Sowohl bei Lessing als auch bei Schiller erkennt man die überragende Bedeutung der Familie als Ort und Bezugspunkt des Dramas. Die Ideologie der Familie als Liebes- und Vertrauensverhältnis, als Maßstab für Stabilität und Harmonie. Auffallend ist jedoch, dass in den jeweiligen Dramen die Mittelpunktstellung der Mutter und der Ehefrau innerhalb der Familie fehlt. Beide Familien werden von dem Vater dominiert. Die Familie Galotti stellt keine ideale Familie dar, da Odoardo Galotti allein auf dem Land wohnt und somit seine Frau Claudia und seine Tochter Emilia allein in der Residenzstadt zurücklässt, die er damit den Gefahren des Hofes aussetzt. Odoardo Galotti schwankt zwischen Herrschaft und Liebe zu seiner Tochter, und erträumt sich eine ideale Familiengemeinschaft. Diese sieht er für seine Tochter verwirklicht, wenn Emilia mit Appiani in „Unschuld und Ruhe“ fern vom Hofe in dessen „väterlichen Tälern“ leben soll (II, 4; S.25). Aber andererseits entspricht er selbst kaum diesem Ideal eines auf Liebe und Empfindung eingestellten Vaters, denn die Gefühlswelt bleibt ihm weitgehend verschlossen: „Weinen konnt’ ich nie!“ (V, 2; S. 75). Odoardo ist geprägt von Misstrauen und Sorge um Emilia. Seine Sorge und die damit verbundene innere Unruhe versucht er vor Claudia nicht zu zeigen, da er seine Autorität bewahren möchte. Emilia geht allein in die Kirche, was Misstrauen beim Vater auslöst, denn „Einer ist genug zu einem Fehltritt!“ (II, 2; S.22). Trotzdem erkundigt er sich nur beiläufig: „Wo ist Emilia?“ (II, 2; S.21) und beantwortet die besorgte Frage selbst mit einer scheinbar einleuchtenden Aussage: „Unstreitig beschäftigt mit dem Putze? -“ (II, 2; S.21). Emilia ist ein bürgerliches Mädchen, dessen Erfahrungshorizont durch die strenge Erziehung und Religiosität bestimmt ist. Ihre Hochachtung vor dem Adel und somit vor dem Prinzen ist tief sitzend, so dass sie nicht einmal einen verächtlichen Blick wagt, als der Prinz sie in der Kirche aufsucht. Sie ist völlig verstört und kommt erst wieder zur Besinnung, als sie sich in der Sicherheit der gewohnten Umgebung weiß, in ihrem Elternhaus. Emilia ist verwirrt nach ihrem Besuch in der Kirche. „Ausgerechnetam Tage der Hochzeit fühlt sie Zuneigung zu einem anderen Mann, dieses ausgerechnet in der Kirche (dem Symbolort für Keuschheit und Reinheit in der Glaubenskonzentration) und ausgerechnet bezogen auf jenen Mann, der als Inkarnation der Verwerflichkeit als Liebhaber und Regent steht. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Verhältnis Emilias und Luises zu ihren Vätern
- Konstellation Adel – Bürgertum - Die Liebe in den Dramen
- Die Intrigen und ihre schicksalhaften Folgen
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit analysiert die Parallelen zwischen den Frauenschicksalen in Lessings „Emilia Galotti“ und Schillers „Kabale und Liebe“. Die Arbeit untersucht die Beziehungen der Protagonistinnen zu ihren Vätern, die Rolle der ständischen Ordnung und den Einfluss von Liebe und Intrigen auf ihre Schicksale.
- Die Bedeutung der Familie und Vater-Tochter-Beziehung in den Dramen
- Die Konflikte zwischen bürgerlicher Moral und adeliger Macht
- Die Rolle von Liebe und Intrigen in der Gestaltung des Schicksals
- Die Darstellung von Opferbereitschaft und Selbstaufgabe der weiblichen Protagonistinnen
- Der Einfluss der gesellschaftlichen Ordnung auf die Möglichkeiten der Figuren
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die beiden Dramen „Emilia Galotti“ und „Kabale und Liebe“ vor und erläutert den Fokus der Arbeit auf die vergleichende Analyse der Frauenschicksale.
- Das Verhältnis Emilias und Luises zu ihren Vätern: Dieses Kapitel analysiert die Vater-Tochter-Beziehung in beiden Dramen. Es werden die Erziehung der Protagonistinnen, die Rolle der Väter in der Familie und die Auswirkungen des elterlichen Einflusses auf die Entscheidungen der Töchter beleuchtet.
- Konstellation Adel - Bürgertum - Die Liebe in den Dramen: In diesem Kapitel werden die Konflikte zwischen den Ständen und die Auswirkungen der Liebe auf die Protagonistinnen untersucht. Die Analyse zeigt, wie der gesellschaftliche Kontext die Möglichkeiten der Figuren einschränkt und zu tragischen Entscheidungen führt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit widmet sich der Analyse der Dramen „Emilia Galotti“ und „Kabale und Liebe“ mit besonderem Fokus auf die Frauenschicksale der Protagonistinnen Emilia und Luise. Die Arbeit untersucht die Beziehungen der Figuren zu ihren Vätern, die Konflikte zwischen Bürgertum und Adel sowie die Rolle von Liebe und Intrigen. Die zentralen Themen der Arbeit sind: Vater-Tochter-Beziehung, ständische Ordnung, Liebe, Moral, Intrige, Opferbereitschaft, Tragödie.
- Arbeit zitieren
- Sabrina Hoffmann (Autor:in), 2004, Emilia Galotti und Luise Miller - Zwei Frauenschicksale, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57910