„Im Zuge der Rückkehr nach Europa hat sich Osteuropa auf den Weg der Verfassungsstaatlichkeit begeben“ (Brunner 1993: S.820) schreibt der Verfassungsspezialist Georg Brunner. Die Wende der Jahre 1989 bis 1991 hat in Osteuropa den Entwicklungsrahmen für eine neue freiheitlich-demokratisch ausgerichtete Grundordnung geschaffen. Grundlage dieser neuen Ordnung sind nach westlichem Vorbild neue Verfassungen, als bestimmt übergeordnete Rechtsordnungen eines jeden Landes. Um diese Ordnung institutionell zu bewahren und weiterzuentwickeln wurden entsprechende Vorkehrungen getroffen. Ziel ist und war, dass die Gesetzgebung und Rechtsbestimmungen mit der Verfassung übereinstimmen. Meistens führte dies relativ schnell zu Überlegungen ein eigenes Verfassungsgerichte aufzubauen, welches sich mehr oder weniger am deutschen oder österreichischen Modell orientieren würde.
Um die Entwicklung begreiflicher zu machen, ist erst mal eine kurze Rückschau hilfreich. Der theoretische Hintergrund des Kommunismus hielt eine Verfassungsgerichtsbarkeit für überflüssig, da die sich das, an Marx und Lenin anlehnende, Verfassungsverständnis auf die Gewalteneinheit festgelegt hatte. Ansonsten wäre die Souveränität der Arbeiterklasse in Frage gestellt worden, weil nur das ‚demokratisch’ gewählte Parlament oberster Souverän sein kann. Tatsächlich wurden so die Diktatur und der Totalitarismus der kommunistischen Einheitspartei getarnt. Außerdem lehnten die Kommunisten grundsätzlich jegliche Kontrolle ab.
Dennoch wurden im früheren Ostblock teilweise schon in den 60er Jahren Versuche unternommen Verfassungsgerichte einzurichten, die jedoch keine große Bedeutung erlangten. Darauf werde ich aber bei der Analyse der einzelnen Ländern kurz eingehen.
Im folgenden werde ich versuchen einen kurzen Überblick über Verfassungsgerichte, ihre Entwicklung, Zusammensetzung, etc. in den einzelnen Ländern Osteuropas zu geben. Dies ist leider nur unvollständig möglich. [...]
Inhaltsverzeichnis
- I. Einführung
- II. Allgemeiner Überblick über Entstehung von Verfassungsgerichten
- 1. Polen
- 2. Ungarn
- 3. Russland
- 4. Bulgarien
- 5. Tschechoslowakei
- 6. Slowakei
- 7. Rumänien
- III. Bestellung und Amtszeit der Verfassungsrichter
- IV. Schlussbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Analyse befasst sich mit der Entwicklung der Verfassungsgerichtsbarkeit in Osteuropa im Kontext des Wandels von kommunistischen zu freiheitlich-demokratischen Systemen nach 1989. Der Fokus liegt auf dem Aufbau und der Funktionsweise von Verfassungsgerichten in verschiedenen osteuropäischen Ländern und vergleicht diese mit den Erfahrungen West- und Osteuropas.
- Entwicklung der Verfassungsgerichtsbarkeit in Osteuropa nach dem Fall des Kommunismus
- Aufbau und Funktionsweise von Verfassungsgerichten in verschiedenen Ländern
- Vergleich mit west- und osteuropäischen Erfahrungen
- Bestellung und Amtszeit der Verfassungsrichter
- Einfluss des deutschen und österreichischen Modells
Zusammenfassung der Kapitel
I. Einführung
Die Einführung beleuchtet den historischen Kontext der Entwicklung von Verfassungsgerichten in Osteuropa nach dem Ende des Kommunismus. Sie zeigt auf, dass die Rückkehr zur Verfassungsstaatlichkeit einen Wandel von der Gewalteneinheit des kommunistischen Systems hin zu einer neuen, freiheitlich-demokratischen Grundordnung mit unabhängigen Verfassungsgerichten bewirkte.
II. Allgemeiner Überblick über Entstehung von Verfassungsgerichten
Dieses Kapitel bietet einen Überblick über die Entstehung von Verfassungsgerichten in verschiedenen osteuropäischen Ländern. Es beleuchtet die Herausforderungen und Besonderheiten des Aufbaus dieser Institutionen in den jeweiligen nationalen Kontexten.
III. Bestellung und Amtszeit der Verfassungsrichter
Dieses Kapitel untersucht die Verfahren zur Bestellung von Verfassungsrichtern in den verschiedenen osteuropäischen Ländern und betrachtet die Dauer ihrer Amtszeit. Es analysiert die Bedeutung dieser Prozesse für die Unabhängigkeit und Legitimität der Verfassungsgerichtsbarkeit.
Schlüsselwörter
Verfassungsgerichtsbarkeit, Osteuropa, Postkommunismus, Rechtsstaatlichkeit, Verfassungsstaat, Verfassungsgericht, Gewaltenteilung, Verfassungskontrolle, Verfassung, Sejm, Alkotmánybíróság, Tribunal Konstytucyjny, Popularklage.
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- Dipl. Pol. Tobias Raschke (Author), 2002, Überblick über die Entwicklung der Verfassungsgerichtsbarkeit in Osteuropa, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57120