Die Europäische Einigung - Geschichte und Perspektiven der EU


Seminararbeit, 2006

39 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen

Verzeichnis der Abkürzungen

I. Einleitung

II. Geschichte der Europäischen Union
1. Anfänge der Europäischen Integration (1713 - 1950)
1.1 Entstehungsgeschichte der Europaidee bis 1945
1.2 Der Beginn des europäischen Einigungsprozesses
1.2.1 Europakonzepte in den ersten Nachkriegsjahren
1.2.2 Die Geburtsstunde der wirtschaftlichen Einigung: Marshallplan und OEEC
1.2.3 Die Geburtsstunde des politischen Einigungsprozesses: Haager Kongress und Europarat
2. Gründungsjahre der europäischen Einheit (1951 - 1960)
2.1 Die Gründung der EGKS
2.2 Der Versuch einer Verteidigungsgemeinschaft
2.3 Die Gründung der EWG und der EAG
3. Krise des europäischen Einigungsprozesses (1961 - 1969)
4. Die EG zwischen Erweiterung und Stillstand (1969 - 1984)
4.1 Europäische Politische Zusammenarbeit
4.2 Die Norderweiterung
4.3 Versuche einer Wirtschafts- und Währungsunion
4.4 Die Süderweiterung
5. Verstärkte Integrationsbemühungen ab 1985
5.1 Die Einheitliche Europäische Akte
5.2 Der Vertrag von Maastricht
5.3 Schengener Abkommen
5.4 Erweiterung um die EFTA-Staaten
5.5 Der Vertrag von Amsterdam
5.6 Die Agenda 2000
5.7 Die EU-Osterweiterung
6. Meilensteine der EU im 21. Jahrhundert
6.1 Verwirklichung der Währungsunion
6.2 Vertrag von Nizza

III. Perspektiven der Europäischen Union
1. Vollendung der Europäischen Verfassung
2. Zukunft der GASP
3. Das Europa der Zukunft - Ein europäischer Binnenmarkt vom Atlantik bis zum Ural?

Anhang

Literaturverzeichnis

Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen

Abbildung 1: Gründungsmitglieder der EGKS

Abbildung 2: Die EG 1973

Abbildung 3: Die EG 1986

Abbildung 4: Die Staaten des Schengener Abkommens

Abbildung 5: Die EU der 15

Abbildung 6: Mitglieder der Europäischen Union (EU der 25)

Abbildung 7: Europäische Länder mit Bezug zum Euro

Verzeichnis der Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

I. Einleitung

„ Die europäische Einigung ist nichts anderes als die logische Konsequenz unserer Geschichte.

Es geht darum, das Gute in Europa auf Dauer zu sichern und das Böse auf Dauer auszuschließen. “

Bundesminister Dr. Theo Waigel 1

Nach Generationen der Teilung und des Krieges, wird Europa durch die Euro- päische Union heute auf friedliche Weise geeint. Von den sechs Gründungs- staaten wurde die EU inzwischen auf 25 Mitglieder erweitert und bald werden es 27 sein. In den letzten fünfzehn Jahren hat die Anziehungskraft der EU dazu beigetragen, dass die mittel- und osteuropäischen Länder den Übergang von kommunistischen Systemen zu modernen, gut funktionierenden Demokratien schafften. In jüngster Zeit hat sie groß angelegte Reformen in der Türkei, Kroa- tien und den übrigen westlichen Balkanländern angeregt. Alle Europäer profi- tieren von Nachbarländern mit stabilen Demokratien und funktionierenden Marktwirtschaften. Durch einen sorgfältig gelenkten Erweiterungsprozess werden Frieden, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Wohlstand auf ganz Europa ausgedehnt. Wie sich die Europäische Integration bis zu diesem Punkt entwickelt hat, soll diese Arbeit erläutern.

II. Geschichte der Europäischen Union

1. Anfänge der Europäischen Integration (1713 - 1950)

1.1 Entstehungsgeschichte der Europaidee bis 1945

Die Idee eines vereinten Europas ist nicht neu. In seinem Plan „Mémoire pour rendre la paix perpétuelle en Europe“ (zu deutsch „Der Traktat vom ewigen Frieden“) schlug Charles-Irénée Castel de Saint Pierre bereits 1713 die Gründung eines Bündnisses der europäischen Staaten vor. Ziel war die Aufrechterhaltung des Mächtegleichgewichts und somit die Friedenssicherung in Europa. Er forderte die Gründung eines übergeordneten Organs, des „Europäischen Senats“, das die Einhaltung dieses Bündnisses sicherstellen sollte.2 Diese Grundidee wurde von anderen Philosophen, wie Rousseau und Kant aufgegriffen, diskutiert und weiterentwickelt, wobei Rousseau 1760 in seinem Werk den Erfolg dieses Planes anzweifelte. Er befürchtete das Scheitern dieser Idee mangels der Zustimmung der europäischen Fürsten. Auch Kant sah in einer Föderation der europäischen Staaten, jedoch unter einheitlichem und gemeinsamem Recht, das Mittel zur dauerhaften Friedenssicherung in Europa. Weder der Plan von de Saint Pierre noch der von Kant wurde realisiert. Im 19. Jahrhundert änderte sich diese verbreitete Einstellung. Die Idee, eine Integration auf europäischer Ebene durch die Einschränkung der Souveränität der jeweiligen Staaten zu bewirken, wurde verworfen. Vielmehr wurde eine Zusammenarbeit der Berufsverbände einzelner Staaten mit dem Ziel der Verbesserung der ökonomischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Europa gefordert. Bekannte Vertreter dieser Theorie waren de Saint-Simon und Thierry mit ihrer Schrift „De la réorganisation de la société européenne“ von 1814.3 Nach 1918, mit dem Ende des Ersten Weltkriegs, gewann das Thema der Euro- päischen Integration erneut an Aktualität. Infolgedessen gründete der Österreicher Graf Coudenhove-Kalergi 1923 die „Paneuropa-Bewegung“ mit dem Ziel die „Vereinigten Staaten von Europa“ zu schaffen. Mit Hilfe eines Stufenplanes wollte er einen mächtigen Staatenbund errichten, der ein ebenbürtiges Pendant zu den bereits bestehenden Großmächten Sowjetunion, Vereinigte Staaten von Amerika, Großbritannien und Ostasien darstellen sollte. Auf dem Wege dorthin sollten eine paneuropäische Konferenz, ein Schieds- und Garantievertrag, ein paneuropäischer Zollverein und der Zusammenschluss Europas zur einheitlichen Wirtschaftszone stehen.4 Obwohl die „Paneuropa- Bewegung“ bis heute weiter existiert, wurde diese Vision der „Vereinigten Staaten von Europa“ so nicht verwirklicht.5 Einen weiteren Versuch die europäischen Staaten zusammenzuschließen, unternahmen der französische Außenminister Aristide Briand und der deutsche Außenminister Gustav Stresemann im Jahr 1929. Anvisiert wurden eine enge Kooperation der europäischen Staaten im Rahmen des Völkerbundes und die Gründung eines „Europäischen Rates“ mit dem Ziel Frankreich und Deutschland nach den Kriegen wieder auszusöhnen. Aufgrund der Weltwirtschaftskrise und den damit verbundenen innenpolitischen Problemen scheiterte jedoch auch dieser Plan.6 In den dreißiger Jahren kam mit Hitler und dem Nationalsozialismus die Desintegration der europäischen Staaten. Die einzelnen Länder zogen es vor wirtschaftlich unabhängig voneinander zu sein, da eine wirtschaftliche Abhängigkeit ein Land in militärischer Hinsicht verwundbar gemacht hätte. So nahm die bereits sehr geringe europäische Zusammenarbeit auch auf wirtschaftlicher Ebene ab.7 Im Jahre 1933 gingen die Nationalsozialisten sogar soweit, alle europäischen Vereinigungen in Deutschland zu verbieten. Auch in anderen europäischen Ländern verblieben nur noch wenige kleine Organi- sationen. Bereits in den zwanziger Jahren hatte die damalige Europabewegung vor einem erneuten Krieg gewarnt. 1939, mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, bestätigte sich diese Befürchtung.8

1.2 Der Beginn des europäischen Einigungsprozesses

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs erhielt die Integrationsidee, bedingt durch den politischen und ökonomischen Verfall der europäischen Staaten, erneut politischen Auftrieb.9 Das Hauptthema jedoch stellte die Behandlung des besiegten Deutschlands dar.10

1.2.1 Europakonzepte in den ersten Nachkriegsjahren

Bereits ein Jahr nach Kriegsende, 1946, forderte der britische Premierminister Sir Winston Churchill in seiner bekannten Züricher Rede die „Neugründung der europäischen Familie“. Kern dieser Familie, die er die „Vereinigten Staaten von Europa“ nannte, sollten die versöhnten Länder Deutschland und Frankreich darstellen. Nach Churchill sollte Großbritannien jedoch nicht Teil dieses Bündnisses werden, sondern gemeinsam mit den USA dessen Bildung betreuen.11 Bis 1973 hielt Großbritannien seine Position außerhalb Europas, erst dann schloss sich der Inselstaat der Europäischen Gemeinschaft an.12

1.2.2 Die Geburtsstunde der wirtschaftlichen Einigung: Marshallplan und OEEC

In der Machtübernahme der kommunistischen Parteien im Osten Europas sahen die Vereinigten Staaten von Amerika eine Bedrohung. Nach Ausbruch des Kalten Krieges zwischen den USA und der Sowjetunion 1947 wurde die europäische Entwicklung zum Spielball der beiden Weltmächte. Mit Hilfe des Marshallplans, der den europäischen Ländern finanzielle Mittel zum Wiederaufbau Europas zur Verfügung stellte, wollten die USA ihre ideologische Position in der Auseinandersetzung mit dem Kommunismus sicherstellen. Zu den Auflagen des Marshallplans gehörte die Verpflichtung der europäischen Länder zum Wohle aller beizutragen und konkrete Pläne auszuarbeiten. Um diese Bedingungen zu erfüllen, gründeten am 16. April 1948 die Vertreter von 17 europäischen Ländern die „Organization for European Economic Cooperation“ (OEEC).13 Zu den formulierten Zielen der OEEC gehörten Förderung der Wirtschaftsentwicklung, Steigerung des Lebensstandards, Wirtschaftswachstum und Ausweitung des Welthandels.14 Nach dem Beitritt der USA, Kanadas und Australiens im Jahre 1960 wurde aus der OEEC die OECD. Dies stellte die erste Institutionalisierung einer europäischen Zusammenarbeit dar und kann somit als ersten Schritt zur Integration Europas gesehen werden.15 Aufgabe der OECD ist seitdem die Koordination der Wirtschafts-, Handels- und Entwicklungspolitik der Mitgliedsstaaten.16

1.2.3 Die Geburtsstunde des politischen Einigungsprozesses: Haager Kongress und Europarat

Im Mai 1948 fanden sich 750 Politiker aus beinahe allen europäischen Staaten in Den Haag zu einem Kongress der europäischen Einigungsbewegung ein.17 Unter ihnen waren bekannte Größen der Politik wie Robert Schuman, Alcide de Gasperi, Paul-Henri Spaak und Konrad Adenauer.18 In seinem Beschluss forderte der Kongress ein vereintes demokratisches Europa. Diese Forderung fand allgemeine Zustimmung der Teilnehmer und gab den Anstoß zur Aufnahme von Verhandlungen, die im Mai 1949 zur Gründung des Europarates führten. Der Haager Kongress war zugleich die Geburtsstunde der Europäischen Bewegung.19 Die im Rahmen des Europarates verabschiedete Konvention zum Schutz der Menschenrechte gehört zu seinen größten Leistungen. Neben dem Schutz von Demokratie und Menschenrechten gehört die Kultur- und Gesellschaftspolitik in den Mitgliedsstaaten zu den Aufgaben des Europarates.20

2. Gründungsjahre der europäischen Einheit (1951 - 1960)

2.1 Die Gründung der EGKS

Mit der Unterzeichnung des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemein- schaft für Kohle und Stahl im April 1951 wurde die erste überstaatliche Einrichtung in Europa geschaffen. Initiiert wurde dieser Plan von den Franzosen Jean Monnet und Robert Schumann mit dem Ziel, die Feindschaft zwischen Deutschland und Europa durch eine enge Zusammenarbeit auf wirtschaftlicher Ebene zu überwinden. Im Anhang zeigt Abbildung 1 die Gründungsländer der EGKS (Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg). Ein Jahr zuvor hatte der französische Außenminister Robert Schumann vorgeschlagen, die Kohle- und Stahlproduktion Deutschlands und Frankreichs einer gemeinsamen Behörde zu unterstellen.21 Diese Behörde stellte neben dem Rat, der parlamentarischen Versammlung und dem Gerichtshof das oberste Organ der EGKS dar und verfügte über eine weit reichende, überstaatliche Autorität.22

2.2 Der Versuch einer Verteidigungsgemeinschaft

Ein Jahr nach Unterzeichnung des Vertrages über die EGKS, ratifizierten deren Mitglieder den Vertrag zur Errichtung der Europäischen Verteidigungs- gemeinschaft. Der französische Premierminister René Pleven hatte die Idee, eine gemeinsame europäische Armee zu gründen, die einem europäischen Verteidigungsminister unterstellt werden sollte. Zusätzlich zur EVG sollte eine Europäische Politische Gemeinschaft geschaffen werden, die die politische Ergänzung zur EGKS und EVG darstellen sollte und deren Aufgabe die Entwicklung des Marktes in den Mitgliedsstaaten, die Anhebung des Lebens- standards und die Beschäftigungssteigerung sein sollte. Geplant war die Integration der bestehenden EGKS und der vorgesehenen EVG in die Europäische Politische Gemeinschaft. Obwohl der Entwurf der EPG von den Mitgliedern der EGKS einstimmig angenommen wurde, scheiterte die EVG 1954 in der französischen Nationalversammlung. Als Konsequenz daraus wurde dem Vorhaben der EPG die Grundlage entzogen.23

2.3 Die Gründung der EWG und der EAG

Mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge im März 1957 wurden die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und die Europäische Atomgemeinschaft von den sechs Mitgliedsstaaten der EGKS gegründet.24 Initiiert wurde dieser Schritt von den Beneluxstaaten, allen voran der belgische Außenminister Spaak, der auch die vorlaufenden Untersuchungen durchführte.25 Die EWG war und blieb die mit Abstand wichtigste dieser drei Organisationen. Ihre maßgeblichen Ziele waren der Aufbau eines gemeinsamen Marktes auf der Basis einer Zollunion, die Koordinierung der Wirtschaftspolitik sowie die Verbesserung des Lebensstandards in der Gemeinschaft. Sie folgte wie schon zuvor die EGKS dem Modell der sektoralen, ökonomischen Integration, mit dem sich die Erwartung verband, dass die wirtschaftliche Integration mittelfristig eine politische Integration nach sich ziehen würde.26

3. Krise des europäischen Einigungsprozesses (1961 - 1969)

Nach Inkrafttreten der Römischen Verträge kam das Streben nach einer politischen Integration der sechs Mitgliedsstaaten der EWG zum Stillstand. Hauptverantwortlich für diesen Stillstand war der französische Präsident General Charles de Gaulle, der sich gegen die Einschränkung der nationalen Souveränitätsrechte aussprach. Er sah die EWG einzig als Instrument besseren ökonomischen Nutzen für Frankreich zu erlangen und brachte sein Land in die Zeit nationalstaatlichen Denkens zurück. Daher widersetzte er sich jeder Weiter- entwicklung der EWG zur politischen Union, unter anderem durch die Verhinderung der - in den Römischen Verträgen vorgesehenen - direkten Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments. Die potentielle Erweiterung der EWG um Irland, Dänemark und Großbritannien wurde ebenfalls aufgrund seines Widerspruchs verhindert. De Gaulle war nicht bereit über einen Beitritt Großbritanniens zu verhandeln, da die beiden Länder völlig unter- schiedliche Positionen auf dem Gebiet der Agrarpolitik vertraten. Das Scheitern der britischen Beitrittsbemühungen führte dann im Januar 1963 zum politischen Stillstand in der EWG. Typisch für diese Zeit war auch ein neuer Plan zur Gründung einer "Union von Staaten" als Allianz von independenten Staaten ohne eigene Rechtskörperschaft. Dieser wurde von dem französischen Botschafter Fouchet vorgebracht. Neben verteidigungspolitischen Bedenken und aufgrund des eingeschränkten überstaatlichen Charakters wurde der Vorschlag von den anderen fünf Gemeinschaftsmitgliedern zurückgewiesen. Auch ein modifizierter Plan Fouchets verlief im Sande. Die Krise der Gemeinschaft erreichte ihren Höhepunkt am 30. Juni 1965 als de Gaulle den EWG-Mitgliedern mitteilte, dass Frankreich die Mitarbeit im Ministerrat einstellen werde ("Politik des leeren Stuhls"). Dieser Boykott dauerte bis zum „Luxemburger Kompromiss“ vom 30. Januar 1966 an, in dem Einstimmigkeitsentscheidungen in sehr wichtigen Fragen des nationalen Interesses vorgeschrieben wurden. Somit konnte die Arbeit der Gemeinschaft wieder aufgenommen werden. Am 1. Juli 1967 wurde die bereits 1965 vertraglich beschlossene Fusion der drei Gemeinschaften EWG, EAG und EGKS zu einer Europäischen Gemeinschaft (EG) umgesetzt. Neben den schon bestehenden gemeinsamen Organen wurden nun auch die Ministerräte und die Kommissionen der drei Gemeinschaften vereinigt. Politisch gesehen stand zu dieser Zeit jedoch wieder die Erweiterung der Gemeinschaft im Vordergrund. Großbritannien hatte am 11. Mai 1967 zum zweiten Mal die Aufnahme beantragt. Die Haltung Frankreichs hierbei, repräsentiert durch de Gaulle, war unverändert abweisend.27 Die hier deutlich werdende blockierende Europapolitik des Generals war im Wesentlichen für den enttäuschenden Verlauf der europäischen Integrationsbemühungen im Zeitraum zwischen 1961 bis 1968 verantwortlich. Erst mit dem Abtritt de Gaulles vom Amt des französischen Staatspräsidenten am 28. April 1969 vollzog sich eine Umdefinierung der französischen Position.28

4. Die EG zwischen Erweiterung und Stillstand (1969 - 1984)

4.1 Europäische Politische Zusammenarbeit

Da in den Römischen Verträgen von 1957 das Hauptaugenmerk der Mitglieds- staaten auf ökonomischen Fragestellungen lag, sind in ihnen kaum Bestimmungen enthalten, die sich auf die Außenwirtschaftspolitik beziehen. Somit gab es weder Organe noch Zuständigkeiten mit denen eine EG Außen- politik hätte betrieben werden können. Durch die stattfindenden weltpolitischen, sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen wurde jedoch eine gemeinsame Außenpolitik der Mitgliedsstaaten erforderlich und so vereinbarten die EG- Staaten 1970, ausgehend von den Haager Beschlüssen, die Europäische Politische Zusammenarbeit mit dem Ziel der Zusammenführung und Koordination der Außenpolitik. Hierdurch sollte eine verbesserte Verständigung sowie Harmonisierung der Haltungen und eventuell ein gemeinsames Vorgehen herbeigeführt werden.29 Die damals informell eingeführte EPZ wurde mit der Einheitlichen Europäischen Akte 1987 institutionalisiert und als Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) in die Verträge aufgenommen.30

4.2 Die Norderweiterung

Der wahrscheinlich bedeutendste Schritt des Gipfeltreffens in Den Haag war die Aufhebung des französischen Vetos gegen den Beitritt Großbritanniens. Frankreich sah Großbritannien nun weniger in der Rolle eines Konkurrenten um die Vorherrschaft innerhalb der EG, sondern erhoffte sich vielmehr einen Ausgleich zu dem wachsenden Übergewicht der BRD. Ähnliches galt für die kleineren Mitgliedsstaaten, welche Großbritannien als mögliches Gegengewicht zu der deutsch-französischen Achse sahen. Somit wurde es möglich, die Beitrittsverhandlungen mit den Anwärtern, zu denen neben Großbritannien auch Irland, Dänemark und Norwegen gehörten, wieder aufzunehmen. Allgemein versprachen sich die Mitgliedsstaaten von einer Erweiterung der EG eine Stärkung der demokratischen Strukturen, eine Zunahme der gemeinschaftlichen Wirtschaftsmacht und damit verbunden ein größeres politisches Gewicht der EG in der Welt. Die Beitrittsverhandlungen erwiesen sich jedoch als schwierig und langwierig. Zusammen mit Dänemark und Irland unterzeichnete Großbritannien im Juni 1972 die Beitrittsverträge und wurde mit deren Inkrafttreten am 1. Januar 1973 Mitglied der nun neun Länder angehörenden Gemeinschaft (Abbildung 2). Norwegen hatte in einem Volksentscheid gegen die Mitgliedschaft gestimmt.31

4.3 Versuche einer Wirtschafts- und Währungsunion

Die Idee, eine Währungsunion zu schaffen, entstand aus der Tatsache heraus, dass die Weltwährungsordnung der Nachkriegszeit ins Wanken geraten war. Staatsdefizite und Inflation in den USA kombiniert mit fixen Wechselkursen importierten die amerikanische Inflation nach Europa. Entgegen des Widerstandes in der BRD schlug Willy Brand in den Haag vor, eine Wirtschafts- und Währungsunion zu gründen. Ein Expertenteam, unter der Leitung des luxemburgischen Premiers Pierre Werner, wurde mit der Realisierung des Planes beauftragt. Als Ergebnis wurde 1970 der so genannte „Wernerplan“ vor- gestellt, in dem die synchrone Realisierung der Wirtschafts- und Währungspolitik mit Hilfe eines Maßnahmenpaketes zur Zusammenführung der Wirtschafts-, Handels- und Geldpolitik der nationalen Regierungen erreicht werden sollte. Eine weitere Währungskrise 1971 führte jedoch zum Scheitern dieses Projektes. Die Mitgliedsstaaten kehrten darauf hin zum alten System zurück, jedoch mit neuen Paritäten und größeren Schwankungsbreiten und schufen mit dem „Basler Abkommen“ vom April 1972 die so genannte „Währungsschlange“, ein europäisches Wechselkursband um ihre Währungen enger zusammenzuhalten und höhere Stabilität zu schaffen. Doch auch dieser Rettungsversuch scheiterte und im März 1973 gaben die BRD und andere Länder mit starken Währungen die Wechselkurse wieder frei.32

4.4 Die Süderweiterung

Mitte der 70er Jahre wurden in Griechenland, Portugal und Spanien die letzten Diktaturen Südeuropas gestürzt. Alle drei Staaten stellten nach der Einführung demokratischer Regierungssysteme Anträge zum Eintritt in die EG. Entgegen aller wirtschaftlicher Bedenken wurde der Beitritt aus politischen Gründen befürwortet, um die noch neue demokratische Ordnung zu stabilisieren. Durch die beachtlichen Strukturunterschiede und aufgrund des Wohlstandsgefälles zwischen alten und neuen Mitgliedern kamen mit dem Beitritt (Griechenland 1981, Spanien und Portugal 1986) neue Probleme auf die EG zu. Abbildung 3 zeigt eine Karte der EU mit ihren zwölf Mitgliedsstaaten. Der gemeinsame, weitgehend vergleichbare Entwicklungstrend mit der Aussicht auf eine politische Einigung Europas wurde zugunsten eines eher ökonomisch geprägten Ansatzes zurückgestellt. Dies führte zu einer Verlagerung des Profils des Integrations- prozesses. Die südlichen Staaten nahmen deutlich an Gewicht zu und darüber hinaus erzwang die Süderweiterung höhere Ausgaben der Gemeinschaft, besonders in der Agrar- und Regionalförderung.33

5. Verstärkte Integrationsbemühungen ab 1985

Während der 70er bis Anfang der 80er Jahre trat ein relativer Stillstand der Integrationsbemühungen ein.34 Gründe hierfür waren die Abschaffung des Prinzips der Mehrheitsentscheidungen zugunsten der Einstimmigkeit (“Luxemburger Kompromiss”) im Rat und die Wirtschaftskrisen der 70er Jahre.

[...]


1 Baumgärtel (1998), S. 403

2 vgl. Beutler/Bieber (2001), S.38

3 vgl. Beutler/Bieber (2001), S.38 f.

4 vgl. Woyke (1998), S. 10

5 vgl. Beutler/Bieber (2001), S.40

6 vgl. Woyke (1998), S. 11

7 vgl. Molle (1997), S.40

8 vgl. Brunn (2004), S. 26 f.

9 vgl. Beutler/Bieber (2001), S. 40

10 vgl. Woyke (1998), S. 11

11 vgl. Beutler/Bieber (2001), S. 40

12 vgl. Thiel (1998), S. 11

13 vgl. Woyke (1998), S. 14 ff.

14 vgl. Wikipedia 2006a (URL)

15 vgl. Woyke (1998), S. 14 ff.

16 vgl. Proske/Vieser/Fritzeler (1994), S. 9

17 vgl. Dadalos 2006a (URL)

18 vgl. Weidenfeld/Wessels (2000), S. 13

19 vgl. Dadalos 2006a (URL)

20 vgl. Thiel (1998), S. 12 ff.

21 vgl. Thiel (1998), S. 15 ff.

22 vgl. Beutler/Bieber (2001), S. 42

23 vgl. Weidenfels/Wessels (2000), S. 15 ff.

24 vgl. Dadalos 2006b (URL)

25 vgl. Beutler/Bieber (2001), S. 42

26 vgl. Dadalos 2006b (URL)

27 vgl. Woyke (1998), S. 30 ff.

28 vgl. Beutler/Bieber (2001), S. 47

29 vgl. Woyke (1998), S. 35 ff.

30 vgl. Dadalos 2006c (URL)

31 vgl. Brunn (2004), S. 183 ff.

32 vgl. Brunn (2004), S. 214 ff.

33 vgl. Brunn (2004), S. 244 ff.

34 vgl. Woyke (1998), S. 42

Ende der Leseprobe aus 39 Seiten

Details

Titel
Die Europäische Einigung - Geschichte und Perspektiven der EU
Hochschule
Hochschule Pforzheim
Veranstaltung
Wirtschaftspolitisches Seminar im SS 2006
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
39
Katalognummer
V57005
ISBN (eBook)
9783638515542
Dateigröße
776 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Europäische, Einigung, Geschichte, Perspektiven, Wirtschaftspolitisches, Seminar
Arbeit zitieren
Natalie Schmid (Autor:in), 2006, Die Europäische Einigung - Geschichte und Perspektiven der EU, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57005

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