«Der E-Learning-Boom stockt» titelte die NZZ am Sonntag vor rund einem Jahr, «E-Learning - Ernüchterung nach der Euphorie» lautete kürzlich eine Überschrift in der Fachzeitschrift Computerworld. Nachdem Ende der 1990er Jahre E-Learning in aller Munde war und in Zukunftsszenarien bereits das Ende der der klassischen Schule prophezeit wurde, wird das Lernen mit Computer und Internet heute kritischer, aber wohl auch realistischer beurteilt.
In den letzten rund zehn Jahren wurden viele Anstrengungen unternommen, um in der Grundschule, in Fachhochschulen und Universitäten das Lernen mit dem Computer zu fördern. Firmen haben Investitionen getätigt, um E-Learning-Massnahmen einzuführen und damit einen Teil der Weiterbildung der Mitarbeitenden an deren Arbeitsplatz zu verlegen. E-Learning wird, da ist man sich einig, weiterhin an Bedeutung gewinnen. Auch wenn einige der teilweise allzu hoch gesteckten Erwartungen enttäuscht wurden, ist der Computer als Lernmedium nicht mehr aus der Aus- und Weiterbildung wegzudenken.
Im Zentrum des Interesses stehen heute nicht mehr die technischen Möglichkeiten des Lernens mit Computer und Internet, sondern vermehrt Fragen zu Inhalt, Form und Didaktik von E-Learning. Es hat eine ‹Pädagogisierung› der E-Learning-Diskussion statt-gefunden. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien für Lehre und Lernen ist etabliert und auch in der Erwachsenenbildung nimmt die Bedeutung von E-Learning zu. Im Zusammenhang mit der oft zitierten Forderung nach lebenslangem Lernen und bedarfsgerechter Weiterbildung und der damit zusammenhängenden Diskussion um selbstbestimmtes Lernen taucht häufig auch der Begriff E-Learning auf.
E-Learning hat sich als Oberbegriff für verschiedene Formen von computerunterstütztem Lernen eingebürgert, umfasst allerdings eine Reihe teilweise recht unterschiedlicher Dinge. Unabhängig von Inhalt, Gestaltung und Organisation einer E-Learning-Veranstaltung gilt aber, dass in der Praxis die Lernenden am Computer häufig allein lernen. Dies liegt quasi in der Natur der Sache, ist doch gerade die freie Wahl von Ort und Zeit sowie die individuelle Bestimmung von Lerntempo und Lerndauer einer der wesentlichen Vorteile von E-Learning.
Inhalt
Einleitung
Persönliche Motivation für das Thema
Fragestellung und Zielsetzung
Aufbau der Arbeit
1 Motivation und Lernen
1.1 Motivation - eine Begriffsklärung
1.1.1 Motiv und Motivation
1.1.2 Ein Prozessmodell der Motivation
1.2 Leistungsmotivation
1.2.1 Risikowahl-Modell
1.2.2 Bezugsnorm-Orientierung
1.3 Anschlussmotivation - soziale Bindung als Motiv
1.4 Lernmotivation
1.4.1 Lernen
1.4.2 Was ist Lernmotivation?
1.4.3 (Lern-)Motivation und Emotionen
1.5 Intrinsische und extrinsische Motivation
1.5.1 Unterschied zwischen intrinsisch und extrinsisch
1.5.2 Selbstbestimmungstheorie von Deci & Ryan
1.5.3 Flow-Erleben
1.6 Interesse und Lernmotivation
1.7 Zusammenfassung
2 E-Learning
2.1 Begriffsbestimmung von E-Learning
2.2 Spezielle Merkmale von E-Learning
2.3 E-Learning und selbstgesteuertes Lernen
2.4 Zusammenfassung
3 Förderung der Lernmotivation
3.1 Zum Zusammenhang zwischen Theorie und Praxis
3.2 Stellenwert der Motivation für den Lernerfolg
3.3 Motivierung als didaktische Aufgabe
3.4 Vorschläge zur Steigerung der Lernmotivation
3.5 Motivationsförderung in verschiedenen Lern-Handlungsphasen
3.6 Demotivierung verhindern
3.7 Zusammenfassung
4 Motivationsförderung im E-Learning
4.1 Motivation durch Multimedialität und Neuigkeitseffekt
4.2 Motivierende Elemente in Lernprogrammen
4.2.1 Grundlegende Gestaltungsprinzipien
4.2.2 Das ARCS-Modell
4.2.3 Der FEASP-Ansatz - Lehrstrategien zur Beeinflussung von Emotionen
4.2.4 Adaptive Lehr-/Lernsysteme, tutorielle Systeme
4.3 Motivationsbeeinflussende Faktoren bei den Lernenden
4.3.1 Lernprobleme beim E-Learning
4.3.2 Subjektive Anforderungen an E-Learning - eine Typologie
4.4 Motivationsfaktoren bei den Lehrenden
4.4.1 Organisatorische Einbettung und Rahmenbedingungen von E-Learning
4.4.2 Eine neue Rolle für die Lehrenden
4.5 Kommunikation und Kooperation
4.6 Motivation als Thema der Praxis-Literatur
4.7 Zusammenfassung
5 Umsetzung in die Praxis
5.1 Zielsetzung und Rahmenbedingungen der Lehrveranstaltung
5.2 Erfahrungen aus dem Pilotprojekt
5.3 Motivationsfördernde Massnahmen
6 Zusammenfassung und Schluss
Literaturverzeichnis
Einleitung
«Der E-Learning-Boom stockt» titelte die NZZ am Sonntag vor rund einem Jahr1, «E- Learning - Ernüchterung nach der Euphorie» lautete kürzlich eine Überschrift in der Fachzeitschrift Computerworld2. Nachdem Ende der 1990er Jahre E-Learning in aller Munde war und in Zukunftsszenarien bereits das Ende der der klassischen Schule pro- phezeit wurde, wird das Lernen mit Computer und Internet heute kritischer, aber wohl auch realistischer beurteilt.
In den letzten rund zehn Jahren wurden viele Anstrengungen unternommen, um in der Grundschule, in Fachhochschulen und Universitäten das Lernen mit dem Computer zu fördern. Firmen haben Investitionen getätigt, um E-Learning-Massnahmen einzuführen und damit einen Teil der Weiterbildung der Mitarbeitenden an deren Arbeitsplatz zu verlegen. E-Learning wird, da ist man sich einig, weiterhin an Bedeutung gewinnen. Auch wenn einige der teilweise allzu hoch gesteckten Erwartungen enttäuscht wurden, ist der Computer als Lernmedium nicht mehr aus der Aus- und Weiterbildung wegzu- denken.
Im Zentrum des Interesses stehen heute nicht mehr die technischen Möglichkeiten des Lernens mit Computer und Internet, sondern vermehrt Fragen zu Inhalt, Form und Di- daktik von E-Learning. Es hat eine ‹Pädagogisierung› der E-Learning-Diskussion statt- gefunden. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien für Lehre und Lernen ist etabliert und auch in der Er- wachsenenbildung nimmt die Bedeutung von E-Learning zu. Im Zusammenhang mit der oft zitierten Forderung nach lebenslangem Lernen und bedarfsgerechter Weiterbildung und der damit zusammenhängenden Diskussion um selbstbestimmtes Lernen taucht häufig auch der Begriff E-Learning auf.
E-Learning hat sich als Oberbegriff für verschiedene Formen von computerunterstütztem Lernen eingebürgert, umfasst allerdings eine Reihe teilweise recht unterschiedlicher Dinge. Unabhängig von Inhalt, Gestaltung und Organisation einer E-Learning- Veranstaltung gilt aber, dass in der Praxis die Lernenden am Computer häufig allein lernen. Dies liegt quasi in der Natur der Sache, ist doch gerade die freie Wahl von Ort und Zeit sowie die individuelle Bestimmung von Lerntempo und Lerndauer einer der wesentlichen Vorteile von E-Learning.
Selbständigkeit, Selbstverantwortung und Selbstmotivation der Lernenden sind eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiches E-Learning. Dass dies nicht selbstverständ- lich ist, zeigt der manchmal doch recht grosse Anteil an Aussteigern bei E-Learning- Kursen. Die Frage nach der Motivation der Lernenden scheint mir in diesem Zusam- menhang zentral. Dies ist das Thema meiner Arbeit, es geht darin um die Beschrei- bung, Erklärung und insbesondere auch um Ansätze zur Förderung der Lernmotivation bei ‹E-Learnenden›.
Motivation und Lernen ist ein Thema mit langer Tradition. Viele Aspekte davon sind auch im Zusammenhang mit E-Learning wichtig, denn E-Learning ist - darüber herrscht allgemeine Einigkeit - primär Lernen. Deshalb nimmt die Beschäftigung mit dem Thema Lernmotivation einen relativ grossen Platz ein.
Persönliche Motivation für das Thema
Meine Motivation für die Wahl des Themas «Motivationale Aspekte beim E-Learning» ist zunächst das allgemeine Interesse am Thema E-Learning. Ein weiterer Grund steht im Zusammenhang mit einer von mir betreuten Lehrveranstaltung an der Fachhoch- schule Aarau3. Ich war dort direkt konfrontiert mit der Problematik fehlender oder zu- mindest mangelnder Motivation der Lernenden. Die als Pilotprojekt deklarierte Lehr- veranstaltung war - etwas pauschal beurteilt - ein Misserfolg: Misserfolg in dem Sinne, dass die Beurteilung der Studierenden in gewissen Punkten negativ ausfiel. Kritisiert wurde etwa die mangelnde Struktur, zuwenig Vorgaben und Anweisungen oder auch explizit ‹fehlende Motivation›. Ich vermute übrigens auch, dass der Lernzuwachs bei vielen Studierenden nicht besonders gross war. Die kritisierten Mängel der Lehrveran- staltung hatten, so meine These, einen negativen Einfluss auf die Lernmotivation.
Fragestellung und Zielsetzung
Für die Behandlung meines Themas formuliere ich folgende Kernfrage:
Welche Ansätze und Empfehlungen zur Motivierung der Lernenden für das E-Learning gibt es? Welche Faktoren können bei der Konzipierung, Planung und Durchführung von E-Learning-Veranstaltungen berücksichtigt werden, damit die Lernenden motiviert(er) ler- nen können?
Die folgenden Leitfragen können zur Beantwortung der Kernfrage Teilantworten liefern:
Was ist Motivation und insbesondere Lernmotivation? Welche Faktoren beeinflussen die Lernmotivation?
Kann die Motivation von Lernenden durch die Lehrenden beeinflusst werden? Auf welche Weise kann das allenfalls geschehen?
Welche Aspekte sind im Zusammenhang mit der Lernmotivation beim E-Learning beson- ders zu beachten? Gibt es E-Learning-spezifische Möglichkeiten der Motivationsförde- rung?
Mein Ziel ist es, im Rahmen einer Literaturarbeit die wesentlichen Ansätze und Theo- rien zur Lernmotivation in einer Übersicht darzustellen sowie darauf basierende Moti- vationsförderungsmassnahmen für Lernende zu sammeln. Ausserdem verfolge ich mit der Arbeit auch ein persönliches Ziel. Ich will herausfinden, welche Massnahmen zur Motivationsförderung ich in der von mir betreuten Lehrveranstaltung einsetzen kann.
Die Arbeit richtet sich an Lehrende und Lernende, die am Thema Motivation und E- Learning interessiert sind, insbesondere auch an theoretischen Hintergrundinformationen dazu. Auch wenn diese Arbeit keine fertigen ‹Rezepte› liefern kann, hoffe ich, dass Lehrpersonen, die in ihren Veranstaltungen E-Learning einsetzen wollen oder die bestehende E-Learning-Angebote auf ihre motivationale Qualität überprüfen wollen, gewisse Anregungen bekommen.
Die Arbeit fasst theoretische Hintergründe zusammen und weist auf Forschungsansätze hin. Für die konkrete Praxis gibt sie allenfalls Anregungen. Es existiert eine Reihe von Büchern mit konkreten Vorschlägen und Methoden für das konkrete Vorgehen in der Praxis. Auf diese wird an geeigneter Stelle hingewiesen.
Aufbau der Arbeit
Die Arbeit ist in sechs Kapitel gegliedert:
Das erste Kapitel bietet einen Überblick zu Motivationsansätzen und -theorien mit einem Schwerpunkt im Bereich der Lernmotivation. Ein solcher Überblick kann nur summarisch sein und auch nicht alle Ansätze und Forschungsrichtungen berücksichtigen. Zweck die- ses Teils ist es, die in den weiteren Teilen der Arbeit angesprochenen Ansätze und Begrif- fe vorzustellen.
Im zweiten Kapitel geht es um einige grundlegende Informationen zum Thema E-Lear- ning. Nach einer Begriffsdefinition werden verschiedene Formen von E-Learning be- schrieben sowie auf Eigenheiten von E-Learning im Vergleich mit dem klassischen Präsenzlernen hingewiesen.
Das dritte Kapitel schliesst an das erste an. Im Zentrum steht hier nun die Frage, wie die Lernmotivation beim organisierten Lernen gefördert werden kann. Die Umsetzung von motivationstheoretischen Forschungsergebnissen und Theorieansätzen in die (Schul)praxis und damit in didaktisches Handeln ist das Thema.
Das vierte Kapitel behandelt das Hauptthema der Arbeit, auf die sich auch die Kernfrage konzentriert. Es geht um die Faktoren, welche die Lernmotivation in E-Learning-Umge- bungen beeinflussen. Ausserdem geht es um die Frage, wie die Motivation positiv beeinflusst werden kann. Besprochen werden Anregungen und Massnahmen, die für die ‹ELernmotivation› und damit für den Lernerfolg eine Rolle spielen.
Kapitel 5 schliesslich beschreibt, welche der Motivationsförderungsmassnahmen im Kon- zept der von mir betreuten E-Learning-Veranstaltung an der FHA vorgesehen sind und wie diese dann in der Praxis umgesetzt werden sollen.
Das Schlusskapitel (Kap. 6) beinhaltet eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkennt- nisse dieser Arbeit.
1 Motivation und Lernen
Im ersten Kapitel geht es um das Thema Motivation, insbesondere um Lernmotivati- on.
Zu Beginn wird der Motivations-Begriff erläutert und ein Prozessmodell der Mo- tivation vorgestellt (Kap. 1.1).
Die Motivationstheorie und -forschung hat eine Vielzahl von Theorien und For- schungsansätzen hervorgebracht. Leistungsmotivation, soziale Anschlussmoti- vation und ausführlicher die Lernmotivation werden im Überblick dargestellt (Kap. 1.2, 1.3).
Im Zusammenhang mit der Lernmotivation geht es um folgende Fragen und Themen:
- Was ist Lernmotivation, welche Faktoren spielen eine Rolle? (Kap. 1.4)
- Intrinsische und extrinsische Motivation (Kap. 1.5)
- Die Selbstbestimmungtheorie von Deci und Ryan
- Interesse und Lernmotivation (Kap. 1.6)
1.1 Motivation - eine Begriffsklärung
Motivation ist ein auch in der Alltagssprache gängiger Begriff. Aussagen wie ‹sie ist hoch motiviert bei der Sache› oder ‹er ist völlig demotiviert› sind ohne weiteres ver- ständlich. Man schreibt jemandem vorhandene Motivation zu, wenn eine Tätigkeit freiwillig, mit mehr oder weniger grossem Engagement ausgeführt wird. Motivation kann unterschiedlich stark sein oder aber überhaupt fehlen. Die alltägliche Verwen- dung des Begriffs könnte die Vermutung aufkommen lassen, dass Motivation ein be- stimmtes Etwas sei, von dem man in gewissen Situationen mehr und in anderen we- niger hat.
Dort (in der Alltagssprache; jm) versteht man unter Motivation irgendetwas in der Person, was bewirkt, dass sie aus eigenem Antrieb mit hoher Anstrengung auf ein Ziel hinarbeitet und in diesem Zustand anscheinend nichts anderes im Kopf hat. Lässt dagegen jemand entgegen Konvention und/oder Billigkeit solche engagierte Zielorientierung vermissen, so wird ihm ‹ fehlende › oder ‹ geringe Motivation › zugeschrieben. (Rheinberg, Krug 2005, 15)
Es gibt aber - bei genauerer Betrachtung - keine gegenständliche Entsprechung für Motivation. Was wir bei der Beurteilung einer Handlung von aussen wahrnehmen, sind immer nur Anzeichen, die auf eine höhere, geringere oder fehlende Motivation schliessen lassen. Gemeinsam ist diesen Anzeichen, dass sie darauf hindeuten, «dass jemand (1) ein Ziel hat, dass er (2) sich anstrengt und dass er (3) ablenkungsfrei bei der Sache bleibt.» (Rheinberg 2004, 14).
Der Motivationsbegriff ist also eine Abstraktion, ein hypothetisches Konstrukt, wel- ches bestimmte Verhaltensweisen erklären soll. Motivation ist nicht ein direkt mess- bares Merkmal einer Person, sondern ein indirekt aus Handlungen und Einstellungen erschlossenes Phänomen. Solche Konstrukte, mit welchen insbesondere in den Hu- manwissenschaften, also auch in Pädagogik und Psychologie wissenschaftlich gearbeitet wird, kennt man aus anderen Bereichen. Bekannt sind etwa Konstrukte wie Intelligenz oder Neurotizismus.
Wissenschaftlich mit Motivationsprozessen befasst sich insbesondere die Psychologie. Die Motivationspsychologie ist hier eine wichtige Teildisziplin, die sich - allgemein formuliert - mit Richtung, Ausdauer und Intensität von Verhalten befasst (vgl. Rheinberg 2004, 14).
Die Definition des Motivationsbegriffs aus Sicht der Motivationspsychologie und insbesondere der Unterschied zur alltagssprachlichen Verwendung soll mit den folgenden Zitaten umrissen werden:
Motivation ist im wissenschaftlichen Verständnis jegliche Form von Handlungs veranlassung im weitesten Sinne, während in der Alltagssprache eher dann von Motivation gesprochen wird, wenn das Verhalten auf ein erwünschtes Ziel ge richtet ist. Allerdings ist auch das wissenschaftliche Verständnis von Motivation nicht immer eindeutig. (Hartinger, Fölling-Albers 2002, 17)
Motivation ist in der Psychologie eine Sammelbezeichnung für vielerlei Prozes- se und Effekte, deren gemeinsamer Kern darin besteht, dass ein Lebewesen sein Verhalten um der erwarteten Folgen willen auswählt und hinsichtlich Rich- tung und Energieaufwand steuert. Die im Verhalten zu beobachtende Zielgerich- tetheit, der Beginn und der Abschluss einerübergreifenden Verhaltenseinheit, ihre Wiederaufnahme nach Unterbrechung, der Wechsel zu einem neuen Ver- haltensabschnitt, der Konflikt zwischen verschiedenen Zielen des Verhaltens und seine Lösung - all dies wird dem Problemfeld der ‹ Motivation › zugerechnet. (Heckhausen 1989, 10 f.)
Zusammenfassend lässt sich zum Motivationsbegriff also sagen, dass er sich nicht auf eine fest umrissene und naturalistisch gegebene Erlebens- oder Ver haltenseinheit bezieht, sondern in gewisser Weise eine Abstraktion ist. Genauer bezeichnen wir mit Motivation die aktivierende Ausrichtung des momentanen Lebensvollzuges auf einen positiv bewerteten Zielzustand. An dieser Ausrich tung sind unterschiedlichste Prozesse im Verhalten und Erleben beteiligt, die in ihrem Zusammenwirken und ihrer Beeinflussbarkeit wissenschaftlich näher auf geklart werden sollen. (Rheinberg 2004, 16)
Es gab im Laufe der Forschungsgeschichte eine grosse Zahl von Ansätzen und Theorien zur Motivation und viele mehr oder weniger komplexe Modelle wurden entwickelt, welche versuchen, Aspekte des menschlichen Verhaltens zu erklären4. Eine elementare Unterscheidung wird hier vorgenommen zwischen Erklärungen, welche das Verhalten als durch in der Person liegende Triebe erklären und solchen, die Anreize aus der Umwelt als verhaltensauslösende Faktoren annehmen. Zu den Motivationstheorien, welche menschliches Verhalten einseitig als durch ‹Triebe› und ‹Instinkte› verursacht annehmen, gehört etwa Freud's Triebkonzeption.
Heute wird in der Motivationspsychologie Verhalten nicht einseitig aus Merkmalen der Person (Triebe, Instinkte, Bedürfnisse) erklärt und auch nicht allein ausgelöst durch Merkmale der Situation. Verhalten ist immer das Resultat einer Wechselbeziehung zwischen Person und Situation (vgl. Rheinberg 2004, 42). Konkretes Verhalten ist verursacht oder motiviert einerseits durch Faktoren, die in der handelnden Person zu suchen sind (Motive) und andererseits durch Anreize aus der Umwelt (Situationsan- reize), und erst beides zusammen bildet die «Motivation». Der deutsche Motivations- forscher Heinz Heckhausen, Autor eines Standardwerks der psychologischen Motiva- tionsforschung, formuliert dies so:
Motivationsprozesse umfassen also das, was wir als Person-Situations- Interaktion erörtert haben. Neben den Anregungsbedingungen der Situation, die etwa in der Wahrnehmung von Gelegenheiten zur Erreichung bestimmter Ziele bestehen, spielen die damit angeregten Motive eine Rolle für die Ausbildung der Anreizwerte der antizipierten Handlungsfolgen. (Heckhausen 1989, 11)
1.1.1 Motiv und Motivation
Eine begriffliche Abgrenzung, welche durch die beiden für Motivation als konstitutiv angenommenen Faktoren Persönlichkeitsmerkmal und Situation begründet ist, ist diejenige zwischen Motiv und Motivation.
Motive sind relativ stabile, überdauernde Personenmerkmale, die sich im Laufe der Sozialisation herausgebildet haben. Das heisst, die Menschen unterscheiden sich aufgrund unterschiedlicher Lebenswelten, Erfahrungen und Einstellungen in ihrer Mo- tivstruktur. (vgl. Ott 2000, 69). Motive wirken auf die Wahrnehmung und Einschätzung von Situationen und beeinflussen die Handlungsweise einer Person in einer bestimm- ten Situation.
Motivation bezeichnet dann die resultierende, situationsabhängige handlungsauslösende Aktivierung eines Motivs.
Als Motiv wird also die individuelle Disposition bezeichnet, welche das Verhalten ei- ner Person in verschiedenen Situationen und Lebenslagen beeinflusst, die Motivation ist der durch bestimmte Umstände in einer konkreten Situation resultierende Hand- lungsantrieb.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Motiv und Motivation (aus Ott 2000, 70)
Die schematische Darstellung zeigt die Motivation als resultierende Grös- se aus der Interaktion von Motiv und Situation und illustriert die Begriffe anhand eines Beispiels.
1.1.2 Ein Prozessmodell der Motivation
Ein Handlungsverlauf lässt sich in mehrere Abschnitte aufteilen. Heckhausen hat ein entsprechendes Modell entwickelt, in welchem sich die Bedeutung motivationaler As- pekte in den verschiedenen Handlungsphasen differenziert beschreiben lässt. Es schreibt in der Einleitung zur Beschreibung seines sog. Rubikon-Modells5 der Hand- lungsphasen:
Ein grosses Problem der Motivationspsychologie ist die Vielfalt dessen, was der Motivationsbegriff alles bezeichnet. So unterschiedliche Phänomene wie Wün sche, Entschlussbildung, und Handlung werden mit dem Motivationsbegriff verbunden. Eine Möglichkeit, diese Vielfalt einzugrenzen, besteht in dem Versuch, den Geschehensablauf des Motiviertseins in ‹ natürliche › , d.h. eigenständig er scheinende Phasen aufzuteilen. (Heckhausen 1989, 203)
In seinem Modell der Handlungsphasen unterscheidet Heckhausen vier Phasen (vgl. Abb. 2):
(1) In der ersten, der prädezisionalen Phase, geht es um das Abwägen von möglichen Handlungsalternativen. Diese Phase findet ihr Ende mit der Intentionsbildung, der Entscheidung, eine Aktion zu starten, eine gewisse Handlung in Betracht zu ziehen. Hier wird ‹der Rubikon überschritten›, die Entscheidung ist gefallen.
(2) Die präaktionale Phase dient dazu, auf die Gelegenheit der Handlungsausführung zu warten oder aber, diese aktiv herbeizuführen, bis dann in der Phase der
(3) Intentionsrealisierung (Aktionsrealisierung) die Handlung ausgeführt wird.
(4) Am Schluss steht die motivationale Phase der Handlungsbewertung: Aus den gemachten Erfahrungen werden Lehren gezogen, die bei künftigen ähnlichen Handlungsentscheidungen dann wieder einbezogen werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Das Rubikon-
Modell der Handlungspha- sen von Heckhausen (1989, 212). Die Bezeichnungen unter dem Schema entspre- chen den von Ziegler (1999, 104 ff.) verwendeten.
Dieser Ablauf läuft allerdings nicht so geradlinig ab, wie es aufgrund der Beschrei- bung den Eindruck erwecken könnte. In konkreten Handlungsabfolgen muss man sich dies eher als parallele Ausführung verschiedenster solcher Handlungsstränge vorstellen. Dabei werden auch nicht alle Intentionen wirklich ausgeführt, sondern viele bleiben in einer frühen Phase ‹stecken›.
Die dargestellte Phasenabfolge ist idealtypisch und verleitet auf den ersten Blick zu der Annahme, als durchliefe eine Handlung alle vier Phasen, ehe nächste Handlung das gleiche tut. In Wirklichkeit sind seit langem in den präde- zisionalen Motivationsphasen Intentionen gebildet worden, die noch alle auf ihre Realisierung warten. Insofern befinden sich zu jedem Zeitpunkt viele Intentionen in der präaktionalen Phase, d.h. in einem Wartezustand, bis sie Zugang zum Handeln finden. Während schon in der prädezisionalen Motivationsphase nur ein einzelnes Entscheidungsproblem und in der postaktionalen Motivationspha- se nur eine einzelne Handlung Gegenstand der Prozesse sind und während in der Handlungsphase nur eine oder höchstens zwei verschiedene Handlungen ablaufen, befinden sich zu jedem Zeitpunkt viele unerledigte Intentionen in einer präaktionalen Volitionsphase. Es kommt in dieser Phase zu einem Stau von In- tentionen, die miteinander um den Zugang zur Handlungsphase konkurrieren. (Heckhausen 1989, 212)
Eine wichtige Erkenntnis aus diesem Modell ist, dass Motivation nicht nur vor der Handlung wirksam ist, die Handlung also quasi anstösst, sondern dass sie den gesamten Handlungsablauf umfasst. Das heisst: Motivieren bedeutet nicht nur, für eine (Lern-)Handlung zu begeistern, sondern Motivieren ist über den gesamten Handlungsablauf nötig und angebracht.
Ausgehend von Heckhausens Modell beschreibt Ziegler (1999, 104 ff.) die vier Pha- sen aus Sicht der pädagogischen Psychologie, und er veranschaulicht seine Darstel- lung auch anhand eines Beispiels. Damit soll das hier verkürzt dargestellte und doch recht komplexe Modell von Heckhausen illustriert werden. Die von Ziegler verwende- ten Phasenbezeichungen sind in der grafischen Darstellung (Abb. 2) aufgeführt.
In der Abwägephase geht es darum, sich für eine Handlung zu entscheiden, das heisst eine aus vielen möglichen Handlungsalternativen auszuwählen. Zwei Grössen spielen dabei eine Rolle: Einmal der Anreiz einer Handlung und dann auch die sub- jektive Erfolgswahrscheinlichkeit, dass die Handlungsausführung gelingt. Der Abwä- geprozess führt zu einer Entscheidung, es wird ein Handlungsziel gebildet.
Am Beispiel einer Schülerin, die sich überlegt, ob sie ihre Hausaufgaben machen oder im Fernsehen eine Sendung anschauen soll lässt sich das illustrieren: Die Anreizwerte der beiden Handlungsalternativen sind unterschiedlich. Beim (meist unbewussten) Abwägen spielen neben Spass als Anreizfaktor auch vorgestellte Folgen wie Strafe wegen Nichterledigung der Hausaufgaben eine Rolle. Die subjektive Erfolgswahrscheinlichkeit wird hier durch Umstände beeinflusst, wie etwa, dass Fernsehen leicht zu realisieren ist (die Schülerin ist allein zu Hause) oder eben gerade nicht (der Bruder will ein anderes Programm sehen), oder dass die Aufgaben so schwierig scheinen, dass sie voraussichtlich nicht zu lösen sind.
Im Zentrum der Handlungsplanung steht die Einleitung konkreter Handlungsschritte, denn die Entscheidung für eine Handlungsalternative garantiert nicht, dass die Hand- lung auch realisiert wird. Damit dies geschehen kann, braucht es einerseits eine ent- sprechende Gelegenheit und andererseits das Wissen, wie man handeln kann.
Im Fall der Schülerin mit den Hausaufgaben lässt sich der Entscheid gegen Fernsehen und für Aufgaben nicht umsetzen, wenn sie das benötigte Schulbuch vergessen hat oder die Aufgabenstellung nicht versteht.
Bei passender Realisierungsgelegenheit wird die konkrete Handlungsausführung eingeleitet. Die Motivation kann allerdings auch während Ausführung beeinflusst werden. So sind ja die konkurrenzierenden Handlungsalternativen aus der Abwägephase nicht einfach verschwunden.
Im Beispiel mit den Hausaufgaben wäre ein Telefonanruf einer Freundin, die einen Stadtbummel vorschlägt eine ungünstige Motivationsbeeinflussung, die auch zum Abbruch der Handlung führen kann.
Nach der Handlung wird schliesslich eine Handlungsbewertung vorgenommen. Dabei wird der Aufwand für die Erreichung des Handlungsziels in Relation gesetzt zum Ertrag, d.h. zu dem in der Abwägephase antizipierten Anreiz. Eine solche Bewertung erfolgt in den wenigsten Fällen bewusst und reflektiert. Sie hat aber dennoch einen Einfluss auf zukünftige Handlungen, weil die Einschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit oder der Anreiz ähnlicher Situationen zu einem grossen Teil von vorangegangenen Handlungserfahrungen beeinflusst sind.
Die künftige Einschätzung der Handlungsalternative Hausaufgaben durch die Schülerin wird wohl negativ beeinflusst, wenn sie die Aufgaben zwar gemacht hat, diese aber nie kontrolliert werden. Bei einem Lob der Lehrerin für die gemachten Hausaufgaben, ist die zukünftige Erledigung der Hausaufgaben attraktiver (vorausgesetzt natürlich, dass ein Lob der Lehrerin genügend positive Anreize bietet).
Motivation und Volition
Im Zusammenhang mit dem Phasenmodell der Motivation ist auf eine weitere Differenzierung hinzuweisen. Es geht um die Unterscheidung zwischen Motivation und Volition, zwei Begriffe, die auch in der grafischen Darstellung des Phasenmodells vorkommen (vgl. Abbildung 2, S. 11).
Die in der ‹Abwägephase› (prädezisionale Phase) gebildete Handlungsabsicht oder Intention muss ja nicht notwendigerweise auch umgesetzt werden. Die Selektion, also die Auswahl von möglichen Handlungen aufgrund des Abwägens antizipierter Folgen, die einen gewissen Anreiz haben, ist das eine. Die Realisation, also die konkrete Ausführung von Handlungen zur Erreichung des gewählten Ziels, ist das andere. In diesem Zusammenhang wird denn auch Selektions- und Realisationsmotivation unterschieden (vgl. Heckhausen 1989, 197).
Heckhausen verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff Volition (Wille), weil die realisierte Absicht ‹gewollt› ist. Die Handlungsentscheidung trennt also Motivation von Volition. Der Begriff hat sich in der Motivationsforschung durchgesetzt, die Vor- gänge bei der Umsetzung von Absichten in Handlungen werden als volitionale Prozesse bezeichnet.
Wir können kurz von ‹ Handlung › oder weil das Intendierte gewollt wird, von ‹ Volition › sprechen. Diese Aufteilung in Motivationsprobleme und Volitionsprobleme kann gelegentlich noch durch ein verbundenes Zwischenglied spezifiziert wer den, nämlich durch den abschliessenden Vorgang der Intentionsbildung, traditi onell als ‹ Willensakt › bezeichnet. (Heckhausen 1989, 189)
Die eigentliche, auch beobachtbare Handlungsausführung passiert erst nach der Phase der Handlungsplanung. Welche Absichten wirklich in Handlungen umgesetzt werden, hat also durchaus auch mit ‹Willen› zu tun. Ob dieser Wille zustande kommt, hängt unter anderem von seinen Realisierungschancen ab.
1.2 Leistungsmotivation
Die Leistungsmotivation ist der wohl am besten erforschte Teilbereich in der klassi- schen Motivationspsychologie. Auch wird diesem von den amerikanischen Psycholo- gen D. McClelland sowie J. Atkinson begründeten Teilbereich der Motivationsfor- schung eine besondere Relevanz für die Schule resp. für das Lernen zugesprochen (vgl. Heckhausen 1989, 231 ff.). Von Heckhausen stammt die Definition von Leis- tungsmotivation als «das Bestreben, die eigene Tüchtigkeit in all jenen Tätigkeiten zu steigern oder möglichst hoch zu halten, in denen man einen Gütemassstab für ver- bindlich hält und dessen Ausführung deshalb gelingen oder misslingen kann». (zit. nach Hartinger, Fölling-Albers 2002, 23).
Leistungsmotivation bezeichnet nicht die mit der alltäglichen Sprachverwendung gemeinten Dinge wie ‹Arbeitsleistung›, ‹Fleiss›, ‹Arbeitswille› oder ‹Strebsamkeit›. Die Orientierung an einem verbindlichen Gütemassstab unterscheidet Leistungsmotivation von solchen Alltagsbegriffen.
Leistungsmotiviert im psychologischen Sinn ist ein Verhalten nur dann, wenn es auf die Selbstbewertung eigener Tüchtigkeit zielt, und zwar in Auseinandersetzung mit einem Gütemassstab , den es zu erreichen oder zuübertreffen gilt. Man will wissen, was einem in einem Aufgabenfeld gerade noch gelingt und was nicht, und strengt sich deshalb besonders an. (Rheinberg 2004, 60)
Dieses Verständnis von Leistungsmotivation hat nicht mit Karriere und Konkurrenz zu tun, sondern mit dem Bedürfnis nach individueller Kompetenzsteigerung. Das folgende Beispiel verdeutlicht dieses Verständnis:
Ein Schüler kann z.B. auch fleissig sein, weil er für sein Lernen eine Belohnung bekommt oder weil er keine Lust hat, für eine Nachholprüfung zu lernen. Dieser Schüler orientiert sich nicht an einem Gütemassstab; er ist fleissig oder streb- sam, aber nicht leistungsmotiviert. Umgekehrt kann derselbe Schüler höchste Leistungsmotivation zeigen, wenn er vor einem Computerspiel sitzt und sich bemüht, die nächste Ebene des Anspruchsniveaus zu erreichen. Dieses Verhal- ten ist zwar Ieistungsmotiviert, man würde es aber vermutlich nicht unbedingt als ‹ strebsam › oder ‹ fleissig › bezeichnen. (Hartinger, Fölling-Albers 2002, 23)
Das Resultat eines aufgrund von Leistungsmotivation erfolgreich erreichten Zieles wird in der Alltagssprache als ‹Erfolgserlebnis› bezeichnet.. Wichtig dabei ist, dass man den Erfolg der eigenen Tüchtigkeit, den eigenen Fähigkeiten zuschreiben kann und nicht etwa äusseren Umständen (Glück, Hilfe von anderen …). Leistungsmoti- viertes Handeln könnte man auch als ‹Streben nach Erfolgserlebnissen› bezeichnen (vgl. Rheinberg 2004, 60).
Das Leistungsmotiv wird als Persönlichkeitsmerkmal verstanden, das in einer Person unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann.
Dieses Motiv ist als eine personspezifische Konstante gedacht, hinsichtlich de- rer sich Menschen unterscheiden. Motive beeinflussen, wie jemand eine be- stimmte Klasse von Handlungssituationen wahrnimmt und bewertet. Im Fall des Leistungsmotivs ist die Klasse von Handlungssituationen vor allem dadurch de- finiert, dass dort Gütemassstäbe eine wichtige Rolle spielen bzw. spielen kön- nen. Um es plakativ zu verdeutlichen: Eine Person mit einem stark ausgepräg- ten Leistungsmotiv nimmt in einer Handlungssituation eher wahr, dass man hier etwas besser oder schlechter machen kann, sie sieht viel häufiger Gelegenhei- ten, ihre Tüchtigkeit zu erproben und zu steigern und erlebt diese Gelegenhei- ten auch als anregender und wichtiger.(Rheinberg 2004, 62)
Es wird also unterschieden zwischen Personen mit hoher und solchen mit tiefer Leistungsmotivation. Dies führt zur Frage, wie diese Unterschiede zustande kommen. Es wird angenommen, dass unter anderem frühkindliche Erfahrungen einen Einfluss haben und «dass ein Erziehungsverhalten, welches Eigeninitiative unterstützt und auf autoritäre Verbote verzichtet die Entwicklung des Leistungsmotivs fördert.» (Hartinger, Fölling-Albers 2002, 25)
1.2.1 Risikowahl-Modell
Ein weiteres im Zusammenhang mit der Lernmotivation häufig gebrauchtes Modell ist das Risikowahl-Modell, das ebenfalls von J. Atkinson entwickelt wurde. Im Zentrum steht die Frage, worauf es denn bei der Situation ankommt, damit ein in der Person vorhandenes Leistungsmotiv zu einer aktuellen Leistungsmotivation führt. Das Risi- kowahl-Modell, auch Erwartungs-mal-Wert-Modell genannt, liefert darauf eine Ant- wort.
Die Ausprägung des Leistungs motivs ist ein Persönlichkeitsmerkmal, die Leistungs- motivation ist aber auch von Merkmalen der Umwelt, also von der Situation abhängig. Ein wesentliches Merkmal der Situation ist gemäss dem Risikowahl-Modell von Atkin- son die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Aufgabe. Das bedeutet, dass sich Menschen nach der Wahrscheinlichkeit richten, das gewählte Ziel, die gewählte Aufgabe erfolg- reich zu schaffen. (vgl. Rheinberg 2004, 71 f.; Hartinger, Fölling-Albers 2002, 25 f.)
Nach Atkinson ist das entscheidende Kriterium einer Situation die Erfolgswahr scheinlichkeit (bzw. -erwartung) einer Aufgabe. Atkinson geht dabei nicht davon aus, dass Menschenüblicherweise die leichtesten Aufgaben bearbeiten, son dern eher mittelschwere Aufgaben - insbesondere dann, wenn es ‹ um nichts geht › , wenn also mit der Aufgabe nicht noch andere Ziele erreicht werden müs sen. (Hartinger, Fölling-Albers 2002, 25)
Es ist also nicht so, dass die leichteste Aufgabe bevorzugt wird, auch wenn hier natürlich die Wahrscheinlichkeit am grössten wäre, die Aufgabe zu meistern. Hier kommt das Leistungsmotiv ins Spiel. Der erlebte Erfolg ist nämlich umso höher, je schwieriger die bewältigte Aufgabe ist. Zu einfache Aufgaben bieten wenig Anreiz, es ist wesentlich reizvoller, eine sehr schwierige Aufgabe erfolgreich zu lösen. Es gilt also der Zusammenhang: Je höher der Anreiz einer Aufgabe ist, desto geringer ist die Erfolgswahrscheinlichkeit (und umgekehrt).
Aufgrund dieser Überlegungen ist der Schluss nahe liegend, dass mittelschwere Auf- gaben bevorzugt werden. Die Einschätzung einer Aufgabe als schwierig oder einfach und damit die Beurteilung der Erfolgswahrscheinlichkeit ist dabei natürlich subjektiv. Dieselbe Aufgabe kann für die einen unlösbar erscheinen während sie für andere ba- nal ist.
Die Einschätzung respektive die Wahl des zu erreichenden Ziels ist also sowohl abhängig von der erwarteten Erfolgswahrscheinlichkeit als auch vom Anreiz oder Wert einer Aufgabe. Die resultierende Leistungsmotivation ergibt sich aus Erwartung und Anreiz, in einer Formel dargestellt: Leistungsmotivation = Erfolgswahrscheinlichkeit (Erwartung) * Anreiz (Wert)6.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Stärke der Leistungs- motivation in Abhängigkeit von Erfolgswahrscheinlichkeit und Auf- gabenschwierigkeit.
(aus Rheinberg 2004, 72)
In der grafischen Darstellung wird deutlich, dass die Motivation für mittelschwere Aufgaben am grössten ist und damit die Bevorzugung von Anforderungen, die «man vielleicht gerade noch schaffen könnte» (Rheinberg 2004, 61) am wahrscheinlichsten ist. Das heisst: Für eine möglichst hohe Motivation sollten die Anforderungen nicht zu tief, aber auch nicht offensichtlich zu hoch sein.
Erfolgszuversicht und Misserfolgsangst
Dieser Zusammenhang spielt aber nicht in jedem Fall. Ein weiteres Persönlichkeits- merkmal, die Erfolgszuversicht, spielt ebenfalls eine Rolle. Menschen haben die Ten- denz, in Anforderungssituationen eher erfolgszuversichtlich zu sein oder aber eher misserfolgsmeidend. Ein Beispiel: Es gibt Schüler/innen, die bereiten sich auf eine Prüfung vor, um eine gute Note zu erreichen und andere bereiten sich vor, um eine schlechte Note zu vermeiden. Man kann also unterscheiden zwischen Erfolgszuversichtlichen und Misserfolgsängstlichen. (vgl. Rheinberg 2004, 74)
In verschiedenen Untersuchungen wurde festgestellt, dass das Verhalten gemäss dem Risikowahlmodell bei Erfolgszuversichtlichen zutrifft, dass dies aber bei Misserfolgsängstlichen nicht der Fall ist. Diesen wählten entweder besonders leichte oder aber besonders schwere Aufgaben. Die Erklärung für die Wahl der (zu) leichten Aufgabe ist eigentlich banal: So wird die Misserfolgswahrscheinlichkeit verringert. Bei der Wahl einer sehr schwierigen Aufgabe ist das Scheitern sehr wahrscheinlich. Dies ist aber für das Selbstbild weniger bedrohlich als das Scheitern bei einer mittelschweren Aufgabe, die man nach eigener Einschätzung eigentlich hätte bewältigen müssen. Damit wird es auch weniger als Misserfolg beurteilt.
1.2.2 Bezugsnorm-Orientierung
Ein weiterer Aspekt im Zusammenhang mit der Lernmotivation, der auf Ergebnisse der Leistungsmotivationsforschung zurückgreift, ist die Bezugsnorm-Orientierung bei der Leistungsbewertung. Es lassen sich drei Arten von Bezugsnormen unterscheiden, die sich in der Praxis allerdings nicht ausschliessen, sondern häufig in Kombinatio- nen anzutreffen sind (vgl. Heckhausen 1989, 271 f.; Hartinger, Fölling-Albers 2002, 118).
Die soziale Bezugsnorm orientiert sich an Vergleichspersonen. Im schulischen Zusammenhang ist das in der Regel die Klasse. Eine Leistung wird als gut bewertet, wenn sie besser ist als der Durchschnitt der Vergleichsgruppe. Dies ist die vorherrschende Bezugsnorm in der organisierten Ausbildung.
Die individuelle Bezugsnorm vergleicht die Leistung eines Einzelnen mit seinen vo- rangegangenen Leistungen. Unabhängig von Vergleichspersonen wird der Entwick- lungsverlauf beurteilt. Eine Leistung ist dann gut, wenn sie besser ist als die voran- gegangene.
Von einer kriteriumsorientierten Bezugsnorm spricht man dann, wenn die Beurteilung aufgrund von feststehenden Vorgaben erfolgt und von den früheren Leistungen oder den Leistungen einer Vergleichsgruppe unabhängig ist.
Auch im Zusammenhang mit der Bezugsnorm wird ein Persönlichkeitsmerkmal postu- liert, das entweder in Richtung sozialer Bezugsnorm (Ego-orientiert) oder in Richtung individueller Bezugsnorm (Aufgaben-orientiert) tendiert. Dies ist abhängig davon, ob die Leistungsmotivation einer Person eher darauf gerichtet ist, im sozialen Vergleich besser zu sein als andere oder darauf, im Vergleich mit sich selbst besser zu werden.
Erfolg besteht entweder darin, eine Sache um ihrer selbst willen besser zu ver- stehen oder zu können; oder aber darin, selbst besser als andere in der Aufga- be zu sein. Personen neigen eher zu der einen oder der anderen Auffassung. Es handelt sich also umüberdauernde Persönlichkeitszüge. (Heckhausen 1989, 277)
Die Merkmale dieser unterschiedlichen motivationalen Orientierung sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst (vgl. Rheinberg (2004, 91):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Grundsätzlich hat jede Bezugsnorm ihre Vorzüge und Nachteile, dies ist abhängig vom Zweck der Bewertung. Im Hinblick auf die Motivation bietet die individuelle Bezugsnorm allerdings Vorteile. Heckhausen begründet dies damit, dass bei einem Vergleich mit den eigenen Leistungen eine Leistungssteigerung mit der aufgewendeten Anstrengung und Ausdauer begründet werden kann. Die Zuschreibung des Erfolgs auf die eigene Leistung kann zu weiteren Anstrengungen motivieren. Im Gegensatz dazu bleibt man bei einer sozialen Bezugsnorm in der Regel - verglichen mit den Anderen - auf dem gleichen Niveau, was die Wahrnehmung einer Leistungssteigerung erschwert oder sogar verunmöglicht.
Beurteilt man einen Leistungsstand bei einer Aufgabe nach den zuvor erzielten Ergebnissen, so erlebt man in der Regel eine Kovariation von Anstrengung und Ausdauer mit einer sich verbessernden Leistung. Zudem liegt der erreichte Leis- tungsstand momentan im mittleren subjektiven Schwierigkeitsbereich, also ei- nem Bereich, der nach dem Risikowahl-Modell maximal motiviert. Demgegen-über würde einem der Vergleich mit den Leistungen anderer nur immer sagen, dass man besser oder schlechter ist als soundsoviel Prozent der Vergleichs- gruppe, gleichgültig ob man grosse Fortschritte in der Aufgabe macht oder nicht (sofern die anderen auch tätig sind und auch Fortschritte machen). Die individu- elle Bezugsnorm lenkt die Aufmerksamkeit einerseits auf tatsächliche Leis- tungsverbesserungen, die in objektiven Merkmalen (Bezugsnormen) zu fassen sind und andererseits auf die eigene Anstrengung und Ausdauer, die den Leis- tungsfortschritt bewirkten, also auf Faktoren, die man willentlich steuern kann und für die man deshalb auch verantwortlich ist. Die soziale Bezugsnorm lenkt dagegen die Aufmerksamkeit einerseits auf einen relativen Leistungsrangplatz, der in der Regel - etwa im Klassenverband - eher gleich bleibt, ( … ) also auf ei- nen Faktor, der sich kaum beeinflussen lässt. (Heckhausen 1989, 272)
Zum Einfluss der Bezugsnormorientierung auf die Leistungsbeurteilung im Rahmen der Schule, wo die Anwendung sozialer Bezugsnormen die Regel ist, wurden ver- schiedene Untersuchungen durchgeführt. Diese zeigen unter anderem, dass insbe- sondere bei leistungsschwachen Schüler/innen Misserfolgserwartungen und negative Emotionen resultieren, die sich negativ auf die Motivation auswirken. Auf der anderen Seite führt die Leistungsbewertung aufgrund einer individuellen Bezugsnormorientierung von Lehrpersonen zu einer höheren Leistungsmotivation bei den Schüler/innen. Dadurch steigert sich die Freude am Unterricht und schliesslich auch die Lernleistung (vgl. Hartinger, Fölling-Albers 2002, 119).
Auch wenn die Umsetzung dieser und vieler weiterer Erkenntnisse aus der Leis- tungsmotivationsforschung in die Unterrichtspraxis mit mancherlei Schwierigkeiten verbunden ist, lohnt es sich im Zusammenhang mit der in der Schule angestrebten Motivationsförderung, diese zur Kenntnis zu nehmen und dort womöglich auch anzu- wenden. In Kapitel 3 werde ich ausführlicher auf das Thema Lernmotivationsförde- rung eingehen.
1.3 Anschlussmotivation - soziale Bindung als Motiv
Neben dem Leistungsmotiv gibt es weiterer Motive, die zur Verhaltenserklärung herangezogen werden. Dazu gehört etwa das ebenfalls recht gut erforschte Machtmotiv (vgl. Heckhausen 1989, 361 ff.) oder das Anschlussmotiv, auf das hier wegen seiner Bedeutung für Lernprozesse kurz eingegangen werden soll.
Lernen kann zwar allein und ohne soziale Kontakte stattfinden, was aber in der Praxis eher die Ausnahme ist. Vielmehr ist das Lernen in Gruppen die Regel, beim organisierten und institutionalisierten Lernen ist dies quasi konstitutiv. Hier wird, teilweise über lange Zeiträume, klassenweise oder auch in anderen, weniger dauerhaften Gruppenzusammensetzungen wie Seminargruppen gelernt. Eine Klasse oder eine Kursgruppe ist nicht nur eine Organisationseinheit, sondern aus Sicht und aus dem Erleben der daran Beteiligten zuallererst eine soziale Gruppe. Dazu gehören nicht nur die Lernenden, sondern natürlich auch die Lehrenden.
Wer, freiwillig oder unfreiwillig, zu einer Gruppe gehört, ist auf sozialen Kontakt, auf Anschluss angewiesen. Das Anschlussmotiv lässt sich allgemein umschreiben als das Bedürfnis nach positiven sozialen Beziehungen. Heckhausen umschreibt das ‹Anschlussmotiv› folgendermassen7:
Was ( … ) der Motivationsforschung mit dem ‹ Anschlussmotiv › vor Augen stand, ist die täglich wahrnehmbare Grenzlinie, die zwischen den uns vertrauten und den fremden Mitmenschen verläuft. Aus Fremden Bekannte und schliesslich Vertraute und freundschaftlich Gesinnte zu machen, dass man dabei aber auch zurückgewiesen werden kann, das ist das Thema des Anschlussmotivs. (Heck- hausen 1989, 343)
Soziale Beziehungen sind nicht einfach Selbstzweck, sondern haben bestimmte Ziele, die nicht bei allen Menschen identisch sind. Damit diese Ziele erreicht werden können, müssen beide Beteiligten an der Beziehung diese als positiv erleben.
Es gibt recht verschiedene Ziele, die durch Knüpfen und Aufrechterhalten sozia- ler Beziehungen verfolgt werden mögen, wie etwa Eindruck machen, andere be- herrschen, Hilfe suchen oder geben. Mit Anschluss (Kontakt, Geselligkeit) ist eine Inhaltsklasse von sozialen Interaktionen gemeint, die alltäglich und zugleich fundamental ist: Mit bisher fremden oder noch wenig bekannten Men- schen Kontakt aufzunehmen und in einer Weise zu unterhalten, die beide Seiten als befriedigend, anregend und bereichernd erleben. (Heckhausen 1989, 345)
Soziale Kontakte sind ein Faktor, welcher die Motivation zum Lernen in jeder Lern- form beeinflusst. Gerade beim E-Learning ist in vielen Fällen der direkte soziale Kon- takt zu anderen Lernenden nicht möglich. Das Anschlussmotiv bei den Lernenden, das Bedürfnis nach positiven sozialen Kontakten, besteht aber natürlich trotzdem.
1.4 Lernmotivation
Nach dem Überblick zu einigen Grundbegriffen der Motivationspsychologie will ich im Folgenden auf die Motivation zu einer speziellen Art von Handlungen eingehen, den Lernhandlungen. Ganz allgemein lässt sich Lernmotivation definieren als der Wunsch oder die Absicht, etwas zu lernen. Wenn man sich die Frage stellt, wie Lernmotivation gefördert werden kann, muss zunächst etwas ausführlicher definiert werden, was da eigentlich gefördert werden soll. Die Frage, was unter Lernmotivation verstanden wird, steht im Zentrum dieses Unterkapitels.
Zunächst soll aber der Begriff ‹Lernen› etwas genauer unter die Lupe genommen werden, ein Begriff, der für verschiedene und unterschiedliche Phänomene verwendet wird (vgl. Faulstich 2002, 68 f.)8.
1.4.1 Lernen
Ein gemeinsamer Nenner verschiedener Lerndefinitionen besteht darin, dass es beim Lernen um den Erwerb von Wissen und Kenntnissen geht sowie um Verhaltensänderungen durch Erfahrungen.
Idealtypisch kann man zwischen zwei unterschiedlichen Erklärungsansätzen unterscheiden, wie Lernen ‹funktioniert›. Vereinfacht formuliert ist das einerseits die Vorstellung einer Aneignung von ausserhalb der Lernenden vorhandenem Wissen und andererseits die Vorstellung von Wissen als der individuellen Konstruktion eines aktiven Lerners in einem sozialen Kontext. Gemäss dem zweiten, konstruktivistischen Lernverständnis ist Lernen ein aktiver, selbstgesteuerter, konstruktiver, situativer und sozialer Prozess (vgl. Reinmann-Rothmeier, Mandl 1998, 461 ff.)
Wenn Lernen als aktiver Konstruktionsprozess verstanden wird, heisst das auch, dass Lernen ohne aktive und motivierte Beteiligung nicht vorstellbar ist. Die Lernmotivation bekommt so einen entscheidenden Stellenwert für den Lernprozess.
Motivation zum Lernen ist eine notwendige Voraussetzung jeden Wissenser werbs, so dass die Perspektive vom Wissenserwerb als aktivem Prozess vor al lem impliziert, das Motivationsgeschehen beim Lernen genauer zu betrachten. (Reinmann-Rothmeier, Mandl 1998, 461) Lernprozesse geschehen auf vielfältige Art. Lernen passiert einerseits ungeplant und nebenbei im alltäglichen Lebensvollzug. Solches Lernen ist häufig unbewusst, ent- spannt und spielerisch. Andererseits gibt es auch gezieltes, geplantes und organi- siertes Lernen, das in der Regel mit Anstrengung verbunden ist. Bei beiden Arten ist Lernmotivation nötig.
1.4.2 Was ist Lernmotivation?
Rheinberg und Fries umschreiben Lernmotivation als die «Bereitschaft der Person, bestimmte Lernaktivitäten vornehmlich deshalb auszuführen, weil sie sich von ihnen Lernzuwachs verspricht.» (Rheinberg, Fries 1998, 168).
Die pädagogisch-psychologische Beschäftigung mit dem Thema Lernmotivation ist vor allem daran interessiert, welche Rolle die Motivation beim organisierten und geplanten, d.h. schulischen Lernen spielt. Nicht zuletzt ist damit auch die Frage verbunden, wie Lernmotivation gefördert werden kann.
Lernmotivation kann sich grundsätzlich auf alle Bereiche und Arten von Lernen beziehen, auch auf nicht-intentionale Lernvorgänge. Bei unbeabsichtigtem und nichtorganisiertem Lernen kann natürlich ebenso nach der Motivation gefragt werden wie beim in der Schule oder anderen Lerninstitutionen betriebenen organisierten Lernen. Nicht-intentionales Lernen erfolgt in der Regel intrinsisch motiviert - wo kein Zwang zum Lernen besteht, ist auch keine entsprechende extrinsisch, also ausserhalb des Lerngegenstandes liegende Veranlassung notwendig9.
Im Folgenden ist mit Lernmotivation die Art von Motivation gemeint, welche im Zusammenhang mit organisiertem Lernen für die Lehrenden von Interesse ist. Im Zentrum stehen hier Fragen wie: Welche psychischen (kognitiven und emotionalen) Prozesse beeinflussen und steuern die Handlungen, welche gemeinhin als Lernen bezeichnet werden? Und wie kann das organisierte, intentionale, bewusst gesteuerte und auf bestimmte Ziele gerichtete Lernen motiviert werden?
Ein Rahmenmodell der Lernmotivation
Rheinberg und Fries (1998) haben ein Rahmenmodell der Lernmotivation entwickelt, welches die Einflussgrössen und Auswirkungen auf die aktuelle Lernmotivation dar- stellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Rahmenmodell zu Bedingungen und Auswirkungen von Lernmotivation (aus: Rheinberg, Fries 1998, 170).
Die aktuelle Lernmotivation ergibt sich aus einer Wechselwirkung zwischen Motiven und Handlungskompetenzen der Person c und der Lernsituation d. Wie weit die Personmerkmale zum Tragen kommen ist entscheidend von der Situation und ihren Besonderheiten abhängig.
Aus dem Zusammentreffen von Person- und Situationsmerkmalen resultiert die aktuelle Motivationstendenz e. Entsprechen die Interessen und Motive der Person, etwa Leistungsmotiv oder soziales Anschlussmotiv, der Lernsituation, wird das Setzen von eigenen Lernzielen begünstigt. Auch die wahrgenommenen Handlungsmöglichkeiten und die Beurteilung der durch die Situation gebotenen Anreize sowie die Erwartungen beeinflussen die Motivation. Je positiver die Einschätzung darüber ausfällt, dass ein gewünschter Kompetenzzuwachs erreicht werden kann und dass die erwarteten positiven Folgen (Anreiz der Lerntätigkeit an sich oder Anerkennung, gute Noten usw.) eintreten können, desto höher wird die Lernmotivation sein.
Die Qualität und Stärke der Lernmotivation f hat eine Wirkung auf die konkrete Lern- tätigkeit g. So ist etwa von der Motivationsstärke abhängig, wie gut sich Lernaktivitä- ten (z.B. ein Lehrbuch durcharbeiten) gegenüber konkurrierenden Aktivitäten (z.B. Kinobesuch) durchsetzen können. Die Qualität von Lernaktivitäten beeinflusst etwa die Konzentration und Ausdauer, welche für die Lernaktivitäten aufgebracht werden.
Dass aus den je nach Motivationsstärke und -qualität unterschiedlichen Lernaktivitäten unterschiedliche aktuelle Lernleistungen resultieren, ist zwar plausibel, allerdings noch «überraschend ungeklärt» (Rheinberg, Fries 1998, 174).
Aus der Lernaktivität resultiert ein Kompetenz- und Wissenszuwachs h. Dieser kann den Motivationsprozess weiter fördern, in dem der erlebte Lernerfolg positiv auf die Beurteilung künftiger Lernsituationen einwirken kann. Dies funktioniert allerdings nur dann, wenn der Lernzuwachs vom Lernenden wahrgenommen wird. Dies gelingt vor allem dadurch, dass die Leistung mit den eigenen vorangehenden Leistungen verglichen wird, wenn also eine individuelle Bezugsnorm verwendet wird.
[...]
1 NZZ am Sonntag vom 7.11.2004, S. 87
2 Computerworld, Ausgabe Nr. 27, 2005 vom 7.7.2005
3 Inhalt der Lehrveranstaltung mit dem Titel ‹Tools› ist die Bedienung von PC- Anwendungsprogrammen (Office), Lernende sind die Studierenden der ersten Klasse des Lehrgangs Betriebsökonomie. Weitere Informationen zu Konzept, Rahmenbedingungen und Ablauf vgl. Kapitel 5.1, Seite 72.
4 Eine Übersicht bietet Heckhausen (1989, 19 ff.) oder Rheinberg (2004).
5 Der Rubikon ist der Fluss in Italien, vor dem Caesar 49 v.Chr. die Folgen eines Bürgerkriegs ab- schätzte. Er überschritt den Rubikon, als er die Entscheidung zum Bürgerkrieg gefasst hatte (‹alea iacta est›). Die Benennung des Modells zeigt, dass die Intentionsbildung, d.h. die Auswahl der auf- grund der Motivationslage auszuführenden Handlung, ein wichtiger Schritt beim Motivationsge- schehen ist.
6 Die multiplikative Verknüpfung der beiden Grössen bedeutet, dass hoher Anzeiz oder hohe Er- folgserwatung allein keine Motivation bewirkt. Ist einer der Faktoren null, ist auch das Produkt null.
7 Das Anschlussmotiv wird übrigens vom ‹Intimitätsmotiv› unterschieden (vgl. Heckhausen 1989, 358).
8 Eine umfangreiche Auflistung verschiedener Lerndefinitionen ist zu finden auf: http://www.stangl- taller.at /ARBEITSBLAETTER/LERNEN/Lerndefinitionen.shtml
9 Zur Unterscheidung intrinsisch - extrinsisch vgl. Kap. 1.5, S. 25
- Arbeit zitieren
- lic. phil I Johannes Marx (Autor:in), 2005, Motivationale Aspekte beim E-Learning, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57153
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