Brünhild von Islant


Seminararbeit, 2002

22 Seiten, Note: 1


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Das Nibelungenlied

2. Brünhild von Islant

3. Frauenbild im mittelhochdeutschen Nibelungenlied und in den nordischen Sagenkreisen wie der Lieder – Edda mit besonderer Bezugnahme auf Brünhild
3.1 Feministische und andere Literaturtheorien bei der Nibelungenliedforschung
3.2 Die Geschichte des Frauenbildes der Walküre
3.3 Das Bild von der kämpfenden Frau

4. Brünhild in der Interaktion mit Kriemhild, Hagen und Siegfried

5. Das christliche Bild von der unbotmäßigen Ehefrau

6. Zusammenfassung und Schlussfolgerung

7. Bibliographie

1. DAS NIBELUNGENLIED

Das Nibelungenlied, welches wohl um 1200 - eventuell im Auftrag von Bischof Wolfger von Erla - von einem unbekannten Autor (namens Konrad?) verfasst wurde, steht mit seiner pessimistischen Weltsicht im Kontrast zur epischen Dichtung von zum Beispiel Hartmann von Aue. Es ist die im deutschsprachigen Raum wahrscheinlich bekannteste mittelalterliche Dichtung.

Vor dem mittelhochdeutschen Nibelungenlied gab es eine reiche, in manchem abweichende Sagenüberlieferung in Nordeuropa (Island, Dänemark und Norwegen) und Norddeutschland (Westfalen, Niedersachsen). Gemeinsame Erzählkerne dieser Überlieferungen sind Sigurds/Siegfrieds frühe Begegnung mit Brynhild und seine spätere Hochzeit mit Gudrun/Kriemhild, der Schwester Gunnars /Gunthers und Högnis/Hagens, auf deren Betreiben Sigurd später ermordet wird und die Einladung und Ermordung der Geschwister Gudruns durch ihren zweiten Gatten Atli/Etzel.

Wir haben es sehr wahrscheinlich mit einer Sagenfassung zu tun, die erst auf späteren Stufen zur Differenzierung führte. Die Siegfried - Brünhild Erzählung und die Sage vom Untergang der Burgunden haben jeweils nur einen historischen Ausgangspunkt.

Herkunft und Einbeziehung der Brünhild - Figur, welche sowohl im mittelhochdeutschen Nibelungenlied als auch in den nordischen Dichtungen mythischen Charakter aufweist, sind nicht erklärt. Das Motiv von der verschmähten Braut, welche schlussendlich die Ermordung des ihr untreu gewordenen früheren Geliebten durch ihren Ehemann veranlasst, kommt aber sowohl in den nordischen Varianten als auch - kaschiert - im Nibelungenlied vor. In der Sagenentwicklung ist die Siegfried - Brünhild Sage und die vom Untergang der Burgunden, welche uns in der Lieder - Edda noch getrennt begegnen, an einer bestimmten Stelle verbunden worden. Die Untergangssage ergab sich dabei als Folgeentwicklung der Siegfried - Brünhild Sage (was möglicherweise für die Profilierung Kriemhilds geschah, die im ersten Teil zweimal großes Unrecht erfuhr und sich dafür rächt).

Einen eigenen Bereich der Sagengeschichte stellt Siegfrieds Jugendgeschichte dar. Während sie in den nordischen Texten in eigenen Texten, aber auch als Teil der Gesamtgeschichte (Völsungasaga, Thidreksaga, Snorri - Edda) erscheint, wird sie im Nibelungenlied nur in Hagens erzählender Erläuterung in den Strophen 87 - 100 erwähnt. Seine frühere Begegnung und Verlobung mit Brünhild fehlt vollkommen.

Gegliedert ist das Nibelungenlied in 39 Kapitel („Aventiuren“). Der erste Teil

besteht aus den Aventiuren 1 - 19, der zweite geht von 20 - 39.

Siegfried, ein Königssohn aus Xanten, wirbt um Kriemhild, die Schwester der drei Burgundenkönige Gunther, Giselher und Gernot zu Worms am Rhein. Hagen von Tronje, ein Verwandter und bedeutendster Vasall König Gunthers, weiß von Siegfried, dass er früher einen Drachen getötet und von den Nibelungen einen legendären Schatz erworben hat. Im Laufe der Zeit macht sich Siegfried für die Burgunden unentbehrlich. Vor allem hilft er ihm dabei - mit der Hilfe seiner unsichtbar machenden Tarnkappe - um die von diesem ersehnte Braut Brünhild von Islant zu werben. Daraufhin vermählt man ihn mit Kriemhild. In der Hochzeitsnacht erfährt Gunther durch Brünhild die wohl größte Demütigung seines Lebens, als er von ihr gefesselt an einen Haken gehängt wird und so die Nacht verbringen muss. Am darauffolgenden Abend schleicht sich Siegfried ins königliche Schlafgemach und hilft Gunther - wieder unter zu Hilfename der Tarnkappe - Brünhild zu vergewaltigen. Er nimmt ihr auch den Ring und ihren Gürtel, wodurch Brünhilds übermenschliche Kraft gebrochen wird.

Jahre später kommt dieser Skandal ans Licht der Öffentlichkeit als sich Kriemhild und Brünhild vor dem Münster zu Worms um den Vortritt streiten. Brünhild beauftragt daraufhin Hagen Siegfried zu ermorden. Der tut das - unter unfreiwilliger Mithilfe Kriemhilds - auf der Jagd. Danach raubt er Kriemhild den Schatz der Nibelungen um zu verhindern, dass sie damit die Rache herbeiführt und versenkt ihn im Rhein.

Nach einer Ewigkeit der Trauer nimmt sie die von Markgraf Rüdeger von Bechelaren vorgebrachte Werbung des Hunnenkönigs Etzel an. Jahre später lädt sie die jetzt Nibelungen genannten Burgunden an den Hof König Etzels ein. In einem unglaublichen Blutbad sterben alle hunnischen und burgundischen Krieger, sowie die Gefolgsleute des im Exil lebenden Königs Dietrich von Bern. Nachdem Kriemhild Gunther und Hagen tötete, wird sie vom wutentbrannten Hildebrand - Dietrichs Waffenmeister - erschlagen. Mit der Klage Etzels und Dietrichs um ihre Verwandten und Männer endet das Nibelungenlied.

2. BRÜNHILD VON ISLANT

Brünhild von Islant ist, auch wenn sie nur eine Nebenrolle spielt, eine der zentralen Figuren im Nibelungenlied. Bis zu Siegfrieds Tod tritt sie in allen Schlüsselszenen in Erscheinung. Ihr Charakter gibt aber einige Rätsel auf. Woher kommt ihre schier übermenschliche Kraft? Wer waren ihre Eltern? Wieso ließen sie zu, dass Brünhild sich dermaßen über alle damals üblichen Rollenverteilungen zwischen den Geschlechtern hinwegsetzte? Und kannte sie Siegfried vielleicht von früher?

Fangen wir mit ihrem Namen an. Dieser setzt sich aus dem althochdeutschen brunna, brunia was soviel wie Rüstung oder Panzer heißt und hiltia, Kampf, zusammen. Man könnte ihren Namen demnach mit „Die mit der Rüstung/dem Panzer kämpft“ oder „Kämpferin der Brünne“ übersetzen.[1]

Brünhild, die Gunther freien will, kommt aus einem fremden Land mit fremden Sitten. So muss auf Isenstein jeder Freier mit ihr Wettkämpfe austragen. Wer verliert, dem wird nicht nur ihre Hand verwehrt, ja er ist darüber hinaus des Todes - ohne Ausnahme. In Worms herrschen andere Sitten. Hier wird der Konflikt zwischen Gunthers Mannen und Siegfried nur mit Mühe von Gernot mit einer Geste der Gastfreundschaft abgewendet, nachdem Siegfried säbelrasselnd Land und Leute forderte. Bei Brünhild wäre so etwas undenkbar, genauso wie es in Worms unmöglich ist, dass eine Frau ritterliche Kampfspiele mit Männern austrägt.

In der fünften Aventiure, wo es um die Werbefahrt nach Islant geht, die eine der ältesten Schichten des Stoffes darstellt (die Teilnahme Gunthers, die Freierprobe (Flammenritt und Kampfspiele) und der Werbungsbetrug (Tarnkappe) sind wahrscheinlich erst jüngere Entwicklungen) ereignen sich einige wichtige Szenen, die den späteren Verlauf der Handlung des Nibelungenliedes noch entscheidend beeinflussen sollten. So steht in Strophe 396f:

„Ir wâren niewan viere, die kômen in daz lant.

Sîfrit der küene ein ros zuch ûf den sant;

daz sâhen durch die venster diu waetlîchen wîp.

Des dûhte sich getiuret des künec Guntheres lîp.

Er habte im dâ bî zoume daz zierliche marc,

gúot únde schoene, vil michel unde starc,

und daz der künec Gunther in den satel gesaz.

Alsô diente im Sîfrit, des er doch sît vil gar vergaz.“

Noch interessanter als dieser fiktive Steigbügeldienst ist allerdings die Tatsache, dass Brünhild ihm keinen Glauben schenkt. Denn ungeachtet dieser Geste der Unterwerfung lässt sie den schwächlichen Gunther links liegen und geht bei der Begrüßung zuerst geradewegs auf Siegfried zu, da sie ihn für den Werber hält.

Daraus lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass Gesten im höfischen Epos um 1200 vom Körper abgelöst und instrumentalisiert werden können. Allerdings sind sie - wenn sie von der Objektivität desselben abgetrennt werden - wirkungslos und unglaubwürdig. Denn Gesten sind in der höfischen Epik lediglich die Äußerungsform des Körpers. Dies nur zur Erklärung, warum Brünhild von vornherein nicht auf dieses Täuschungsmanöver hereinfällt und erst durch Siegfrieds Aussagen vom Gegenteil überzeugt werden kann.

Was die fremden Sitten betrifft, so sollte man sich vor Augen führen, dass zwischen Worms und Islant Welten liegen und zwar nicht nur metaphorisch. Denn Brünhilds Heimat ist - wie kann es bei solch unterschiedlichen Gebräuchen anders sein - eine nur sehr schwer erreichbare Insel. Nur wenige kennen den Weg dorthin. Diese nahezu unüberbrückbare Distanz zwischen beiden Höfen spiegelt sich im Mikrokosmos des königlichen Schlafgemachs wieder. Gunther hat - natürlich unter tätiger Hilfe Siegfrieds - Brünhild zwar erworben und sie heim nach Worms geführt, dennoch hat er Brünhild weder tatsächlich erstritten, noch ist die Distanz zwischen ihm und seiner Braut tatsächlich überwunden. Deswegen kann es König Gunther auch nicht gelingen, sich seiner Frau zu nähern. Um ihren Unwillen gegenüber seinen Annäherungsversuchen gebührend Ausdruck zu verleihen, hängt sie ihn kurzerhand an einen Nagel, um so sicherzugehen, dass die Distanz zwischen ihnen bis zum nächsten Morgengrauen bestehen bleibt. Diese wird auch durch die Gewalt, welche Siegfried im Schutze seiner unsichtbar machenden Tarnkappe ausübt, niemals überwunden werden, sie tritt immer wieder hervor. Fritz Peter Knapp stellt in seinem Vortrag während der Pöchlarner Heldenliedgespräche, der den Titel „Eine unsanfte Brautnacht“ (S. 109 - 126) trägt, die These auf, dass der Autor Diesen „Kulturschock“ mit Komik bewältigen wollte. Gunther kann es am ersten Abend kaum erwarten, mit seiner Frau ins Bett zu gehen. Er wirft ihr leidenschaftliche Blicke zu und wähnt sich am Ziel all seiner Träume. Gunther und Siegfried betreten mit ihren Ehefrauen die Schlafgemächer. „Jeder von ihnen meinte, liebend über die schönen Damen zu siegen“ (628,2f). Aber nur Siegfried ist dies wirklich vergönnt. Gunther lag aber offenbar schon öfters angenehmer bei anderen Damen. Er geht also bereits geschult an seine ehelichen Pflichten heran, obwohl zunächst andere Talente von ihm gefragt sind, da Brünhild ihre Drohungen wahrmacht und verhindert, dass Gunther sich ihr weiter nähern kann. Sie lässt ihn auch dann nicht runter, als er beteuert, auf seinen „Minnesieg“ zu verzichten und bindet ihn erst im Morgengrauen los. Danach bittet er Siegfried um Hilfe, er nähme sogar Brünhilds Tod in Kauf, nur die Penetration solle Siegfried bitte Gunther überlassen, was diesen nicht weiter stört, da ihm seine Kriemhild über alles geht. Gunthers sexuelle Begierde richtet sich nach wie vor an Brünhild, dass Siegfried aber von jeglicher Lust frei war, ist laut Knapp reine Minneideologie, wenn man bedenkt, dass Kriemhild vor dem Münster behauptet, dass zuerst Siegfried Brünhild minnte.

[...]


[1] vgl. DEBUS, Friedrich(Hg.): „Reclams Namensbuch. Deutsche und fremde Vornamen nach Herkunft und Bedeutung erklärt.“Stuttgart, Philipp Reclam jun. GmbH & Co., 1987, S. 63

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Brünhild von Islant
Hochschule
Universität Wien  (Germanistik)
Veranstaltung
Frauenbilder - Männerbilder in der mittelhochdeutschen Literatur
Note
1
Autor
Jahr
2002
Seiten
22
Katalognummer
V5693
ISBN (eBook)
9783638134965
ISBN (Buch)
9783638639057
Dateigröße
530 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Brünhild, Islant, Frauenbilder, Männerbilder, Literatur
Arbeit zitieren
Udo Seelhofer (Autor:in), 2002, Brünhild von Islant, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5693

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