiben, weil diese für mich das Ausschlaggebende daran sind. Das es ist, was ich erlebt habe und was mich und viele andere geprägt hat. Das Thema dieser Diplomarbeit lautet jedoch: „Die Differenzierung der Lebensphase Jugend – dargestellt am Beispiel der Technobewegung“. Ich hatte einige Schwierigkeiten damit, mich mit diesem Titel anzufreunden und selbst jetzt, wo die Diplomarbeit abgeschlossen ist, bin ich der Überzeugung, dass ein anderer nicht richtiger, aber treffender gewesen wäre.

Die erste Frage, die sich mir aufdrängte war: Kann man in der heutigen Zeit Jugend überhaupt noch als Lebensphase definieren? Klammert sich die Moderne nicht an Definitionen, Verständniskonstrukte und Gültigkeiten, die sie selbst im Lauf der Zeit erfunden und schon überholt hat?

Wir leben heute in einer enttraditionalisierten Gesellschaft, in der wir nur noch lose miteinander verbundene, zur Individualität, die eigentlich selbstverständlich ist, wenn man die Integrität des anderen achtet, gezwungene Individuen sind. Es erscheint wenig plausibel, dass sich gerade Jugendliche diesem gesellschaftlichen Trend entziehen können und es möglich sein soll, sie als homogene Gruppe zusammenzufassen und allgemeingültige Aussagen über diese zu machen.

Hinzu kommt, dass es schwer fällt, den Begriff „Jugend“ als altersmäßigen Lebensabschnitt zu definieren, wo nicht wenige Menschen mit Cremes, Liftings und über die Kleidung danach streben „ewig“ jung zu bleiben. Alt sein ist out und beschert häufig einsame Armut oder gutbetuchte Einsamkeit. Jung sein hängt selbst für Jugendliche nicht mehr ausschließlich mit ihrem Alter zusammen. Nicht zuletzt durch die Medien forciert ist Jugend zum Ideal geworden.

Als Konsequenz kann diese Diplomarbeit nur deutlich machen, dass es schwer fällt, wenn nicht sogar so gut wie unmöglich ist, die Jugend der reflexiven Modernisierung mit herkömmlichen sozialwissenschaftlichen Methoden zu erfassen und zu differenzieren. Selbst wenn dies in einigen jugendkulturellen Teilszenen noch möglich ist, dann sicherlich nicht über die Technobewegung.

Diese ist zwar als „die“ Jugendbewegung der 90er Jahre zu sehen, weil sie in überzogener Art und Weise, z. B. in der Konsumfreude, unserer Gesellschaft den Spiegel vor das Gesicht hält, jedoch ist ihr herausstechendstes Merkmal, dass sie trotz der Betonung der Einzigartigkeit jedes Menschen die Unterschiede aufhebt bzw. entkräftigt. Lebensstil, beruflicher Status, politische Überzeugung und vor allem das Lebensalter spielen für die Zugehörigkeit zu dieser Bewegung schlicht weg keine Rolle. Genau das macht sie aus und so habe auch ich die Technobewegung von Anfang an erlebt. Bis heute reicht mein technoider Freundes- und Bekanntenkreis vom 16-jährigen Schulmädchen über studierende, arbeitslose, Drogen dealende, angestellte usw. Postadoleszenten bis zum 42-jährigen Cafebetreiber.

Wegen diesem integrativen Charakter bezeichnet Hitzler die Techno-Szene als „Prototyp einer posttraditionalen Vergemeinschaftung“, welche die Nächsten- und Selbstliebe propagiert. Und genau das ist es doch, wonach letztendlich jeder Mensch strebt. Eine gewaltlose Gesellschaft, in der jeder so sein kann wie er ist oder wie er sein will und doch dabei von den anderen geliebt, geachtet und respektiert zu werden.

Diese Arbeit gliedert sich in drei Teile. Im ersten Abschnitt wird die generelle gesellschaftliche Entwicklung von der Industrialisierung hin zur Individualisierung aufgezeigt und hinterfragt, was diese für das Individuum und die Familie als soziales Gefüge bedeutet.

Der zweite Teil der Arbeit beschäftigt sich daraufhin grundlegend mit der Lebensphase Jugend und den generellen Entwicklungsaufgaben der Adoleszenten in diesem Lebensabschnitt, wobei die Jugend als einheitliche Lebensphase in den letzten Unterabschnitten sozusagen aufgehoben wird.

Im vierten Kapitel setze ich mich dann explizit mit der Technobewegung auseinander, die einige Erkenntnisse der ersten beiden Teile bekräftigt und erahnen lässt, wie die reflexive Modernisierung mit der Moderne entstandene Definitionen in Frage stellt.

Um das Lesen zu erleichtern habe ich im Folgenden die männliche Form verwendet, z. B. Jugendlicher, Raver usw.. Selbstverständlich sind damit auch immer Mädchen und Frauen gemeint.

2. Das gesellschaftliche Umfeld und sein Einfuß auf das Individuum

In diesem Kapitel wird dargestellt, wie sich unsere Lebenswelt vom Beginn der Industrialisierung bis heute verändert hat und in welchem Umfang sich diese Entwicklung sowohl auf die Gesellschaft im allgemeinen als auch auf jeden einzelnen von uns auswirkt.

Ein derartiger Einstieg erscheint äußerst wichtig, da man kein Individuum losgelöst von seiner Umwelt betrachten kann. Gerade wenn man eine Jugendgruppe analysieren möchte, die sich in der Technobewegung bewegt, welche stark geprägt ist von einem hedonistischen Lebensgefühl, technologischen Einflüssen unterliegt und durch eine Vielzahl an Untergruppierungen gekennzeichnet ist, ist unablässig, genauer zu untersuchen, unter welchen Bedingungen diese heranwächst, denn sie scheint perfekt in unsere Zeit zu passen.

Dazu wird zunächst kurz die gesellschaftliche Entwicklung vom Beginn der Industrialisierung bis in unsere heutige Zeit aufgezeigt, um dann zu hinterfragen, wie sich diese vor allem auf die Familie und das Individuum ausgewirkt hat.

2.1 Von der Moderne zur reflexiven Modernisierung

Wir leben heute in einer hochdifferenzierten, posttraditionellen Gesellschaft, deren Selbstverständlichkeiten, welche die industriegesellschaftliche Moderne zu sichern glaubte, zu erodieren beginnen bzw. sich verschieben. (Vgl. Beck/ Giddens/ Lash, 1996, S. 9) Das bedeutet, dass sich das Zeitalter der Moderne im Wandel befindet. Bisher kann noch keiner genau sagen, wo uns der Weg hinführen wird, jedoch kann man die gesellschaftliche Entwicklung bis zum heutigen Zeitpunkt nachvollziehen und verdeutlichen.

2.1.1 Das Industriezeitalter und die Fortschrittsreligion

Mit der Aufklärung im 18. Jahrhundert setzte sich die Meinung durch, dass das zunehmende Wissen über Gesellschaft und Natur sozusagen automatisch dazu führen würde, diese auch mehr und mehr beherrschen zu können. Diese Beherrschbarkeit von Natur und Gesellschaft durch die Wissenschaft galt für viele Aufklärer als der Schlüssel zum Glück für die gesamte Menschheit (vgl. Giddens, 1996, S. 116), da sie glaubten, „je mehr die gesamte Menschheit in der Lage ist, die Geschichte aktiv zu gestalten, desto besser können die gemeinsamen Ideale realisiert werden.“ (Ebd., S. 116)

Bis heute ist es plausibel nachvollziehbar, was die Hoffnung und den Glauben von Generationen seit dem Beginn des Industriezeitalters aufrecht erhielt und stärkte. Es war „die große Verheißung unbegrenzten Fortschritts – die Aussicht auf Unterwerfung der Natur und auf materiellen Überfluss, auf das größtmögliche Glück der größtmöglichen Zahl und auf uneingeschränkte persönliche Freiheit.“ (Fromm, 1979, S. 13)

Bis zum Beginn des Industriezeitalters waren dem Menschen in der Beherrschung der Natur Grenzen gesetzt. Durch die stufenweise Ersetzung der tierischen und menschlichen Körperkraft durch die Mechanik wurden diese Grenzen allerdings immer unbedeutender und lösten sich augenscheinlich sogar auf. Der industrielle Fortschritt bestärkte die Menschen in ihrem Glauben zu Übermenschen zu werden. Die Produktion schien ins Unermessliche steigerbar zu sein und mit ihr stiegen die Konsummöglichkeiten und –wünsche ins Grenzenlose. Die technischen Errungenschaften führten bei vielen zu einem Allmachtsgefühl und die wissenschaftlichen Erkenntnisse schienen den Menschen die Chance zu geben allwissend zu werden. (Vgl. ebd., S. 13) Mit zunehmendem Maß erlebten Männer und auch immer mehr Frauen ein Gefühl der Freiheit durch das „Grundmotiv der Moderne, der Steigerung des Disponieren- und Auswählen-Könnens“. (Beck, 1996a, S. 58) Obwohl dies zunächst nur für die Mittel- und Oberschicht galt, war der Glaube bei den restlichen Mitgliedern der Gesellschaft stark genug, dass deren Errungenschaften und das damit verbundene Freiheitsgefühl letztendlich allen zur Verfügung stehen könnte, wenn nur die Industrialisierung im gleichen Tempo voranschreitet. (Vgl. Fromm, 1979, S. 13) “Leben erst alle in Reichtum und Komfort, dann, so nahm man an, werde jedermann schrankenlos glücklich sein. Diese Trias von unbegrenzter Produktion, absoluter Freiheit und uneingeschränktem Glück bildete den Kern der neuen Fortschrittsreligion.“ (Ebd., S. 13f.)

Zunächst lag das Schwergewicht der Moderne zwar auf der Industrie, dem Technikglauben und dem wissenschaftlichen Wahrheitsmonopol, allerdings war sie auch noch stark verankert im Nationalstaat und stützte sich auf Klassen, die Kleinfamilie und klar definierte Männer- und Frauenrollen. (Vgl. Beck, 1996a, S. 22)

Ein kurzer Exkurs in die damalige Familienstruktur verdeutlicht dies. Generell kann man die Familie des 18. Jahrhunderts als Notgemeinschaft bezeichnen. Das heißt, die vorindustrielle Familie stellte vor allem eine Arbeits- und Wirtschaftsgemeinschaft dar, in der alle Generationen, vom Kind bis zu den Urgroßeltern ihren Beitrag zum Lebensunterhalt und zur Bewirtschaftung der meist landwirtschaftlichen Höfe oder Handwerksbetriebe leisten mussten. Da es die modernen Sicherheitsleistungen wie Krankenkassen, Sozialversicherungen usw. noch nicht gab, waren die Familienmitglieder wechselseitig von der Mitarbeit jedes einzelnen abhängig. Individuelle Wege zu gehen konnte man sich damals schlichtweg nicht leisten. Wenn man überleben wollte, war man untereinander zur gegenseitigen Solidarität gezwungen.

Dieser Zwang zur Solidarität blieb zunächst auch mit der beginnenden Industrialisierung erhalten. Es entstand zwar der moderne Arbeitsmarkt und mit ihm ein neues Verhältnis zwischen ihm und der Familie, da jetzt die Einzelperson zählte und nicht mehr die familiale Gemeinschaft, jedoch baute die Moderne dabei, wie gesagt, auf die klassische Rollenverteilung auf. Damit die Arbeitskraft des Mannes dem Markt voll zur Verfügung stehen konnte, blieb es unablässig, dass sich seine Frau um Haushalt und Kinder kümmerte. Somit blieben die Familienmitglieder weiterhin stark voneinander abhängig. Die Frau war auf das Erwerbseinkommen vom Mann angewiesen und er darauf, dass sie den Haushalt verwaltete. (Vgl. Beck-Gernsheim, 1994, S. 120f.)

Kehren wir nun zurück zur weiteren Entwicklung der Industriegesellschaft, denn es zeigte sich schon bald, dass die modernen Errungenschaften auch Nebenwirkungen mit sich brachten, die trotz der verstärkten wissenschaftlichen Forschung keiner so recht kontrollieren konnte.

2.1.2 Die große Verheißung erfüllte sich nicht

Albert Schweitzer stellte am 04.11.1954 bei der Entgegennahme des Friedensnobelpreises fest, „daß der Übermensch mit dem Zunehmen seiner Macht zugleich immer mehr zum armseligen Menschen wird“, ja er geht sogar so weit zu sagen, „daß wir als Übermenschen zu Unmenschen geworden sind“. (Fromm, 1979, S. 14, zit. nach: Schweitzer, 1966, S. 118f.)

Schon seit den 50er Jahren wurden sich immer mehr Menschen immer klarer bewusst darüber,

- dass aus der Erfüllung aller Wünsche und der Befriedigung aller subjektiver Bedürfnisse häufig nicht die erhoffte Glückseeligkeit und das erwünschte „Wohl-Sein-Gefühl“ resultiert;
- dass der Traum, autonom und frei über sein eigenes Leben bestimmen zu können der Erkenntnis weichen muss, dass jeder einzelne letztlich nur ein austauschbares Rädchen in der bürokratischen Maschine geworden ist;
- dass selbst unsere Gedanken, Gefühle und vor allem unser Geschmack von den Massenmedien manipuliert und dadurch von der Industrie und dem Staat beeinflusst werden;
- dass der technologische Fortschritt und das wirtschaftliche Wachstum nicht zum Wohlstand aller führte, sondern den reichen Nationen vorenthalten blieb und die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer geworden ist;
- dass der technische Fortschritt weitreichende ökologische Gefahren mit sich brachte, die unsere gesamte Existenz bedrohen .

(Vgl. Fromm, 1979, S. 14)

Dass sich die große Verheißung nicht erfüllt hat liegt für Erich Fromm „neben den systemimmanenten ökonomischen Widersprüchen innerhalb des Industrialismus an den beiden wichtigsten psychologischen Prämissen des Systems selbst, nämlich 1. daß das Ziel des Lebens Glück [...] sei, worunter man die Befriedigung aller Wünsche [...], die ein Mensch haben kann, versteht (radikaler Hedonismus); 2. daß Egoismus, Selbstsucht und Habgier – Eigenschaften, die das System fördern muss, um existieren zu können – zu Harmonie und Frieden führen.“ ( Fromm, 1979, S. 15)

Diese hätten jedoch nicht zu Leitprinzipien im Sinne der Wirtschaft werden können, wenn nicht das ökonomische Verhalten von der humanistischen Ethik abgetrennt worden wäre und der Wirtschaftsmechanismus als autonom angesehen werden würde. Das heißt für Fromm, dass jemand der wirtschaftlich denkt nicht mehr die Frage stellt, was gut ist für den Menschen, sondern für ihn wichtig ist, was sich positiv auf das Wachstum des Systems auswirkt. (Vgl. ebd., S. 18f.) Über diese Ansicht kann man sehr wohl streiten, wenn jedoch die Deutsche Bank ankündigt 7100 Stellen zu streichen, obwohl sie immer noch Gewinne in Milliarden Höhe erzielt (vgl. http:// www.n-tv.de/, Wirtschaft) und das ist nur ein Beispiel, dann bedeutet das, dass sich das Wirtschaftssystem genauso gleichgültig gegenüber dem einzelnen Menschen verhält, wie es der Natur und anderen Subsystemen gegenüber steht, weil der höchste Wert den das Wirtschaftssystem kennt, der des Geldes zu sein scheint.

2.1.3 Die Reflexive Modernisierung

Beck spricht von einer „Erosion der Industriemoderne“, die sich seit dem 19. Jahrhundert in Europa entwickelt hat und sich durch die Globalisierung in die ganze Welt ausbreitet.

Die bisherige Fortschrittsgewissheit und der grenzenlose Wachstumsglaube wurden durch die Wahrnehmung der ökologischen Krise nachhaltig erschüttert. Nachweise, für deren Vorhanden sein, fand man viele. Nur stichpunktartig möchte ich diesbezüglich z. B. die Klimaerwärmung, das Ozonloch und die Realisierung der atomaren Gefahr nennen. (Vgl. Beck, 1996a, S. 20)

Als weiteres Problem der Moderne wird von vielen Wissenschaftlern die Enttraditionalisierung unserer Lebenswelt genannt. Es existieren heute kaum noch verlässliche Lebensgestaltungsmodelle, an denen sich der Mensch orientieren kann, da die Wissenschaft bzw. die Vernunft die traditionellen Sitten ersetzen sollten. (Vgl. Giddens, 1996, S. 131)

“Im Verlauf ihrer Geschichte hat die Moderne fast ständig neue Traditionen geschaffen und Traditionen aufgelöst. Das Weiterbestehen und die Neuschöpfung von Traditionen waren in der westlichen Gesellschaft von zentraler Bedeutung für die Herrschaftslegitimation, weil sie dem Staat die Machtausübung über relativ passive ,Untertanen‘ ermöglichte.“ (Ebd., S. 113)

Die althergebrachten Familienmodelle und damit verbundenen Rollenverteilungen sind hinfällig geworden im Hinblick auf die Scheidungsraten, Singlehaushalte und unehelichen Partner- und Elternschaften. Auch der Wohlfahrtstaat scheint nicht mehr tragbar zu sein und weiterhin Halt bieten zu können. (Vgl. Beck, 1996a, S. 20)

Routineverhaltensweisen und Gewissheiten, die sich mit der Industrialisierung durchgesetzt haben oder gar erst durch sie entstanden sind und auf die sich das Vertrauen der Gesellschaft stützte, verlieren zusehendst ihre institutionellen Stützen, indem der Nationalstaat seine Souveränität verliert, dem Sozialstaat notwendigerweise eine Umstrukturierung bevorsteht u. ä.. (Vgl. Beck/ Giddens/ Lash, 1996, S. 9)

Mit der Registrierung und Auseinandersetzung mit dieser Entwicklung entstand die Theorie der reflexiven Modernisierung.

Diese Theorie richtet sich gegen alle Varianten des „weiter-so-Modernisierens“ in Gesellschaft und Soziologie. Die Wissenschaftler dieser Theorie erheben für sich den Anspruch der Aufklärung und kritisieren die Industriemoderne zwar grundsätzlich, aber ohne sie abzulehnen, sondern mit der Absicht die Moderne weiterzuentwickeln mit dem Wissen (vgl. Beck 1996a, S. 23ff.), dass „die Zukunft nicht im Begriffsrahmen der Vergangenheit verstanden und bestanden werden kann“ (ebd., S. 25), sondern eine ganz neue Soziologie entwickelt werden muss.

Es handelt sich sozusagen um eine „Radikalisierung der Moderne [...] mit gesellschaftsverändernder Reichweite.“ (Ebd., S. 29f.)

Dies bedeutet für Beck eine „Selbsttransformation der Industriegesellschaft“, wodurch die Industriemoderne aufgelöst und durch eine neuartige Moderne abgelöst wird. (Vgl. Beck, 1996a, S. 27)

Durch die sich mit der Reflexivität neu eröffnenden Handlungs- und Gestaltungschancen erzeugt die reflexive Modernisierung eine “hergestellte Unsicherheit“, wie es Giddens nennt. (Vgl. ebd., S. 28)

Zweitens führt dies zu einer Politisierung, sowohl innerhalb als auch, was wesentlich bedeutsamer ist, außerhalb des politischen Systems, da nahezu in allen Bereichen die Grundlagen des Handelns neu ausgehandelt und fundamentalisiert werden müssen. Das heißt, die Politisierung findet sowohl in der Wirtschaft, der Technik und Wissenschaft statt, als auch in den Familien und Vereinen.

Zum dritten wird vermehrt um neue Grenzen gerungen, um das Gefühl der Unsicherheit zu mildern. (Vgl. Beck/ Giddens/ Lash, 1996, S. 9)

Als markanteste Aussage der Theorie der reflexiven Modernisierung arbeitet Ulrich Beck die Behauptung heraus, dass es sich „nicht nur um externe Nebenfolgen, sondern um interne Nebenfolgen der Nebenfolgen industriegesellschaftlicher Modernisierung“ handelt. (Beck, 1996a, S. 27)

Dieser These liegen mehrere Argumente zu Grunde:

Erstens leben wir heute in einer „Weltrisikogesellschaft“ (Beck), da die Nebenfolgen der Industrialisierung im Hinblick auf die atomaren Gefahren und die ökologischen Katastrophen wie Klimaerwärmung und Ozonloch durch die globale Vernetzung tendenziell bis in die entlegendsten Winkel der Welt alle Menschen bedrohen. „Die Moderne ist daher zu einem weltweiten Experiment geworden“ (Giddens, 1996, S. 117), wenn nicht sogar zu einem „gefährlichen Abenteuer“ (ebd., S. 118), da sich die Resultate nicht vorhersagen lassen und sich bis zu einem unbestimmten Grad unserer Kontrolle entziehen. (Vgl. ebd., S. 117f.)

Zweitens wirken sich die Nebenfolgen durch Bumerangeffekte auf fast alle Bereiche unseres alltäglichen Lebens aus. Sie „entwerten Kapital, zerstören Vertrauen, lassen Märkte zusammenbrechen, [...] spalten Belegschaften, Managements, Parteien [...] und Familien.“ (Beck, 1996a, S. 54) Umgekehrt haben auch die alltäglichen Handlungen jedes einzelnen weltweite Konsequenzen, ohne dass diese für ihn direkt nachvollziehbar sind. (Vgl. Giddens, 1996, S. 115)

Drittens werden die Folgeprobleme durch das Bewusstsein des Individuums in die Institutionen zurück getragen.

Viertens widerspricht die historische Erfahrung und mit ihr die Theoretiker der reflexiven Modernisierung dem Glauben der einfachen Modernisierer, durch Verwissenschaftlichung die Nebenfolgen bereits im Vorfeld kontrollieren zu können.

Durch die Summierung dieser Tatsachen werden die Nebenfolgen sozusagen zum Motor der Gesellschaftsgeschichte. (Vgl. Beck, 1996a, S. 54f.)

Nach der Darstellung dieser gesellschaftlichen Gegebenheiten muss jetzt die Frage gestellt werden, wie sich diese auf das Individuum, seine Biografie und damit auf die Familien auswirkt.

2.2 Auswirkungen der reflexiven Modernisierung auf das Individuum bzw. die Individualisierung im Strukturwandel der Moderne

In den letzten Jahren ist in den modernen Gesellschaften eine verstärkte Tendenz zur Individualisierung beobachtet worden. Bevor dieser Begriff jedoch genauer definieret wird, wird zunächst dargestellt, welche Aspekte diese Entwicklung begünstigen.

2.2.1 Der Arbeitsmarkt als antreibende Kraft der Individualisierung

Die Grundlage für die in den letzten drei Jahrzehnten beobachtete und fortschreitende Individualisierung bilden die Erwerbsarbeit und die um sie herum entstandenen wohlfahrtstaatlichen Sicherungssysteme. Diese modernen Errungenschaften haben dazu geführt, dass sich das Individuum freier von traditionellen Familienbindungen bewegen und autonomer fühlen kann. Dadurch prägen sie stark die Struktur des modernen Lebenslaufs. (Vgl. Kohli, 1994, S. 219)

Dies kann an folgenden arbeitsmarktbezogenen Teilkomponenten nachvollzogen werden:

2.2.1.1 Bildung

Die schulische Bildung bietet, abhängig vom zeitlichen und inhaltlichen Umfang, die Chance einer Reihe an Selbstfindungs- und Reflexionsprozessen für Kinder und Jugendliche. Allerdings wurden traditionell orientierte Denkweisen und Lebensführungsmodelle durch universale Lehr- und Lernbedingungen, Wissensinhalte und Sprachformen ersetzt, so dass in der Schule kaum noch persönliche Stärken verfestigt werden können und individuellen Schwächen entgegengewirkt werden kann, sondern hier bereits die institutionelle Normierung beginnt ins Leben junger Menschen einzugreifen.

Außerdem ist die Bildung vermehrt mit Selektion verbunden, da sie die Zugangsvoraussetzung zu den verschiedenen Karrieremöglichkeiten am Arbeitsmarkt darstellt. (Vgl. Beck, 1994, S. 47) Damit erfüllt sie eine gesellschaftliche Platzierungs- und Selektionsfunktion. Die Kinder lernen schon früh durch die Zensurengebung eine soziale Rangfolge und Einordnung kennen, die für unsere Gesellschaft typisch ist. (Vgl. Hurrelmann, 1985, S. 81)

2.2.1.2 Mobilität

Mit dem Eintritt in die berufliche Ausbildung wird für viele Menschen ein persönliches Schicksal erst direkt erlebbar. Der heutige Arbeitsmarkt verlangt von seinen Arbeitnehmern ein hohes Maß an Flexibilität und Mobilität. Verstärkt wird dies vor allem auch durch die gestiegenen regionalen Arbeitslosenquoten, die sich mittlerweile auch auf Schulabgänger, auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz, ausgedehnt haben.

Infolge dessen werden die Menschen häufig aus ihren traditionalen Bindungen der Familie, Nachbarschaft und des bisherigen Lebensraums herausgerissen. Dadurch wird der Arbeitsmarkt zum Motor des Individualisierungsprozesses, da die erwartete Mobilität das Individuum dazu zwingt sich als alleiniger Organisator seines Lebens zu identifizieren. (Vgl. Beck, 1994, S. 48)

2.2.1.3 Konkurrenz

Die betriebliche Rationalisierung und der Zugang aller Gesellschaftsschichten zur Bildung haben dazu geführt, dass einzelne Personen am Arbeitsmarkt austauschbar geworden sind. Dies führte zu einem wachsenden Konkurrenzdruck der Arbeitnehmer untereinander und zu einer „Individualisierung unter Gleichen“. (Beck, 1994, S. 48)

Selbst wo noch Gemeinsamkeiten aufgrund der Interessenslagen, Berufszugehörigkeit, Wissensstand u. ä. bestehen, werden diese durch den entstandenen Konkurrenzkampf aufgelöst und führen zu einer Vereinzelung innerhalb sozial homogener Gruppen, da sich jeder als einzigartig und exklusiv darstellen will und muss.

Beck ist der Meinung, dass gerade das Zusammenwirken dieser drei Komponenten, Bildung, Mobilität und Konkurrenz, den Individualisierungsschub, der in den letzten drei Jahrzehnten beobachtet werden konnte, ausgelöst hat. (Vgl. ebd., S. 47ff.)

2.2.2 Begriffliche Definition der Individualisierung

Die Individuation, unter der man „den Prozeß des Aufbaus einer individuellen Persönlichkeitsstruktur mit komplexen kognitiven, motivationalen, sprachlichen, moralischen und sozialen Merkmalen und Kompetenzen sowie des subjektiven Erlebens als einzigartige Persönlichkeit“ (Hurrelmann, 1985, S. 28) versteht, ist aus soziologischer Sicht eine generelle Entwicklungsaufgabe im Leben eines jeden Menschen. Doch darum geht es in der heutigen hochdifferenzierten Gesellschaft nicht mehr nur.

Die moderne Gesellschaft ist in voneinander separierte Funktionsbereiche zerfallen. Das hat zur Folge, dass auch die Menschen, die in ihr agieren, jeweils nicht mehr zwingend miteinander verbundene Rollen spielen müssen, wie z. B. als Konsument, Wähler, Steuerzahler, Student, Vater, Arbeitnehmer, Jogger usw., da sie auch nur noch unter Teilaspekten eingebunden werden.

Durch die Vergesellschaftung, auf die zu einem späteren Zeitpunkt noch genauer eingegangen wird, müssen die Menschen ihr Leben zusätzlich unter Bedingungen und zeitlichen Strukturen führen, auf die sie weitgehend keinen kontrollierenden Einfluss haben.

Dadurch wird das Individuum von den gesellschaftlichen Gegebenheiten zur Selbstorganisation seines Lebenslaufs und zur Selbstthematisierung der eigenen Biografie gezwungen. (Vgl. Beck, 1996b, S. 41f.) “Heute […] laufen viele Vorgaben – des Bildungssystems, des Arbeitsmarktes, des Sozialstaates – auf die Aufforderung hinaus, bei Strafe ökonomischer Einbußen, das Leben in eigener Regie zu gestalten.“ (Ebd., S. 42) Wegen diesen institutionellen Vorgaben und der Unsicherheit, nicht doch vielleicht als Lebensgestalter zu scheitern und abzustürzen, sehen sich die Menschen gezwungen, ständig aktiv ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, sich abzusetzen von der Masse, um dem Konkurrenzdruck stand zu halten, um in der modernen Gesellschaft zu bestehen. (Vgl. ebd., S. 42)

Dies geschieht des weiteren jenseits von traditionellen Lebensführungsmodellen und Rollenstereotypen. „Die Lebensführung wird historisch vorbildlos.“ (Ebd., S. 43) Jedoch verschwinden durch die Enttraditionalisierung, die sich durch die Globalisierung noch verschärft, die Traditionen nicht aus der individualisierten Biografie, denn Traditionen gelten als Sinn- und Identitätsquelle für das Individuum. Die Folge ist nur, dass es dem einzelnen Menschen selbst überlassen wird, für sich zu definieren, welches Lebenskonzept für ihn Orientierung bietet und welches nicht. (Vgl. ebd., S. 43)

Zusammenfassend kann man also sagen, dass unter dem Begriff Individualisierung der gesellschaftliche Zwang sein Leben in die eigene Hand zu nehmen verstanden wird, dass das Individuum von der Gesellschaft also dazu gezwungen wird Entscheidungen zu treffen, deren Folgen durch die globalen Zusammenhänge vom einzelnen nicht einzuschätzen sind und deren Konsequenzen wiederum häufig individuell verarbeitet werden müssen.

Dadurch wird das individuelle Leben zu einem experimentellen Leben, dass als „Bastelexistenz“ (Hitzler) beschrieben werden kann.

2.2.2.1 Die Bastelexistenz

Die alltägliche Lebenswelt des heutigen modernen Menschen ist derart uneinheitlich und vielfältig, dass er immer wieder vor neuen Entscheidungs- und Wahlsituationen steht und auch ständig mit neuen Lebensentwürfen anderer Menschen konfrontiert wird.

Dieser Gewinn an Entscheidungschancen für jeden einzelnen bringt den Verlust einer kollektiv verbindlichen Orientierungsmöglichkeit mit sich. (Vgl. Hitzler/ Honer, 1994, S. 307) „Ein individualisiertes Leben zu leben bedeutet existentiell verunsichert zu sein.“ (Ebd., S. 307)

Da es keine verlässlichen Existenzrezepte mehr gibt, bedeutet das für den individualisierten Menschen, dass er zwischen den verschiedenen Sinnsystemen, die ihm zur Auswahl stehen nicht nur entscheiden kann, sondern muss. „Das Wählen ist obligatorisch geworden [...], [da, M. H.] tendenziell alle Gebiete des sozialen Lebens von Entscheidungen abhängig sind.“ (Giddens, 1996, S. 143) Diese Tatsache verunsichert und irritiert viele Menschen und im Extremfall vereinzeln und vereinsamen einige von ihnen.

Selbst wenn sich ein Individuum für ein Lebenskonzept entschieden hat, bindet es sich keineswegs lebenslang daran, sondern hat jederzeit die Freiheit sich wieder umzuorientieren. Der moderne Mensch ist durch die Notwendigkeit sein eigenes Leben zu bewältigen darauf angewiesen seinen Lebensstil selbst zusammenzubasteln, allein seinen Weg und seine Orientierung in der Gesellschaft zu finden, seine Biografie, Persönlichkeit und sein Selbstverständnis selbständig zu kreieren. Hitzler und Honer sprechen deshalb von „Bastelexistenzen“, die so vielfältig arten können, dass heute von einer Pluralisierung von Lebensstilen die Rede ist. (Vgl. Hitzler/ Honer, 1994, S. 309ff.) Es scheint, als seien wir mit der Modernisierung geradezu zur Freiheit „verdammt“ worden. Aber wie gesagt, es scheint nur so.

2.2.2.2 Die Vergesellschaftung

Im Verlauf der Industrialisierung und der damit verbundenen Lohnarbeit ist dem Individuum weitgehendst die Möglichkeit der Selbstversorgung genommen worden, so dass seine Existenz nur noch durch die Teilhabe an und in Abhängigkeit von verschiedenartigen Institutionen gesichert ist. (Vgl. Beck, 1996a, S. 91) Dadurch sind „alle Arten der Lebensführung in modernen Gesellschaften [...] hochgradig vergesellschaftet.“ (Ebd., S. 91), da wir in unserem offiziellen Handeln gesellschaftlich dazu gezwungen werden, bestimmte gesellschaftliche Formen diszipliniert einzuhalten, um in der Gesellschaft bestehen zu können. (Vgl. Brock, 1994, S. 63)

Es erscheint paradox. Einerseits soll der Mensch mehr Entscheidungsfreiheit und Autonomie erwerben, andererseits werden durch die Institutionen der Gesellschaft normative Verhaltensweisen stärker denn je eingefordert. (Vgl. Habermas, 1994, S. 437)

Darum ist mit dem Begriff der Individualisierung auch der Begriff „Integration“ indirekt eng verbunden und zwar in doppelter Hinsicht. Zum einen sollte der moderne Mensch die „optionalen Teilzeit-Aktivitäten [an denen er im Laufe seines Lebens teilnimmt, M. H.] zu einem Lebens-Ganzen“ (Hitzler/ Honer, 1994, S. 311) vereinen und verinnerlichen und dieses individuell kreierte Selbst gleichzeitig in die institutionellen Gegebenheiten und Anforderungen integrieren, wenn er in der Gesellschaft als vollwertiges Mitglied anerkannt werden möchte. Unter Integration versteht man folglich „den Prozeß der >Vergesellschaftung< der menschlichen Natur [...], also die Anpassung an die gesellschaftlichen Normen, Werte und Verhaltensstandards und die Platzierung in der ökonomisch bedingten Chancenstruktur.“ (Hurrelmann, 1985, S. 28)

Hurrelmann spricht von einem gelungenen Sozialisationsprozess, wenn eine Synthese von Individuation und Integration stattgefunden hat. Diese erkennt er an einem zwischen persönlicher und sozialer Identität ausgeglichenen Ich-Verständnis, welches autonom handlungs- und entscheidungsfähig ist. (Vgl. Hurrelmann, 1985, S. 28) Dass eine Sozialisation für eine individualisierte Identität schwieriger zu bewältigen sein muss, ist wohl leicht nachvollziehbar. Dass diese Sozialisation und vor allem die Integration in die vorherrschenden Erwartungen der Gesellschaft auch nicht gelingen und eine Armutsfalle zuschnappen kann, wird im Folgenden verdeutlicht.

2.2.3 Das Herausfallen einiger Menschen aus der materiellen Kultur

Es scheint, als würde die Gesellschaft, wenn man von Individualisierung spricht, davon ausgehen, dass das Individuum fähig ist, dieses eigenkreierte Selbst funktional in die gesellschaftliche Gemeinschaft einzubringen. Das heißt, es wird fast selbstverständlich davon ausgegangen, dass jeder Mensch handlungs-, informations- und bewegungsfähig ist. Das vollwertige Gesellschaftsmitglied fungiert als Steuerzahler, Konsument, stellt dem Markt seine Arbeitskraft zur Verfügung, beherrscht die grundlegenden Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen, besitzt Englischkenntnisse und ist versiert im Umgang mit dem PC, hat einen Führerschein, verfügt über einen gewissen Lebensstandard mit Fernseher, Telefon, Wasser- und Stromanschluss, Auto usw..

Immer mehr Menschen können sich die zivilisatorischen Standards aber schlicht nicht mehr leisten und sind damit häufig auch ausgeschlossen vom kulturellen Leben der Gesellschaft. (Vgl. Brock, 1994, S. 68ff.)

2.2.3.1 Die Armutsfalle

Beck spricht von einer Armutsfalle, die „geradezu mechanisch, in der Summierung und Potenzierung von >Exklusionen< (Luhmann)“ (Beck, 1996a, S. 92) zuschnappt.

Im ungünstigsten Fall kann die Individualisierung des einzelnen soweit gehen, dass er sich nicht mehr in die vorherrschenden Erwartungen der Gesellschaft eingliedern will oder kann.

Begünstigt bzw. häufig auch bedingt wird dies durch Krankheit, Behinderung, Alter, schwierige familiäre Lebensumstände u. ä. und wird vielfach verstärkt durch die hochgezüchteten Zugangsvoraussetzungen und Anforderungen der Institutionen.

Viele Berufszweige sind heute für Jugendliche mit einem Hauptschulabschluss unerreichbar geworden. Fehlt dem Menschen jedoch eine qualifizierte Berufsausbildung, so bleibt häufig zur Existenzsicherung nur noch die lebenslange Sozialhilfe.

Meist verstrickt sich der Mensch zusätzlich an den für den einzelnen nur schwer durchschaubaren bürokratischen Verfahrensweisen und noch weniger kontrollierbaren institutionellen Zusammenhängen. So kann der Verlust eines Girokontos der Beginn des Endes einer bürgerlichen Existenz bedeuten, denn ohne Angabe eines eigenen Kontos erhält ein Mensch weder eine Wohnung, noch einen Arbeitsplatz. Aber gerade ein geregeltes Einkommen und ein fester Wohnsitz werden meist vorausgesetzt, um ein Konto einrichten zu dürfen. Allerdings bekommt jemand ohne Wohnung keine Arbeit und ohne Arbeit auch nur schwer eine Wohnung und ohne gemeldeten Wohnsitz erhält man auch keinen Wahlzettel. Letztendlich wird die Person sogar von der Demokratie ausgeschlossen (vgl. Beck, 1996a, S. 92f.) und „zu einem außer- und gegenzivilisatorischem Leben in der Zivilisation“ (ebd., S. 93) gezwungen. Dadurch, dass er bestimmte zivilisatorische Standards nicht erfüllt, wird er nicht mehr als vollwertiges Gesellschaftsmitglied angesehen und wird sozusagen nur noch mit durchgezogen. (Vgl. Brock, 1994, S. 68)

Nur kurz erwähnen möchte ich, dass es wohl auch leicht nachzuvollziehen ist, dass diese Perspektivlosigkeit häufig in Verrohung, Gewalt, nationalistisches Denken und Zerstörung umschlägt, da sich der einzelne diese „Herabsetzung“ natürlich nicht gefallen lassen will. (Vgl. ebd., S. 70)

Derartige Situationen erscheinen paradox, da die meisten der Institutionen, die einer nicht geringen Anzahl Menschen ihre Existenz erschweren, dafür geschaffen wurden genau solche Zusammenbrüche zu verhindern. Ebenso paradox ist, dass die Individuen eingeschlossen sind in eine Gesellschaft, die sie ausgeschlossenen hat. (Vgl. Beck, 1996a, S. 93f.) Eine Gesellschaft mit einer materiellen Kultur, die Trennlinien schafft, im Zusammenhang mit der Verfügbarkeit über diese materielle Kultur. (Vgl. Brock, 1994, S. 67) In diesem Zusammenhang wird mehr und mehr die Frage laut, ob wir uns auf eine Zwei-Klassengesellschaft zubewegen, die an dieser Stelle jedoch nicht näher erläutert werden soll.

2.2.3.2 Risiko-, Gefahrenbiografien und Exklusionsexistenzen

Beck ist der Meinung, dass man zwischen verschiedenen Grundformen von Biographien, die alle „provisorische Formen erzwungener Selbstorganisation“ (Beck, 1996a, S. 96) darstellen, unterscheiden muss. Er unterscheidet zwischen Risiko- und Gefahrenbiografien sowie katastrophalen Existenzen.

Unter Risikobiografien versteht Beck Menschen, die sich durch ihre verfügbaren Ressourcen allem Einschein nach noch zutrauen, die Probleme, denen sie gegenüberstehen irgendwie noch kontrollieren zu können.

Im Falle der Gefahrenbiografien entsteht laut Beck das Gefühl von den Widersprüchen der modernen Gesellschaft überfordert und überrollt zu werden. Und tatsächlich scheinen sie ihren Schwierigkeiten hoffnungslos hinterher zu rennen, da diese Menschen den Blick für ihre Ressourcen verloren haben oder offensichtlich zu glauben scheinen, dass diese nicht ausreichen, um die Probleme zu lösen. Trotzdem haben die Gefahrenbiografien den Wunsch und den Zwang ein individuelles Leben zu führen.

Darin sieht Beck die Abgrenzung zu den katastrophalen Existenzen (Exklusionslagen), die keinerlei Chance für sich mehr sehen, dem Druck der Institutionen nachgeben und sich nur noch mit durchziehen lassen, ohne Anspruch auf ein eigenständiges Leben zu stellen. (Vgl. Beck, 1996a, S. 97)

Bisher wurde nur die Situation des Individuums beschrieben, jedoch ist der Mensch, trotz der beobachteten Singularisierungstendenzen ein soziales Wesen. Man muss sich also die Frage stellen, wie sich die moderne Gesellschaft strukturierend auf die Familie, in der es auf Kontinuität und Stabilität ankommt, auswirkt.

2.3 Konsequenzen der Individualisierung auf die Familie

Mit der Entwicklung des Sozialstaates seit dem Ende des 19. Jahrhunderts und seiner Sicherheitsleistungen, wie gesetzliche Rente und Sozialversicherungen sowie staatliche Beihilfen aller Art für sozial Schwächere, wurde die Einzelperson immer unabhängiger von der Familie und die traditionelle Bindung an sie wurde so mehr und mehr gelockert. (Vgl. Beck-Gernsheim, 1994, S. 121f.)

Einen weiteren Einschnitt in die Familienbindung stellte die, vor allem seit den 60er Jahren beschleunigte Verselbständigung der Frauen dar. Sie bekamen verstärkt Zugang zu Bildung und Beruf, konnten sich zunehmend selbst versorgen und waren dadurch immer weniger von der Familie und vor allem vom Mann abhängig. (Vgl. ebd., S. 122f.)

Dass sich die zunehmenden Individualisierungstendenzen auch auf das Verhältnis der Familienmitglieder untereinander auswirken, erscheint mehr als logisch. Generell kann man sagen, dass sich die familiale Notgemeinschaft des 18. Jahrhunderts zu einer heutigen Wahlverwandtschaft gewandelt hat, was mit dem Folgenden deutlich wird.

2.3.1 Das Binnenverhältnis individualisierter Familienmitglieder

Die moderne Familie wird auf vielen Ebenen zum alltäglichen „Balance-Akt“ (Beck-Gernsheim, 1994, S. 123, zit. nach: Rerrich, 1988), zum dauernden „Bastel“-Projekt (Hitzler/ Honer, 1994, S. 307ff.), denn es müssen immer mehr Absprachen getroffen werden, um die Einzelbiografien als Gemeinschaft zusammenzuhalten. Beeinflusst wird dieses durch die folgenden Aspekte:

Vermehrt finden gesellschaftliche Institutionen strukturierend Einfuß in den Familienalltag. (Vgl. Beck-Gernsheim, 1994, S. 124) „Das eigene Leben hängt zum Beispiel ab von Kindergartenöffnungszeiten, Verkehrsanbindungen, [der betrieblichen Stechuhr, Schulzeiten, M. H.] Stauzeiten, örtlichen Einkaufsmöglichkeiten usw.“ (Beck, 1996b, S. 42) Das führt dazu, dass der Alttag der einzelnen Mitglieder weder unter gemeinsamen örtlichen noch zeitlichen Bedingungen stattfindet. In Bezug auf die Kinder sprechen Fachleute von „verinselter Kindheit“ (Zeiher, 1994, S. 353ff.), da selbst sie keine einheitlichen Lebensräume mehr vorfinden, sondern ihr Alltag in verschiedenen Funktionsräumen (Schule, Sportplatz, Vereine, Jugendzentren usw.) stattfindet.

Zusätzlich verlangen der Arbeitsmarkt und das Bildungssystem verstärkt nach Mobilität und Flexibilität. Folglich wird es immer schwieriger die verschiedenen Tagesabläufe zu koordinieren. Ein Zusammenleben verlangt jedoch Kontinuität und Stabilität. Um dies annähernd zu sichern, wird die Familie sozusagen zum Kleinunternehmen, da der Alltag in zunehmendem Maße geplant, organisiert und kalkuliert werden muss. (Vgl. Beck-Gernsheim, 1994, S. 124f.)

Ein weiterer Aspekt, der von den Familienmitgliedern wesentlich stärkeren persönlichen Einsatz abverlangt die Familie zur Gemeinschaft zu machen als früher, ist das Prinzip der freien Partnerwahl und die damit verbundenen multi-kulturellen Einflüsse.

In der vorindustriellen Gesellschaft waren die Lebenswelten ziemlich geschlossen und die Heiratsmöglichkeiten von der ethischen und ständischen Zugehörigkeit begrenzt, so dass zwischen den Eheleuten fast immer Übereinstimmung in den bisherigen Erfahrungen, Lebensweisen und Werten herrschte.

Heute begegnen sich durch das Prinzip der freien Partnerwahl Menschen aus den verschiedensten Milieus, Schichten und Regionen, die ihre Gemeinsamkeiten erst selbst finden müssen. Es „müssen [...] unterschiedliche Lebensweisen, Werte, Denkweisen, Kommunikationsformen, Rituale und Alltagsroutinen zu einer Ehe- und Familienwelt zusammengefügt werden.“ (Ebd., S. 127) Diese Tatsache erfordert, dass sich die Partner wesentlich stärker persönlich einsetzen. Dies gilt umso mehr für Partnerschaften, die zwischen Menschen geschlossen werden, die aus unterschiedlichen Ländern und/ oder Kulturen stammen. (Vgl. ebd., S. 125ff.)

Auch die hohen Scheidungsraten bleiben nicht ohne Folgen für die moderne Familienstruktur. Statistiken zufolge wird heute nahezu jede dritte Ehe geschieden (vgl. ebd., S. 129), mit einschneidenden Folgen zunehmend auch für Kinder. Scheidungen sind so gut wie immer mit einem Wechsel der Umgebung, der Entstehung neuer ökonomischer Lagen und einer notgedrungenen Umorganisation des Alltags für alle Beteiligten verbunden.

Durch den Akt der Scheidung bildet sich auch unweigerlich ein neues Verhältnis zwischen dem Mann, der Frau und den Kindern. Die Eltern, die vorher für die Kinder eine Einheit darstellten, stehen sich jetzt als Einzelpersonen gegenüber und die Kinder müssen lernen mit gespaltenen Loyalitäten zurechtzukommen. Gelegentlich werden selbst Geschwister aufgeteilt. Dies führt nicht nur dazu, dass der Kontakt zum getrennten Elternteil zusehendst dünner wird, sondern meist verschwinden auch die dazugehörenden Großeltern und Verwandten aus dem Gesichtskreis der Kinder, da die früheren Bindungen vom Sorgeberechtigten meist nicht mehr erwünscht sind. Welche Konsequenzen dies auf die Psyche der Kinder hat, ist wiederum individuell. Einige tragen sicherlich lebenslange Störungen davon. Der Großteil erholt sich von der Dramatik einer Elterntrennung wieder und findet sich im Laufe der Zeit gut mit der neuen Situation zurecht. Auf jeden Fall erfahren sie, dass Trennungen ein normales Ereignis in individualisierten Lebensläufen sind und lernen im günstigsten Fall frühzeitig Bindungen aufzugeben und mit Verlassenwerden umzugehen. (Vgl. Beck-Gernsheim, 1994, 129ff.)

2.3.2 Wahlverwandtschaften

Viele Geschiedene und auch nichteheliche Mütter und Väter gehen neue Partnerschaften ein. Zunächst werden in solchen Fällen vergleichbar mit den oben besprochenen bikulturellen Paaren zwei Familienkulturen miteinander verknüpft. Folglich wachsen eine zunehmende Zahl Kinder mit nichtbiologischen Elternteilen heran und wandern darüber hinaus weiterhin zwischen den Familienwelten der leiblichen Eltern hin und her, wobei der Teil, der nur das Besuchsrecht hat, meist ebenfalls wieder neue Bindungen eingegangen ist. Diese Entwicklung vergrößert das mögliche Verwandtschaftssystem und ist für alle Beteiligten individuell variabel. (Vgl. ebd., S. 129ff.)

[...]

Ende der Leseprobe aus 119 Seiten

Details

Titel
Die Differenzierung der Lebensphase Jugend - dargestellt am Beispiel der Technobewegung
Hochschule
Fachhochschule Dortmund  (Fachbereich Sozialpädagogik)
Note
1,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
119
Katalognummer
V5683
ISBN (eBook)
9783638134927
Dateigröße
721 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
reflexive Modernisierung, Jugend, Techno, Individualisierung, Lebensstil, posttraditionale Vergemeinschaftungsform
Arbeit zitieren
Michaela Hein (Autor:in), 2001, Die Differenzierung der Lebensphase Jugend - dargestellt am Beispiel der Technobewegung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5683

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