Eine Analyse des Erzählsystems bezüglich des vorliegenden Textes verlangt nach einer Betrachtung der verschiedenen erzähltechnischen Kategorien und ihrer Verknüpfungen. Das scheinbar äußerliche Bild eines Textes beschreibt nach Petersen, ob der Text in „Ich - Form“ oder in „Er - Form“ erzählt wird. Petersen bezeichnet dieses als „Erzählsystem.“ Der Text „Par l´Amour“ von Franz Werfel wird in Er - Form erzählt. Auf diese Art und Weise wirkt die Geschichte nicht dermaßen individuell eingegrenzt, wie dieses bei ichhaftem Erzählen der Fall gewesen wäre. Der Er-Erzähler bindet sich folglich sehr nah an die handelnde Figur, d.h. er legt seinen „Erzählerstandort“ nah an die Figur Bertrands. Er kennt sowohl seine Gefühle und Gedanken, als auch seine Vergangenheit. Bertrand pflegte sich während der täglichen Fahrzeiten gewöhnlich in seine Zeitung zu vertiefen, wobei <vertiefen> einen übertriebenen Ausdruck für oberflächlich schläfriges Zeilenschlucken und Sogleich - Vergessen bedeutet. Jedoch ist es dem Erzähler nicht möglich, die inneren Vorgänge aller an der Situation beteiligten Personen zu kennen. So beschreibt er die junge Dame (die Lesende) lediglich äußerlich, ohne etwas über ihre Gefühls- und Gedankenwelt zu sagen. Eine Allwissenheit über die Vorgänge kann dem Erzähler also nicht attestiert werden. Die „Erzählperspektive“ ist somit gespalten und entspricht dem „point of view“ (Erzählerstandort). D.h., auf Bertrand bezogen hat der Narrator eine Innensicht, er kennt alle inneren Vorgänge Bertrands und weiß um dessen Gefühle. In Bezug auf die Lesende steht ihm jedoch nur die Außensicht zur Verfügung. Dieses erklärt sich dadurch, daß das „Erzählverhalten“ des Narrators als personal einzustufen ist, da er die Optik Bertrands wählt, also quasi durch dessen Augen die Szenerie beschreibt. „Bertrand konnte nichts vom Gesicht sehen.“ Es liegt jedoch kein rein personales Erzählverhalten vor, da der Erzähler zwar überwiegend die Optik Bertrands inne hat, aber vereinzelt auch seine eigene Sehweise der Dinge in die Erzählung mit einbringt. Dieses Verhalten bezeichnet man auch als auktoriales Erzählverhalten. „...ein erstaunliches Fremdwort übrigens, dieses Ohnsorg, das aus dem Sprachschatz des glücklichen Frankreich noch immer nicht geschwunden ist.“ [...]
Inhaltsverzeichnis
- Analyse der Erzählstruktur
- „Ich“
- Verschiedene Techniken: Iterative Raffung, dehnendes Erzählen, außerzeitliche Erzählweise, etc (nach Lämmert)
- Das erzähltechnische Verfahren der Bewußtseinsdarstellung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit analysiert die Erzählstruktur von Franz Werfels „Par l'Amour“ und untersucht verschiedene erzähltechnische Kategorien und ihre Verknüpfungen.
- Analyse des Erzählsystems, einschließlich Erzählform, Erzählerstandort, Erzählperspektive und Erzählverhalten
- Untersuchung der verschiedenen erzähltechnischen Verfahren, die Werfel in seiner Geschichte einsetzt, wie iterative Raffung, dehnendes Erzählen, außerzeitliche Erzählweise und Aussparung
- Bedeutung der Bewußtseinsdarstellung in der Erzählung und ihre Funktion für die Darstellung der Gedanken und Gefühle des Protagonisten
- Zusammenhang zwischen Erzählstruktur und der kritischen, lächerlich machenden „Erzählhaltung“
- Analyse der Diskrepanz zwischen realer Zeit und irrealer Zeit im Kontext des Traums des Protagonisten
Zusammenfassung der Kapitel
- Der erste Abschnitt der Arbeit untersucht die Erzählform, den Erzählerstandort, die Erzählperspektive und das Erzählverhalten von „Par l'Amour“. Es wird festgestellt, dass Werfel die Geschichte in der Er-Form erzählt, mit einem personalen Erzählverhalten, das jedoch auktoriale Tangenten aufweist.
- Im zweiten Abschnitt werden verschiedene erzähltechnische Verfahren analysiert, die Werfel verwendet, um die Geschichte zu erzählen. Dazu gehören die iterative Raffung, das dehnende Erzählen, die außerzeitliche Erzählweise und die Aussparung. Es wird gezeigt, wie diese Techniken die Erzählzeit und die erzählte Zeit in Beziehung setzen und zur Charakterisierung der Figuren und ihrer inneren Vorgänge beitragen.
- Der dritte Abschnitt analysiert die Bewußtseinsdarstellung in der Geschichte und wie Werfel die Gedanken und Gefühle des Protagonisten Bertrand darstellt. Die Analyse zeigt, dass Werfel verschiedene erzähltechnische Verfahren einsetzt, um die inneren Vorgänge des Protagonisten zu veranschaulichen.
Schlüsselwörter
Erzählstruktur, Erzählsystem, Erzählform, Erzählstandort, Erzählperspektive, Erzählverhalten, iterative Raffung, dehnendes Erzählen, außerzeitliche Erzählweise, Aussparung, Bewußtseinsdarstellung, Franz Werfel, „Par l'Amour“
- Arbeit zitieren
- Tobias Südkamp (Autor:in), 1998, Bauformen erzählender Prosa am Beispiel von Franz Werfels Par l´amour, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57965