Die Theorie der Schweigespirale nach Elisabeth Noelle-Neumann


Seminararbeit, 2006

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Schweigespirale
2.1 Die Konzeption
2.2 Die öffentliche Meinung
2.3 Die Massenmedien

3. Zusammenfassung der Kritik

4. Empirie und Fazit
4.1 Ein kleiner, empirischer Versuch
4.2. Fazit

5. Literaturangaben und Anhang

1. Einleitung

Es gibt nur wenige Theorien in den Kommunikationswissenschaften, die so kontrovers und heftig diskutiert worden sind, wie die Theorie der Schweigespirale von Elisabeth Noelle-Neumann. Das in den 1970er Jahren entstandene Werk Noelle-Neumanns „Die Schweigespirale – öffentliche Meinung – unsere soziale Haut“[1], wurde einerseits als neue, Bahn brechende Theorie der öffentlichen Meinung und andererseits als völliger Unsinn bezeichnet. Mit Hilfe ihrer Theorie versucht die Wissenschaftlerin in ihrem populären und aufwendig aufgemachten Buch Massenkommunikation und öffentliche Meinung zu assoziieren. Noelle-Neumann suchte weiterhin danach Politologie, Soziologie und andere Sozialwissenschaften in ihr neues Konzept mit einzubringen. In einer angeblich „ theorielosen Zeit“[2] geht Noelle-Neumann sowohl auf das Publikum als Rezipienten, als auch auf den Einfluss von Medien und Kommunikatoren ein und verursacht dadurch eine internationale Diskussion um die Schweigespirale.[3]

In der folgenden Proseminararbeit soll nun diese, anscheinend Aufsehen erregende Konzeption der Schweigespirale vorgestellt und die Kritik an der Theorie in Kürze erläutert werden. In einer abschließenden kleinen, empirischen Untersuchung inklusive eines Fazits soll danach herausgefunden werden, ob die Schweigespirale auch in der heutigen politischen Situation noch Aktualität besitzt oder nicht. Doch nun zunächst zum eigentlichen Konzept.

2. Die Schweigespirale

Die Theorie wurde von Noelle-Neumann mit besonderem Blick auf die Wirkung des Fernsehens konzipiert. Es ist eine Theorie der mächtigen Medien, die einen erheblichen Einfluss auf die jeweiligen Rezipienten haben können.[4] Nach der Schweigespirale kann eine verzerrte Medienberichterstattung im Laufe der Zeit Beeinflussungs-, und Wahrnehmungsvorgänge außer Kraft setzen, wodurch eine große, öffentliche Meinungsmanipulation in Gang gebracht werden kann.

2.1 Die Konzeption

Um dieses Axiom beweisen z können, geht Noelle-Neumann vor allem auf die Bundestagswahlen von 1965 und 1972 ein.[5] Die überraschend klare Niederlage der SPD 1965 stellte sie ebenso vor ein Rätsel, wie der Untergang der CDU/CSU bei den Wahlen 1972. In beiden Fällen sagten demoskopische Institute weitaus knappere Ergebnisse voraus Allensbach und Co prophezeiten ein Kopf und kopf rennen Voraus, in beiden Fällen landete die Siegerpartei jedoch bei fast 50%.[6] Nur durch das Fernsehen und in Folge des überzeugenderen Auftretens der Anhänger der jeweiligen Siegerpartei, sei die nach Noelle-Neumann zu erklären. Eine Schweigespirale ist also vor der Bundestagswahl in Gang gesetzt worden. Schweigespirale bedeutet also, dass eine reale Minderheitenmeinung durch unter anderem Massenmedien und die dort auftretenden Kommunikatoren, als Mehrheitsmeinung dargestellt werden kann.[7] Wenn zum Beispiel die Mehrheit der Deutschen nicht für die Todesstrafe wäre, in den Medien die Meinung pro Todesstrafe allerdings stark vertreten ist, erzeuge dies in den Menschen den Glauben, die Mehrheit sei tatsächlich für diese Bestrafungsform. Durch bestimmte menschliche Eigenschaften wird diese reale Minderheitenmeinung über die Massenmedien zur realen Mehrheitsmeinung. Die Folge: die Stimmung kippt. Medien sind also mit Hilfe von selbstbewusst auftretenden Kommunikatoren in der Lage, eine eigene Wirklichkeit aufzubauen, die eigentliche Majoritätsmeinung verstummt nach und nach und eine Schweigespirale wird in Gang gesetzt, an deren Ende ein Stimmungsumschwung steht. Dadurch dass viele Menschen, laut Noelle-Neumann, Angst davor haben sozial isoliert zu werden, akzeptiert die eigentliche Mehrheit die auftrumpfende Minderheit und übernimmt deren Meinung.[8] Der Mensch als „zoon politikon“[9] fürchtet Konformitätsdruck und Isolation und ergibt sich der „Tyrannei der Mehrheit“[10], er beginnt sogar die Meinung selbst ernsthaft zu verfechten. Neben Anpassungsdruck und Isolationsangst, macht Noelle-Neumann vor allem das so genannte „Quasi-statistische Wahrnehmungsverhalten“[11] für das Phänomen der Schweigespirale verantwortlich. Nach diesem Verhalten scannt jeder Mensch ständig seine Umwelt und die Mitmenschen nach dem jeweiligen Meinungsklima, um sich gegebenenfalls anzupassen. Nur tote Fische schwimmen also gegen den Strom. Menschen gehen mit dem Meinungsklima nicht nur aus Angst konform, sondern auch, weil sie sich, um ihre Zukunft kümmern wollen und um ihr eigenes Selbstbewusstsein zu stärken. Nur intellektuelle und höher gestellte Personen der Avantgarde[12] oder von ihrer Meinung sehr überzeugte Menschen, können diesen Einflüssen ausweichen und der Schweigespirale widerstehen. Mächtige Medien stehen also einem schwachen Menschen à la David Hume gegenüber, Menschen, die nicht einmal fähig sind, ihre eigene Meinung fest vertreten zu können.[13] Noelle-Neumann beweist ihre Theorie der Schweigespirale ebenfalls durch Anklänge verschiedener Theoretiker, wie John Locke[14], James Madison[15], Jean-Jacques Rousseau[16], Tocqueville[17], Edward Rose[18] und Walter Lippmann[19].

2.2 Die öffentliche Meinung

Der schwache Mensch steht also nach Noelle-Neumann einer übermächtigen öffentlichen Meinung gegenüber, er lässt sich größtenteils durch Anpassungs-, und soziale Ängste auf die andere Meinung ein. Der Konformitätsdruck wirkt sich sehr stark auf die Wechselwirkung zwischen Individuen und Massenmedien aus, so stark, dass sogar die Kommunikatoren, unter diesen Einfluss fallen.[20] Journalisten versuchen nach Noelle-Neumann also nicht böswillig andere Menschen zu manipulieren, sie sind selbst Teil und Teilopfer der Schweigespirale und lassen sich auf das Spiel zwischen Mehrheiten und Minderheitenmeinungen ein. Die öffentliche Meinung ist demnach auch ein sich auf die Journalisten auswirkendes, dynamisches Element, das umso stärker ist, die umfassender ein Meinungsumschwung in einer Gesellschaft ist.[21] Welcher Journalist würde es nach dem Triumph der Deutschen Fußball Nationalmannschaft gegen Argentinien bei der WM 2006 wagen, schlecht über die Spieler zu schreiben? Lafontaine hatte 1990 keine Chance gegen Kohl zu gewinnen, weil er sich kritisch bezüglich der Wiedervereinigung äußerte. Schröder passte sich der antiamerikanischen Stimmung 2003 an und verweigerte zumindest offiziell die Unterstützung beim Krieg gegen den Irak. So ist es eben auch bei den von Noelle-Neumann untersuchten Bundestagswahlen 1965 und 1972 gewesen. Alle diese Beispiele zeigen, neben den Eigenschaften der Menschen und dem starken Einfluss der Medien, hat vor allem die öffentliche Meinung eine enormen Einfluss auf die Entstehung der Schweigespirale besitzt.

2.3 Die Massenmedien

Durch starke Effekte bezüglich der Öffentlichkeit, Kumulanz und Konsonanz wirken besonders die als authentisch und suggestiv empfundenen Massenmedien, wie das Fernsehen stark auf die Menschen ein. Der Journalist kann oder muss als Gatekeeper dafür sorgen, die Nachrichten dementsprechend vorher zu selektieren, um einen starken Effekt auf die Rezipienten erreichen zu können, wobei er stets auch auf besagte öffentliche Meinung acht gegen muss.[22] Der Journalist nimmt so, bewusst oder unbewusst eine wirkende Rolle in der Theorie der Schweigespirale ein.[23] Fallen diese Gegebenheiten, also die Eigenschaften des Menschen, eine starke öffentliche Meinung, eine starke Minderheitenmeinung und geeignete Massenmedien zusammen, kann die genannte Schweigespirale entstehen. Nach Noelle- Neumann können nur dadurch die Bundestagswahlen 1965 und 1972 erklärt werden.[24] Dadurch dass jedoch immer eine Avantgarde, die von den Ereignissen nicht betroffen ist, bzw. ein beharrlicher, harter Kern übrig bleibt[25] kommt es zu keiner, dauerhaft festgelegten Meinung. Die Mehrheitsmeinung kann jederzeit oder besser gesagt mit der Zeit wieder umkippen, die Minderheitenmeinung kann dann wieder zur Mehrheit werden usw.[26] Im Gegensatz zu vielen anderen Theorien bleibt die Schweigespirale also eine dynamische Theorie, die eine besondere Rücksicht auf die Zeitkomponente nimmt.

Konkret noch einmal zusammengefasst bedeutet die Schweigespirale, dass eine faktische Minorität im Laufe der Zeit, über die Massenmedien und deren Kommunikatoren, unter Berücksichtigung der öffentlichen Meinung und der menschlichen Eigenschaften, zur Majorität werden kann und umgekehrt. Vor allem durch empirische Überprüfungen, versucht Noelle-Neumann, ihre Schweigespiralentheorie zu beweisen, was ihr angesichts der starken und harschen Kritik an ihrem Konzept offenbar nicht allzu sehr gelungen ist.

[...]


[1] (Vergleiche: Noelle-Neumann, Elisabeth: Die Schweigespirale – öffentliche Meinung – unsere soziale Haut; München 1980)

[2] (Vgl.: Atteslander, Peter: Ist Medieneinfluss bei Wahlen messbar?; in: Media Perspektiven, 9/80, S.600)

[3] (Deisenberg, Anna-Maria: Die Schweigespirale: Die Rezeption des Modells im In und Ausland, S.51ff.; München 1986)

[4] (Vgl.: Noelle-Neumann: Schweigespirale, S.13-21)

[5] (Vgl.: Noelle-Neumann, Elisabeth: The spiral of silence: A Theory crosses National Boundaries; in: Nimmo, Dan / Sounders, Keith / Lee Kaid, Lynda: Political Communications Yearbook; Illinois 1984)

[6] (Vgl.: Noelle-Neumann, Elisabeth: Das doppelte Meinungsklima in: Noelle-Neumann: Wahlentscheidung in der Fernsehdemokratie; Freiburg 1980)

[7] (Vgl.: Noelle Neumann: Die Schweigespirale, S.23-56)

[8] (Vgl.: Deisenberg: Die Schweigespirale, S.14)

[9] (Vgl.: Aristoteles: Nikomachische Ethik, Buch I; Stuttgart 2003)

[10] (Vgl.: de Tocqueville, Alexis: Über die Demokratie in Amerika, Stuttgart 2000)

[11] (Vgl.: Noelle-Neumann: Die Schweigespirale, S.27)

[12] (Vgl.: Deisenberg: die Schweigespirale, S. 17)

[13] (Vgl.: Hume, David: Untersuchungen über die Prinzipien der Moral, Kapitel II; Stuttgart 1984)

[14] (Vgl.: Noelle-Neumann: die Schweigespirale, S.96ff.)

[15] (Ebenda: S.103-110)

[16] (Ebenda: S.112-122)

[17] (Ebenda: S.124ff.)

[18] (Ebenda: S.132-135)

[19] (Ebenda: S.206-217)

[20] (Deisenberg: Die Schweigespirale, S.19)

[21] (Vgl.: Noelle-Neumann: Die Schweigespirale, S.137ff.)

[22] (Deisenberg: Die Schweigespirale, S.27ff.)

[23] (Lippmann, Walter: Die öffentliche Meinung; München 1964)

[24] (Noelle-Neumann: Die Schweigespirale, S.227-234)

[25] (Ebenda: S.200-204)

[26] (Ebenda: S.240ff.)

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die Theorie der Schweigespirale nach Elisabeth Noelle-Neumann
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (IFKw)
Veranstaltung
Medientheorien
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
15
Katalognummer
V57841
ISBN (eBook)
9783638521680
ISBN (Buch)
9783638775700
Dateigröße
597 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In dieser Proseminararbeit wird die kommunikationswissenschaftliche Theorie der Schweigespirale erläutert, analysiert und die Kritik an der Theorie zusammengefasst. Im Anschluss folgt eine empirische Untersuchung zur aktuellen politischen Lage, welche die Theorie Noelle-Neumanns bestätigen soll. Eine interessante Arbeit für Kommunikationswissenschaftler, Politikstudenten und alle, die empirische Analysen betreiben.
Schlagworte
Theorie, Schweigespirale, Elisabeth, Noelle-Neumann, Medientheorien, SPD, CDU/CSU, 1970er Jahre, Manipulation, Politik
Arbeit zitieren
Stefan Plenk (Autor:in), 2006, Die Theorie der Schweigespirale nach Elisabeth Noelle-Neumann, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57841

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