"Star Trek - The Next Generation" als Paradigma konservativer Kulturkritik


Magisterarbeit, 2000

108 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

0. Einleitung: TNG als Gegenstand medienwissenschaftlicher Forschung

1. Methodik und Begriffsklärung
1.1. Eingrenzen des Korpus
1.2. Methodik
1.3. Konservativismus

2. Ideologische Grundlagen konservativer Kulturkritik in TNG
2.0. Vorbemerkung
2.1. Grenzen der dargestellten Welt - Enge in der Unendlichkeit
2.2. TNG als futuristische Utopie - Basispostulate des 'offiziellen' Diskurses
2.2.0 Vorbemerkung
2.2.2. Die Entgrenzung des Wachstums - Technologischer Diskurs
2.2.3. Zurück aus der Zukunft - Humanistisch-liberalistischer Diskurs
2.3. Vormoderne als Grundlage futuristischer Utopie?
2.3.1. Kritik am offiziellen Diskurs von TNG
2.3.2. Einschätzung des offiziellen Diskurses von TNG
Erster Exkurs: "Lesen sie Shakespeare, Mr. Data!" - Bildung und Kultur, Historiographie und Biographie in der Föderation
Zweiter Exkurs: "Ich bestimme, was vernünftig ist!" - Individualität, Selbstbestimmung, Demokratie und Freiheit in TNG

3. Das Fremde im Innern - Abweichungen von der biologischen Norm und ihre Korrelation zu der Stellung des Individuums im Machtgefüge von TNG
3.1. Geordi LaForge - Paradigma der ethnischen Emanzipation?
3.2. Worf - Speziezismus und Liminalität
3.3. Gender in TNG
3.3.1 Der Preis der Emanzipation
3.3.2. Deanna Troi und Beverly Crusher - weibliche Archetypen?

4. Das Fremde im Außenraum - Begegnungen an der Grenze
Dritter Exkurs: Die Grenze als Raum der Bewährung
4.1. Paradise Lost: Der Zwang zum Fortschritt
4.2. "Im Begreifen, wie ähnlich einem Gott!" - telos und Evolution im Kontakt mit dem Fremden
4.3. Genetische Disposition und kulturelle Abwärtskompatibilität
4.4 Geschlechterrollen und Homosexualität im Kontakt mit dem Fremden
4.4.1. Sexuelle Orientierung in TNG
4.4.2. Amazonen und 'Die perfekte Braut'
4.5. Differenz, différance und eine ideologische Bedrohung - Die Borg
4.5.0. Vorbemerkung: différance als ideologische Technik
4.5.1. Aufbau der Differenz
4.5.2. Gemeinsamkeiten radikaler Differenz: Die Produktion von différance
4.5.3. Die Borg als postmoderne Bedrohung

5. Fazit

Anhang I: Literaturverzeichnis

Anhang II: Filmographie

"Der Weltraum, unendliche Weiten..." (STAR TREK)

"Nichts gibt so sehr das Gefühl der Unendlichkeit als wie die Dummheit." (Ödön von Horvath)

0. Einleitung: TNG als Gegenstand medienwissenschaftlicher Forschung

Der Autor dieser Studie hat sich in den Monaten, in denen er sich mit STAR TREK: THE NEXT GENERATION (TNG) beschäftigt hat, wiederholt öffentlich lächerlich gemacht, indem er kund gege- ben hat, daß er seine Examensarbeit über die wohl weltweit populärste und kommerziell erfolg- reichste Fernsehserie schreiben werde. Sich auf wissenschaftlicher Basis dem Thema Populärkultur zu widmen ist 30 Jahre nach Leslie Fiedlers wegweisendem Artikel Cross the Border - Close the Gap (vgl. Welsch, 1997, 15) noch immer ein anrüchiges Unterfangen, bei dem man öffentlichem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt ist und dies nicht nur von akademischer Seite. Die Lücke, the Gap, zwischen sogenannter Hoch- oder Ernster Kultur und dem 'Schund', der Massen- bzw. Populärkultur ist zumindest im deutschen Sprachraum noch immer manifest und wird nicht nur von der Bildungselite gepflegt, sondern ist auch auf der Seite der Konsumenten von Populärkultur anzutreffen.

Eine solche Zweiteilung der Kultur in eine hohe und eine niedere Hemisphäre, die miteinander nicht in Kontakt stehen, hat (nicht nur) in Deutschland eine lange Tradition mit deutlichen politischen Implikationen. Auch wenn in einer Zeit, in der der wichtigste gesellschaftliche Diskurs der technologisch-ökonomische ist, die klassische Bildung an Bedeutung verloren hat, so läßt sich doch auch heute noch erkennen, daß die bildungsbürgerliche Trennung von hoher und niederer Kultur einem Machtdiskurs entspringt, der für die Träger der Hochkultur die Meinungsführerschaft bean- sprucht. Die Wahrung der Distanz zwischen Populär- und Hochkultur wahrt auch die Distanz der an der Macht Beteiligten von den 'Plebs'. Eine solche Konstellation ist politisch äußerst bequem. Seit dem Aufkommen des bildungsbürgerlichen Denkens hat sich jedoch in dem Verhältnis zwi-schen Hoch- und Populärkultur eine deutliche Verschiebung ergeben, ja, letztere gibt es als solche eigentlich erst seit dem Aufkommen der modernen Medien. Die vorher vorhandene Volkskultur unterschied sich von der heutigen Populärkultur dadurch immanent, daß sie von denjenigen produ-ziert wurde, die sie auch rezipierten. Im Gegensatz dazu wird die heutige Populärkultur in großem Ausmaß im Auftrag derjenigen produziert, die sich selbst einer Meinungs- bzw. Machtelite zurech-nen. Dies wird schon dadurch bedingt, daß Produktionen gerade für das heute wohl einflußreichste Medium, das Fernsehen, nur mit einem enorm hohen Einsatz an Kapital zu realisieren sind.1 Damit ergibt sich in den heutigen westlichen Staaten eine Konstellation, die der in totalitären Regimen zumindest nicht unähnlich ist: Ein Anteil der Bevölkerung, der den Machteliten zumindest nahe steht2, kontrolliert zugleich einen wesentlichen Anteil der Kulturproduktion für die Teile der Gesell- schaft, die eher der Peripherie als dem Zentrum zuzurechnen sind.

Aus dieser Konstellation wird deutlich, daß Fernsehen, als das Medium, das entscheidend die heutige Enkulturation des Einzelnen mitprägt, ein Machtmittel in der Kontrolle der Meinungsfüh- rerschaft darstellt. Als solches ist es jedoch, obwohl diese Implikationen zumindest den politischen Parteien bekannt sind, die bekanntlich die Rundfunkräte paritätisch besetzen, im deutschen Sprach- raum bisher kaum aus medienwissenschaftlicher Sicht auf seine populären Inhalte hin analysiert worden, eine Tatsache, die m.E. ebenfalls durch die ideologische Trennung von Hoch- und Popu- lärkultur bedingt ist, die sich bereits darin ausdrückt, daß zwar an jeder deutschen Universität das Fach Literaturwissenschaft angeboten wird, die Lehrstühle für Medienwissenschaft jedoch immer noch rar gesät sind. Desgleichen wird an den Schulen zwar überall Deutsch unterrichtet und von den Lehrern erwartet, daß sie die Schüler mit der hohen Literatur bekannt machen, ein Pflichtfach Medienkunde, das sich mit dem Umgang und der Analyse der heute gebräuchlichen Medien auseinandersetzt, wird man hingegen in ganz Deutschland an keiner Schule finden.

Die politischen Implikationen, die sich aus den Produktionsverhältnissen des Fernsehens ergeben, sind nicht fort zu leugnen, wenngleich ihnen durch den Verweis auf die Rückbindung der für die Produktion Verantwortlichen an den Markt, die Spitze genommen wird. Gerade die Abhängigkeit von der Quote führt jedoch auch dazu, daß das Fernsehen bereits auf Grund der Produktions- struktur dazu tendieren muß, den common sense und damit einen konservativen Diskurs zu bedie- nen. - An der Quote ist auch STAR TREK (THE ORIGINAL SERIES [TOS]) gescheitert, die bereits nach der zweiten Staffel auf Grund zu geringer Zuschauerzahlen von der Einstellung bedroht war. Diese wurde durch eine Briefkampagne der Fans verhindert, die schließlich durchsetzen konnten, daß die Serie weiter produziert wurde, wenngleich nach der dritten Staffel das endgültige Aus für TOS kam. Nicht zuletzt auf dieser Fan-Kampagne gründet der Mythos von STAR TREK als eines subversiven Textes, der sich gegen die Entscheidungsmacht eines großen TV-Networks stellte. Gestützt wird dieser Mythos durch die Legenden, die sich um den Erfinder des STAR TREK- Kosmos Gene Roddenberry ranken, der vorgeblich nicht daran interessiert war, in der Fernsehbranche seinen Lebensunterhalt zu verdienen, sondern mit seiner utopischen Vision im Kontext der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung didaktische Ziele zu verfolgen. Der multiethnische Cast von TOS, sowie der angeblich erste Fernsehkuß zwischen einem Weißen und einer Schwarzen in einer amerikanischen Fernsehserie taten ein übriges um TOS als vorgeblich liberalen Text auszuweisen.

Der Mythos STAR TREK überlebte die Absetzung der Serie dadurch, daß sich TOS in endlosen Wiederholungen in aller Welt eine wachsende und treue Fangemeinde erwerben konnte, die für konstante Quoten sorgte. Damit waren die Ausgangsbedingungen für TNG weitaus günstiger. Die Nachfolgeserie konnte nicht nur auf eine bereits durch die ursprüngliche Serie etablierte 'Welt' zu- rückgreifen, sondern auch von Anfang an auf eine große Zahl von Fans zählen, sowie von dem STAR TREK-Mythos profitieren. So steht auch TNG im Ruf eine liberale Weltsicht zu vertreten und Träger eines subversiven Diskurses zu sein, eine Tatsache, die der in Fankreisen verbreiteten Selbstzuweisung der Liberalität entspricht. In wiefern eine solche Einschätzung der Struktur des Textes entspricht, ist in Deutschland bisher kaum untersucht wurden. Im englischen Sprachraum scheint es in dieser Hinsicht weitaus weniger Berührungsängste zu geben. Vor allem aus dem amerikanischen Raum gibt es bereits einige fundierte Studien zum Thema STAR TREK. Bereits bei der oberflächlichen Sichtung dieses Materials (s. Literaturverzeichnis) fällt auf, daß dem Mythos STAR TREK mit Mißtrauen zu begegnen ist und der offizielle Diskurs, der TNG als liberal- emanzipatorischen Text verkauft3, nicht selten im Widerspruch zur narrativen Praxis der Serie steht. Diese narrative Praxis soll in dieser Studie einer eingehenden Analyse unterzogen und auf ihre ideologischen Implikationen untersucht werden.

Die These dieser Studie ist, daß TNG im Gegensatz zum 'offiziellen' Mythos ein Paradigma kon- servativer Kulturkritik darstellt. Dazu soll im ersten Kapitel zunächst einmal geklärt werden, was unter 'konservativ' zu verstehen ist. Darüberhinaus wird die Methodik dargelegt und die Eingren- zung des analysierten Korpus auf TNG unter außer acht lassen von TOS sowie der Folgeserien gerechtfertigt.

Im zweiten Kapitel werden die Basispostulate des 'offiziellen Diskurses' des Textes TNG zu- nächst rekonstruiert werden, um sie in der Folge einer kritischen Betrachtung zu unterziehen und im Rahmen der politischen Philosophie Gramscis im gesellschaftlichen Machtdiskurs zu verorten. Eine Untersuchung der Implikationen dieses Diskurses für die Kultur der in TNG dargestellten Gesellschaft, sowie die Struktur dieser Gesellschaft selbst, bzw. inwiefern diese Struktur die Grenzen der Freiheit des Einzelnen determiniert, schließt sich an.

Das dritte Kapitel widmet sich dem 'Fremden im Innenraum' von TNG. Der Innenraum ent- spricht dem Raum der Föderation, in diesem v.a. der Enterprise. Als 'fremd' gilt hier alles, was von der im offiziellen Diskurs etablierten biologischen Norm abweicht, eine Abweichung die mit kultu- reller bzw. Verhaltens-Differenz korreliert ist. In diesem Zusammenhang werden die einzige ethni- sche Hauptfigur in TNG, Geordi, sowie die einzige alien-Hauptfigur, Worf, im Hinblick auf ihre Stellung in der Gesellschaft von TNG einer detaillierten Analyse unterzogen. In einem weiteren Abschnitt werde ich mich der gender-Thematik in der Serie zuwenden. Ziel dieses Kapitels ist es zu überprüfen, in wie weit die utopische Gesellschaft in TNG ihrer liberal-emanzipatorischen Propa- ganda entspricht.

Im vierten Kapitel werden die Fremdkontakte zu anderen Spezies aus dem Außenraum bzw. im Grenzraum zwischen Föderation und Außenraum behandelt. Dazu wird in einem eigenen Abschnitt zunächst die Bedeutung der Grenze als frontier für die US-amerikanische Ideologie dargelegt wer- den. Im Anschluß hieran wird an Hand der Analyse einzelner, thematisch geordneter Folgen gezeigt werden, daß die Fremdkontakte in TNG nicht der interkulturellen Verständigung dienen, sondern ihre Aufgabe ist, die Überlegenheit der Ideologie des offiziellen Diskurses unter Beweis zu stellen, bzw. daß es gerade diese Kontakte sind, die die Überlegenheit der Föderationsideologie überhaupt erst herstellen.

1. Methodik und Begriffsklärung

1.1. Eingrenzen des Korpus

STAR TREK hat sich, seitdem 1966 die erste Folge von TOS (The Original Series) ausgestrahlt wurde, zu einem kaum noch zu überschauenden Kosmos ausgewachsen. Es gibt inzwischen nicht nur vier STAR TREK Fernsehserien, neben TOS und TNG (THE NEXT GENERATION), DEEP SPACE 9 und RAUMSCHIFF VOYAGER, sowie neun STAR TREK Spielfilme, sondern außerdem noch eine Unmenge von autorisierten STAR TREK Geschichten in Buchform, ebenso wie nicht autorisierte Fanliteratur, sowie STAR TREK Guides, die versuchen Plausibilitätslücken zu schließen, so z.B. Sternbachs THE NEXT GENERATION Technical Manual (1991) und darüberhinaus gesammelte Interviews von Schauspielern und dem Schöpfer der Serie, Gene Roddenberry, die alle durch ein Netz der Intertextualität miteinander verwoben sind und zusammen den modernen Mythos STAR TREK bilden.

Aus diesem Kosmos soll im Rahmen dieser Studie nur ein kleiner Ausschnitt herausgegriffen werden. Zunächst einmal soll hier nicht auf den Fandiskurs eingegangen werden, d.h., daß Zusatz- informationen, die nicht aus der Fernsehserie stammen, ignoriert werden. Grund hierfür ist, daß die zahlreiche Literatur, die um STAR TREK herum entstanden ist, häufig bereits eine Interpretation des Originaltextes darstellt. Zudem soll auf eine Analyse der Spielfilme verzichtet werden, da diese z.T. deutlich von in den Serien etablierten Konzepten abweichen (so z.B. die Einführung einer Borg- Königin in dem Film First Contact). Darüberhinaus hinaus scheint mir eine Beschränkung des Kor- pus auf TNG vertretbar zu sein, da sich alle vier STAR TREK Serien zwar auf ein gleiches Set an Grundannahmen über die Zukunft stützen, sich aber trotzdem konzeptuell unterscheiden, wie dies Bernardi (1998) z.B. für TOS und TNG aufzeigt. Gerade bei diesen beiden Serien scheint es unsin- nig, die These aufzustellen, es handle sich hier um einen geschlossenen Text. Zwar werden in TNG gewisse features der Originalserie übernommen, wie das Beamen, der Warpantrieb oder die Idee einer vereinigten Erde, auf der soziales Elend und Krieg der Vergangenheit angehören. Die "welt"- politische Lage hat sich dagegen grundlegend geändert. In der Zeit von TNG die mehr als 70 Jahre nach TOS spielt, ist die Phase des ersten stürmischen Aufbruchs in den Weltraum vorbei, die Klin- gonen sind zu Verbündeten geworden und die Föderation bemüht sich mit ihr feindlich gesonnenen Rassen ein Kräftegleichgewicht aufrecht zu erhalten, um den Frieden im Alpha-Quadranten zu wahren.

Ähnliches gilt für das Verhältnis von TNG zu DEEP SPACE 9. Zunächst einmal bedingt die Beschränkung auf einen festen Schauplatz am Rande der Galaxis einen konzeptuellen Unterschied zu den vorherigen STAR TREK Serien, zum anderen spielt DEEP SPACE 9 in einem Kosmos, in dem die balance of power, die TNG kennzeichnet, zerbricht und es schließlich zum Krieg kommt. Außerdem ist DEEP SPACE 9 von einer mysthisch-religiösen Komponente geprägt - wie sie sich in den mysteriösen Propheten und dem Kontakt von Captain Sisko als "Abgesandter der Propheten" mit ihnen wiederspiegelt - zu der es keine Parallele in TNG gibt.

RAUMSCHIFF VOYAGER wiederum setzt einen völlig anderen Handlungsrahmen, der eher dem der Odyssee gleicht. Die Tatsache, daß das Raumschiff hier tausende von Lichtjahren von der Erde entfernt durch den Weltraum irrt, setzt auch den Möglichkeiten der Narration andere Grenzen; so ist hier z.B. zwingenderweise die Bedeutung des politischen Kontextes im Kontakt mit fremden Rassen weitaus geringer, der für TNG und DEEP SPACE 9 so bedeutend war. M.E. bedingen die unterschiedlichen Rahmen der Narration, auch einen Unterschied in der ideologischen Ausrichtung. Ein Vergleich der verschiedenen Serien und auch ein Vergleich der Serienwelt mit dem Fandiskurs, kann durchaus fruchtbar sein. Man sollte aber nicht den Fehler begehen, die Gesamtheit der Texte als einen einheitlichen Megatext aufzufassen4. So lassen sich selbst bei oberflächlicher Betrachtung deutliche ideologische Unterschiede z.B. im Bereich gender feststellen, wenn man TOS und TNG oder TNG und RAUMSCHIFF VOYAGER vergleicht. Versucht man nun darauf zu beharren, alle drei Texte wären gleichermaßen Ausfluß einer liberal-humani- stischen Vision Roddenberrys, so wie dies im Fandiskurs häufig behauptet wird, ergeben sich Span- nungen innerhalb der Argumentation, die nicht mehr zu überbrücken sind.

1.2. Methodik

Spätesten seit Tulloch/Jenkins Science Fiction Audiences (1995) sieht sich ein Interpret von populären Medientexten gezwungen, eine strukturale Textanalyse zu rechtfertigen. Die Aussage eines Textes, so scheint es, hängt sehr viel mehr von dem sozialen Background eines Rezipienten ab, als man bis dato angenommen hatte.5 Gerade in Fandiskursen werden Texte häufig gegen den Strich gelesen, eine Taktik, die Jenkins (1995, 262) als resistant reading bezeichnet, bzw. Fans benutzen den Kosmos eines Textes, um jene Geschichten zu schreiben, die innerhalb eines Textes ihrer Meinung nach zu kurz kommen, Fans werden zu cultural poachers (vgl. Jenkins, 1991).

Cultural poaching verändert jedoch nicht die Aussage eines Ursprungstextes, sondern weist im Gegenteil implizit auf dessen Mankos hin. Ähnlich verhält es sich mit resistant reading, daß nach Jenkins Ausdruck eines Unbehagens mit der Unvollkommenheit des Textes ist: "The consummate negotiating readers, fan critics work to repair gaps or contradictions in the programme ideology, to make it cohere into a satisfying whole which satisfies their needs ..." (1995, 263). Resistant Reading ist also nicht ein unbewußter Wahrnehmungsprozeß, der dazu führt, daß die Aussage eines Textes arbiträr wird, je nach Rezipient, sondern ein bewußter Umdeutungsprozeß einer zuvor wahrgenommenen Textaussage. Zudem wird der Umdeutungsspielraum durch die Struktur des Textes begrenzt (vgl. Jenkins, 1995, 264).

Die von Jenkins beschriebenen Methoden im Umgang mit der Aussage eines Textes, beschrei- ben beide einen Umdeutungsprozeß. Wenn etwas umgedeutet werden kann, so muß es also eine "ursprüngliche" oder zumindest dominante6 Textaussage geben, die vor dieser Umdeutung liegt. Von einer solchen Struktur des Texts, aus der heraus erst die Möglichkeit verschiedener Deutungen erwächst, gehen auch Tulloch/Jenkins aus und sie bleibt ihnen die Voraussetzung für die Analyse der Rezeption durch verschiedene soziale Gruppen. Diese Textstruktur, die quer durch alle Rezi- pientenklassen stabil bleibt, nennt Jenkins (1995, 125) preferred reading. Um die Analyse dessen, was the preferred reading im Zusammenhang mit TNG ist, soll es in dieser Studie gehen. Ein solcher Zugang scheint mir sinnvollerweise nur strukturalistisch möglich zu sein. - Bei der Analyse der reinen Textstruktur soll im Rahmen dieser Studie aber nicht stehen ge-blieben werden. Auf dem Hintergrund eines Verständnisses von TNG als ideologischem Projekt sollen die aus dem Text gewonnenen Daten dazu dienen, hegemoniale Strategien des Texts zu re-konstruieren und in ein Verhältnis zur real space time7 zu setzen. Damit versteht sich diese Studie auch als ein Beitrag zur Ideologiekritik.

1.3. Konservativismus

Konservativismus soll in dieser Studie nicht als eine feststehende politische Ideologie mit eige- ner Philosophie und festen Grundüberzeugungen begriffen werden, wie dies z.B. für den Libera- lismus und den Sozialismus gilt, sondern als eine Strategie des Erhalts der Hegemonie einer gesell- schaftlichen Gruppe8. Hegemonie bedeutet dabei nicht den Zustand, in dem eine gesellschaftliche Gruppe, die totale Kontrolle über den Rest einer Gesellschaft erlangt hat, sondern einen dynami- scher Prozeß hegemonialer Aktivitäten, in dem die machtbesitzenden Gruppen9 ihre Stellung durch konservative Aktionen zu bewahren, die Randgruppen durch subversive Handlungen zu unterlaufen trachten:

"What we are looking for is not the absolute victory of this side over that, nor the total incorporation of one set of forces into another. Rather, the analysis is a relational matter - i.e., a question to be resolved rationally, using the idea of 'unstable balance'" (Hall, 1986, 14).

Der Punkt einer vollkommenen Hegemonie wird selten erreicht, da Randgruppen ständig bestrebt sind, in das Machtzentrum vorzudringen und dieses damit herausfordern. Nach Antonio Gramsci ist dieses instabile Gleichgewicht der Schlüssel zum Verständnis der Mechanismen, die in "fortschrittlichen" westlichen Gesellschaften ökonomische, ideologische und soziopolitische Systeme der Unterdrückung und Ausbeutung fortpflanzen. (vgl. Bernardi, 1998, 16)

Mittel hegemonialer Aktivitäten sind dabei Zwang und Konsens: Moderne demokratische west- liche Staaten tendieren, um Revolutionen zu vermeiden, in denen die Elite sämtliche Macht verlie ren könnte, eher dazu, einen breiten Konsens zu schaffen und die Peripherie der Gesellschaft davon zu überzeugen, daß ihre Stellung naturgegeben oder unvermeidbar ist. Die Verfügung des Macht- zentrums über die Befugnis auch Zwangsmittel einzusetzen, wird hierdurch legitimiert, der Einsatz dieser Mittel erweist sich im günstigsten Fall, dem eines einheitlichen Konsenses, als überflüssig. Wenn dieser Konsens zerbricht, werden Gruppen u.U. näher an das Machtzentrum herangelassen, um sie zu befrieden, nämlich dann, wenn sie die Macht des Zentrums zu bedrohen scheinen (vgl. ebd. 17). Das 'Heranrückenlassen' stabilisiert die Herrschaftsbasis dadurch, daß eine solche Strategie die Peripherie der Basis zersplittert und somit den Widerstand teilt: "...ideologies of coercion and consent [are] fracturing groups along multiple lines, such as beween whites and non- whites, and not just via class." (Bernardi, 1998, 18)

Die Politik von Zwang und Konsens erklärt die heutigen differenzierten Gesellschaftsstrukturen der westlichen Welt, die nicht mehr durch die klaren Gegensätze zwischen Machthabenden und Machtlosen, wie sie für die Klassengesellschaften der westlichen Nationen noch bis in das 20.Jhdt. typisch waren, gekennzeichnet sind, sondern vielmehr durch ein Kontinuum zunehmender Teilhabe an der Macht von der Peripherie zum Zentrum. Durch eine solche Strategie werden fast alle gesell- schaftlichen Gruppen, wenn auch in sehr unterschiedlichem Maße, in die Machtstrukturen einge- bunden, eine Bedrohung des Machtzentrums wird somit auch immer zu einer Bedrohung der eige- nen Teilhabe an dieser Macht. In einem solchen System erweist sich der Konsens dadurch als überaus stabil, daß die gesellschaftliche Position eines jeden sich hier auch aus der Sicht der Überlegenheit des eigenen sozialen Status über andere definieren läßt und dies gilt noch für die äußerste Peripherie der Macht, deren Überlegenheit durch die offene Ausgrenzung von Randgrup- pen, wie z.B. Asylanten, Behinderte, Kriminelle oder Geisteskranke, sichergestellt wird. Der offenen Ausgrenzung im Randbereich, entspricht die verdeckte gestaffelte Ausgrenzung im Innenbereich, die die Stellung des Einzelnen in der Gesellschaft ideologisch erklärt. In konsensuell geprägten Gesellschaften rekurriert eine solche Erklärung nicht auf die gesellschaftlichen Strukturen10, sondern auf Defizite des Individuums. Daraus folgt, daß konservative hegemoniale Aktivität, also die Stützung des Konsens, immer auf einen Rassismus im weiten Sinne angewiesen ist. Unter Rassismus im weiten Sinne, verstehe ich die Definition Albert Memmis (1992, 102): "Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Vorteil des Anklägers und zum Nachteil seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden."11 Als Mittel des Machterhalts ist Rassismus umso effektiver, wenn er nicht nur von den Privilegierten, sondern auch von den Unterdrückten mitgetragen wird. Ist dies der Fall, so ist der Rassismus Teil des common sense, "a way of comprehending, explaining and acting in the world ... the linkage of ideas and conceptual categories that make up the consciousness of both center and peripheral groups" (Bernardi 1998, 17/18)

Dieser common sense ist das eigentliche Gebiet, auf dem in westlichen Demokratien Machtkämpfe ausgetragen werden, da er der Grund ist, auf dem der für die Herrschaftslegitimation notwendige Konsens erwächst12.

Das wichtigste Mittel beim Kampf um die Definitionshoheit über den common sense ist die Kul- turproduktion, da sie die Mythen13 des common sense erschafft, illustriert und einübt, aber auch angreifbar machen kann: Auch der Mythos der biologischen Minderwertigkeit bestimmter Gruppen, Grundlage eines Rassismus im weiteren wie im engeren Sinne, ist ein kulturelles Produkt. Das läßt sich z.B.daran erkennen, daß Rasse ein Terminus ist, der sich beim Menschen biologisch kaum sinnvoll definieren läßt (vgl. Bernardi,1998, 13) und sich darüberhinaus aus einem Anderssein nicht zwingend eine Inferiorität ableiten läßt.

Was Bernardi über den Rassismus im engeren Sinne sagt, gilt auch für den Rassismus im weite- ren Sinne: "[it is] a multifaceted, omnipresent but utterly historical category of meanings". Diese Bedeutungen sind Teil des common sense und durchaus offen für Redifinition, also Kampfgebiet subversiver als auch konservativer Aktivitäten. Dabei spielt Populärkultur als Mittel der Enkultura- tion eine entscheidende Rolle: "Popular culture is the terrain on which the meaning of race most forcefully penetrates common sense." (Bernardi, 1998,20) Und als das bedeutendste Medium der Populärkultur sieht Bernardi das Fernsehen: "Though not completely deterministic, television nevertheless has access to our public mythologies, consciousness, and identity." (ebd.).

Nach Bernardi (1998, 19) unterstützen die Massenmedien und damit auch das Fernsehen, den common sense, während soziale und kulturelle Bewegungen ihn, zumindest in den USA, herausge- fordert hätten. - Abgesehen davon, daß Bernardi hier eine enge Definition von Kultur mitzutragen scheint, die der Populärkultur, die ja für ihre Verbreitung auf die Massenmedien angewiesen ist, das 'Kultur-Sein' abzusprechen scheint, muß kritisiert werden, daß die Lage differenzierter ist: Populär- kultur, besonders Film und Fernsehen, auf Grund ihrer hohen Refinanzierungskosten, tendiert dazu, die jeweils vorherrschende Einstellungen zum common sense zu bedienen: Bemühen sich breite Gruppen der Bevölkerung um dessen Redifinition, wie es zu Zeiten der Bürgerrechtsbewegung Ende der 60er Jahre der Fall war, dann ist Populärkultur durchaus in der Lage subversive Qualitäten zu entwickeln. So ist die Integration einer Schwarzen in den ständigen cast von STAR TREK - THE ORIGINAL SERIES durchaus subversiv zu werten14, und auch der Pop-Musik dieser Zeit muß eine eindeutig subversive Ausrichtung zugeschrieben werden15. In Zeiten der Stabilisierung des common sense hingegen, wie wir sie seit Beginn des konservativen Rollbacks Ende der 70er Jahre beobachten können, tendiert die Populärkultur eher dazu, sich am konservativen Diskurs zu beteiligen.16

These dieser Studie ist, daß TNG Teil des konservativen Diskurses seiner Entstehungszeit ist. Konservativ kulturkritisch ist der Text insofern, als er zur Schaffung seiner konservativen Ideal- kultur dezidiert andere Diskurse ausgrenzt, folglich also reaktionäre Tendenzen hat, d.h., nicht nur um Erhaltung des status quo des common sense bemüht ist, sondern darüberhinaus versucht, die Menge der an der Macht partizipierenden Gruppen zu reduzieren. Dabei wird eingestanden, daß der konservative Diskurs des Textes nicht immer einheitlich ist, der Text z.T. auch subversive bzw. emanzipatorische Elemente enthält. Diese Ambivalenz führt aber nicht zu einer Beliebigkeit der Textaussage: Wie in der folgenden Analyse dargelegt werden wird, ist der konservative Diskurs in TNG dominant, andere Elemente, deren Vorhanden-Sein nicht abzuleugnen ist, treten dagegen in den Hintergrund.

2. Ideologische Grundlagen konservativer Kulturkritik in TNG

2.0. Vorbemerkung

In TNG, wie in STAR TREK überhaupt, stehen Kontakte mit dem Fremden immer wieder im Mit- telpunkt der Erzählung. Dabei findet erstaunlicherweise ein paradigmatisches Lernen am Fremden, das zu einer Verhaltensänderung führen würde, nie statt. Das ”kennen lernen” des anderen bleibt ”ungefährlich für die Substanz” (Hellmann, 1997, 104), bestenfalls kommt es zu einer Wie derbesinnung auf Werte der Föderation.

Wie im folgenden gezeigt werden wird, führt die Auseinandersetzung mit dem Fremdartigen immer wieder dazu, daß die von TNG bevorzugte Ideologie, sich als die bessere und - mangels dar- gestellter annehmbarer Alternativen - im Laufe der Zeit als die einzig denkbare und richtige erweist. Aus diesem Grund ist es fast unmöglich, die von TNG bevorzugte Ideologie darzustellen, ohne auf diese Fremdkontakte einzugehen, da manche Positionen dann zwingend Leerstellen bleiben müssen, bzw. im Text nur angedeutet werden. Trotzdem soll hier versucht werden, zunächst eine weltan- schauliche Folie des Denkens der Föderation zu entwickeln, die als 'Landkarte' dienen soll, um den Umgang mit dem Fremden im Innen- und Außenraum verorten zu können. Dabei werden, um im Bild zu bleiben, notwendigerweise weiße Flecken in der Argumentation zurückbleiben, einiges wird sich nur thesenartig formulieren lassen. Der Leser wird hier um Geduld gebeten, entsprechende Leerstellen werden im weiteren Verlauf dieser Studie aufgefüllt werden, wenn ich mich mit dem Fremden im Innern, d.h. aliens, Schwarzen und gender-Problematik im Innenraum der Föderation und hier bevorzugt an Bord der Enterprise, sowie im Anschluß daran mit dem Fremden im Außen- raum, also dem Kontakt mit fremden Zivilisationen oder nicht enkulturierten Individuen auseinan- dersetzen werde.

2.1. Grenzen der dargestellten Welt - Enge in der Unendlichkeit

Jede Erzählung muß aus der zur Verfügung stehenden Welt eine Auswahl dessen treffen, was dargestellt werden soll. Damit geht notwendigerweise eine Komplexitätsreduzierung einher. Zugleich lassen sich aber aus der Auswahl des als darstellenswert Erachteten Rückschlüsse auf die ideologische Position eines Textes ziehen.

In TNG fällt auf, daß aus den nahezu unbegrenzten Möglichkeiten dessen, was erzählt werden könnte, nur ein kleiner Ausschnitt gewählt wurde: Trotz der Vielzahl der entdeckten Zivilisationen und Welten verläßt TNG nie die Perspektive der Föderation, des von Menschen dominierten Teils der Galaxis17. Auch bei der Darstellung des Fremden, ist immer mindestens ein Föderationsmitglied anwesend und nimmt wertend Stellung. Von der Föderation wiederum wird beinahe ausschließlich der Kontext von Star-Fleet, einer paramilitärischen Organisation dargestellt, die mit exekutiven und judikativen Vollmachten ausgestattet ist. In jeder Episode von TNG spielt ein Star-Fleet-Angehö- riger eine dominante Rolle. Innerhalb von Star-Fleet wird beinahe ausschließlich die Enterprise dar- gestellt, die nicht etwa ein beliebiges, durchschnittliches Raumschiff dieser Organisation ist, sondern Star-Fleets Flaggschiff. In TNG wird immer wieder betont, daß es eine besondere Ehre sei, an Bord der Enterprise zu dienen, immer wieder tauchen Charaktere auf, die sich extra hierher haben versetzen lassen oder sich wünschen, auf der Enterprise Dienst zu tun, kurz: hier dient die Elite von Star-Fleet; in jeder Episode von TNG stehen ein oder mehrere Besatzungsmitglieder der Enterprise im Mittelpunkt.

Obwohl die Enterprise laut Aussage von TNG über 1.200 Besatzungsmitglieder hat18, wird von diesen wiederum nur ein kleiner Ausschnitt dargestellt: Lediglich Offiziere stehen im Mittelpunkt der Erzählung und von diesen wiederum ausschließlich Führungsoffiziere, sieht man einmal von Wesley Crusher ab, der auf Grund seiner überdurchschnittlichen Begabung eine Sonderrolle einnimmt und zumindest die Laufbahn eines Führungsoffiziers eingeschlagen hat. Im Mittelpunkt der Darstellung steht also eine Elite (Führungsoffiziere), einer Elite (Offiziere), einer Elite (Enterprise), einer paramilitärischen Organisation mit offiziellen Machtbefugnissen (Star-Fleet)19, einer anthro- pozentrischen politischen Vereinigung (der Föderation). Damit zeigt uns TNG den dargestellten Kosmos aus einer privelegierten Machtposition, einer Position, die eine hohe Affinität zum konser- vativen Diskurs des dargestellten Kosmos aufweisen muß. Eine Abkehr vom konservativen Diskurs würde zu einem Zerfall der Machtbasis führen; diese aber erweist sich in TNG als überaus stabil, das Gesellschaftssystem bleibt während der ca. sieben Jahre dargestellter Zeit20 konstant. - Und tatsächlich zeigt auch die Narration, daß die Führungsoffiziere der Enterprise Träger des Wertesystems der Föderation sind, also den common sense stützen. Weist der dargestellte common sense wiederum deutliche Affinitäten zum common sense der real space time auf, so ist eine Einordnung von TNG als konservativer Text gerechtfertigt.

2.2. TNG als futuristische Utopie - Basispostulate des 'offiziellen' Diskurses

2.2.0 Vorbemerkung

In TNG müssen prinzipiell zwei Diskurse unterschieden werden, die bei der Beschäftigung mit diesem Thema immer wieder für Verwirrung sorgen: Auf der einen Seite gibt es einen utopischen Diskurs, der sich auf die Aussagen der Hauptfiguren und hier v.a. den 'Philosophen-Captain' Picard stützt, die dargestellte Welt in TNG deuten und der den Status eines 'offiziellen' Dikurses hat21. Der zweite Diskurs bewegt sich hingegen auf der Ebene der Narration und erweist sich bei näherer Betrachtung oft als durchaus konträr zur 'offiziellen Lesart' der Geschehnisse. Diese Widersprüch- lichkeit ist es, die zu den von Jenkins beschriebenen Fanaktivitäten des resistant reading und cultural poaching führt, die für sich in Anspruch nehmen, wahrhaftigere Verkörperungen der offi- ziellen Ideologie von STAR TREK zu sein, als der autorisierte Text. - Wie sich im weiteren Verlauf dieser Studie zeigen wird, sind die Brüche zwischen Narration und offizieller Ideologie Brüche, die bereits der offiziellen Ideologie inhärent sind. Diese stellt einen utopischen Diskurs dar, den ich im folgenden auf seine Grundannahmen hin untersuchen werde.

TNG zeigt uns eine utopische Zukunft, in der die heute drängenden Menschheitsprobleme end- gültig gelöst sein werden: Es gibt keinen Hunger mehr, keine Krankheiten, keine Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, ebenso sind Kriege, Rassismus und Sexismus - qua offizieller Doktrin - Dinge, die der Vergangenheit angehören. Gelöst wurden diese Probleme durch zwei klar aufeinander angewiesene aber deutlich unterscheidbare Diskurse, die zusammen den offiziellen

Diskurs von TNG ausmachen. Der erste ist technologisch wissenschaftlicher, der zweite humani- stisch-liberalistischer Natur. Ersterem läßt sich die Beseitigung der Problematik zuordnen, die mit Hunger und Krankheit verbunden ist, letzterem jene, die sich auf Krieg, Rassismus und Sexismus beziehen. Im Bereich der (kapitalistischen) Ausbeutung zeigt sich eine Interdependenz beider Diskurse. Ich möchte mich zunächst dem technologischen Diskurs zuwenden.

2.2.2. Die Entgrenzung des Wachstums - Technologischer Diskurs

Die Geschichte des utopischen Denkens ist eine Geschichte der Überwindung der Knappheit. Dabei lassen sich im utopischen Denken drei verschiedene Stränge unterscheiden. Zunächst einmal die Vorstellung einer freigiebigeren Natur, die die Ansprüche des Menschen erfüllt. In diesen Kreis gehören die Vorstellung vom biblischen Paradies oder auch die Tahiti-Mythen des 19.Jhdts, wie wir sie z.B. in Melvilles Taipee finden. ”Bei solchen Überlegungen spielt immer auch die Idee eine ‚Naturalisierung des Menschen‘, wie dies der frühe Marx genannt hat, eine bedeutende Rolle” (Münkler, 1997, 59), auch eine Reduzierung menschlicher Ansprüche kann zur Lösung des Knapp- heitsproblems führen. ”In rudimentärer Form” (ebd.) finden wir einen solchen Ansatz auch in TNG, große Bedeutung kommt ihm aber hier nicht zu: Die Individuen beschränken sich zwar auch selbst, d.h., sie nutzen Ressourcen nicht unsinnig, aber das Horten von Besitz hätte in ihrer Welt des Über- flusses auch keinen großen Sinn mehr, da dieser als Machtmittel, bzw. Mittel zum Erlangen von Sozialprestige, entwertet ist.

Ein zweiter Strang utopischen Denkens läßt sich als Sozialutopie bezeichnen, in der, ausgehend von der Erkenntnis, daß eigentlich genug Güter für alle Menschen da sind, das Problem der Knapp- heit über Umverteilung gelöst wird. In die klassische Sozialutopie sind fast immer Elemente des Zwangs in Form von Umerziehung eingegangen (vgl.ebd., 61), wodurch sie sich in zunehmenden Maße, nicht zuletzt durch den Terror des Kommunismus, als inakzeptabel erwiesen und im 20.Jhdt. deutlich dystopische Züge angenommen hat22. Besonders vom Standpunkt liberaler Ideologie, die das Individuum mit seinem freien Willen in den Mittelpunkt ihres Denkens stellt (s.u), ist die Sozialutopie daher abzulehnen und so verwundert es nicht, daß sie in TNG so gut wie keine Rolle spielt.

Der dritte Strang utopischen Denkens geht davon aus, daß sich das Problem des Mangels durch gesteigerte Effektivität der Technik und damit eine gesteigerte Produktivität beheben läßt und die Technik so den Menschen frei macht von den Bürden der Arbeit und ihm Spielraum zur Selbstverwirklichung schafft. Diese Art der Utopie ist immer auch auf den verantwortungsbewußten Umgang mit der Technik angewiesen, im Gegensatz zur Sozialutopie ist hier aber der Voraussetzungshorizont umgekehrt. In jener muß die Veränderung menschlichen Verhaltens der veränderten Nutzung der Güter und damit auch der Technik vorausgehen, in dieser ist die Änderung menschlichen Verhaltens ohne einen Fortschritt in der Technisierung gar nicht erst möglich. Eine solche Vorstellung knüpft an technologisch-utopische Vorstellungen des späten 19.Jhdts. an, wie wir sie z.B. bei H.G. Wells oder in den Romanen von Jules Verne finden.

Die technologische Utopie wird von TNG deutlich favorisiert. In der dargestellten Welt sorgen Replikatoren für die Bereitstellung von Nahrung und Gütern des täglichen Bedarfs, Wohnraum scheint selbst an Bord eines Raumschiffes reichlich vorhanden zu sein, erinnern doch die Quartiere an Bord der Enterprise eher an Hotelsuiten, die an Größe etliche heutige Wohnungen übertreffen, und Geld, so erfahren wir, ist abgeschafft (vgl. DIE NEUTRALE ZONE), da jeder gleichen Zugang zu den Ressourcen hat und sich einfach nehmen kann, was er benötigt. TNG präsentiert uns eine Welt des Überflusses, in der die Technik die Voraussetzungen für die Selbstverwirklichung des Men- schen geschaffen hat: ”Es ist für die Menschen nicht länger wichtig große Reichtümer zu besitzen. Wir haben den Hunger eleminiert, die Not, die Notwendigkeit, reich zu sein. Die Welt ist erwachsen geworden.” erklärt Picard in DIE NEUTRALE ZONE Menschen aus dem 20.Jhdt., die die Enterprise im Kälteschlaf aus einer Raumsonde geborgen und wieder zum Leben erweckt hat. Und auf die Frage, wonach man in solch einer Welt noch streben solle, antwortet er: ”Sie können sich weite- rentwickeln, mehr lernen.”, also selbst verwirklichen.

Mittel dieser Form der Selbstverwirklichung ist beinahe immer das Arbeiten mit und an der Technik23. Sie erweist sich in TNG nicht als Werkzeug der Ausbeutung, sondern der Sinnstiftung, ja, sie wird in TNG so hoch bewertet, daß die dargestellten Figuren, für die Erfüllung die sie durch ihre Arbeit finden, immer wieder bereit sind anderes, v.a. Beziehungen, aufzugeben. So verzichten Troi und Riker auf die Wiederaufnahme ihrer Beziehung an Bord der Enterprise, weil sie meinen, diese nicht mit ihren Pflichten vereinbaren zu können und Picard bittet Daren sich versetzen zu lassen, weil er die Liebe zu ihr nicht mit seiner Position als Captains vereinbaren kann

(FEUERSTURM). Eine Karriere in der Sternenflotte scheint unvereinbar mit Familie zu sein, jedenfalls für die höheren Ränge, die immer wieder bewußt ihrer Arbeit den Vorzug geben, da sie diese als eigentliche Erfüllung und Herausforderung ihres Daseins begreifen, eine Tatsache, die die hochrangige Stellung der Technik beweist.

Diese Einstellung wird von allen Hauptfiguren in TNG mitgetragen, eine entgegengesetzte Position wird sogar als pathologisch (wenngleich heilbar) gewertet (vgl. DER SCHÜCHTERNE REGINALD). Sie erscheint umso natürlicher, als harte körperliche Arbeit nicht mehr existiert und sich die verschiedenen Arbeitsbereiche nur unwesentlich zu unterscheiden scheinen: ”Everyone is a high-tech, white-collar worker living in comfortable surroundings...” (Boyd, 1996, 104) Diese Sichtweise wird vom Text zumindest favorisiert.

In der Regel zeigt sich TNG dabei vollkommen unbeeindruckt von der marxistischen These, daß die Technik qua Industrialisierung zur Entfremdung des Subjekts von der Arbeit geführt hat und knüpft statt dessen direkt an der liberalistisch-utilitaristischen Philosophie des 19.Jhdts an24, die davon ausgeht, daß der Kapitalismus das beste aller denkbaren Systeme ist, um das Problem der Knappheit der Güter zu bekämpfen und durch eine Steigerung der Produktivität letztlich zum best- möglichen Lebensstandard für alle führen, ja sich in letzter Instanz, wie es TNG demonstriert, selbst überflüssig machen wird.

Dabei wird in TNG nicht dargelegt, wie die Überführung des Privatbesitzes an Produktionsmit- teln in den Allgemeinbesitz von statten gegangen sein soll. Der Text bietet als Erklärung lediglich an, daß die Menschheit nach einem nuklearen Weltkrieg im 21.Jhdt. (vgl. MISSION FARPOINT) zur Vernunft gekommen und sich für Zusammenarbeit und gegen Konkurrenz entschieden hat. Wie dies, gerade in einer Zeit des extremen Mangels, wie sie nach Kriegen üblich ist, genau geschehen sein soll, läßt der Text unbeantwortet. Eine Zeit der Ausbeutung geht durch eine diffuse Leerstelle über in die Utopie von TNG. Damit muß die Setzung, daß der technologische Diskurs, der ja vom ökonomischen nicht zu trennen ist, alle Menschheitsprobleme in ferner Zukunft lösen wird, als ideologische Behauptung betrachtet werden25.

Eine solche Behauptung, die mit dem konservativen Diskurs und dem preferred reading von TNG konform ist, stützt auch den heutigen konservativen Diskurs der machthabenden Eliten und der an dieser Macht Partizipierenden26 und insofern bezieht TNG einen deutlichen Standpunkt zur real space time.

Das gleiche Muster wird auch bei der Umweltproblematik verfolgt; ebenso wie auf ökonomi- schen Gebiet behauptet wird, das Mittel der Schaffung von Ausbeutung sei auch das Mittel ihrer Überwindung, wird auch auf ökologischen Gebiet, die Überwindung der Ursache der Umweltver- schmutzung durch eben diese Ursache, die Technik, verheißen. Die Erde selbst gleicht im 24.Jhdt einer entvölkerten Parklandschaft, in der in Handarbeit (!) Weinbau betrieben wird (vgl. FAMI- LIENBEGEGNUNGEN). Der hier demonstrierte ökologische Fortschritt scheint allein durch eine ver- besserte Technologie erreicht worden zu sein, denn in EINE ECHTE Q wundert sich Wesley Crusher, warum ein Planet, der unter extremer Umweltverschmutzung leidet, nicht einfach umweltfreundli- chere Techniken anwendet. - Die Behauptung, die Technik werde sich im Laufe der Zeit schon irgendwie zu einer nachhaltigen entwickeln, ist in der real space time ebenfalls Teil eines konserva- tiven Diskurses.

Die Narration in TNG konnotiert darüberhinaus den technologischen Diskurs positiv, indem sie die Möglichkeit alternativer Diskurse verneint. Denn nicht nur die Crew der Enterprise ist abhängig von der Technologie, ohne die Raumfahrt gar nicht möglich wäre. Die Narration konstruiert darüberhinaus immer wieder Bedrohungen kosmischen Ausmaßes, die nur durch die hochentwickelte Technologie der Föderatin zu bewältigen sind. So leistet die Enterprise z.B. in DIE AUFLÖSUNG Hilfestellung bei dem Versuch, die verlöschenden Sonne eines Planeten wieder zu beleben, in BRIEFFREUNDE rettet die Enterprise einen Planeten vor dem Auseinanderbrechen durch tektonische Störungen und in SOONGS VERMÄCHTNIS wird ein weiterer Planet vor einer Eiszeit bewahrt. - Die Narration rekurriert hier auf Endzeitängste der real space time, um den technologischen Diskurs zu stützen.

Ein weiteres, davon unabhängiges Argument, führt TNG damit ein, daß uns demonstriert wird, daß es zur Nutzung der Technik auch deshalb keine Alternativen gibt, weil der Weltraum nicht leer ist. Die Erde ist umgeben von anderen entwickelten Zivilisationen, die sich in TNG überwiegend als der Menschheit feindlich gesonnen zeigen und die Sicherung eines überlegenen technischen Stand- punktes notwendig machen, um die Unterjochung durch andere Kulturen und den Untergang der eigenen Zivilisation zu verhindern. - Liest man TNG als Metapher der real space time, die Födera- tion als die westliche Welt (bzw. die USA) und fremde Spezies als andere Zivilisationen auf der

Erde, so ergibt sich aus der Argumentation von TNG eine Rechtfertigung für den ökonomischen Diskurs der Globalisierung: Wenn die westliche Welt nicht die Welt führt, werden andere sie be- herrschen, andere, mit denen friedliche Kooperation im Rahmen von TNG kaum möglich ist.

Es zeigt sich also, daß TNG auf breiter Basis den heutigen technologischen Diskurs stützt. Folgt man der These, daß dieser nicht wertfrei, sondern in der real space time Teil eines konservativen Diskurses ist, so macht TNG in diesem Bereich eindeutig ein konservatives statement. Dabei zeigen sich, vor allem beim propagierten Übergang vom Kapitalismus zu einer Art sozialistischer Utopie, Defizite in der Stringenz. Diese werden teilweise vom humanistisch-liberalen Diskurs aufgefüllt.

2.2.3. Zurück aus der Zukunft - Humanistisch-liberalistischer Diskurs

Der technische Diskurs in TNG bleibt für seine Plausibilisierung auf den humanistisch-liberali- stischen Diskurs angewiesen, ja jener ist letzlich nur ein Symptom für diesen. Voraussetzung für beide ist eine säkularisierte teleologische Weltsicht27, die die Gewißheit der Weiterentwicklung des rational denkenden Individuums als ideologische Grundannahme setzt28. Säkularisiert ist diese Grundannahme deshalb zu nennen, weil in TNG ein Gott, als Lenker der Geschichte bzw Architekt eines geschichtlichen Weltplans, wie er in der Aufklärung noch gesetzt wird, nicht mehr vorkommt, nichtsdestotrotz aber an der Idee eines geschichtlichen Plans festgehalten wird, dessen Endziel zwar nicht abzusehen, dessen Richtung aber klar erkennbar ist. Damit rekurriert TNG auf die Geschichtsphilosophie des 19.Jhdts, im deutschen Sprachraum z.B. Dilthey, der sich in seiner Geschichtsschreibung zwar von der Vorherbestimmtheit der Geschichte, wie sie in der hegeliani- schen Philosophie noch dominant war, abwendet, aber am Wirken des Weltgeistes festhält, also Geschichte auch weiterhin als einen konstanten Fortentwicklungsprozeß begreift (vgl. Dilthey, 1997, 185ff).29

Als Vertreter einer ähnlichen Weltsicht aus dem englischen Kulturkreis wäre Comte zu nennen, dessen Fortschrittskonzept wir in TNG wiederfinden. Danach gibt es eine notwendige Relation dreier Arten des Fortschritts: ”Practical progress... whose agency is Activity, Theoretical progress whose agency is Intellect, and Moral progress whose agency is Feeling.” (Sklair, 170, 37) In TNG hat, wie sich an den Fremdkontakten zeigen wird, fast ausschließlich die Föderation die Wichtigkeit dieser parallelen Linien des Fortschritts erkannt, für diese selbst werden sie aber als selbstverständ- lich gesetzt, wie wir an den dominanten Charakteren in TNG sehen, die sich sowohl moralisch ver- halten (ein Schlagwort wäre hier die oberste Direktive), wissenschaftlich versiert sowie intelektuell überlegen sind (Theoretical Progress), als auch auf praktischem Gebiet30 ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen, wie wir an den vielen erfolgreichen Interventionen des Meisterdiplomaten Picard sehen.

Wenn Fortschritt auf allen drei Gebieten gleichzeitig stattfindet, so ist die Technik nur ein Sym- ptom eines höherentwickelten Individuums, daß gelernt hat, sich rational zu verhalten und über ein entwickeltes vernünftiges Gefühl verfügt. Deshalb ist in der Fortschrittsperspektive von TNG die technologische Utopie auch eng mit dem Entwurf einer sozial harmonischen Gesellschaft verknüpft. In einer Gesellschaft rational aufgeklärter Menschen wird sich das einzelne Subjekt freiwillig, aus Einsicht heraus, den besseren Argumenten, d.h., der Wahrheit beugen; aus einer teleologischen Weltsicht heraus ist eine solche Fortentwicklung, hin zu einer harmonisierten Gesellschaft zwin- gend.31

Im säkularisierten teleologischen Weltbild ist Fortschritt prinzipiell grenzenlos. Damit eröffnet sich dem Menschen die Kategorie der Perfektibilität, die Fähigkeit zur Vervollkommnung. Die Be- reitschaft diese anzustreben, wird in TNG als eigentlicher Lebenszweck gesetzt: Die Erforschung des Weltraums wird im konservativen Diskurs32 des TNG-Kosmos, nicht ökonomisch motiviert, sondern aus dem Interesse des Lernens heraus, wie dies Picard, der Protagonist offizieller Ideologie in TNG schlechthin, immer wieder äußert. Aber dieses Lernen ist wiederum kein Selbstzweck in sich, sondern trägt zur Bildung des Individuums bei, daß ”neue, nie zuvor gedachte Arten des Daseins ... erkunden” will (Picard in DAS GESETZ DER EDO). Individuen, die eine solche Arte der Selbstverwirklichung in TNG nicht anstreben, sind bestenfalls obskur (wie z.B. Vash in PICARD MACHT URLAUB), schlimmstenfalls böse (wie die Ferengi, Cadassianer etc). Damit leitet TNG implizit aus der Möglichkeit der Perfektibilität, die Pflicht ab, diese anzustreben. ”Die Serie baut auf einer kaum näher untersuchten Voraussetzung auf: daß sich ein Individuum bis an die Grenze seiner Möglichkeiten entwickeln muß.” (Richards, 1998, 86)

Explizit äußert dies auch Picard in DIE NEUTRALE ZONE: ”Wir müssen vorwärts fliegen, vieles liegt vor uns, vieles müssen wir lernen.” (Hervorhebung von mir) - ”...nicht durch den Besitz, sondern durch die Nachforschung der Wahrheit erweitern sich [die] Kräfte [des Menschen], worin allein seine immer wachsende Vollkommenheit bestehet.”, diesen Satz Lessings (zit. nach Hellmann, 1997, 92) könnte auch TNG unterschreiben.33

Das rational denkende und fühlende, um Perfektionierung bemühte Individuum wird damit Trä- ger des allgemeinen Fortschritts. Das Potential zur Fortentwicklung ist Merkmal eines jeden Men- schen, bzw. in STAR TREK: jeder intelligenten Lebensform. Daraus resultiert ein Diskrimierungsver- bot: Perfektibilität ist eine Eigenschaft, über die Männer wie Frauen, Schwarze wie Weiße (oder: Menschen ebenso wie Benziten, Klingonen und Naniten) verfügen. Demnach hat auch jedes intelli- gente Individuum prinzipiell den gleichen Wert, auch dann wenn es in seiner Entwicklung noch nicht so weit fortgeschritten ist wie die Föderation, woraus wiederum ein Toleranzprinzip gegenüber dem Andersartigen abgeleitet werden kann: Die Potenz einer Lebensform, eben ihre Perfektibilität, macht ihren Wert aus. Diese Position wird vom offiziellen Diskurs in TNG gedeckt: Die Besatzung der Enterprise geht nicht selten das Risiko der Vernichtung ein, um intelligentes Leben zu schützen (z.B. in DIE MACHT DER NANNITEN ; ICH HUGH, BORG; BEGEGNUNG IM WELTRAUM ).

Gleichzeitig weist diese Bindung an das Individuum ihm aber auch die absolute Verantwortung für sein eigenes Handeln zu, d.h., daß soziale, politische, ökonomische, psychische oder physische Determinanten verneint werden34: Jeder kann aus seinem Leben prinzipiell alles machen35, wer diese Chance nicht nutzt, ist selbst Schuld (wie Picard in WILLKOMMEN IM LEBEN NACH DEM TODE s.u.).

Relativiert werden die Möglichkeiten des Individuums nur durch den Entwicklungsstand seiner Kultur. Als höchstentwickelte Kultur erweist sich dabei immer wieder jene der Föderation, zumin- dest in einem ideologischen Dreikampf, der die Disziplinen Theorie, Praxis und Moral (s.o.), mit Moral als Königsdisziplin umfaßt. - Möglich wird eine solche Einordnung von Kulturen in hoch und niedrig (bzw unter-) - statt unterschiedlich - entwickelte Kulturen, wiederum durch die implizite Voraussetzung eines Telos: Gibt es einen zielgerichteten Plan, so gibt es innerhalb dessen auch eine Stufenrangfolge der Entwicklung, die für alle Individuen und Kulturen die gleiche ist. Mit diesem Argument läßt sich auch die Behauptung universaler Werte aufstellen: Wer diese nicht akzeptiert, hat dann nicht einfach eine andere Werteskala, sondern ist primitiv: ”the best self, [is] not manifold, and vulgar, and unstable, and contentious, and ever-varying, but one, and noble, and secure, and peaceful, and the same for all mankind.” (Arnold (1869), zit. nach Boyd, 1996, 101).

Diese Erkenntnis scheint sich an Bord der Enterprise bereits durchgesetzt zu haben. So erleben wir, daß trotz des paramilitärischen Kontexts, das Raumschiff anscheinend nicht hierarchiegelenkt ist, sondern vernunftgesteuert wird. In Krisensituationen beruft der Captain in der Regel seinen Stab an Führungsoffizieren zur Besprechung ein, läßt eine Problemlösung erarbeiten und segnet diese am Ende lediglich ab, ”das hierarchische Prinzip [wird] zumeist durch ein diskursives Prinzip unterlaufen.” (Hellmann, 1997, 97). Die Autorität des Captains selbst wiederum, scheint ihm nicht von einer übergeordneten Machtinstanz (Starfleet) zuzuwachsen, sondern wird durch seine Kompetenz gerechtfertigt. Auf ähnliche Weise scheint die Machtfülle von Starfleet gerechtfertigt zu sein, die nicht hinterfragt wird.

2.3. Vormoderne als Grundlage futuristischer Utopie?

2.3.1. Kritik am offiziellen Diskurs von TNG

Mit der Einführung der ideologischen Setzung eines Telos, den daraus abgeleiteten universalen Werten und dem mit freien Willen versehenen rationalen Individuum als Träger dieses Telos, re- kurriert TNG auf den common sense und bewegt sich, trotz des futuristischen Hintergrundes, in einem eher orthodoxen Kontext. Seit dem Ende des19.Jhdt. sind alle drei Setzungen in Frage ge- stellt worden.

Wie die neuere (post)moderne36 Geschichtsphilosophie gezeigt hat37, ist die teleologische Welt- sicht lediglich ein Produkt einer spezifischen Sichtweise der westlich-europäischen Kultur; aus ei- nem weniger eurozentrisch geprägten Blickwinkel heraus, erscheint Geschichte als ein weitaus diskontinuierlicherer Prozeß38 und selbst die europäische Geschichtsschreibung ist durch deutliche Brüche gekennzeichnet, die lediglich rückblickend in der Nachfolge der Geschichtsphilosophie der Aufklärung zu einem kontinuierlichen Fortschrittsprozeß verwoben wurden. So gibt es in der euro- päischen Geschichte mindestens zwei fundamentale Diskontinuitäten39, den Wechsel von der Anti- ke zu den dark ages des frühen Mittelalters und den Wechsel vom Mittelalter zur frühen Neuzeit. In beiden Fällen liegt ein grundlegender Paradigmenwechsel im gesamten Denken vor, nicht ein fortschreitender Entwicklungsprozeß.40

Aus postmoderner Sicht ist der Paradigmenwechsel das Paradigma der Geschichte, ”Die eine Weltgeschichte [bricht] in die Pluralität geschichtlicher Welten auseinander.” (Welsch, 1997, 174) Daraus folgt, daß es keinen Anlaß zum von TNG propagierten Fortschrittsoptimismus gibt; aus postteleologischer Sicht, ist dieser lediglich eine hypothetische Setzung unter vielen anderen möglichen und damit in das Reich der Spekulation zu verweisen.41

Mit der Abkehr vom Telos aber, geht auch der Verlust universaler Werte einher, da in einer richtungslosen Geschichte der Bezugshorizont für deren Begründung verloren geht42 ; wenn die Entdeckung der ratio und des aus ihr abgeleiteten vernünftigen moralischen Gefühls nur noch als eine Phase im Zeitraum menschlichen Daseins und nicht mehr als Stufe in einem kontinuierlichen Fortentwicklungsprozeß begriffen werden, wird die Definition von Moral und dem 'guten Leben' zu einem plural geprägten diskursiven Prozeß43, das Propagieren von universalen Werten als ”Terror” entlarvt. (vgl. Welsch, 1997, 62)

Damit wird aber auch die von Arnold propagierte Form des Individuums als ”best self” entwer- tet: Aus postmoderner Sicht erscheint ein Individuum wie bei Arnold, ”not manifold ... but one ... and the same for all mankind” (s.o.), nicht mehr als erstrebenswert, sondern primitiv. Nicht nur, daß eine Wertepluralität auch eine Pluralität der Individuen bedingen muß und daher der ”Widerstreit” (vgl. Welsch, 1997, 155) dem Konsens vorzuziehen wäre, es muß auch eine Pluralität des Individuums angenommen werden: Wenn die Moderne einen Zustand kennzeichnet, ”wo eine Menge Lehren, Richtungen und ‘Wahrheiten’, die untereinander höchst verschieden, wenn nicht ganz und gar widersprüchlich sind, gleichermaßen anerkannt sind” (ebd., 190) dann hat auch not- wendigerweise ”Die Mehrzahl unter uns ... über denselben Gegenstand mehrere Ansichten ... , die einander in den Urteilen ohne weiteres abwechseln”, da ”in allen kultivierten Köpfen die verschiedensten Ideen und die gegensätzlichsten Lebens- und Erkenntnisprinzipien frei nebeneinander bestehen.” (ebd., 191) Der von TNG propagierte harmonische soziale Konsens ähnlicher Individuen, die gleiches wollen - also eine Utopie der ”Ein-Heil-Imagination” (ebd., 183) - erscheint aus postmoderner Sicht als Anachronismus.

Ob ein Individuum im oben skizzierten Sinne44 als mit freiem Willen begabt angesehen werden kann, ist eine metaphysische Frage. Klar ist jedoch, daß das Individuums sehr viel stärker kulturell geprägt ist, als dies der klassische Humanismus annahm45: Wenn das rational denkende, zur Selbst- aufklärung fähige Subjekt nur eine kulturelle Projektion der Aufklärung ist, dann gibt es keinen Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit, dem Subjekt wird lediglich ein Paradigmen- wechsel, von einem kulturellen Modell zu einem anderen, angeboten. - Das bedeutet aber auch, daß es keine selbstverschuldete Unmündigkeit gibt; dem Gefangensein in kulturellen Weltdeutungs- mustern kann der Einzelne auch nicht durch die Flucht in den Mythos der Aufklärung (vgl.Horkheimer/Adorno, 1998[1944], 18ff) entkommen: die Selbstaufklärung des Individuums durch seine ratio entlarvt sich als Enkulturation in ein neues System, daß ebenso geschichtlich de- terminiert ist, wie jenes dem es zu entkommen trachtete.

Sind die Grenzen eines Individuums kulturell determiniert, so sind auch seine Entfaltungsmög- lichkeiten beschränkt, es erscheint also unfreier als in der liberalistischen Ideologie, aber auch weni- ger für sein eigenes Handeln verantwortlich. Ist dies der Fall, so ist eine Chancengleichheit inner- halb eines Leistungssystems nicht mehr gegeben, die liberalistische These, daß die soziale Position im Verhältnis zum Einsatz eines Individuums stehe46, wie sie in TNG propagiert wird (s.o.), wird hinfällig, selbst vor der Berücksichtigung physischer oder psychischer Defekte (Behinderungen, unterschiedliche Begabung etc.).

2.3.2. Einschätzung des offiziellen Diskurses von TNG

Wie in den letzten Abschnitten gezeigt wurde, beruhen die weltanschaulichen Positionen von TNG trotz des futuristischen Hintergrundes auf Basispostulaten, die ihre Wurzeln in der Philosophie des späten 19.Jhdts bzw. in der Aufklärung haben, sowie daß alle diese Postulate in den letzten 50 Jahren47 ihre Gültigkeit verloren haben48, was ihren ideologischen Charakter beweist49. Aus der Tatsache, daß TNG im Rahmen dieser Ideologie an der Vorstellung universaler Werte festhält, geht hervor, daß der von TNG favorisierte Diskurs andere Diskurse als falsch bzw., auf Grund der Fa- vorisierung eines teleologischen Weltbilds, als primitiv ausgrenzt und dies trotz bzw. gerade wegen des Toleranzgebots; hier zeigt sich das historische Paradox des Liberalismus:

”The more ideologically hegemonic liberal values seem and the more open to difference liberal modernity declares itself, the more dismissive of difference it becomes and the more closed it seeks to make the circle of acceptability.” (Bernardi, 1998, 32)

Die Tatsache, daß TNG großzügig tolerant gegenüber unterentwickelten Lebensformen ist, macht jedes andere Verhalten und damit auch das der tolerierten inakzeptabel, klassiert ihre Diskurse als primitiv ab und wirkt letztendlich ausgrenzend.

Da in TNG andere Diskurse ausgegrenzt werden, kann man den ideologischen Diskurs von TNG als Machtdiskurs bezeichnen, also als einen solchen, der auf den common sense zielt. Damit ist aber noch nicht die Frage geklärt, ob dieser Diskurs eine subversive, konservative oder reaktionäre hegemoniale Aktivität darstellt.

Die Setzung eines Telos kann historisch betrachtet zunächst einmal als subversiver Diskurs be- trachtet werden: In seiner Entstehungszeit in der Aufklärung stellte er ein Mittel dar, gesellschaft- liche Veränderung als naturnotwendig einzuklagen, sowie neue Ideen in einer Zeit der Zensur als notwendige Verlängerung historischer Traditionen darzustellen.50 Die Stellung dieses Theorems hat sich aber im Laufe des 19.Jhdts, in dem das Bürgertum in größerem Maße Zugang zur Macht er- hielt, grundlegend geändert: Nun wurde es zum Mittel der Agitation gegen gewaltsame Umstürze, da positive Veränderungen sich nur in natürlichen Abläufen vollziehen könnten, eine Störung dieses Ablaufs aus teleologischer Sicht höchstens zu Chaos führt51. Eine ähnliche Funktion kann diesem Diskurs auch heute noch zugewiesen werden, wenn er benutzt wird, um Alternativen zur kapitalisti- schen Wirtschaftsordnung oder der sogenannten 'Globalisierung' zu verneinen und diese als natur- gegeben dargestellt werden; ist eine solche Argumentation erst einmal in den common sense einge- drungen, so wird sie zum Mythos und damit zu einem mächtigen Mittel hegemonialer Aktivität.

”Most myths work their stuff by subsuming the telling inherent in history under the umbrella of natural or divine cause and effect.52 They naturalize the ideology inherent in historiography.” (Bernardi, 1998, 78; Hervorhebung von mir).

Die Idee eines telos rationalisiert aber nicht nur Herrschaftsstrukturen innerhalb einer Gesell- schaft, sondern naturalisiert auch Herrschaftsansprüche einer Gesellschaft gegenüber einer ande- ren, die sich aus ihrer 'höheren' Entwicklungsstufe ableiten. Einen solchen natürlichen Vormachts- anspruch haben die Kolonialmächte des 19.Jhdts gegenüber den Kolonialisierten vertreten und heute finden wir ihn in der US-amerikanischen Außenpolitik - und auch in TNG. An der Folge TERROR AUF RUTIA 4 demonstriert Ono (1996, 170) paradigmatisch die Haltung von TNG gegenüber sich entwickelnden Planeten53:

It ”represents alien cultures as immature creatures in need of parental guidance. The Enterprise crew must parent those who do not see the significance of their own power so that they might learn to wield that power more appopriately.”

Was das Theorem des telos auf gesellschaftlicher Ebene leistet, bewirkt die ideologische Set- zung eines rationalen, mit der Potenz der Perfektibilität54 versehenen Individuums auf der Ebene des einzelnen Subjekts; der geschichtliche Wechsel im Paradigma ist ebenfalls der gleiche: In der Auf- klärung hatte dieser Diskurs durchaus subversive Qualitäten: Ausgehend von dem Argument, daß der feudalistische Staat ein Produkt der Unmündigkeit des Untertanen sei, der auf die Führung eines weisen Übervaters in Form eines Fürsten angewiesen gewesen war, argumentierte die AufklÄrung, daß der Bürger55 nun eine höhere Entwicklungsstufe erreicht hätte, aufgeklärt geworden wäre und sich damit das Recht erworben habe, am politischen Entscheidungsprozeß beteiligt zu werden. So steht denn auch 1797 bei Kant in der Rechtslehre schon ganz selbstverständlich: ”Die gesetzgebende Gewalt kann nur dem vereinigten Willen des Volkes zukommen.” (Kant, 1986, 130).

Im Verlaufe des 19.Jhdts. wendete sich aber auch dieser Diskurs zu einem konservativen, da er dem gemeinen Volk nicht zuerkennen wollte, was für den Bürger galt: dieses wurde als nicht auf- geklärt genug für die Teilhabe an der Macht angesehen56. Heute naturalisiert der gleiche Diskurs die Stellung des einzelnen Individuums innerhalb der Gesellschaft, wobei der Gedanke des Auf- geklärt-Seins, also der Bildung, zugunsten eines Ausgebildet-Seins in den Hintergrund tritt, das aber, so dieser Diskurs, jedes Individuum erreichen könnte, wenn es sich denn genügend Mühe geben würde.

Für seine Plausibilisierung bleibt dieser Diskurs in seiner modernen Ausprägung auf den Mythos des 'vom Tellerwäscher zum Millionär' angewiesen, die in ihm die Vernachlässigbarkeit sozialer Determinanten beweist. Dieser kommt auch in TNG explizit vor, nämlich im Rahmen einer Zeitreise zurück ins 19.Jhdt., während der wir neben Mark Twain auch Jack London kennenlernen. Letzterer ist zu dieser Zeit noch Hotelportier, nachdem er sich zuvor als Goldgräber und Hafenarbeiter versucht hatte und entschließt sich, nachdem Twain ihn ermuntert, seinen eigenen Fähigkeiten zu vertrauen, dazu, Schriftsteller zu werden, wie wir heute wissen mit überragendem Erfolg (vgl. GEFAHR AUS DEM 19.JAHRHUNDERT ).

Beim Diskurs universaler Werte muß unterschieden werden, zwischen den Rechten, die allen Menschen aus ihrer Perfektibilität erwachsen und jenen Werten, die auf Grund der Propagierung eines allgemeinverbindlichen best self , den Grundkonsens aller rational denkenden aufgeklärten Individuen ausmachen.57

Wenn der Mensch (bzw. jedes vernunftbegabte Lebewesen) perfektibel ist, so bedingt dies eine fundamentale Gleichheit aller (s.o); daraus läßt sich das Recht auf Gleichbehandlung ableiten, eine Forderung die durchaus subversiv58 zu nennen war und auch heute noch ist. Dabei ist allerdings zu unterscheiden zwischen der Forderung nach Gleichheit und dem Postulat, man habe sie bereits her- gestellt. Letztere Taktik wendet der Neo-Konservatismus an: Nach Bernardi (1998, 114-115) ist es nach den grundlegenden Veränderungen, die die Bürgerrechtsbewegung in den 60er Jahren in Gang gesetzt hatte, heute in den USA nicht mehr möglich, für Rassentrennung einzutreten59: ”Racial equality had to be acknowledged as a desirable goal...”. Statt dessen sind neokonservative Kreise dazu übergegangen, unter Verweis auf jene Unterprivilegierten, die einen Aufstieg geschafft haben, sozusagen 'schwarze Tellerwäscher', Gleichheit aller zu konstatieren, ein Vorgehen, daß als rassistisch einzustufen ist60:

”Yet, the contradiction of the notion of ‘opposition to race thinking’ rests in the fact that the US has been and sontinues to be a color-conscious society, ... where white[s] are materially and ideologically privileged for many minority groups, living conditions actually got worse during the 1980s and early 1990s ...” (Bernardi, 1998, 114)

Trotz der ökonomischen Fakten war diese Taktik, die in den 80ern als offizielle Politik von Washington verfolgt wurde, äußerst erfolgreich und beendete viele affirmative action61 - Programme in den USA:

”...the nation`s chief executive`s [Reagan`s] denial of any race- or gender-based inequities in American society gave many leaders in the public and private sectors permission to abandon affirmative action and reduced the commitment of others to the level of timid caution.” (Pounds, 1999, 64)

TNG konstatiert für seine fiktive Welt ebenso wie der neokonservative Diskurs für die real space time, die Durchsetzung der Gleichheit verschiedener Ethnien ebenso wie der Geschlechter. Damit fügt sich TNG in den Diskurs der real space time ein. Schwarze und Weiße, Männer und Frauen zusammen arbeitend zu zeigen, kann nicht mehr wie in der Entstehungszeit von TOS, als die Rassentrennung in den USA noch Realität war, als subversiver Diskurs gewertet werden. Daß TNG, als Produkt einer Gesellschaft in der die Zugehörigkeit zu einer Rasse immanent wichtig bleibt, die Tatsache des Vorhandenseins von rassischen Merkmalen komplett 'vergißt', vollzieht den Übergang von der (offenen) Diskriminierung zur (verdeckten) Repression, der seit den 70er Jahren in den USA stattgefunden hat, nach.62 - Rassistisches Denken findet sich auch in TNG noch im Innenraum, dieses wird jedoch lediglich im Umgang mit anderen Spezies und in verdeckter Form sichtbar63, während gleichzeitig den aliens selbst rassistisches Denken unterstellt wird, ähnlich wie im neokonservativen Diskurs die Forderung nach affirmative action als Diskrimierung Weißer dargestellt wird. Rassismus wird damit in den Außenraum projiziert und für die eigene gesellschaftliche Gruppe verneint. Von der Behauptung, als Angehöriger der dominanten Gruppe selbst Ziel von Rassismus zu sein, zu der Rechtfertigung des eigenen diskriminierenden Verhaltens ist es aus dieser Perspektive nur ein kleiner Schritt.

Auch die These eines Grundkonsenses universaler Werte, den alle vernünftig denkenden Indivi- duen teilen, ist zunächst subversiv verwendet wurden, um von einer Randposition der Gesellschaft die Machthabenden zu denunzieren. Dieser Diskurs hat sich im 19.Jahrhundert ebenfalls zu einem konservativen gewandelt: Statt an das Machtzentrum wurde dieser Maßstab nun mehr und mehr an die Peripherie der Gesellschaft (bzw. an andere Gesellschaften) angelegt und den Unterprivile gier- ten die Ausweitung des politischen Mitbestimmungsrechts unter Hinweis auf ihre Unaufgeklärtheit vorenthalten.64 Im Rahmen dieses Diskurses wurden die Werte der eigenen Kultur65 vom Bürger- tum universalisiert und andere kulturelle Diskurse entwertet.66 Gleichzeitig wurde der Zugang zur Bildung institutionalisiert und damit monopolisiert67 und durch kulturelle wie ökonomische Hürden beschränkt und damit der Machtperipherie die Möglichkeit zum Erwerb der bürgerlichen universa- lisierten Kultur genommen.

”Das Konzept der allgemeinen Menschenbildung ... verkam zu einem gesellschaftlichen Privileg, ging ‘die Ehe mit dem Besitz ein.’ und wurde bewußt und gezielt als Faktor der gesellschaftlichen Abgrenzung gegen die ‘ungebildeten, besitzlosen Massen’ eingesetzt, die sich im Zuge der industriellen Entwicklung als Proletariat formierten Bildung [degenerierte] zum Stabilisierungsfaktor einer Klassengesellschaft im Obrigkeitsstaat...” (Klafki, 1996, 40)

Diese Funktion kommt diesem Diskurs, wenn auch nicht in mehr in gleichem Umfang, auch heute noch zu.68

[...]


1 Dies unterscheidet das Fernsehen von anderen modernen Medien wie den heutigen Tonträgern, Büchern oder auch dem Internet.

2 Man beachte, daß die größte Spende, die Helmut Kohl bei seiner dieser Tage statt findenden Sammeltour erhalten hat, von Leo Kirch kam.

3 'verkauft' ist hier sowohl wörtlich, als auch im übertragenden Sinne gemeint.

4 Wäre dieser Megatext wirklich einheitlich, so könnte man sich darüberhinaus auf einen beliebig kleinen Bereich des Gesamttexts beschränken. Bei genauerer Betrachtung fällt es aber auf, daß sich wiedersprüchliche Positionen ergeben, je nachdem welches Korpuswissen als zum Text gehörig betrachtet wird, ein Thema das unter Fans immer wieder für erhitzte Debatten sorgt.

5 Natürlich waren Tulloch/Jenkins nicht die ersten die hierauf hingewiesen haben. Frühere Ansätze findet man z.B. in der Rezeptionstheorie von Jaus (1982) oder beim reader-response criticism vgl. z.B. Fish (1980), bzw. bei Fiske (1987).

6 vgl. auch Projansky (1996, 35) ”...rather than being polysemic and opening up a multitude of possible meanings, television texts can be ambivalent, representing two possibly contradictory meanings but ultimately valuing one over the other.”

7 Diesen Begriff übernehme ich von Bernardi (1998, 22). Gemeint ist damit das Hier der Jetzt-Zeit, also die 'reale' Gegenwart im Gegensatz zur fiktiven space time der Serie.

8 Je nach den gesellschaftlichen Konstellationen kann beinahe jede politische Philosophie zum Träger eines konservativen Diskurses werden.

9 Macht ist in letzter Konsequenz immer als Beherrschung von Menschen zu verstehen, sei es durch Gewalt, Sozialprestige oder Besitz knapper Ressourcen. In westlichen Ländern ist das Machtmittel der Wahl in der Regel der Besitz der wohl immer zu knappen Ressource Geld.

10 Dies würde den Konsens als Herrschaftsmittel enttarnen und delegetimieren.

11 Rassismus im engeren Sinne entspricht in seiner Definition dem Rassismus im weiten Sinne mit der Ausnahme, daß er lediglich vermeintliche oder tatsächliche ethnische Andersartigkeit zur Rechtfertigung nutzt.

12 Um die Herstellung eines Konsenses über den common sense sind nicht nur westliche Demokratien bemüht, sondern auch Diktaturen oder historisch betrachtet absolutistische, feudale oder tribalistische Kulturen, wie wir an den vorherrschenden Ideologien dieser Kulturen sehen können, die sich nicht allein auf Gewalt stützen bzw. gestützt haben, sondern ebenfalls versucht haben, ihre Macht durch Propaganda zu legitimieren, wenngleich hier das Mittel des Zwangs eher eingesetzt werden kann bzw. konnte. Schlagworte für Ideologien in diesem Zusammenhang wären Gottesgnadentum, Übermenschenideologie oder Diktatur des Proletariats, die in totalitären Regierungssystemen ebenfalls zur Stützung eines konservativen Diskurses im oben definierten Sinne fungieren. Daß die Beherrschten häufig durchaus bereit sind, den common sense mitzutragen, ist dieser erst einmal etabliert, zeigt z.B. Memmi (1992, 187ff) am Beispiel des Kolonialismus in Algerien.

13 Mit Mythos soll hier eine nicht-rationale Erklärungsweise der Welt bezeichnet werden, die in das allgemeine kulturelle Wissen (common sense) einer Gesellschaft übergegangen ist. Da Mythen Teil des common sense sind, haben sie auch ideologische Implikationen: Myths "are common sense 'truths' about past events that rationalize the present and justify a particular future. They naturalize the ideology inherent in historiography." (Bernardi, 1998, 78)

14 Diese These wird dadurch gestützt, daß niemand geringerer als Dr. Martin Luther King, Jr. begrüßte, daß Nichelle Nichols als ständige Darstellerin in der Rolle der Uhura in der Serie auftrat. (Pounds, 1999, 56) Die Subversivität muß aber auch auf dem Hintergrund der Zeitfolie gesehen werden: Daß ein schwarzer Darsteller, LeVar Burton in der Rolle des Geordie LaForge, auch in TNG in der ständigen Besetzung vertreten ist, kann heute nicht mehr als subversiv betrachtet werden. Darüberhinaus muß auch das Ausmaß der ursprünglichen Subversivität relativiert werden. Schon Nichols selbst hatte sich darüber aufgeregt, daß sie an Bord der ersten Enterprise lediglich das "Fräulein vom Dienst" spielen durfte: "I mean, I just decided that I don`t even need to read the FUCKING SCRIPT! I mean I know how to say, 'hailing frequencies open.'" (Shatner, 1993, 212; Hervorhebung im Original).

15 Natürlich heißt das nicht, daß die Populärkultur der späten 60er bis Mitte der 70er Jahre ausschließlich Träger eines subversiven Diskurses war; eine solche Ausrichtung war aber tendentiell häufiger als zwischen Ende der 70er und Anfang der 90er Jahre.

16 Eine ausführliche Beschreibung dieses konservativen Rollback findet sich bei Pounds (1999, S.59ff), der meint, seinen Höhepunkt habe dieser in den Reagonomics gefunden, einer Politik, die unter dem Deckmantel der Deregulierung minderheitenfeindlich agiert habe.

17 Zwar wird in TNG immer wieder beteuert, es gäbe über 100 verschiedene Spezies innerhalb der Föderation, aber bei der Darstellung von Kolonisten sowie an Bord der Enterprise stellen Menschen eindeutig die Mehrheit. In den Folgeserien DEEP SPACE 9 und VOYAGER verschiebt sich dieser Schwerpunkt deutlich.

18 Diese Zahl wird im Vorspann jeder Folge genannt.

19 Die sich wiederum als eine Elite versteht, wie die strengen Aufnahmekriterien in diese Organisation verdeutlichen (vgl. DAS HERZ DES CAPTAINS).

20 Die früheste in TNG genannte Sternzeit ist 91.153, die letzte 97.993, es vergehen also insgesamt 6.840 Sternzeiteinheiten. 1.000 dieser Einheiten sind in etwa ein Jahr. (vgl. Farrand, 1998, 143+195)

21 Dieser Diskurs ist die Grundlage für den Mythos ST A R TREK, wie er sich im Fandiskurs und in den Aussagen Gene Roddenburys wiederfindet.

22 So z.B. in Aldous Huxleys Brave New World, George Orwells 1984 oder Ray Bradburys Fahrenheit 451.

23 Die Enterprise selbst als Ort der Selbsterfahrung ist auf die überlegene Technologie des 24.Jhdts angewiesen, die erst ein Überleben im Weltraum ermöglicht; damit ist Technik in TNG das Mittel der Selbstverwirklichung.

24...die nichtsdestotrotz auch heute noch die dominante Ideologie kapitalistischer Staaten ist

25 Ebenso ist die implizite These, daß sich die Technik immer weiter wird entwickeln lassen und nicht eines Tages ein Stillstand in dieser Entwicklung eintreten wird, bereits eine ideologische Setzung, die auf die TNG inhärente humanistisch-liberalistische Idee eines teleologischen Weltbildes angewiesen ist, um plausibel zu erscheinen (s.u.).

26 Hierunter fällt der Großteil der westlich-industrialisierten Bevölkerung.

27 Belegen kann man diese telelologische Grundannahme nur im Kontext der Begegnung mit dem Fremden; da in diesem Zusammenhang aber auch gezeigt werden soll, wie die Fremdkontakte als Stützen des konservativen Diskurses in TNG benutzt werden, möchte ich auf diesen Punkt erst später eingehen (s. Abschnitt 4.2).

28 TNG macht zwar häufig auch Anleihen beim Darwinismus, deutet diesen aber teleologisch um und weitet ihn auf die kulturelle Entwicklung aus. D.h., daß TNG davon ausgeht, daß die Evolution, egal auf welchem Planeten zwingendermaßen, sofern ausreichende Ressourcen vorhanden sind, intelligentes Leben hervorbringen wird, das wiederum spezifische kulturelle Strukturen schaffen wird, die ebenfalls eine teleologische Entwicklung wiederspiegeln. Vor diesem Hintergrund wird z.B. die Zivilisation auf Mintaka 3 als ”protovulkanisch” (DER GO T T D E R MINTAKANER) bezeichnet, eine Bezeichnung die voraussetzt, daß sie irgendwann vulkanischen Standard erreicht. - Daß die Evolution zwingend als Endpunkt eine bestimmte intelligente Spezies mit einer spezifischen Kultur hervorbringt, wird vom Darwinismus nicht im mindesten gedeckt, er ist nicht in der Lage, Aussagen über die Zukunft zu machen.

29 Zum Wandel des Geschichtsbegriffes von Hegel zu Dilthey vgl. Gadamer (1975, 162ff).

30 Praxis ist hier als verantwortungsvolles Handeln zu verstehen, nicht als poiesis, also nicht als herstellendes Machen; ihre privilegierten Bereiche sind die Politik und die Pädagogik (vgl. Böhm,1995, 20ff).

31 Aus dieser Setzung läßt sich auch eine implizite Erklärung für die Überwindung des Kapitalismus ableiten, wobei die Bedeutung gesellschaftlicher Strukturen jedoch völlig ausgeblendet wird.

32 Davon werden im weiteren Verlauf noch Elemente der Narration abzugrenzen sein, die zeigen, daß die Erforschung des Weltraums nicht ganz so selbstlos von statten geht, wie im ”offiziellen” Diskurs von TNG behauptet.

33 In die gleiche Kategorie fällt die Äußerung Matthew Arnolds (1869): ”Not a having and a resting, but a growing and becoming is the character of perfection as culture conceives it.” (zit. nach Boyd, 1996, 100)

34 Und genau hier zeigen sich auch die großen Leerstellen von TNG: Das soziale, politische oder ökonomische System werden kaum dargestellt, ebenso wie psychische Determinanten verneint werden. Behinderte gibt es in TNG überhaupt gar nicht, sieht man von Geordi ab, dessen VISOR aber zumindest im beruflichen Bereich jede Behinderung aufhebt, ja ihn sogar in den Stand versetzt, seine Arbeit als Ingenieur besser zu machen, als dies mit natürlichen Augen möglich wäre.

35 Das Muster eines solchen liberalistischen Subjekts ist Picard: ”...one of the show`s most developed characters ... : supremely rational, self-aware, self-motivated, and able to make choices.” (Boyd, 1996, 101); hinzufügen ließe sich noch: ... und mit vernünftigem Gefühl im kantschen Sinne versehen.

36 Als postmodern definiere ich, im Einklang mit Welsch (1997, 78), einen Standpunkt, der ”Pluralität, Diskontinuität, Antagonismus, Partikularität” (ebd.) im Wissen und der Gesellschaft, nicht nur konstatiert, wie es die Moderne getan hat, sondern darüberhinaus begrüßt: ”Die Postmoderne ... empfindet die Pluralität nicht als auferlegtes Schicksal, dem man ins ‘ernste Antlitz’ blicken muß, sondern erfährt sie als Befreiung und Chance, die es zu entwickeln gilt.” (ebd., 190)

37 so z.B. bei Lyotard, Foucault oder Derrida.

38 Dies gilt nicht zuletzt für die von europäischen Ländern kolonisierten Völker.

39 Foucault (vgl. 1999, 165ff) gesteht nicht einmal der Neuzeit eine kontinuierliche Fortentwicklung zu, bei ihm wurde ”Bruch, nicht Übergang ... zur Grundkategorie des Geschichtlichen.” (Welsch, 1997, 174)

40 Ausgangspunkt für die postmoderne Kritik am teleologischen Weltbild, waren die beiden großen Weltkriege des letzten Jahrhunderts, sowie der Holocaust; vor allem letzterer läßt sich, als Rückfall in die Barbarei, kaum innerhalb eines teleologischen Horizonts plausibilisieren.

41 Damit soll an dieser Stelle keine dezidiert fortschrittspessimistische Weltsicht propagiert werden; auch diese würde dem Bereich der Spekulation angehören.

42 Natürlich wäre noch eine religiöse Begründung möglich; diese spielt aber als Grundlage zur Herleitung universaler Werte m.E. heute nur noch eine untergeordnete Rolle.

43 Zum Enwurf einer Diskurs-Ethik vgl. Mackie (1990).

44 Man beachte bitte, daß es sich bei dieser Skizzierung um einen rein deskriptiven Ansatz handelt.

45 Hier zeigt sich ein Paradox des klassischen Humanismus: Dieser nimmt an, der Mensch sei mit freiem Willen begabt, läßt dem rational denkenden Individuum jedoch nur eine legitime Entwicklungsperspektive, jene zur Perfektibilität und einer Kultur der universalen Werte. Im postmodernen Denken hingegen eröffnen sich dem Individuum eine Vielzahl gleichrangiger Seinsmöglichkeiten, die jedoch als stärker kulturell determiniert begriffen werden.

46 Auf den Begriff Leistung ist hier bewußt verzichtet wurden, da eine bestimmte Leistung für verschiedene Individuen unterschiedlich aufwendig zu erbringen sein kann; betrachtet man die Gesellschaftsstruktur der Föderation unter Leistungsgesichtspunkten, so stellt man fest, daß die Chancengleichheit gegenüber den heutigen westlich- kapitalistischen Systemen erhöht ist, da es sich bei der Föderation um eine reine Meritokratie zu handeln scheint.

47 Angefangen hat die Kritik an diesen an Hegel angelehnten Postulaten nach Welsch (1997, 174) bereits im Historismus.

48...nichts desto trotz aber Teil der Mythen des common sense sind.

49 Aus postmoderner Sicht kommt allen positivistischen Setzungen ein solcher Charakter zu.

50 Eine solche Taktik verfolgt m.E. Lessing in Die Erziehung des Menschengeschlechts, einer Abhandlung, in der die Kritik am christlichen Glauben als logische Verlängerung eben dieses Glaubens dargestellt wird.

51 So argumentiert bereits Kant (1986[1797] 142), daß es "kein Recht des Aufstands..., noch weniger des Aufruhrs" gebe. Literarische Beispiele für einen solchen konservativen Diskurs finden wir in England reichlich, so z.B. Charles Dickens Barnaby Rudge, George Eliot Felix Holt, Charles Kingsley Alton Locke u.a., die sich alle implizit auf Comte und seine Theorie der social evolution beziehen. (Aus dem deutschen Sprachraum gibt es keine literarischen Beispiele, weil der deutsche ”poetische” Realismus aus vorgeblich ästhetischen Gründen von der Darstellung der Unterschicht abgesehen hat.) (Ausführlich dargestellt findet sich diese Thematik bei Bachleitner, 1993).

52 Die Naturgegebenheit gewinnt unter Verweis auf das Theorem der social evolution den Rang eines Fakts, so als wäre die Gesellschaftsordnung ein Naturgesetz; dies gilt jedenfalls solange man die Postulate der social evolution nicht hinterfragt. (vgl. auch Boyd (1996, 102) die darlegt, daß die Idee der social evolution auch mit historic necessity gleichgesetzt werden kann.)

53 Einmischung in die Angelegenheiten unterentwickelter Planeten verbietet die Oberste Direktive. Dieses Vorgehen weist deutliche Analogien zur US-amerikanischen Außenpolitik auf, die sich bei Interventionen in unterentwickelten Staaten, zumindest seit Ende des Kalten Krieges, weitaus zurückhaltender verhält, als bei solchen, die sich entwickelnde Staaten betreffen. - Verglichen mit der Föderation stellt Rutia 4 eine Analogie zu den Schwellenländern der real space time dar.

54 Wie das telos Movens der Historiographie ist, so ist die Perfektibilität Movens der Biographie.

55 Wer als Bürger zu gelten hatte, war jedoch hierbei eine Ansichtsfrage. Nur wenige 'Demokraten' hatten so radikale Ansichten hierüber wie Georg Büchner.

56 Als Beleg für diese Änderung im Diskurs verweise ich erneut auf die in Anm. 51 gennannte Literatur.

57...wobei auch erstere vom aufgeklärten Individuum anzuerkennen sind.

58 Immerhin war dies eine der Hauptforderungen der französischen Revolution.

59 Rassismus im engeren Sinne soll hier nur als Beispiel dienen, die gleichen Muster finden sich in neokonservativen Diskursen beim Rassismus im weiteren Sinne wieder, z.B. beim Umgang mit der gender-Thematik.

60 Nach Ono (1996, 158), zeigt sich hier der Unterschied zwischen Diskriminierung und Repression: ”...repression banishes its object into the unconscious, forgets and attempt to forget the forgetting, [wheras] discrimination must constantly invite its representations into consciousness, reinforcing the crucial recognition of difference.”

61 affirmative action wird im englischen Sprachraum für Programme zur Förderung Unterprivilegierter gebraucht.

62 Daß auch in dem utopischen Kontext von TNG Rassismus thematisierbar wäre, beweist die TOS-Folge BELE JAGT LOKAI. In dieser Folge trifft die alte Enterprise auf zwei Aliens, die sich auf den Tod hassen. Grund dafür ist die unterschiedliche Hautfarbe: Der eine ist auf der linken schwarz und auf der rechten Seite weiß, der zweite ist genau andersherum gefärbt, ansonsten sehen beide genau wie Menschen aus. Wie sich herausstellt, sind sie die letzten ihrer Rassen, die sich auf Grund des gegenseitigen Rassenhasses ausgerottet haben. - Hier wird Rassismus zwar auch an Aliens thematisiert, aber daß es sich hier um eine Metapher auf die Jetzt-Zeit der Bürgerrechtsbewegung handelt, ist äußerst offensichtlich.

63 Die Tatsache, daß die meisten in TNG auftretenden Spezies in der Lage sind, Nachkommen mit Menschen zu zeugen, deutet deutlich darauf hin, daß es in TNG im Kontakt mit dem Fremden nicht um Speziezismus sondern um Rassismus geht.

64 An dieser Stelle sei noch einmal auf Fußnote 51 verwiesen.

65 Hierunter fällt nicht nur der kategorische Imperativ, sondern vor allem Sozial-, Verhaltens- und Sexualnormen, sowie ästhetische Urteile, also all das was 'Kultiviertheit' ausmacht.

66 Die Tatsache, daß sich universale Werte nicht rational herleiten, sondern bestenfalls über den common sense plausibilisieren lassen (vgl. Mackie, 1990, 49) bedingt, daß dieser Bereich der bevorzugte Tummelplatz ideologischer Diskurse ist.

67 Ein Zustand, den wir auch heute noch haben: In der westlichen Kultur wird Bildung im allgemeinen nur dann ein Wert zugestanden, wenn sie sich durch Zertifizierung einer Bildungseinrichtung belegen läßt. Besonders im Bereich der Informationstechnologie läßt sich hier zwar zur Zeit ein Umbruch feststellen, dieser ist aber für den Produktionszeitraum von TNG noch nicht relevant.

68 Hier sei auf die 15.Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks verwiesen, die belegt, daß die soziale Herkunft einen deutlichen Einfluß auf den späteren Bildungsabschluß hat. So stammen nur 8% aller Studierenden aus einer ”niederen” sozialen Schicht, obwohl sie 33% aller Gymnasiasten und 52% ihres Jahrgangs stellen. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Angehöriger dieser Schicht studiert, liegt bei 7%. In Ländern, in denen Universitäten hohe Einschreibegebühren verlangen, dürfte dieses Verhältnis noch extremer ausfallen.

Ende der Leseprobe aus 108 Seiten

Details

Titel
"Star Trek - The Next Generation" als Paradigma konservativer Kulturkritik
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel
Note
1,0
Autor
Jahr
2000
Seiten
108
Katalognummer
V57700
ISBN (eBook)
9783638520621
ISBN (Buch)
9783638688505
Dateigröße
1353 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um eine Examensarbeit, die an der Universität Kiel auch als Magisterarbeit angenommen und beide Male mit Eins benotet wurde. Die Arbeit setzt sich ideologiekritisch mit dem Weltbild der beliebten Fernsehserie auseinander.
Schlagworte
Star, Trek, Next, Generation, Paradigma, Kulturkritik
Arbeit zitieren
Holger Götz (Autor:in), 2000, "Star Trek - The Next Generation" als Paradigma konservativer Kulturkritik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57700

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