Das Beispiel der Stadt Sheffield im Norden Englands gilt als ein Musterbeispiel für den tief greifenden Strukturwandel, welcher in den letzten rund drei Jahrzehnten vielen altindustriellen Metropolen Westeruropas widerfahren ist. Im Zuge dieses Umbruches war eine Abkehr von traditionellen politischen und sozio-ökonomischen Paradigmen notwendig, um eine nachhaltige, wirtschaftliche Regeneration der Region zu bewirken. Insbesondere die Stichworte „public-private partnership“ oder „urban regeneration“ spielen in diesem regionalen Zusammenhang eine bedeutsame Rolle. Die vorliegende Hausarbeit gibt zunächst einen Überblick über die historisch gewachsenen Strukturen Sheffields und erläutert die Merkmale des ökonomischen Niedergangs der „old industries“ speziell in den 1970er und 1980er Jahren. Darauf basierend wird die Methodik diskutiert, mit der die regionale Politik und Wirtschaft die sozioökonomischen Krisentendenzen zu meistern versuchte.
Inhalt
1 Einleitung
2 Der historische Kontext von Sheffield
3 Der ökonomische Niedergang der „old industries“
4 Wege aus der Krise
4.1 Vom „municipal labourism“ zur „radical era“
4.2 Das Aufblühen der „public-private partnerships“
4.2.1 Die Universiade 1991
4.2.2 Cultural industries quarter (CIQ)
4.2.3 Regenerierung des Stadtzentrums
4.3 Sozio-ökonomische Auswirkungen
5 Zusammenfassung
Literatur
1 Einleitung
Das Beispiel der Stadt Sheffield im Norden Englands gilt als ein Musterbeispiel für den tief greifenden Strukturwandel, welcher in den letzten rund drei Jahrzehnten vielen altindustriellen Metropolen Westeruropas widerfahren ist. Im Zuge dieses Umbruches war eine Abkehr von traditionellen politischen und sozio-ökonomischen Paradigmen notwendig, um eine nachhaltige, wirtschaftliche Regeneration der Region zu bewirken. Insbesondere die Stichworte „public-private partnership“ oder „urban regeneration“ spielen in diesem regionalen Zusammenhang eine bedeutsame Rolle.
Die vorliegende Hausarbeit gibt zunächst einen Überblick über die historisch gewachsenen Strukturen Sheffields und erläutert die Merkmale des ökonomischen Niedergangs der „old industries“ speziell in den 1970er und 1980er Jahren. Darauf basierend wird die Methodik diskutiert, mit der die regionale Politik und Wirtschaft die sozio-ökonomischen Krisentendenzen zu meistern versuchte.
2 Der historische Kontext von Sheffield
Sheffield liegt ca. 250 km von London entfernt im Norden Englands und gehört zum County von South Yorkshire (Sonntag & Lang 2005:21). Die Stadt Sheffield ist auch als so genannte „Steel city“ bekannt. Dieser Beiname spielt auf den Status als weltweites Zentrum der Eisen- und Stahlerzeugung an (Cochrane 1993:120). Diese industrielle Tradition reicht bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts zurück und führte im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung des 19. Jahrhunderts dazu, dass sich Sheffield zu einem der größten Industriezentren Europas entwickelte. Strategische Wettbewerbsvorteile erarbeitete sich die dortige Metall-Industrie nach Tweedale (1993:13) durch die Spezialisierung auf Schneidwaren, Kleinwerkzeuge und insbesondere „crucible steel“ (Tiefgußstahl). Weiterhin von Nutzen war die relative Nähe zu Gebieten in South Yorkshire und North Nottingham-Derbyshire, in denen eine intensive Kohleförderung stattfand (Sonntag & Lang 2005:21).
Während des ökonomischen Aufstiegs wuchs laut Darke (1993:230) die Einwohnerzahl Sheffields im Zeitraum zwischen 1800 und 1900 von 40.000 um das Zehnfache auf rund 400.000 Bürger. Als „Hochburg“ der Schwer-Industrie kristallisierte sich dabei der östlich vom Stadtzentrum gelegene Bezirk Lower Don Valley heraus (Raco 1997:386; Lawless & Gore 1999:529).
Auf kommunalpolitischer Ebene etablierte sich aufgrund des hohen Arbeiteranteils seit Beginn des 20. Jahrhunderts die Labour-Partei als dominierende Kraft (Clavel & Kraushaar 1998:148). Sheffield galt laut Cochrane (1993:120) als Musterbeispiel des englischen „municipal labourism“. Diese Form der Lokalpolitik sieht ihre Hauptaufgabe in der Bereitstellung von Versorgungsdienstleistungen speziell im Bildungs- und Sozialbereich (Lawless 1990:136). Weiterhin betonen Imrie & Raco (1999:60) den hohen Einfluss von Gewerkschaften auf kommunale politische Entscheidungsprozesse.
3 Der ökonomische Niedergang der „old industries“
Die Metallindustrie Sheffields erlangte ihre internationale Vormachtstellung laut Hayter & Patchell (1993:1430) sowohl durch die Hochwertigkeit ihrer Produkte als auch durch eine ausgeprägte Innovationsfähigkeit. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die positive Entwicklung des Standortes Sheffield weiterhin durch die enorme Nachfrage nach Metallprodukten während der zwei Weltkriege gefördert (Lawless 1990:134). Gebremst wurde diese Entwicklung in den 60er und 70er Jahren, als die Nachfrage nach Metallwaren stagnierte. Insbesondere das Investitionsvolumen aus den Bereichen Automobil-, Schiffs- und Flugzeugbau nahm in diesem Zeitraum stetig ab (Tweedale 1995:339). Flankiert wurde der Niedergang durch eine zunehmende Konkurrenz aus Deutschland, Frankreich, Japan und auch Schwellenländern wie Brasilien. So entwickelte sich laut Tweedale (1993:337) das Vereinigte Königreich innerhalb von 25 Jahren vom größten Rohstahlexporteur (1950) zu einem Netto-Importeur (1975). In diesem Zeitraum gingen auch ca. 48.000 Arbeitsplätze in der Metallindustrie Sheffields verloren (Darke 1993:231).
Allerdings fand der rapide sozio-ökonomische Einbruch erst Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre statt. Trotz der schleichenden Krise waren bis zu dieser Zeit noch 40 % der Arbeitsplätze im Metall- und Bergbausektor angesiedelt. Der globale Marktbedarf für Metallwaren war allerdings damals an einem Tiefpunkt angelangt. Zudem betont Lawless (1990:138), dass die Politik der Thatcher-Regierung besonders alte Industrien traf. Ein überbewerteter Pfund, ein hoher Zinssatz und immense Einsparungen an Infrastruktur-Investitionen flankierten den Niedergang vieler „old industries“ Englands.
Nach Digaetano & Lawless (1999:552) sank von 1980 bis 1990 die Anzahl der Arbeiterschaft in der Sheffielder Fertigungsindustrie von ca. 85.800 auf 49.250. Im Zeitraum zwischen 1978 und 1984 stieg die Arbeitslosenquote von 4 % auf 18 %, wobei 1978 der nationale Durchschnitt 6 % betrug (Dabinett & Graham 1994:607f.). Derzeit sind laut Wood et al. (2004:423) noch ca. 36.000 Arbeiter in der Sheffielder Fertigungsindustrie tätig.
Der hohe Verlust an Arbeitsplätzen in den „old industries“ konnte durch die anderen Sektoren nur ungenügend aufgefangen werden. Sonntag & Lang (2005:24) sprechen für das County South Yorkshire von einem Netto-Verlust von 92.000 Arbeitsplätzen zwischen 1971 und 1997. Im Vergleich mit den benachbarten Städten Leeds oder Manchester befand sich in Sheffield nur ein geringer Anteil an Unternehmen aus wachsenden Wirtschaftszweigen wie Finanzdienstleistungen oder dem High-Tech-Bereich. Seit den 70er Jahren siedelten sich allerdings einige größere Finanzkonzerne wie z.B. die Midland Bank in Sheffield an (Lawless 1990:134f.). Dadurch stieg der regionale Anteil des tertiären Sektors, jedoch maßgeblich unterstützt durch den hohen Verlust an Arbeitsplätzen im industriellen Sektor (Tabelle 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Sektorale Entwicklung der Arbeitsplätze in Sheffield (aus Dabinett & Graham 1994:607)
4 Wege aus der Krise
Die in den 1980er Jahren auftretenden Krisensymptome in der sozio-ökonomischen Entwicklung Sheffields konnten nur durch einen konsequenten Wandel der lokalen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen gemeistert werden. Im Folgenden sollen deshalb einige elementare Punkte der daraus entstandenen Programme erläutert und diskutiert werden.
4.1 Vom „municipal labourism“ zur „radical era“
Auf politischer Ebene beherrschte die Labour-Partie seit Mitte der 1920er Jahre fast durchweg die kommunale Verwaltung (Darke 1993:231). Vertreten wurde die lokale Labour-Fraktion laut Lawless (1990:137) hauptsächlich durch Politiker, die eng mit Gewerkschaften zusammenarbeiteten und den Leitgedanken des keynesianischen Wohlfahrtsstaates pflegten. Daraus entwickelte sich der bereits erwähnte „municipal labourism“ oder auch „municipal socialism“ mit seinem Focus auf Wohnungs- und Verkehrsbau und der Bereitstellung von Sozial- und Bildungsleistungen (Digaetano & Lawless 1999:564).
Anfang der 1980er Jahre wurde dieses Paradigma allerdings zunehmend untergraben. Zum einen strich der Staat in der Thatcher-Ära verstärkt Gelder für Wohlfahrts-Leistungen. Auf der anderen Seite brach in Sheffield aufgrund des Niedergangs der „old industries“ die sozio-ökonomische Basis für die bisherige „Arbeiterpolitik“ weg (Cochrane 1993:120f.). Eine Neuorientierung in der lokalen Politik war somit unumgänglich. In diesem historischen Kontext kam es – wie auch in anderen englischen Städten - zum Aufstieg der „new urban left“ bzw. „new labour“ (Dulac & Henry 2001:52f.). Diese Richtung wurde von jungen, liberalen Politikern repräsentiert, welche von der traditionellen Linie der Labour-Party abrückten (Niemi 2001:24). „New labour“ läutete die von Lawless (1990:142) als „Radical Era“ bezeichnete Phase der ökonomischen Regeneration ein. Zur Bewältigung der Krisentendenzen wurde in den frühen 1980er Jahren von der Sheffielder Führung das „Department of Employment and Economic Development“ (DEED) eingerichtet. Diese Institution setzte ein vielfältiges Programm zur Eindämmung des Arbeitsplätzeabbaus ein. Es umfasste laut Darke (1993:232f.) insbesondere Maßnahmen zur Aus- und Weiterbildung sowie Umschulung, aber auch zur Unterstützung von kommunalen Betrieben und öffentlich geförderter Arbeit. Diese Wirtschaftspolitik war aber laut Digaetano & Lawless (1999:565) bei weitem nicht in der Lage, die Folgen der massiven Deindustrialisierung der „old industries“ zu kompensieren. Zudem entstand ein Konflikt zwischen der Lokalverwaltung Sheffields und der konservativen Zentralregierung Thatcher, da die Lokalpolitik die strenge Ausgabenkontrolle der Landesregierung nicht akzeptieren wollte. Die Konfrontation eskalierte laut Darke (1993:233f.) 1985, als der Sheffielder Magistrat das von der Thatcher-Regierung eingeführte „rate-capping“ – die Festlegung der Obergrenze für kommunale Ausgaben – missachten wollte. Aufgrund der drohenden Konsequenzen (u.a. private Haftung der Stadtratsmitglieder für die dadurch aufkommenden Kosten) gab der Magistrat schließlich nach.
[...]
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.