Die Arbeit geht der Frage nach, welche Bedeutung dem Aspekt der Emotionalität bei der Darstellung der Rüdiger-Figur zukommt. Dabei soll untersucht werden, ob Rüdiger, der gemeinhin als bedeutender Repräsentant der höfischen Weltsicht und Lebensweise im Nibelungenlied angesehen wird, eher das höfische Ideal der Affektkontrolle oder eine eher unkontrollierte Emotionalität verkörpert. In einem einleitenden Überblick werden zunächst unterschiedliche Konzepte mediävistischen Emotionsforschung dargestellt, um dann die Bedeutung von Emotionalität in der mittelalterlichen Heldenepik – in Abgrenzung zum höfischen Roman – zu thematisieren. In der anschließenden Textanalyse wird dann zwischen den drei Rollen unterschieden, welche die Rüdiger-Figur des Nibelungenlieds im Laufe der Handlung übernimmt: die des Brautwerbers (20. Aventiure), die des Gastgebers (27. Aventiure) und die des Kämpfers (37. Aventiure). Als Brautwerber und Gastgeber erscheint Rüdiger noch als Musterbild höfischer Affektkontrolle; sein ganzes Streben gilt der Sicherung eines freudvollen Zustands höfischer Harmonie. Als jene Harmonie jedoch zerstört wird, gerät Rüdigers Gefühlshaushalt in Unruhe, und es kommt zu plötzlichen Äußerungen von Trauer und gewalttätigen Affekthandlungen. Eine ungewöhnliche Kombination von Kontrolle und Kontrollverlust ist schließlich bei seinem Kampf mit den Burgunden zu beobachten. Diese Uneinheitlichkeit in der Darstellung von Emotionalität markiert deutlich die Mittelstellung Rüdigers zwischen höfischer Humanisierung und archaischem Heroismus.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Forschungsüberblick
- Emotionalität im Mittelalter
- Emotionalität in der mittelalterlichen Heldenepik
- Textanalyse
- Rüdiger als Brautwerber
- Rüdiger als Gastgeber
- Rüdiger als Kämpfer
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Frage nach der Bedeutung von Emotionen im Zusammenhang mit der Rüdiger-Figur im Nibelungenlied. Sie analysiert, ob Rüdiger das höfische Ideal der Affektkontrolle verkörpert oder ob bei ihm eine unkontrolliertere Emotionalität vorherrscht. Die Arbeit untersucht, ob Rüdiger als Repräsentant der höfischen Ebene im Kontrast zu heroischen Figuren wie Hagen oder Volker steht.
- Emotionalität und Affektkontrolle im Mittelalter
- Darstellung von Emotionen in der mittelalterlichen Heldenepik
- Die Rolle der Rüdiger-Figur im Nibelungenlied
- Der Einfluss christlich-höfischer Prägung auf die Darstellung von Emotionen
- Die Bedeutung des Zorns im Zusammenhang mit der Rüdiger-Figur
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Forschungsfrage nach der Kontrolliertheit oder Unkontrolliertheit der Emotionen bei Rüdiger und die Leitlinie der Arbeit dar. Der Forschungsüberblick bietet einen Überblick über die historische Emotionsforschung im Mittelalter und die allgemeine Bedeutung von Emotionalität in der Heldenepik.
Die Textanalyse konzentriert sich auf die drei Rollen, die Rüdiger im Nibelungenlied einnimmt: Brautwerber, Gastgeber und Kämpfer. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Rolle des Kämpfers, da sein Kampf gegen die Burgunden von zentraler Bedeutung für die Analyse der Darstellung von Emotionen ist, insbesondere der Bedeutung des Zorns.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Emotionalität, Affektkontrolle, höfische Kultur, Heldenepik, mittelalterliche Literatur, Nibelungenlied, Rüdiger, Zorn, und die Darstellung von Emotionen in der Literatur.
- Quote paper
- Torsten Halling (Author), 2003, Emotionalität im Nibelungenlied am Beispiel der Rüdiger-Figur, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57290