Historische Kinder- und Jugendliteratur im (Geschichts-)Unterricht zu verwenden, um Schülern historische Sachverhalte nahe zu bringen, ist nicht unumstritten. In der Geschichtsdidaktik gab es lange Vorbehalte dagegen. Größter Kritikpunkt der Geschichtsdidaktiker waren (und sind) die dichterischen Freiheiten, die Autoren sich nehmen (müssen), um eine interessante und abgeschlossene Geschichte zu schreiben, welche die jungen Leser erreicht. Joachim Rohlfes sieht hier die Gefahr, Geschichte als „Mittel zum Zweck“ zu missbrauchen, räumt jedoch ein, dass belletristische Literatur durchaus im Unterricht verwendet werden kann, da sie grundsätzlich zur Vermittlung historischer Fakten und zur Auseinandersetzung mit diesen dient.
Darum ist eine übergreifende Forderung vieler Didaktiker die realistische und angemessene Darstellung historischer Epochen und Figuren in fiktionalen Texten. Eine besondere Rolle fällt deshalb den Protagonisten historischer Kinder- und Jugendliteratur zu. Auf der einen Seite bieten sie ihren Lesern, die sich oft in einem ähnlichen Alter befinden, den Zugang zu einer fremden Zeit. Auf der anderen Seite ist die Art ihrer Darstellung oft ausschlaggebend für die Bewertung eines Buches.
Eine exemplarische Analyse und Bewertung der Personendarstellungen erfolgt an den Werken Quintus geht nach Rom von Hans Dieter Stöver und Falsches Spiel in der Arena von Fabian Lenk, welche beide im antiken Rom zu Julius Caesars Zeit spielen.
Die Frage, wie historische Inhalte über die Personendarstellungen vermittelt werden können, inwiefern der Leser zur kritischen Auseinandersetzung mit der Epoche angeregt wird, soll in dieser Arbeit nachgegangen werden. Nicht zuletzt erscheint hier auch die Frage nach den Identifikationsmöglichkeiten wichtig, die der Protagonist den Kindern und Jugendlichen bietet. Denn Identifikation entsteht durch Teilnahme und Miterleben, man wird in den Text ‚hineingezogen’. Nicht zuletzt entsteht auf dieser Basis auch die Fähigkeit der Kritik an einem Text. Wie wichtig das aktive Miterleben von Texten in der Schule für eine lebenslange Lesefreude ist, betont auch Gerhard Haas.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die besondere Rolle der Personendarstellung in der historischen KJL
2.1 Die Notwendigkeit einer realistischen Personendarstellung
2.2 Wie realistisch können und dürfen die Darstellungen sein?
2.3 Das Konzept der Identifikation
3. Die Personenstruktur in Romanen zur römischen Geschichte
3.1 Die Darstellung der Hauptpersonen
3.2 Die Darstellung des Sklaventums
4. Gegenüberstellung der Romane Quintus geht nach Rom und Falsches Spiel in der Arena
4.1 Personenstruktur und -darstellung in Quintus geht nach Rom
4.1.1 Effekt der Personendarstellung auf den Rezipienten – eine Bewertung
4.2 Personenstruktur und -darstellung in Falsches Spiel in der Arena
4.2.1 Effekt der Personendarstellung auf den Rezipienten – eine Bewertung
5. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Primärliteratur
1. Einleitung
Historische Kinder- und Jugendliteratur im (Geschichts-)Unterricht zu verwenden, um Schülern historische Sachverhalte nahe zu bringen, ist nicht unumstritten. In der Geschichtsdidaktik gab es lange Vorbehalte dagegen. Größter Kritikpunkt der Geschichtsdidaktiker waren (und sind) die dichterischen Freiheiten, die Autoren sich nehmen (müssen), um eine interessante und abgeschlossene Geschichte zu schreiben, welche die jungen Leser erreicht. Joachim Rohlfes sieht hier die Gefahr, Geschichte als „Mittel zum Zweck“ zu missbrauchen[1], räumt jedoch ein, dass belletristische Literatur durchaus im Unterricht verwendet werden kann, da sie grundsätzlich zur Vermittlung historischer Fakten und zur Auseinandersetzung mit diesen dient.[2]
Darum ist eine übergreifende Forderung vieler Didaktiker die realistische und angemessene Darstellung historischer Epochen und Figuren in fiktionalen Texten. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, müssen die Autoren die Verknüpfung von historischen Fakten und einer ansprechenden Handlung schaffen.
Eine besondere Rolle fällt deshalb den Protagonisten historischer Kinder- und Jugendliteratur zu. Auf der einen Seite bieten sie ihren Lesern, die sich oft in einem ähnlichen Alter befinden, den Zugang zu einer fremden Zeit. Auf der anderen Seite ist die Art ihrer Darstellung oft ausschlaggebend für die Bewertung eines Buches.
Die Frage, wie historische Inhalte über die Personendarstellungen vermittelt werden können, inwiefern der Leser zur kritischen Auseinandersetzung mit der Epoche angeregt wird, soll in dieser Arbeit nachgegangen werden. Nicht zuletzt erscheint hier auch die Frage nach den Identifikationsmöglichkeiten wichtig, die der Protagonist den Kindern und Jugendlichen bietet. Denn Identifikation entsteht durch Teilnahme und Miterleben, man wird in den Text ‚hineingezogen’. Nicht zuletzt entsteht auf dieser Basis auch die Fähigkeit der Kritik an einem Text. Wie wichtig das aktive Miterleben von Texten in der Schule für eine lebenslange Lesefreude ist, betont auch Gerhard Haas.[3]
Die Rolle der Personendarstellungen in historischer Kinder- und Jugendliteratur soll anhand der Werke Quintus geht nach Rom von Hans Dieter Stöver und Falsches Spiel in der Arena von Fabian Lenk untersucht werden.
2. Die besondere Rolle der Personendarstellung in der historischen KJL
Zunächst soll beleuchtet werden, welche Ansprüche sowohl die Literatur- als auch die Geschichtsdidaktik an die Personendarstellungen in historischen Werken stellt, welche Kriterien für notwendig erachtet werden und inwieweit diese Forderungen mit Blick auf die Altersangemessenheit realisierbar sind. Im weiteren Verlauf wird aufgezeigt, wie und unter welchen Umständen die Protagonisten eine Identifikationsfigur darstellen (können) und welchen Lerneffekt dies haben kann.
2.1 Die Notwendigkeit einer realistischen Personendarstellung
Der grundlegende Unterschied zwischen einem historischen Sachbuch und einem historischen Roman ist die durchgehend epische und fiktionale Gestaltung. Dies hat zwangsläufig zur Folge, dass gewisse Details vom jeweiligen Autor nach eigenem Empfinden ‚erfunden’ werden. Zwar zeichnen sich viele historische Bücher durch eine ausgezeichnete Recherchearbeit aus, doch gerade bei Werken, die in Epochen spielen, von denen längst nicht alles aus allen Lebensbereichen bekannt ist (Jungsteinzeit, Antike etc.), müssen Lücken gefüllt werden.
Um dem Leser einen Zugang zur Geschichte zu ermöglichen, bedienen sich viele Autoren der personalen Erzählperspektive. Meist sind die Protagonisten nicht historisch belegt, bewegen sich aber in einer belegten und erforschten Umwelt, so dass sie eine Vermittlerfunktion zwischen Leser und Historie innehaben. Hier liegt nach Rohlfes eines der Probleme der historischen KJL: um einen Zugang zum Geschehen zu ermöglichen wird Geschichte „personalisiert“, Situationen und Ereignisse werden ausschließlich aus der Sicht des Protagonisten gesehen, unter Umständen sogar ganz auf seine persönlichen Belange reduziert. Die Personendarstellung ist nicht mehr eingebettet in eine historische Epoche mit spezifischen gesellschaftlichen und politischen Eigenschaften, sondern diese dienen lediglich als „Bühne“ für eine fiktionale Erzählung.[4] Rohlfes stellt die personalisierte Geschichte als Gratwanderung dar und fordert für eine angemessene historische Erzählung:
[Es] sollte dreierlei ermöglichen: Identifizierung, Einsichten in historisch-politische Zusammenhänge, Auseinandersetzung mit Sinnorientierung und „universellen“ Prinzipien.[5]
Er sieht es als besonders wichtig an, dass die Personen in die historischen Ereignisse eingebunden sind, d.h., ihr persönliches Schicksal darf nicht losgelöst sein von den gesellschaftlichen Normen und Gepflogenheiten sowie von den politischen Geschehnissen der jeweiligen Epoche. Es muss deutlich werden, dass der Werdegang des Protagonisten von seiner (historischen) Lebensumwelt abhängig ist, welche möglichst korrekt dargestellt ist. Wo die „Verknüpfung von persönlichem Schicksal und allgemeiner Geschichte“ fehlt, sind nach Rohlfes nicht geeignet, um tatsächlich Geschichte zu vermitteln.[6]
Elisabeth Ott sieht als wesentlichen Punkt der Realitätsdarstellung die Schilderung von Geschichte als etwas Veränderbarem, d.h., Ereignisse, Lebensumstände etc. sind zwar von den äußeren Bedingungen abhängig, stehen aber durchaus in Wechselwirkung mit den handelnden Personen und werden von diesen beeinflusst und verändert. Die Personen sollen nicht als „Spielball“ der Geschichte gezeigt werden.[7]
Weiterhin spricht sie sich für eine Darstellung von Vertretern der breiten Masse aus, „Menschen wie du und ich“[8], da hier am ehesten Anknüpfungspunkte zur Gefühlswelt der jungen Leser zu finden sind. Alltagsschilderungen sind für Kinder und Jugendliche zunächst einmal eher zugänglich und verständlich, als „die Haupt- und Staatsaktionen der ‚Großen’ der Geschichte“[9], da sie sich mit Vertretern des normalen Volkes eher identifizieren können. Um ein differenziertes Bild zu schaffen, ist es zunächst nötig, das Alltagsleben zu schildern, dabei aber alle Schichten einzubeziehen. Andernfalls würde man schnell in stereotype Schilderung abgleiten.[10] Diese Herangehensweise spricht klar für „personalisierte“ Geschichte als Zugang zu historischen Fakten, wenn der Bogen zu allgemeineren historischen Begebenheiten gespannt wird (s. Rohlfes).
Geht man eine Ebene weiter, so muss man sich mit der detaillierten Konzeption einzelner Personen auseinander setzen. Deren persönliche Eigenschaften führen letztendlich dazu, dass der Leser sich (positiv oder negativ) mit ihnen kritisch beschäftigt, sich zu ihnen hingezogen fühlt, Interesse an ihrem Leben entwickelt oder sie ablehnt. Der Entwicklung der Charaktere spricht Ott eine besondere Relevanz zu, da eine in sich schlüssige Figur glaubwürdig und authentisch wirkt. Sie betont, dass getroffene Entscheidungen und Handlungen sich aus den Motiven und dem Denken der Person erklären müssen.[11] Auch diese Forderung scheint am ehesten zu erfüllen, wenn man von einer in den historischen Kontext integrierten Person ausgeht. Wirken die Personen nicht authentisch, z.B. in der Redeweise oder Verhalten, so entstehen vielleicht Brüche in der Erzählung und damit auch in der Rezeption des Stoffes.
2.2 Wie realistisch können und dürfen die Darstellungen sein?
Die Forderungen nach der korrekten und realistischen Darstellung von Personen und historischen Fakten ist nachvollziehbar, geht es doch dabei um Inhalte, die vermittelt werden sollen – und das möglichst detailliert und richtig. Es darf jedoch auf keinen Fall die Gruppe der Rezipienten vergessen werden, deren intellektuelle, kognitive und letztendlich auch psychische Voraussetzungen ein Hauptkriterium für das Konzept eines Buches sein müssen.
Um Historisches als solches erkennen zu können, ist es notwendig, dass der Leser bereits über Zeitbewusstsein und -perspektive verfügt. Erst dann sind sie in der Lage, über Zeit zu reflektieren, also auch Inhalte historischer Bücher vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen einzuordnen und zu reflektieren.[12]
Der Zeit nur nach dem unumkehrbaren Lauf der Ereignisse folgen, heißt nicht sie verstehen, sondern sie erleben, ohne ihrer bewußt zu werden. Sie kennen, heißt dagegen, in ihr voraus- und zurückschreiten und dabei ständig über den wirklichen Verlauf der Geschehnisse hinausgehen.[13]
Um ein Werk Kindern und Jugendlichen zugänglich zu machen und dem Alter der vorgesehenen Leserschaft anzupassen, ist weiterhin eine Reduktion komplexer Sachverhalte notwendig.[14] Würde man den korrekten historischen Fakten Rechnung tragen, überforderte dies vermutlich einen großen Teil der Leser. Ein Problem sieht Ott darin, wenn die Reduktion nicht aus diesem Grund – also bewusst – erfolgt, sondern als eine Folge der personalisierten Darstellung des Protagonisten auftritt.[15]
Schließlich geht es um die Darstellung von Gewalt und Zerstörung. Tendenziell werden in diesem Bereich weniger Einschnitte vorgenommen, als man erwarten könnte. So sind auch in Büchern für Zehnjährige schon Schilderungen z.B. von Krieg vorhanden, aber weniger mit der Intention, eine kritische Auseinandersetzung mit den Folgen und Ursachen zu initiieren, als vielmehr mit der Absicht, eine stärkere Einbindung des Lesers durch das Hervorrufen von Mitleid und Empathie zu erreichen.[16] Hier merkt Ott an, dass nahezu keines der von ihr untersuchten Jugendbücher dem Leser eine kritische und reflektierte Auseinandersetzung mit der Kriegsthematik bot.[17]
[...]
[1] s. Rohlfes 1986, S. 148
[2] vgl. ebd.
[3] vgl. Haas 1998, S. 732 : Er fordert nicht nur „kognitive Lernziele“ im Literaturunterricht sondern eine Berücksichtigung der speziellen Bedürfnisse von Heranwachsenden , z.B. nach Spannung und Unterhaltung, da sich nur so Lesefreude einstellen kann, die zum Lesen über die Schullektüre hinaus führt.
[4] vgl. Rohlfes 1986, S. 352
[5] s. Rohlfes 1986, S. 352
[6] vgl. ebd.
[7] vgl. Ott 1985, S. 31
[8] s. ebd., S. 33
[9] s. ebd., S. 38
[10] vgl. ebd., S.39
[11] vgl. ebd., S. 35
[12] vgl.ebd., S. 40
[13] Piaget, zit. in: Ott 1985, S. 41
[14] vgl. Ott 1985, S. VI
[15] vgl. ebd., S. 141
[16] vgl. ebd., S. 129
[17] vgl. ebd., S. 139
- Arbeit zitieren
- Katrin Bade (Autor:in), 2004, Die Personenstrukturen und -darstellungen in der historischen Kinder- und Jugendliteratur als Bewertungskriterium, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57107
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